Sächsisches Gesetz

zur Belebung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren
(Sächsisches BID-Gesetz – SächsBIDG)

Vom 12. Juli 2012

Der Sächsische Landtag hat am 13. Juni 2012 das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Zweck

1Zweck dieses Gesetzes ist es, privat initiierte standortbezogene Maßnahmen in integrierten, urbanen Einzelhandels- und Dienstleistungszentren zu erleichtern, um

1.
die Wettbewerbsfähigkeit der in diesen Zentren ansässigen Gewerbetreibenden und Angehörigen der freien Berufe durch Hilfe zur Selbsthilfe zu stärken und
2.
Grundeigentümern in den genannten Zentren eine Möglichkeit zur Werterhaltung oder Wertsteigerung ihrer Grundstücke zu eröffnen.

2Hierzu kann eine Gemeinde auf Antrag durch Satzung Innovationsbereiche festlegen, die eine oder mehrere Einkaufsstraßen oder ein Quartier umfassen.

§ 2
Begriffe

(1) Innovationsbereiche sind Bereiche von Innenstädten oder Stadtteilzentren, in denen zeitlich befristet in privater Verantwortung über den jeweiligen kommunalen Standard hinausgehende standortbezogene Maßnahmen sowohl investiver als auch nicht investiver Art durchgeführt und ganz oder teilweise über eine Sonderabgabe finanziert werden.

(2) 1Einkaufsstraßen sind gewachsene, städtebaulich integrierte Bereiche, die in der Erdgeschosszone im Wesentlichen von unmittelbar durch die Straße erschlossenen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen Läden, Schank- und Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben, kleinen Gewerbebetrieben sowie Niederlassungen der Angehörigen der freien Berufe geprägt werden. 2Einzelne anders geartete Nutzungen oder die Erschließung einzelner baulicher Anlagen im Gefüge einer Einkaufsstraße über eine andere Straße heben den Zusammenhang der Einkaufsstraße nicht auf.

(3) 1Quartiere sind gewachsene, städtebaulich integrierte Bereiche, die aus einer oder mehreren Einkaufsstraßen und solchen Grundstücken bestehen, die unmittelbar durch die die Einkaufsstraßen verbindenden Straßen, Wege und Plätze erschlossen werden; sie bilden in ihrer Gesamtheit eine örtlich zusammenhängende, von anderen Einkaufsstraßen und Quartieren abgrenzbare Einheit. 2Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Eine Standortgemeinschaft ist unabhängig von ihrer rechtlichen Organisation ein Zusammenschluss von mindestens sieben natürlichen oder juristischen Personen, die dem Grunde nach zur Gruppe der Abgabenpflichtigen im Sinne des § 5 Abs. 2 und 3 gehören würden, wenn der zu beantragende Innovationsbereich bereits festgelegt wäre.

§ 3
Antragsverfahren

(1) 1Der Antrag ist bei der Gemeinde zu stellen. 2Antragsberechtigt ist die Standortgemeinschaft.

(2) 1Der Antrag muss die vorgesehene Gruppe der Abgabenpflichtigen im Sinne des § 5 Abs. 2 und 3 benennen und auf eine Laufzeit des Innovationsbereiches bezogen sein, die vorbehaltlich eines erneuten Antragsverfahrens fünf Jahre nicht überschreiten darf. 2Dem Antrag sind beizufügen:

1.
eine genaue räumliche Bezeichnung des vorgesehenen Innovationsbereiches, der funktionell von angrenzenden Gebieten unterscheidbar sein muss,
2.
ein Maßnahmen- und Finanzierungskonzept für die Laufzeit, das die Maßnahmen in allgemeiner Form bezeichnet und den städtebaulichen Zielen der Gemeinde nicht widerspricht,
3.
eine Darstellung des vorgesehenen Verteilungsmaßstabs (§ 5 Abs. 4),
4.
eine Erklärung, dass die Standortgemeinschaft andere Abgabenpflichtige und interessierte Dritte nicht ohne sachlichen Grund von einer aktiven Mitwirkung ausschließen wird, und
5.
ein Nachweis, dass mindestens 15 Prozent der Anzahl der von der Standortgemeinschaft dem Antrag zu Grunde gelegten Abgabenpflichtigen dem Antrag zugestimmt haben.

(3) 1Die Gemeinde weist den Antrag zurück, wenn die Standortgemeinschaft nicht die Zustimmung von mindestens 15 Prozent der ihrem Antrag zufolge dem Grunde nach Abgabenpflichtigen (potenziell Abgabenpflichtige) nachweisen kann. 2Sie weist den Antrag außerdem zurück, wenn die Abgabenpflichtigen unverhältnismäßig belastet würden. 3Im Übrigen entscheidet sie in eigener Verantwortung.

(4) 1Erfüllt der Antrag die Voraussetzungen von Absatz 1 bis 3, legt die Gemeinde die vollständigen Antragsunterlagen für die Dauer eines Monats öffentlich aus und macht dies mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt. 2In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass bis eine Woche nach Abschluss der Auslegung von jedermann Anregungen vorgebracht werden können und die potenziell Abgabenpflichtigen das Recht haben, der Einrichtung des Innovationsbereichs zu widersprechen. 3Die potenziell Abgabenpflichtigen, deren Person und Anschrift sich innerhalb angemessener Frist mit vertretbarem Aufwand ermitteln lassen, und die betroffenen Träger öffentlicher Belange werden durch die Gemeinde schriftlich von der Auslegung benachrichtigt.

(5) 1Nach Ablauf des Verfahrens gemäß Absatz 4 sind der Standortgemeinschaft die eingegangenen Anregungen zu übermitteln und es ist ihr ein angemessener Prüfzeitraum einzuräumen. 2Werden die Antragsunterlagen in einem wesentlichen Punkt geändert, ist das Verfahren nach Absatz 4 einmal zu wiederholen.

(6) Widersprechen mehr als 25 Prozent der potenziell Abgabenpflichtigen und werden diese Einsprüche im Rahmen des Anhörungsverfahrens nicht zurückgenommen oder auf andere Weise erledigt, ist der Antrag von der Gemeinde abzulehnen.

§ 4
Festlegung des Innovationsbereiches

(1) 1Erfüllt der Antrag die Voraussetzungen nach § 3, legt die Gemeinde den Innovationsbereich durch Satzung fest, wenn sich die Standortgemeinschaft zuvor in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag verpflichtet hat, die sich aus diesem Gesetz, der Satzung und dem Maßnahmen- und Finanzierungskonzept ergebenden Verpflichtungen, Ziele und Aufgaben umzusetzen. 2Soweit einzelne vorgesehene Maßnahmen Folgekosten verursachen können, die über die Dauer der Festlegung des Innovationsbereiches hinaus wirksam werden, muss der öffentlich-rechtliche Vertrag auch eine Vereinbarung zu ihrer Übernahme nach Außerkrafttreten der Satzung beinhalten.

(2) 1Die Satzung muss die in § 2 Abs. 1 Satz 2 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes (SächsKAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 2004 (SächsGVBl. S. 418, 2005 S. 306), das zuletzt durch Artikel 2 Abs. 14 des Gesetzes vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142, 144) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, geforderten Angaben enthalten. 2Sie muss ergänzend mindestens die Standortgemeinschaft benennen sowie den Geltungsbereich und die Geltungsdauer des Innovationsbereiches, das Maßnahmekonzept, den Gesamtfinanzierungsaufwand und die Mittelverwendung festlegen. 3Beabsichtigt die Gemeinde, eine Kostenpauschale für ihren Verwaltungsaufwand einzubehalten (§ 6 Abs. 1), ist auch deren Höhe in der Satzung festzulegen.

§ 5
Abgabenerhebung

(1) 1Zur Finanzierung der Maßnahmen des Innovationsbereiches erhebt die Gemeinde Abgaben von den Abgabenpflichtigen. 2Dies geschieht aufgrund der Satzung nach § 4 Abs. 1 Satz 1.

(2) 1Abgabenpflichtig sind im Regelfall die Grundeigentümer der im Innovationsbereich belegenen Grundstücke, bei Eigentümergemeinschaften sowie Teil- und Wohneigentum die jeweiligen Gemeinschaften. 2Sind Grundstücke mit einem Erbbaurecht belastet, so sind die Erbbauberechtigten anstelle der Eigentümer abgabenpflichtig. 3Im Falle von Teil- oder Wohneigentum erhebt die Gemeinde die Abgabe beim jeweiligen Teil- oder Wohneigentümer.

(3) 1Die Gemeinde kann abweichend von Absatz 2 Innovationsbereiche zulassen, bei denen auch oder ausschließlich die Gewerbetreibenden und Angehörigen der freien Berufe abgabenpflichtig sind, die eine wirtschaftliche Tätigkeit im Innovationsbereich ausüben. 2Dies gilt nicht, wenn die vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung des Innovationsbereiches überwiegend baulicher Art sind.

(4) 1Zulässige Verteilungsmaßstäbe sind insbesondere

1.
die Einheitswerte der Grundstücke,
2.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung der Grundstücke,
3.
die Grundstücksflächen,
4.
die Grundstücksseite entlang der Erschließungsanlagen,
5.
die nutzbaren Geschossflächen.

2Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden und es kann eine Kappungsgrenze festgesetzt werden. 3Das für die Festsetzung des Einheitswertes zuständige Finanzamt übermittelt der Gemeinde auf Ersuchen für die Abgabenerhebung erforderliche Daten.

(5) 1Die Gemeinde kann in der Satzung (§ 4) Grundeigentümer oder Erbbauberechtigte von der Abgabenpflicht ausnehmen, wenn die Heranziehung zu der Abgabe vor dem Hintergrund der tatsächlichen Grundstücksnutzung eine unverhältnismäßige Härte begründen würde. 2Sie hat die in Satz 1 bezeichneten Personengruppen von der Abgabenpflicht auszunehmen, wenn die Grundstücke dem Gemeingebrauch gewidmet sind oder die Nutzung der Grundstücke ausschließlich zu Zwecken des Gemeinbedarfs ausgeübt wird.

(6) 1Die Gemeinde kann Abgabenpflichtige von der Abgabe befreien oder ihnen die Abgabe ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. 2Sie hat Abgabenpflichtige von der Abgabe zu befreien oder ihnen die Abgabe zu erlassen, wenn deren Einziehung nachweislich die wirtschaftliche Existenz des Abgabenpflichtigen gefährden würde.

(7) Auf die Abgaben findet § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 sowie Abs. 4 SächsKAG entsprechende Anwendung.

§ 6
Mittelverwendung

(1) 1Das tatsächliche Aufkommen aus der Abgabe steht der Standortgemeinschaft zu. 2Sie verwaltet die Einnahmen aus dem Abgabenaufkommen abgesondert von ihren eigenen Mitteln und verwendet sie ausschließlich für Maßnahmen gemäß § 4 Abs. 1.

(2) Nicht verwendete Mittel hat die Standortgemeinschaft nach Außerkrafttreten der Satzung an die Abgabenpflichtigen im Verhältnis ihrer Anteile zu erstatten.

(3) Die Gemeinde ist berechtigt, eine Kostenpauschale zur Abgeltung des gemeindlichen Aufwands einzubehalten, die 1 Prozent des jährlichen Abgabenaufkommens nicht überschreiten darf.

§ 7
Umsetzung des Maßnahmen- und Finanzierungskonzeptes

(1) Will die Standortgemeinschaft einzelne Aufgaben oder Bereiche des Maßnahmen- und Finanzierungskonzeptes, für die ihr Mittel aus der Abgabe zufließen, selbst durchführen oder Mitgliedern der Standortgemeinschaft übertragen, so hat sie im Antrag gemäß § 3 darzulegen, warum eine Übertragung dieser Aufgabe an Dritte nicht zweckmäßig oder nicht wirtschaftlicher ist.

(2) 1Die Standortgemeinschaft kann bei der Umsetzung des Maßnahmen- und Finanzierungskonzeptes Ausgaben für Einzelposten auf die Laufzeit des Innovationsbereiches bezogen um bis zu 20 Prozent über- oder unterschreiten, wenn das Gesamtbudget nicht überschritten wird. 2Dies gilt entsprechend für die Umsetzung von Maßnahmen, die im Maßnahmen- und Finanzierungskonzept nicht vorgesehen sind, wenn diese nicht mehr als 3 Prozent des eingeplanten Gesamtbudgets binden. 3Bei allen sonstigen Änderungen des Maßnahmen- und Finanzierungskonzeptes ist das Verfahren nach § 3 Abs. 4 und 5 zu wiederholen.

§ 8
Aufsicht

(1) 1Die Standortgemeinschaft hat der Gemeinde die ordnungs- und zweckgemäße Mittelverwendung auf Verlangen unverzüglich, mindestens jedoch jährlich, schriftlich nachzuweisen. 2Für den Fall, dass die Standortgemeinschaft gegen das Maßnahmen- und Finanzierungskonzept, die Satzung oder den öffentlich-rechtlichen Vertrag trotz Mahnung nachhaltig verstößt, ist die Gemeinde berechtigt, den öffentlich-rechtlichen Vertrag zu kündigen und die Satzung aufzuheben.

(2) Die Haftung der Gemeinde für eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

§ 9
Berichtspflicht

Die Staatsregierung berichtet dem Landtag bis zum 31. Dezember 2017 über die Auswirkungen dieses Gesetzes.

§ 10
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

(2) 1Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft. 2Für die auf seiner Grundlage erlassenen Satzungen bleibt es bis zu deren Außerkrafttreten anwendbar.

Dresden, den 12. Juli 2012

Der Landtagspräsident
Dr. Matthias Rößler

Der Ministerpräsident
Stanislaw Tillich

Der Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Sven Morlok

Der Staatsminister des Innern
Markus Ulbig