Historische Fassung war gültig vom 17.09.2019 bis 31.12.2019

Gesetz
über den Vollzug der Untersuchungshaft im Freistaat Sachsen
(Sächsisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz – SächsUHaftVollzG)1

erlassen als Artikel 1 des Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft im Freistaat Sachsen sowie zur Änderung weiterer Gesetze

Vom 14. Dezember 2010

Rechtsbereinigt mit Stand vom 17. September 2019

Teil 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1
Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Untersuchungshaft.

(2) Es gilt entsprechend für den Vollzug der Haft nach § 127b Abs. 2, § 230 Abs. 2, der §§ 236, 329 Abs. 4 Satz 1, § 412 Satz 1 und § 453c der Strafprozessordnung sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Abs. 5 der Strafprozessordnung.

(3) § 119 der Strafprozessordnung bleibt unberührt.

§ 2
Zuständigkeit und Zusammenarbeit

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft Entscheidungen nach diesem Gesetz die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird (Anstalt).

(2) 1Die Anstalt arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen. 2Sie berücksichtigt bei ihren Entscheidungen die Belange des Strafverfahrens.

§ 3
Grundsätze des Untersuchungshaftvollzugs

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind zur Erfüllung des Haftzwecks sicher unterzubringen.

(2) Sie gelten als unschuldig und sind so zu behandeln, dass selbst der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.

§ 4
Vollzugsmaßnahmen

(1) Soweit das Gesetz keine besondere Regelung enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind.

(2) 1Vollzugsmaßnahmen sollen den Untersuchungsgefangenen erläutert werden. 2Soweit erforderlich, wird ein Dolmetscher hinzugezogen.

§ 5
Vollzugsgestaltung

(1) 1Das Leben in Untersuchungshaft darf sich von einem Leben in Freiheit nur insoweit unterscheiden, wie der Zweck der Untersuchungshaft und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt es unabdingbar erforderlich machen. 2Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.

(2) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Untersuchungsgefangenen werden bei der Vollzugsgestaltung und bei Einzelmaßnahmen berücksichtigt.

§ 6
Soziale Hilfe

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, den persönlichen, wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen der Haft zu begegnen und angeregt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. 2Zu diesem Zweck arbeitet die Anstalt mit außervollzuglichen Einrichtungen und mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung leisten können, zusammen.

(2) 1Die Beratung soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen. 2Auf Wunsch sind den Untersuchungsgefangenen Stellen und Einrichtungen zu benennen, die sie in ihrem Bestreben unterstützen können, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen.

Teil 2
Vollzugsverlauf

§ 7
Aufnahme

(1) 1Mit dem Untersuchungsgefangenen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt, in dem seine gegenwärtige Lebenssituation erörtert und er über seine Rechte und Pflichten informiert wird. 2Ihm ist die Hausordnung zu erläutern und die Aushändigung eines Exemplars anzubieten. 3Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind dem Untersuchungsgefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.

(2) 1Im Zugangsgespräch ist auch zu klären, ob in seiner Obhut stehende Minderjährige ohne Betreuung und Versorgung zurückgelassen worden sind. 2In diesem Fall ist unverzüglich das zuständige Jugendamt zu unterrichten.

(3) Beim Zugangsgespräch dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(4) Der Untersuchungsgefangene wird unverzüglich ärztlich untersucht.

(5) Dem Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, Angehörige oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen.

(6) Der Untersuchungsgefangene soll dabei unterstützt werden, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung, zur Sicherung seiner Vermögensgegenstände außerhalb der Anstalt und zur Aufrechterhaltung seiner sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche zu veranlassen.

§ 8
Verlegung und Überstellung

(1) 1Ein Untersuchungsgefangener kann in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn es

1.
aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt,
2.
aus Gründen der Vollzugsorganisation oder
3.
aus anderen wichtigen Gründen

erforderlich ist. 2Zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 3Die Anordnung der Verlegung ist dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen.

(2) § 7 Abs. 5 gilt entsprechend.

§ 9
Vorführung, Ausführung und Ausantwortung

(1) 1Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft wird ein Untersuchungsgefangener vorgeführt. 2Über Vorführungsersuchen in anderen als dem der Inhaftierung zugrunde liegenden Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(2) 1Aus besonderen Gründen kann ein Untersuchungsgefangener ausgeführt werden. 2Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit darin das persönliche Erscheinen des Untersuchungsgefangenen angeordnet ist. 3Vor der Entscheidung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 4Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse des Untersuchungsgefangenen, können ihm die Kosten auferlegt werden, soweit dies nicht unbillig ist.

(3) 1Untersuchungsgefangene dürfen befristet der Obhut eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Dienststelle des Polizeivollzugsdienstes oder einer Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden (Ausantwortung). 2Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. 3Die Anordnung der Ausantwortung ist dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen.

§ 10
Entlassung

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt den Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.

(2) 1Aus fürsorgerischen Gründen kann dem Untersuchungsgefangenen der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags gestattet werden. 2Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis des Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen aufrechterhalten bleiben.

(3) Einem bedürftigen Untersuchungsgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

Teil 3
Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen

§ 11
Trennungsgrundsätze

(1) 1Untersuchungsgefangene werden von Gefangenen, an denen eine andere Haftart vollzogen wird, namentlich von Strafgefangenen, getrennt untergebracht. 2Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der einzelnen Untersuchungsgefangenen zulässig.

(2) 1Junge Untersuchungsgefangene (§ 66 Abs. 1) werden von den übrigen Untersuchungsgefangenen und von Gefangenen, an denen eine andere Haftart vollzogen wird, getrennt untergebracht. 2Hiervon kann mit Zustimmung der jungen Untersuchungsgefangenen abgewichen werden, wenn eine Vollzugsgestaltung nach den Bestimmungen des Teils 11 gewährleistet bleibt und schädliche Einflüsse auf diese nicht zu befürchten sind.

(3) Männliche und weibliche Untersuchungsgefangene werden getrennt untergebracht.

(4) Eine gemeinsame Unterbringung zum Zweck der medizinischen Behandlung sowie gemeinsame Maßnahmen, insbesondere Arbeit und Berufs- und Schulausbildung, sind zulässig.

§ 12
Unterbringung während der Einschlusszeiten

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden in ihren Hafträumen einzeln untergebracht.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig

1.
mit Zustimmung der Untersuchungsgefangenen oder
2.
wenn ein Untersuchungsgefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.

(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

§ 13
Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten dürfen sich die Untersuchungsgefangenen in Gemeinschaft aufhalten.

(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden, soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.

§ 14
Unterbringung von Müttern und Vätern mit Kindern

(1) 1Ein Kind kann mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies seinem Wohl entspricht, die baulichen Gegebenheiten dies zulassen und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. 2Aus besonderen Gründen kann die Unterbringung auch bis zu einem halben Jahr darüber hinaus erfolgen. 3Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen.

§ 15
Persönlicher Gewahrsam, Kostenbeteiligung

(1) 1Ein Untersuchungsgefangener darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der jeweiligen Anstalt oder mit deren Zustimmung überlassen werden. 2Ohne Zustimmung darf er Gegenstände von geringem Wert von anderen Gefangenen annehmen; die jeweilige Anstalt kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Gegenstände von ihrer Erlaubnis abhängig machen.

(2) 1Eingebrachte Sachen, welche der Untersuchungsgefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. 2Dem Untersuchungsgefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzugs und für seine Entlassung nicht benötigt, zu verschicken. 3Geld wird ihm gutgeschrieben.

(3) 1Werden eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von den Untersuchungsgefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, können diese auf Kosten der Untersuchungsgefangenen aus der Anstalt entfernt, außerhalb der Anstalt verwahrt, verwertet oder vernichtet werden. 2Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 29 Abs. 1 und 2 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Aufzeichnungen und andere Sachen, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

(5) Die Zustimmung nach Absatz 1 kann widerrufen werden, wenn es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer erheblichen Störung der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.

(6) Der Untersuchungsgefangene kann an den Betriebskosten der in seinem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.

§ 16
Ausstattung des Haftraums

1Die Untersuchungsgefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. 2Sachen, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind ausgeschlossen.

§ 17
Kleidung

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Kleidung tragen, soweit sie für Reinigung, Instandhaltung und regelmäßigen Wechsel sorgen. 2Der Anstaltsleiter kann anordnen, dass Reinigung und Instandhaltung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.

(2) Soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist, kann das in Absatz 1 Satz 1 genannte Recht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 18
Verpflegung und Einkauf

(1) 1Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung hat den Anforderungen an eine gesunde Ernährung zu entsprechen. 2Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. 3Es soll den Untersuchungsgefangenen ermöglicht werden, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) 1Die Untersuchungsgefangenen können in angemessenem Umfang aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen. 2Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt.

(3) 1Den Untersuchungsgefangenen kann die Möglichkeit eröffnet werden, unmittelbar oder über Dritte Gegenstände über den Versandhandel zu beziehen. 2Zulassung und Verfahren des Einkaufs über den Versandhandel regelt der Anstaltsleiter.

(4) Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen.

§ 19
Annehmlichkeiten

Annehmlichkeiten, die nicht in den §§ 16 bis 18 geregelt sind, dürfen sich Untersuchungsgefangene auf ihre Kosten verschaffen, soweit und solange die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt nicht gefährdet wird.

§ 20
Gesundheitsfürsorge

(1) 1Die Anstalt unterstützt die Untersuchungsgefangenen bei der Wiederherstellung oder Erhaltung ihrer Gesundheit. 2Die Untersuchungsgefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Den Untersuchungsgefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

(3) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten.

(4) 1Erkranken Untersuchungsgefangene schwer oder versterben sie, werden die nahen Angehörigen und der Verteidiger in der Regel unverzüglich benachrichtigt. 2Dem Wunsch der Untersuchungsgefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

§ 21
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet
der Gesundheitsfürsorge

(1) 1Medizinische Untersuchung und Behandlung sind ohne Einwilligung der Untersuchungsgefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuchs zu verhindern. 2Gleiches gilt für eine zwangsweise Ernährung, wenn die Untersuchungsgefangenen mit dem Ziel der Selbsttötung die Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme verweigern. 3Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von Untersuchungsgefangenen eine Gefahr für die Gesundheit anderer Personen ausgeht.

(2) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise auch bei einer Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit der Untersuchungsgefangenen zulässig, wenn die Untersuchungsgefangenen auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahmen gerichtet sind, der Anstalt nicht vorliegt.

(3) 1Zwangsmaßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn

1.
erfolglos versucht worden ist, das auf Vertrauen gegründete Einverständnis der Untersuchungsgefangenen zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
2.
die Untersuchungsgefangenen über Notwendigkeit, Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen durch einen Arzt aufgeklärt wurden,
3.
die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr geeignet und erforderlich sowie nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit der Untersuchungsgefangenen verbunden sind und
4.
der zu erwartende Nutzen der Maßnahmen nicht außer Verhältnis zum Behandlungsrisiko steht und den möglichen Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.

2Bei Fixierungen finden die Bestimmungen in § 49 Absatz 5 sowie in den §§ 52 und 53 Absatz 3 Anwendung.

(4) 1Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung Erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar ist und die Gefahr nach Absatz 1 oder Absatz 2 unmittelbar bevorsteht. 2Die Anordnung bedarf der Zustimmung des Anstaltsleiters. 3Die Verteidiger der Untersuchungsgefangenen sind unverzüglich zu benachrichtigen. 4Die Gründe und die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2, die ergriffenen Maßnahmen einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.

(5) 1Anordnungen von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sind den Untersuchungsgefangenen unverzüglich bekannt zu geben. 2Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen können. 3Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zu warten, bis die Untersuchungsgefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) 1Bei Gefahr im Verzug finden die Bestimmungen in Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 Satz 2 sowie Absatz 5 keine Anwendung. 2Die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 Satz 1 bis 3 sowie Absatz 5 Satz 2 sind unverzüglich nachzuholen.

(7) 1Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Fall der Absätze 1 und 2 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. 2Sie bedarf der Anordnung eines Arztes und ist unter dessen Leitung durchzuführen.

§ 22
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben einen Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung.

(2) 1Der Anspruch umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sofern dies mit Rücksicht auf die voraussichtliche Dauer des Untersuchungshaftvollzugs zwingend geboten ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. 2Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.

(3) An den Kosten für Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 kann der Untersuchungsgefangene in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter.

(4) Für Leistungen, die über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen hinausgehen, können den Untersuchungsgefangenen die gesamten Kosten auferlegt werden.

(5) 1Dem Untersuchungsgefangenen ist auf seine Kosten die Untersuchung durch einen Arzt seiner Wahl zu gestatten. 2Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. 3Die Konsultation soll in der Anstalt stattfinden.

(6) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Untersuchungsgefangenen infolge einer Körperverletzung gegen Dritte zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Untersuchungsgefangenen Leistungen nach Absatz 1 zu gewähren sind.

§ 23
Verlegung, Überstellung und Ausführung
zur medizinischen Behandlung

(1) Ein kranker oder hilfsbedürftiger Untersuchungsgefangener kann in eine zur Behandlung seiner Krankheit oder zu seiner Versorgung besser geeignete Anstalt oder in ein Vollzugskrankenhaus verlegt oder überstellt werden.

(2) Erforderlichenfalls können Untersuchungsgefangene zur medizinischen Behandlung ausgeführt oder in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs gebracht werden.

(3) 1Vor einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; davon ist abzusehen, wenn durch die Gelegenheit zur Stellungnahme eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Untersuchungsgefangenen zu befürchten ist. 2Bei Verlegungen und Überstellungen gilt § 7 Abs. 5 entsprechend.

(4) Werden Untersuchungsgefangene während einer Behandlung aus der Haft entlassen, hat der Freistaat Sachsen nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Entlassung angefallen sind.

Teil 4
Arbeit, Bildung, Freizeit

§ 24
Arbeit und Bildung

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet.

(2) 1Den Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Arbeit oder sonstige Beschäftigung angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. 2Nehmen sie eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen. 3Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.

(3) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden.

(4) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 25
Arbeitsentgelt und Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld

(1) Wer eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung ausübt, erhält Arbeitsentgelt.

(2) 1Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, zugrunde zu legen (Eckvergütung). 2Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) 1Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Untersuchungsgefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 2Sie beträgt mindestens 60 Prozent der Eckvergütung. 3Das Staatsministerium der Justiz wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Untersuchungsgefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Vergütung als Arbeitnehmer erhielten.

(5) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist dem Untersuchungsgefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(6) 1Nehmen Untersuchungsgefangene während der Arbeitszeit an einer Bildungsmaßnahme teil, erhalten sie eine Ausbildungsbeihilfe. 2Die Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend.

(7) 1Kann Untersuchungsgefangenen weder Arbeit noch die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme angeboten werden, wird ihnen auf Antrag ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. 2Bedürftig sind Untersuchungsgefangene, soweit ihnen im laufenden Monat nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht. 3Der Anspruch auf Taschengeld kann für die Dauer von bis zu drei Monaten entfallen, wenn den Untersuchungsgefangenen ein Betrag nach Satz 2 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil sie eine ihnen angebotene zumutbare Arbeit oder Bildungsmaßnahme nicht angenommen haben oder eine ausgeübte Arbeit oder Bildungsmaßnahme verschuldet verloren haben. 4Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung. 5Es kann insbesondere im ersten Monat des Vollzugs im Voraus gewährt werden. 6Gehen den Untersuchungsgefangenen im Falle der Vorauszahlung im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

§ 26
Freizeit und Sport

1Zur Freizeitgestaltung sind geeignete Angebote vorzuhalten. 2Insbesondere sollen Sportmöglichkeiten, Gemeinschaftsveranstaltungen und eine Bücherei angeboten werden.

§ 27
Zeitungen und Zeitschriften

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. 2Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(2) Einzelne Ausgaben von Zeitungen oder Zeitschriften können den Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn deren Inhalte die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erheblich gefährden würden.

§ 28
Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) 1Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen. 2Der Zugang zum Rundfunk kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Untersuchungsgefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.

(2) 1Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 16 Satz 2 entgegenstehen oder in der Anstalt Mietgeräte oder ein Haftraummediensystem zur Verfügung gestellt werden. 2Ein Ausschluss eigener Geräte nach Satz 1 Alternative 2 und 3 setzt zudem voraus, dass den Untersuchungsgefangenen für den Zugang zu einer Grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk keine Kosten für die Zurverfügungstellung der Geräte berechnet werden. 3Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter den Voraussetzungen von Satz 1 zugelassen werden.

(3) 1Die Untersuchungsgefangenen können auf Mietgeräte oder auf ein Haftraummediensystem verwiesen werden. 2Die Anstalt kann die Bereitstellung und den Betrieb von Empfangsanlagen, die Bereitstellung, Vermietung oder Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten sowie von anderen Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik einem Dritten gestatten oder übertragen.

Teil 5
Religionsausübung

§ 29
Seelsorge

(1) 1Den Untersuchungsgefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. 2Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten. 3Die Untersuchungsgefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. 4Sie dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(2) Den Untersuchungsgefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 30
Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.

(3) Untersuchungsgefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder an anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 31
Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 29 und 30 entsprechend.

Teil 6
Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete

§ 32
Grundsatz

1Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren. 2§ 119 der Strafprozessordnung bleibt unberührt.

§ 33
Recht auf Besuch

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen dürfen im Monat zwei Stunden Besuch empfangen. 2Der jeweilige Anstaltsleiter kann längere Besuchszeiten vorsehen. 3Ausführungen, die der Pflege von Kontakten mit Angehörigen und Bezugspersonen dienen, können angerechnet werden.

(2) Kontakte der Untersuchungsgefangenen zu ihren Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches werden besonders gefördert.

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von den Untersuchungsgefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur voraussichtlichen Entlassung aufgeschoben werden können.

(4) Der Anstaltsleiter kann über Absatz 1 hinausgehend mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zulassen, wenn dies zur Pflege der familiären, partnerschaftlichen oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Untersuchungsgefangenen geboten erscheint und die Untersuchungsgefangenen hierfür geeignet sind.

(5) Besuche können untersagt werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden.

(6) Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache und Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie des Europäischen Parlaments sind zu gestatten.

§ 34
Durchführung der Besuche

(1) 1Aus Gründen der Sicherheit in der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen lassen. 2Die Durchsuchung von Verteidigern setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung der Sicherheit vorliegen.

(2) 1Besuche werden regelmäßig beaufsichtigt. 2Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter. 3Die Beaufsichtigung mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die Untersuchungsgefangenen vor dem Besuch erkennbar darauf hingewiesen werden. 4Eine Aufzeichnung findet nicht statt.

(3) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Untersuchungsgefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen.

(4) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden.

(5) 1Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer die Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache werden nicht beaufsichtigt. 2Nicht beaufsichtigt werden ferner Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter, des zugehörigen Unterausschusses zur Verhütung von Folter und des entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismus, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, der konsularischen Vertretung der Heimatländer der Untersuchungsgefangenen und der weiteren Einrichtungen, mit denen der Kontakt aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. 3Satz 2 gilt auch für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und andere Landesdatenschutzbeauftragte.

(6) 1Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren beim Besuch in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache mitgeführten Schriftstücke, sonstigen Unterlagen und Datenträger ist nicht zulässig; Gleiches gilt beim Besuch von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie des Europäischen Parlaments. 2Abweichend von Absatz 4 dürfen Schriftstücke, sonstige Unterlagen und Datenträger den Untersuchungsgefangenen von ihrem Verteidiger, Rechtsanwalt und Notar zur Erledigung in einer die Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache übergeben werden. 3Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden.

(7) Der Anstaltsleiter kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.

§ 35
Überwachung der Gespräche

1Gespräche dürfen nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall aus Gründen der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. 2§ 34 Abs. 5 gilt entsprechend. 3§ 87 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.

§ 36
Telefongespräche

(1) 1Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen. 2Die §§ 34 bis 35 gelten entsprechend. 3Darüber hinaus können Telefongespräche mit Personen, die Opfer der Straftaten waren, versagt werden. 4Die Anordnung der Überwachung teilt die Anstalt den Untersuchungsgefangenen rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnern der Untersuchungsgefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.

(2) 1Die Kosten der Telefongespräche tragen die Untersuchungsgefangenen. 2Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(3) Die Anstalt kann die Bereitstellung und den Betrieb von Telekommunikationsanlagen, die Bereitstellung, Vermietung oder Ausgabe von Telekommunikationsgeräten sowie von anderen Geräten der Telekommunikation einem Dritten gestatten oder übertragen.

(4) Innerhalb des Geländes der Anstalten sind der Besitz und die Benutzung von Mobilfunkendgeräten verboten.

(5) 1Die Anstalten dürfen technische Geräte

1.
zur Auffindung von Mobilfunkendgeräten,
2.
zur Aktivierung von Mobilfunkendgeräten zum Zwecke der Auffindung und
3.
zur Störung von Frequenzen, die der Herstellung unerlaubter Mobilfunkverbindungen auf dem Anstaltsgelände dienen,

betreiben. 2Sie haben hierbei die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2230) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. 3Der Mobilfunkverkehr außerhalb des Geländes der Anstalten darf nicht beeinträchtigt werden.

§ 37
Schriftwechsel, Untersagung des Schriftwechsels

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) 1Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Untersuchungsgefangenen. 2Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(3) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde.

§ 38
Sichtkontrolle, Weiterleitung
und Aufbewahrung von Schreiben

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen haben das Absenden und den Empfang von Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. 2Ein- und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(2) 1Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände kontrolliert, in der Regel in Anwesenheit des Untersuchungsgefangenen. 2Der Anstaltsleiter kann abweichende Regelungen treffen.

(3) Der Schriftwechsel der Untersuchungsgefangenen mit ihren Verteidigern sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer die Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht nach Absatz 2 kontrolliert.

(4) 1Nicht nach Absatz 2 kontrolliert werden ferner Schreiben der Untersuchungsgefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. 2Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismus, die Parlamentarische Versammlung des Europarates, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. 3Satz 1 gilt auch für den Schriftverkehr mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten und anderen Landesdatenschutzbeauftragten. 4Nicht kontrolliert werden ferner Schreiben der Untersuchungsgefangenen an Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Aufsichtsbehörde. 5Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Untersuchungsgefangenen gerichtet sind, werden nicht nach Absatz 2 kontrolliert, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht. 6§ 87 Abs. 3 Satz 4 bleibt unberührt.

(5) 1Die Untersuchungsgefangenen haben eingegangene Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. 2Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 39
Überwachung des Schriftwechsels

1Der Schriftwechsel darf nur überwacht werden, soweit es aus Gründen der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. 2§ 38 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

§ 40
Anhalten von Schreiben

(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn

1.
die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde,
2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts eines Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
sie an Opfer der Straftaten gerichtet sind,
4.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder grobe Beleidigungen enthalten oder
5.
sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Untersuchungsgefangenen auf dem Absenden bestehen.

(3) 1Sind Schreiben angehalten worden, wird das den Untersuchungsgefangenen mitgeteilt. 2Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.

(4) Schreiben, deren Kontrolle nach § 38 Abs. 3 und 4 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 41
Pakete

(1) 1Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemitteln ist den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet; für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 18 Abs. 4 entsprechend. 2Der Empfang von Paketen mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis der Anstalt, welche Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen kann.

(2) 1Pakete sind zu öffnen und zu durchsuchen, in der Regel in Anwesenheit des Untersuchungsgefangenen. 2Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden, sind von der Aushändigung an den Untersuchungsgefangenen ausgeschlossen. 3Ausgeschlossene Gegenstände können zur Habe genommen, zurückgesandt oder vernichtet werden.

(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.

(4) 1Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Pakete zu versenden. 2Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt überprüfen. 3Der Versand kann untersagt werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde oder ein schädlicher Einfluss auf Opfer der Straftaten zu befürchten wäre.

Teil 7
Sicherheit und Ordnung

§ 42
Grundsatz

Die Pflichten und Beschränkungen, die den Untersuchungsgefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt auferlegt werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 43
Verhaltensvorschriften

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen das geordnete Zusammenleben in der Anstalt nicht stören.

(2) 1Die Untersuchungsgefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. 2Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Die Untersuchungsgefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Untersuchungsgefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 44
Durchsuchung

(1) 1Die Untersuchungsgefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. 2Die Durchsuchung männlicher Untersuchungsgefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Untersuchungsgefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. 3Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) 1Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. 2Sie darf bei männlichen Untersuchungsgefangenen nicht in Gegenwart von Frauen, bei weiblichen Untersuchungsgefangenen nicht in Gegenwart von Männern erfolgen. 3Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. 4Andere Untersuchungsgefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) 1Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Anstaltsleiter allgemein anordnen, dass bei der Aufnahme der Untersuchungsgefangenen, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder unbeaufsichtigten Abwesenheit von der Anstalt in der Regel eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen ist. 2Dies gilt nicht bei Kontakten mit den in § 34 Abs. 5 genannten Besuchern.

(4) 1Die Anordnung nach Absatz 2 ist zu begründen. 2Durchführung und Ergebnis der Durchsuchungen nach den Absätzen 2 und 3 sind aktenkundig zu machen.

(5) 1Unterlagen, die von Untersuchungsgefangenen als Schreiben von Personen oder Institutionen nach § 38 Abs. 3 oder 4 gekennzeichnet sind, dürfen nach Absatz 1 Satz 1 bei Haftraumkontrollen einer Sichtkontrolle auf verbotene Gegenstände auch in Abwesenheit des Untersuchungsgefangenen unterzogen werden. 2Vom Inhalt der Schreiben von Personen oder Institutionen nach § 38 Abs. 3 oder 4 dürfen die Bediensteten dabei keinesfalls Kenntnis nehmen.

§ 45
(aufgehoben)

§ 46
(aufgehoben)

§ 47
Maßnahmen zur Feststellung
von Suchtmittelgebrauch

(1) 1Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen, insbesondere den Einsatz geeigneter technischer Verfahren und technischer Mittel, zum Nachweis des Konsums von Suchtmitteln anordnen, um deren Gebrauch festzustellen. 2Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein. 3Abweichend von Satz 2 sind Speicheltests unter Nutzung eines Mundschleimhautabstrichs zulässig. 4Die den Untersuchungsgefangenen entnommenen Körperzellen dürfen nur für Zwecke der der Entnahme zugrundeliegenden Maßnahme verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

(2) Verweigern Untersuchungsgefangene die Mitwirkung an Maßnahmen nach Absatz 1 ohne hinreichenden Grund, ist davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

(3) Wird verbotener Suchtmittelgebrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen den Untersuchungsgefangenen auferlegt werden.

§ 48
Festnahmerecht

1Untersuchungsgefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. 2Führt die Verfolgung oder die von der Anstalt veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

§ 49
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Untersuchungsgefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung der Untersuchungsgefangenen, auch mit optisch-technischen Hilfsmitteln in dafür vorgesehenen Hafträumen,
3.
die Trennung von allen anderen Gefangenen (Absonderung),
4.
die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung.

(3) 1Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung in der Anstalt anders nicht vermieden oder behoben werden kann. 2Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 1 und 3 sind darüber hinaus auch zulässig, wenn Untersuchungsgefangene bei anderen Personen auf Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3a des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes vom 16. Oktober 1992 (SächsGVBl. S. 459), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, hinwirken.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person des Untersuchungsgefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.

(5) 1In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. 2Im Interesse des Untersuchungsgefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. 3Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr aus medizinischen Gründen unerlässlich ist. 4Für die Fixierung ist ein Gurtsystem zu verwenden. 5Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(6) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn eine Gefahr der Entweichung besteht, die das nach Absatz 1 erforderliche Maß nicht erreicht.

§ 50
(aufgehoben)

§ 51
(aufgehoben)

§ 52
Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren

(1) 1Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. 2Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. 3Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen. 4Eine nicht nur kurzfristige Fixierung ist auf Antrag des Anstaltsleiters nur aufgrund vorheriger richterlicher Anordnung zulässig. 5Vor der Anordnung der Fixierung ist eine ärztliche Stellungnahme einzuholen, welche die medizinische Notwendigkeit der Fixierung feststellt. 6Bei Gefahr im Verzug können der Anstaltsleiter oder andere Bedienstete der Anstalt die Fixierung vorläufig anordnen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich einzuholen. 7Wurde die Fixierung vor der richterlichen Entscheidung beendet, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(2) 1Wird ein Untersuchungsgefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlass der Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. 2Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) 1Die Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. 2Dies gilt nicht für die Fälle des § 49 Abs. 6. 3Bei einer Fixierung sind die Anordnung und die dafür maßgeblichen Gründe sowie der Verlauf, die Art der Überwachung und die Beendigung zu dokumentieren.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(5) 1Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 49 Abs. 2 Nr. 3, 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als 48 Stunden aufrechterhalten werden. 2Eine Fixierung ist unverzüglich mitzuteilen. 3Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum von jeweils mehr als 20 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde und wird dem Gericht und der Staatsanwaltschaft von der Anstalt mitgeteilt. 4Der Aufsichtsbehörde und auf Antrag des Untersuchungsgefangenen seinem Verteidiger ist die Beobachtung mit optisch-technischen Hilfsmitteln nach § 49 Absatz 2 Nummer 2 unverzüglich mitzuteilen, wenn diese länger als 24 Stunden aufrechterhalten wird.

(6) 1Während der Absonderung, der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum und der Fixierung sind die Untersuchungsgefangenen in besonderem Maße zu betreuen. 2Sind die Untersuchungsgefangenen über die Absonderung oder die Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum hinaus gefesselt oder sind sie fixiert, sind sie durch einen für diese Maßnahmen besonders geschulten Bediensteten ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten.

(7) 1Nach Beendigung der Fixierung sind die Untersuchungsgefangenen in für sie verständlicher Weise auf ihr Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. 2Der Hinweis ist zu dokumentieren.

§ 53
Ärztliche Überwachung

(1) 1Sind Untersuchungsgefangene nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder nach § 49 Abs. 2 Nr. 6 gefesselt, sucht sie der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. 2Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports sowie bei Bewegungen innerhalb der Anstalt.

(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, sobald die Untersuchungsgefangenen länger als 24 Stunden abgesondert sind.

(3) Während einer Fixierung ist der Untersuchungsgefangene durch einen Arzt zu überwachen.

Teil 8
Unmittelbarer Zwang

§ 54
Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.

(4) Waffen sind die durch die Aufsichtsbehörde zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

§ 55
Allgemeine Voraussetzungen

(1) 1Soweit es zur Durchführung von Vollzugs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich ist, dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden. 2Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. 3Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(2) Gegen andere Personen als Untersuchungsgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 56
Androhung

1Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. 2Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 57
Schusswaffengebrauch

(1) 1Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete ist innerhalb der Anstalt verboten. 2Das Recht zum Schusswaffengebrauch aufgrund anderer Vorschriften durch Polizeivollzugsbedienstete bleibt davon unberührt.

(2) 1Außerhalb der Anstalt dürfen Schusswaffen nur bei Gefangenentransporten sowie Aus- und Vorführungen von den dazu bestimmten Bediensteten nach Maßgabe der folgenden Absätze gebraucht werden. 2Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) 1Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. 2Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.

(4) 1Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. 2Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. 3Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(5) Gegen Untersuchungsgefangene dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden,

1.
wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
2.
wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen oder
3.
um ihre Entweichung zu vereiteln,

und nur, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.

(6) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene gewaltsam zu befreien und nur, um sie angriffsunfähig zu machen.

§ 58
(aufgehoben)

Teil 9
Disziplinarmaßnahmen

§ 59
Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Untersuchungsgefangenen rechtswidrig und schuldhaft

1.
andere Personen verbal oder tätlich angreifen,
2.
Lebensmittel oder fremde Sachen zerstören oder beschädigen,
3.
in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
4.
verbotene Gegenstände in die Anstalt einbringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
5.
unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
6.
entweichen oder zu entweichen versuchen oder
7.
wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch das geordnete Zusammenleben in der Anstalt stören.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

1.
der Verweis,
2.
die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu drei Monaten,
3.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu drei Monaten,
4.
die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
5.
die Beschränkung oder der Entzug des Einkaufs bis zu drei Monaten,
6.
die Beschränkung oder der Entzug von Annehmlichkeiten nach § 19 bis zu drei Monaten,
7.
der Entzug der übertragenen Arbeit bis zu vier Wochen und
8.
die disziplinarische Trennung bis zu zwei Wochen.

(3) Die disziplinarische Trennung darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(4) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, den Untersuchungsgefangenen zu verwarnen.

(5) 1Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen sind der Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf den Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. 2Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit des Untersuchungsgefangenen für die Verhandlung nicht beeinträchtigt werden.

(6) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(7) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 60
(aufgehoben)

§ 61
Vollstreckung der Disziplinarmaßnahmen,
Aussetzung zur Bewährung

(1) 1Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. 2Soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, soll die Vollstreckung ausgesetzt werden.

(2) 1Für die Dauer der disziplinarischen Trennung werden die Untersuchungsgefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. 2Sie können in einem besonderen Haftraum untergebracht werden. 3Dieser muss den Anforderungen entsprechen, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. 4Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Untersuchungsgefangenen zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raumes, in dem die disziplinarische Trennung vollstreckt wird, und die Befugnisse zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und zum Einkauf. 5Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. 6Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.

(3) 1Bevor eine disziplinarische Trennung vollstreckt wird, ist ein Arzt zu hören. 2Während der disziplinarischen Trennung stehen die Untersuchungsgefangenen unter ärztlicher Aufsicht. 3Die Vollstreckung unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der Untersuchungsgefangenen gefährdet würde.

(4) Die Verhängung einer disziplinarischen Trennung ist der Aufsichtsbehörde und auf Antrag der Gefangenen ihrem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn diese länger als 48 Stunden vollstreckt wird.

(5) 1Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. 2Die Aussetzung zur Bewährung kann mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden. 3Sie kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Untersuchungsgefangenen die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.

§ 62
Disziplinarbefugnis

(1) 1Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. 2Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) 1Disziplinarmaßnahmen, die gegen einen Untersuchungsgefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer anderen Haft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. 2§ 61 Absatz 5 gilt entsprechend.

§ 63
Verfahren

(1) 1Der Sachverhalt ist zu klären. 2Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. 3Der betroffene Untersuchungsgefangene wird gehört. 4Er wird darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihm zur Last gelegt werden. 5Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht sich zu äußern. 6Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung des Untersuchungsgefangenen wird vermerkt.

(2) 1In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. 2Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib auf dem Haftraum in Betracht. 3Erfüllt der Untersuchungsgefangene die Vereinbarung, ist die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung unzulässig.

(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(4) Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mitwirken.

(5) Vor der Anordnung von schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen gegen einen Untersuchungsgefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist ein Arzt zu hören.

(6) 1Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhält der Untersuchungsgefangene Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen und der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme zu äußern. 2Die Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(7) Die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme ist dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen.

Teil 10
Beschwerde und Aufhebung von Maßnahmen

§ 64
Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den Absätzen 2 bis 4, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.

(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen werden.

(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn

1.
aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt oder die Anordnungen hätten unterlassen werden können,
2.
die Maßnahmen missbraucht werden oder
3.
Weisungen nicht befolgt werden.

(4) 1Begünstigende Maßnahmen dürfen nach Absatz 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. 2Davon ist insbesondere auszugehen, wenn eine Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit in der Anstalt zu gewährleisten.

(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.

§ 65
Beschwerderecht

(1) Der Untersuchungsgefangene erhält Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass jeder Untersuchungsgefangene sich in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an diese wenden kann.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Teil 11
Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene

§ 66
Anwendungsbereich

(1) Auf Untersuchungsgefangene, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene), findet dieses Gesetz nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Teils Anwendung.

(2) 1Von einer Anwendung der Bestimmungen dieses Teils sowie des § 11 Abs. 2 auf volljährige junge Untersuchungsgefangene kann abgesehen werden, wenn die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs für diese nicht oder nicht mehr angezeigt ist. 2Die Bestimmungen dieses Teils können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint.

§ 67
Vollzugsgestaltung

(1) 1Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten. 2Die jungen Untersuchungsgefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer befähigt werden (Erziehungsauftrag).

(2) 1Den jungen Untersuchungsgefangenen sollen neben altersgemäßen Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. 2Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist zu wecken und zu fördern.

(3) In diesem Gesetz vorgesehene Beschränkungen können minderjährigen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um sie vor einer Gefährdung ihrer Entwicklung zu bewahren.

(4) Das für die Betreuung der jungen Untersuchungsgefangenen eingesetzte Personal muss für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein.

§ 68
Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Die Zusammenarbeit der Anstalt mit außervollzuglichen Einrichtungen, Personen und Vereinen erstreckt sich insbesondere auch auf Jugendgerichtshilfe, Jugendamt, Schulen und berufliche Bildungsträger.

(2) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist, in die Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.

(3) Den Personensorgeberechtigten und dem Jugendamt werden die Aufnahme, eine Verlegung und die Entlassung unverzüglich mitgeteilt.

§ 69
Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs, Maßnahmen

(1) Nach der Aufnahme wird der Förder- und Erziehungsbedarf der jungen Untersuchungsgefangenen unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensverhältnisse ermittelt.

(2) 1In einer Konferenz mit an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten werden der Förder- und Erziehungsbedarf erörtert und die sich daraus ergebenden Maßnahmen festgelegt. 2Diese werden mit den jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Personensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt. 3Vertreter der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe, die Personensorgeberechtigten und mit Zustimmung des jungen Untersuchungsgefangenen weitere Personen können zu der Konferenz hinzugezogen werden; zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Sind die Angaben der jungen Untersuchungsgefangenen zur Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 nicht ausreichend, dürfen zu diesem Zweck personenbezogene Daten abweichend von § 88 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 97 Abs. 1 Satz 2 des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes erhoben werden bei Stellen, die Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen, insbesondere der Jugendgerichtshilfe, und bei Personen und Stellen, bei denen aufgrund tatsächlicher Umstände davon auszugehen ist, dass sie bereits Kenntnis von der Inhaftierung haben.

§ 70
Unterbringung

(1) Die gemeinschaftliche Unterbringung außerhalb der Einschlusszeiten kann über § 13 Abs. 2 hinaus auch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist oder wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen zu befürchten sind.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 ist nur zulässig, wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind.

§ 71
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

(1) Schulpflichtige Untersuchungsgefangene nehmen in der Anstalt am allgemein- oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen teil.

(2) Minderjährige Untersuchungsgefangene können zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet werden.

(3) Den übrigen jungen Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit die Teilnahme an den in Absatz 2 genannten Maßnahmen angeboten werden.

(4) Im Übrigen bleibt § 24 Abs. 2 unberührt.

§ 72
Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche

(1) 1Abweichend von § 33 Abs. 1 Satz 1 dürfen junge Untersuchungsgefangene im Monat vier Stunden Besuch empfangen, darüber hinaus zwei weitere Stunden von Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches. 2Über § 33 Abs. 3 hinaus sollen Besuche von Kindern des jungen Untersuchungsgefangenen auch dann zugelassen werden, wenn sie die Erziehung des jungen Untersuchungsgefangenen fördern.

(2) Bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen können Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche auch untersagt werden, wenn Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind.

(3) Besuche dürfen über § 34 Abs. 3 hinaus auch abgebrochen werden, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss ausgeht.

(4) Der Schriftwechsel kann über § 37 Abs. 3 hinaus mit Personen, die nicht Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches) des jungen Untersuchungsgefangenen sind, auch untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf den jungen Untersuchungsgefangenen hat.

(5) Für Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche mit Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes gelten die §§ 34, 35 Abs. 4 und § 37 Abs. 2 entsprechend.

§ 73
Freizeit und Sport

(1) 1Zur Ausgestaltung der Freizeit sind geeignete Angebote vorzuhalten. 2Die jungen Untersuchungsgefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Freizeitangeboten zu motivieren und anzuleiten.

(2) Über § 16 Satz 2 hinaus ist der Besitz eigener Fernsehgeräte und elektronischer Medien ausgeschlossen, wenn erzieherische Gründe entgegenstehen.

(3) Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um den jungen Untersuchungsgefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens vier Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

§ 74
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet
der Gesundheitsfürsorge,
besondere Sicherungsmaßnahmen,
unmittelbarer Zwang

(1) § 21 gilt mit der Maßgabe, dass die zwangsweise medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen unbeschadet der Rechte der Personensorgeberechtigten zulässig und auch die Personensorgeberechtigten nach Absatz 4 Satz 3 unverzüglich zu benachrichtigen sind.

(2) § 49 Abs. 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Beschränkung des Aufenthalts im Freien nicht zulässig ist.

(3) Sind junge Untersuchungsgefangene in Jugendstrafvollzugsanstalten untergebracht, ist § 57 nicht anzuwenden.

§ 75
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

(1) 1Verstöße der jungen Untersuchungsgefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. 2Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den jungen Untersuchungsgefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). 3Als erzieherische Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:

1.
die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
2.
die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs und
3.
die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche.

(2) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit den Verfehlungen in Zusammenhang stehen.

(4) 1Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nach Absatz 1 nicht ausreichen, um den jungen Untersuchungsgefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen. 2Zu berücksichtigen sind ferner aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahmen.

(5) 1Gegen junge Untersuchungsgefangene darf eine Disziplinarmaßnahme nach § 59 Absatz 2 Nummer 1 nicht verhängt werden. 2Die Maßnahmen nach § 59 Absatz 2 Nummer 2 bis 5 sind nur bis zu zwei Monaten zulässig. 3Alle Disziplinarmaßnahmen sind erzieherisch auszugestalten.

Teil 12
Aufbau der Anstalt

§ 76
Gliederung, Räume

(1) Soweit es zur Umsetzung der Trennungsgrundsätze erforderlich ist, werden in der Anstalt gesonderte Abteilungen für den Vollzug der Untersuchungshaft eingerichtet.

(2) Haft- und Funktionsräume sind zweckentsprechend auszustatten.

§ 77
Festsetzung der Belegungsfähigkeit,
Verbot der Überbelegung

(1) 1Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung gewährleistet ist. 2Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit und Bildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport und Besuche zur Verfügung steht.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Untersuchungsgefangenen als zugelassen belegt werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 78
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen
zur schulischen und beruflichen Bildung

(1) Arbeitsbetriebe und Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung sollen vorgehalten werden.

(2) 1Beschäftigung und Bildung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. 2Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.

§ 79
Anstaltsleitung

(1) 1Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. 2Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. 3Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) 1Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. 2Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.

§ 80
Bedienstete

(1) 1Die Aufgaben der Anstalt werden von Beamten wahrgenommen. 2Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten sowie nebenamtlich tätigen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(2) 1Die Anstalt wird mit dem für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Personal ausgestattet. 2Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

§ 81
Seelsorger

(1) Die Seelsorger werden im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestellt.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

§ 82
Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(2) 1Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), das zuletzt durch Artikel 1a des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, besitzen. 2Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 83
Mitverantwortung der Untersuchungsgefangenen

Den Untersuchungsgefangenen soll ermöglicht werden, Mitverantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse wahrzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.

§ 84
Hausordnung

1Der Anstaltsleiter erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung. 2Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung vorbehalten.

Teil 13
Aufsicht, Beirat

§ 85
Aufsichtsbehörde

Aufsichtsbehörde für die Anstalt ist das Staatsministerium der Justiz.

§ 86
Vollstreckungsplan

1Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan. 2Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 87
Beirat

(1) 1Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. 2Dem Beirat gehören zwei Abgeordnete des Landtages und mindestens ein Vertreter der Kommune oder des Landkreises, in dem die jeweilige Anstalt belegen ist, sowie weitere Personen des öffentlichen Lebens an. 3Die Mitglieder werden von der Aufsichtsbehörde ernannt. 4Dies gilt nicht für die Mitglieder des Landtages, die von diesem benannt werden. 5Bedienstete der Anstalt dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. 6Die Amtszeit der Mitglieder des Beirats endet mit der Konstituierung des nach Ablauf der Legislaturperiode des Landtags neu zu besetzenden Beirats.

(2) 1Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Untersuchungsgefangenen beratend mit. 2Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen. 3Sie sind ebenso Ansprechpartner für den Personalrat.

(3) 1Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. 2Sie können sich über die Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Versorgung, Beschäftigung, Bildung und Betreuung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. 3Sie können die Untersuchungsgefangenen in ihren Räumen aufsuchen. 4Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.

(4) 1Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Untersuchungsgefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. 2Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

(5) Näheres regelt die Aufsichtsbehörde.

Teil 14
Kriminologische Forschung

§ 88
Kriminologische Forschung

Der Vollzug der Untersuchungshaft, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden.

Teil 15
Schlussbestimmungen

§ 89
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und aus der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt:

1.
das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
2.
die Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
3.
das Recht auf Datenschutz nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
4.
das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie
5.
das Recht der Freizügigkeit nach Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

§ 90
Verhältnis zum Bundesrecht

Dieses Gesetz ersetzt im Freistaat Sachsen § 93 des Jugendgerichtsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung und die §§ 177 und 178 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2571) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, sowie § 119 der Strafprozessordnung in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung, soweit in diesen Vorschriften Regelungen zum Untersuchungshaftvollzug enthalten sind.

§ 91
Übergangsbestimmungen

(1) Bis zum Inkrafttreten einer Rechtsverordnung nach § 25 Abs. 3 Satz 3 gilt die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), die durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, für die Anwendung des § 25 Abs. 3 entsprechend.

(2) 1In den zum 3. Oktober 1990 bestehenden Anstalten dürfen abweichend von § 12 Abs. 1 während der Einschlusszeiten bis zu drei Untersuchungsgefangene gemeinsam in einem Haftraum untergebracht werden, so lange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. 2Dies gilt nicht für Anstaltsbereiche, die nach Inkrafttreten des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes neu errichtet oder grundlegend umgebaut werden.