Staatsvertrag
über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt in Zwickau
Vom 15. April 2014
Der Freistaat Sachsen
vertreten durch den Ministerpräsidenten
und der Freistaat Thüringen
vertreten durch die Ministerpräsidentin
schließen nachstehenden Staatsvertrag:
Präambel
1Der Freistaat Sachsen und der Freistaat Thüringen haben die Intensivierung der Zusammenarbeit der Länder beschlossen. 2Ausgehend von der bereits bestehenden und erfolgreichen Zusammenarbeit der Justizressorts im Bereich Justizvollzug soll eine gemeinsame Justizvollzugsanstalt erbaut und betrieben werden. 3Ziel ist es, einen modernen, humanen, wirtschaftlichen und sicheren Justizvollzug durch beide Länder zu gewährleisten. 4Um den Geist des gemeinsamen Betriebs der Justizvollzugsanstalt weiter mit Leben zu erfüllen, werden bei Bau und Betrieb der Anstalt sowohl die wirtschaftlichen als auch die Beschäftigungsinteressen beider Länder gleichberechtigt berücksichtigt. 5Insbesondere werden, soweit es rechtlich zulässig ist, Ausschreibungen und sonstige Vergabeverfahren für Beschaffungen und Leistungen in beiden Ländern vorgenommen.
Artikel 1
Allgemeines und Zuständigkeit der
gemeinsamen Justizvollzugsanstalt
(1) Der Freistaat Sachsen und der Freistaat Thüringen (Vertragspartner) errichten eine gemeinsame Justizvollzugsanstalt mit 820 Haftplätzen in Zwickau-Marienthal.
(2) 1Die gemeinsame Justizvollzugsanstalt dient der Unterbringung männlicher, erwachsener Strafgefangener und Untersuchungsgefangener. 2Sie ist zuständig für den Gefangenensammeltransport der Vertragspartner.
(3) In der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt stehen dem Freistaat Sachsen 450 Haftplätze und dem Freistaat Thüringen 370 Haftplätze zur Verfügung (Verteilungsschlüssel).
Artikel 2
Betrieb und anzuwendendes Landesrecht
(1) 1Der Freistaat Sachsen betreibt die gemeinsame Justizvollzugsanstalt. 2Es gilt das Recht des Justizvollzugs des Freistaats Sachsen, soweit nicht Bundesrecht Anwendung findet.
(2) Die gemeinsame Justizvollzugsanstalt unterliegt der Dienst- und Fachaufsicht des Freistaats Sachsen; sie wird vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa wahrgenommen.
(3) Auf die Rechtsverhältnisse der Bediensteten der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt werden, sofern nicht bundesgesetzliche Vorschriften gelten, die Vorschriften des Freistaats Sachsen angewendet.
Artikel 3
Planung und Errichtung der
gemeinsamen Justizvollzugsanstalt
(1) Die Vertragspartner werden entsprechend dem Verteilungsschlüssel Miteigentümer der Grundstücke, auf denen die gemeinsame Justizvollzugsanstalt errichtet wird.
(2) 1Bauherr ist der Freistaat Sachsen. 2Das Bauwerk wird in Kompaktbauweise in Anlehnung an die Bauweise der Justizvollzugsanstalt Dresden errichtet. 3Für die Bauplanung und -ausführung gelten die gesetzlichen Bestimmungen und die für die Durchführung von Bauaufgaben geltenden Verwaltungsvorschriften des Freistaats Sachsen.
(3) 1Die Vertragspartner erstellen einvernehmlich eine quantitative und qualitative Bedarfsanforderung. 2Diese bedarf der einvernehmlichen haushaltsmäßigen Genehmigung durch die für Finanzen zuständigen Ministerien der Vertragspartner.
(4) Die haushaltsmäßige Genehmigung der Baubedarfe und nachträglicher Änderungen erfolgt einvernehmlich durch die für Finanzen zuständigen Ministerien der Vertragspartner.
(5) 1Mit Inkrafttreten dieses Staatsvertrags wird eine paritätisch besetzte Baukommission eingerichtet. 2Das Nähere regelt eine Verwaltungsvereinbarung.
Artikel 4
Finanzierung der Grunderwerbs-,
Bau- und Erstausstattungskosten
1Die Vertragspartner tragen die Kosten des Grunderwerbs, der Bewirtschaftung, die Planungs- und Baukosten und die Kosten der Erstausstattung entsprechend dem Verteilungsschlüssel. 2Das Nähere regelt eine Verwaltungsvereinbarung.
Artikel 5
Finanzierung des laufenden Betriebs
(1) 1Die Kosten des laufenden Betriebs der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt, einschließlich der Personal-, Bauunterhalts-, Investitionskosten und Kosten für Kleine und Große Baumaßnahmen, tragen die Vertragspartner entsprechend dem Verteilungsschlüssel. 2Zur Ermittlung der Kosten wird in der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt ein doppisches Verfahren eingeführt.
(2) 1Der Freistaat Thüringen leistet seinen Beitrag am Finanzierungsbedarf der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt vierteljährlich an den Freistaat Sachsen. 2Es erfolgt zwischen den Vertragspartnern ein jährlicher Ausgleich.
(3) 1Die doppischen Jahresabschlüsse der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt werden durch eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft. 2Die Rechte und Befugnisse der Rechnungshöfe der Vertragspartner bleiben unberührt.
(4) Mit Inkrafttreten des Staatsvertrags wird eine Haushaltskommission eingesetzt.
(5) Das Nähere regelt eine Verwaltungsvereinbarung.
Artikel 6
Gemeinsame Vollzugskommission
(1) Zur Sicherung der Einflussmöglichkeiten der Vertragspartner auf Fragen des laufenden Betriebs der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt einschließlich der Sicherung einer einheitlichen Vollzugsgestaltung wird mit Inbetriebnahme der Justizvollzugsanstalt eine paritätisch besetzte Gemeinsame Vollzugskommission eingerichtet.
(2) 1Die Gemeinsame Vollzugskommission hat vier Mitglieder. 2Sie setzt sich aus je zwei Vertretern der für Justizvollzug zuständigen Ministerien der Vertragspartner zusammen.
(3) Der Leiter der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt unterrichtet die Gemeinsame Vollzugskommission regelmäßig und anlassbezogen über den laufenden Betrieb.
(4) Das Nähere regelt eine Verwaltungsvereinbarung.
Artikel 7
Personal
(1) Die Bediensteten der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt werden bei Inbetriebnahme entsprechend dem Verteilungsschlüssel durch die Vertragspartner gestellt.
(2) 1Thüringer Beamte werden grundsätzlich im Wege der Versetzung an den Freistaat Sachsen abgegeben, Tarifbeschäftigte werden im Wege der Personalgestellung dem Freistaat Sachsen überlassen. 2Die Möglichkeit des Freistaats Sachsen, Tarifbeschäftigte des Freistaats Thüringen im Wege der Verbeamtung oder durch Vertrag zu übernehmen, bleibt unberührt.
(3) Das Nähere regelt eine Verwaltungsvereinbarung.
(4) 1Die Vertragspartner stellen die Voraussetzungen der länderübergreifenden Versetzung der Beamten sicher. 2Soweit erforderlich, werden sie dafür landesgesetzliche Vorschriften anpassen oder schaffen.
(5) 1Für die von Thüringen nach Sachsen versetzten Beamten wird gemäß § 8 Abs. 3 des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags ( VLT-SV) vom 26. Januar 2010 (SächsGVBl. S. 265); vom 9. September 2010 (ThürGVBl. S. 285) abweichend von § 8 Abs. 2 VLT-SV vereinbart, dass die Abfindung innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Versorgungsfalls oder dem Zeitpunkt eines erneuten Dienstherrenwechsels, der die Voraussetzungen des § 3 VLT-SV erfüllt, fällig wird. 2Bei der Berechnung des Abfindungsbetrags werden die zum Zeitpunkt der Versetzung nach § 5 VLT-SV maßgeblichen Bezüge bis zum Tag vor der Versetzung in den Ruhestand oder eines erneuten Dienstherrenwechsels entsprechend den linearen Anpassungen in Thüringen dynamisiert.
(6) Über die Besetzung der Stelle des Leiters der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt und seines ständigen Vertreters entscheiden die Vertragspartner im Einvernehmen.
Artikel 8
Vertragslaufzeit, Kündigung und
Auseinandersetzung sowie Schiedsklausel
(1) Dieser Staatsvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
(2) 1Dieser Staatsvertrag kann ordentlich von einem Vertragspartner, frühestens nach Ablauf von 30 Kalenderjahren ab der förmlichen Übergabe der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt an die nutzende Dienststelle, mit einer Frist von drei Jahren zum Schluss eines Kalenderjahres gekündigt werden. 2Die Kündigung bedarf der Schriftform.
(3) Die Vertragspartner verpflichten sich zur Führung von Nachverhandlungen, sofern sich während der Laufzeit dieses Staatsvertrags Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art ergeben, die Auswirkungen auf die Vertragsdurchführung haben.
(4) 1Zur Auseinandersetzung nach einer Kündigung ist bis zum Vertragsende eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung abzuschließen. 2Hierbei ist auch eine Regelung zum Ausgleich des Restwertes und der Kosten, die den Vertragspartnern durch die Kündigung entstehen, zu treffen.
(5) 1Über Streitigkeiten in den Nachverhandlungen nach Absatz 3 oder in der Auseinandersetzung nach Absatz 4 sowie über Streitigkeiten über die Auslegung der auf diesem Staatsvertrag beruhenden Verwaltungsvereinbarungen wird in einem schiedsrichterlichen Verfahren entschieden. 2Auf das Verfahren finden die Bestimmungen des Zehnten Buches der Zivilprozessordnung in der zum Zeitpunkt des schiedsrichterlichen Verfahrens geltenden Fassung Anwendung. 3Das Schiedsgericht besteht aus dem Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts als vorsitzendem Mitglied und aus zwei weiteren Mitgliedern, die von den Vertragspartnern gemeinsam benannt werden. 4Die weiteren Mitglieder dürfen zum Zeitpunkt ihrer Benennung nicht Mitglied der Gemeinsamen Vollzugskommission sein. 5Sie müssen die Befähigung zum Richteramt inne haben.
Artikel 9
Inkrafttreten
1Dieser Staatsvertrag bedarf der Ratifikation. 2Er tritt nach Zustimmung der verfassungsmäßig berufenen Organe der Vertragspartner am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgt. 1
Für den Freistaat Sachsen
Der Ministerpräsident
Für den Freistaat Thüringen
Die Ministerpräsidentin