Historische Fassung war gültig vom 01.08.2010 bis 24.05.2018

Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
über die Härtefallkommission nach dem Aufenthaltsgesetz
(Sächsische Härtefallkommissionsverordnung – SächsHFKVO)

Vom 6. Juli 2010

Aufgrund von § 23a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthaltsgesetzAufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 4 Abs. 5 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437, 2440) geändert worden ist, wird verordnet:

§ 1
Einrichtung

(1) Beim Staatsministerium des Innern ist eine Härtefallkommission nach § 23a Abs. 1 AufenthG eingerichtet.

(2) Der Staatsminister des Innern ernennt nach Prüfung der Eignung nach Satz 4 acht Mitglieder. Je ein Mitglied wird auf Vorschlag der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, des Bistums Dresden-Meißen, des Sächsischen Flüchtlingsrates e. V., der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände in Sachsen, des Staatsministeriums des Innern, des Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz, des Sächsischen Städte- und Gemeindetages e. V. und des Sächsischen Landkreistages e. V. ernannt. Für jedes Mitglied ist ein Vertreter vorzuschlagen und zu ernennen. Die vorgeschlagenen Mitglieder und ihre Vertreter sollen über Kenntnisse des Aufenthalts- und Asylrechts oder über Erfahrungen in der Flüchtlingsberatung verfügen. Die Mitglieder und die Vertreter werden für zwei Jahre ernannt; Wiederernennungen sind zulässig.

(3) Der Ausländerbeauftragte ist für die Dauer seiner Amtszeit Mitglied der Härtefallkommission, sofern er schriftlich sein Einverständnis gegenüber dem Staatsministerium des Innern mitgeteilt hat; er benennt einen Vertreter.

(4) Die Mitglieder der Härtefallkommission sind ehrenamtlich tätig und unterliegen keinen Weisungen. Sie haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit über die ihnen dabei bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.

(5) Die Härtefallkommission wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden.

§ 2
Aufgaben

Die Härtefallkommission entscheidet, ob das Staatsministerium des Innern ersucht wird, einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von den im Aufenthaltsgesetz festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn nach ihren Feststellungen dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen. Dringende humanitäre oder persönliche Gründe können sich insbesondere aus dem Stand der sprachlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Integration in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland ergeben.

§ 3
Ausschlussgründe

(1) Die Härtefallkommission befasst sich nicht mit Verfahren, wenn

1.
Behörden im Freistaat Sachsen für die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht zuständig sind oder ihnen der Aufenthaltsort des Ausländers nicht bekannt ist;
2.
nur Gründe geltend gemacht werden, die bereits in einem Gerichts- oder Petitionsverfahren überprüft wurden;
3.
hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren anhängig ist, soweit nicht lediglich die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen Gegenstand ist;
4.
sich die Sach- oder Rechtslage nicht wesentlich zugunsten des Ausländers geändert hat, nachdem
 
a)
der Vorsitzende wegen vorliegender Ausschlussgründe abgelehnt hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1) und im Falle des Vorliegens von Regelausschlussgründen nach Absatz 2 hierüber keine Entscheidung der Härtefallkommission herbeigeführt wurde (§ 4 Abs. 2 Satz 3) oder
 
b)
die Härtefallkommission durch Entscheidung auf Antrag eines Mitglieds (§ 4 Abs. 2 Satz 3) eine Befassung abgelehnt hat oder
 
c)
die Härtefallkommission bereits über den Fall entschieden hat (§ 4 Abs. 4);
5.
der Ausländer laut Bundeszentralregister in den letzten fünf Jahren eine der folgenden vorsätzlichen Straftaten begangen hat:
 
a)
Straftaten nach dem Ersten, Zweiten, Vierten und Sechsten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches;
 
b)
Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs, § 125a StGB;
 
c)
Bildung krimineller Vereinigungen, § 129 StGB;
 
d)
Bildung terroristischer Vereinigungen, § 129a StGB;
 
e)
Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Erweiterter Verfall und Einziehung, § 129b StGB;
 
f)
Volksverhetzung, § 130 StGB;
 
g)
Straftaten nach dem Dreizehnten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, mit Ausnahme der §§ 183 und 183a StGB;
 
h)
Mord, § 211 StGB;
 
i)
Totschlag, § 212 StGB;
 
j)
Minder schwerer Fall des Totschlags, § 213 StGB;
 
k)
Schwere Körperverletzung, § 226 StGB, mit Ausnahme des § 226 Abs. 3 StGB;
 
l)
Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB;
 
m)
Straftaten nach dem Achtzehnten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, mit Ausnahme der §§ 238, 240 und 241 StGB oder
 
n)
Raub mit Todesfolge, § 251 StGB oder
6.
der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung ein Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5, 5a oder 6 AufenthG zugrunde lag, der Ausländer nach § 54 Nr. 5, 5a oder 6 AufenthG bereits ausgewiesen wurde oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist.

(2) Die Härtefallkommission befasst sich in der Regel nicht mit Verfahren, wenn

1.
der Ausländer laut Bundeszentralregister in den letzten fünf Jahren eine vorsätzliche Straftat begangen hat, wegen der er zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens einhundertundachtzig Tagessätzen verurteilt worden ist;
2.
ein Petitionsverfahren anhängig ist oder
3.
der Ausländer auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt einschließlich des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes zu sichern; dabei bleiben Kindergeld, Elterngeld und Landeserziehungsgeld sowie öffentliche Mittel, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt zu ermöglichen, außer Betracht. Dieser Ausschlussgrund entfällt, wenn der Träger der öffentlichen Mittel schriftlich sein Einverständnis in die Behandlung als Härtefall erklärt hat oder eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben wurde, die den Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthalts, höchstens bis zu fünf Jahren, sichern kann. Der Verpflichtungsgeber muss über ausreichende finanzielle Mittel zur Erfüllung der Erstattungspflicht aus der Abgabe dieser Verpflichtungserklärung verfügen.

(3) Gründe, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen sind, berücksichtigt die Härtefallkommission bei ihrer Entscheidung nicht.

§ 4
Verfahren

(1) Die Härtefallkommission wird ausschließlich im Wege der Selbstbefassung tätig. Die Mitglieder können Anträge zur Befassung der Härtefallkommission beim Vorsitzenden stellen. Dem Antrag ist eine Einwilligung des Ausländers nach § 4 des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG) vom 25. August 2003 (SächsGVBl. S. 330), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 8. Dezember 2008 (SächsGVBl. S. 940, 941) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, beizufügen. Der Vorsitzende kann bei Bedarf weitere Unterlagen anfordern.

(2) Der Vorsitzende prüft das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 3 und entscheidet hierüber mit schriftlicher Begründung. Er unterrichtet die Mitglieder der Härtefallkommission über seine Entscheidung. Bei Bedenken der Härtefallkommission gegen die Entscheidung des Vorsitzenden nach Satz 1 kann auf Antrag eines Mitglieds die Annahme zur Befassung hinsichtlich vorliegender Regelausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden.

(3) Die Härtefallkommission verhandelt und entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung. Sie kann weitere Personen anhören.

(4) Die Härtefallkommission entscheidet mit Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder darüber, ein Ersuchen nach § 23a AufenthG an das Staatsministerium des Innern zu richten. Das Ersuchen ist schriftlich zu begründen, wobei auf eine Entscheidung nach Absatz 2 Satz 3 eingegangen werden muss.

(5) Für die Dauer des Verfahrens werden unmittelbare Rückführungsmaßnahmen des Ausländers ausgesetzt; Vorbereitungshandlungen bleiben davon unberührt.

(6) Das Staatsministerium des Innern unterrichtet die Härtefallkommission über seine Entscheidung mit schriftlicher Begründung. Das Staatsministerium des Innern hat die Anordnung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu widerrufen, wenn der Ausländer nicht umgehend seinen Mitwirkungspflichten nachkommt.

(7) Das Verfahren endet, wenn

1.
der Vorsitzende wegen vorliegender Ausschlussgründe eine ablehnende Entscheidung getroffen hat (Absatz 2 Satz 1) und im Falle des Vorliegens von Regelausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 hierüber keine Entscheidung der Härtefallkommission herbeigeführt wurde (Absatz 2 Satz 3);
2.
die Härtefallkommission durch Entscheidung auf Antrag eines Mitglieds (Absatz 2 Satz 3) eine Befassung abgelehnt hat;
3.
das Staatsministerium des Innern über ein Ersuchen der Härtefallkommission entschieden hat oder
4.
ein Verfahren länger als drei Monate bei der Härtefallkommission anhängig ist, ohne dass das Vorliegen eines Härtefalles festgestellt wurde.

Aus wichtigem Grund kann die Härtefallkommission mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder die Drei-Monats-Frist nach Absatz 7 Satz 1 Nr. 4 um weitere zwei Monate verlängern, insbesondere wenn die Schwierigkeit des Falles dies erfordert.

(8) Die Härtefallkommission gibt sich eine Geschäftsordnung, in der insbesondere zu regeln sind:

1.
die Aufgaben des Vorsitzenden;
2.
das Verfahren, insbesondere Einberufung, Leitung der Sitzung und Beschlussfähigkeit;
3.
die Geschäftsführung und Protokollierung und
4.
der Umfang der neben der schriftlichen Stellungnahme der unteren Ausländerbehörde der Härtefallkommission zur Entscheidungsfindung vorzulegenden Unterlagen.

§ 5
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

Dresden, den 6. Juli 2010

Der Ministerpräsident
In Vertretung
Sven Morlok
Staatsminister

Der Staatsminister des Innern
In Vertretung
Prof. Dr. Georg Unland
Staatsminister