Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
der Sächsischen Staatsministerien des Innern, der Justiz, für Wirtschaft und Arbeit, für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten sowie für Umwelt und Landesentwicklung
über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden mit den Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt
(VwV Umweltkriminalität)

Vom 11. August 1995

I
Grundsätze

1
Die starke Belastung der Umwelt bedeutet eine ernste Gefahr für die natürlichen Lebensgrundlagen und für die Gesundheit des Menschen.
2
Es sind daher alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Menschen eine Umwelt zu erhalten, die ihm Gesundheit und ein menschenwürdiges Dasein gewährleistet, um Boden, Luft und Wasser, Pflanzen und Tierwelt vor nachteiligen Auswirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und um Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen (vergleiche Artikel 10 der Verfassung des Freistaates Sachsen).
3
Das Schwergewicht des Handelns der Behörden muss im verwaltungsrechtlichen Vollzug liegen, um damit auch Straftaten vorzubeugen. Deshalb sind die verwaltungsrechtlichen Ordnungsbefugnisse und Vollstreckungsmöglichkeiten im Interesse des Umweltschutzes auszuschöpfen.
4
Zu den notwendigen Maßnahmen gehört aber auch die Ahndung von Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz der Umwelt mit Mitteln des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts. Die wirksame Verfolgung solcher Verstöße setzt eine enge, verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für den Umweltschutz verantwortlichen Verwaltungsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden voraus.

II
Begriffsbestimmungen

1
Straftaten gegen die Umwelt im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind Straftaten nach dem 28. Abschnitt des Strafgesetzbuches sowie sonstige unweltrelevante Straftaten nach dem Strafgesetzbuch und strafrechtlichen Nebengesetzen.
2
Für den Umweltschutz zuständige Verwaltungsbehörden im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind die Regierungspräsidien, die unteren Verwaltungsbehörden, die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter, das Sächsische Oberbergamt, die Bergämter, die staatlichen Ämter für Landwirtschaft und die staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Gartenbau.

III
Gemeinsame Dienstbesprechungen

1
Die Regierungspräsidien führen jährlich mindestens eine Besprechung mit den für ihren Bezirk zuständigen Strafverfolgungsbehörden durch. Die Besprechungen sollen dem Meinungs- und Erfahrungsaustausch, der Erörterung von Fragen der Zusammenarbeit, der Koordinierung von Maßnahmen, der wechselseitigen Unterrichtung über Erlass, Änderung oder Auslegung umweltrelevanter Vorschriften sowie der Behandlung aller sonstigen einschlägigen Fragen aus den Bereichen des präventiven und repressiven Umweltschutzes dienen.
2
An den Besprechungen nehmen die für Umweltstrafrecht zuständigen Staatsanwälte, ein Vertreter des Generalstaatsanwalts, ein Vertreter des Landeskriminalamts Sachsen, ein Vertreter des Polizeipräsidiums sowie Vertreter der unteren Verwaltungsbehörden, des Sächsischen Oberbergamts, der Bergämter, des Landesamts für Umwelt und Geologie und der staatlichen Umweltfachämter teil. Der Bereich Arbeit und Gewerbeaufsicht des jeweiligen Regierungspräsidiums, das Regierungspräsidium Chemnitz – Abteilung Landwirtschaft –, die Forstdirektionen, die Naturpark-, die Nationalpark- und die Biosphären-Reservatsverwaltungen sowie sonstige Fachbehörden sind hinzuzuziehen, soweit ihr Aufgabenbereich berührt wird. Die in ihren Belangen berührten Staatsministerien werden vor den Dienstbesprechungen nachrichtlich beteiligt.

IV
Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden

1
Ergeben sich Anhaltspunkte für eine Straftat gegen die Umwelt, so unterrichten die Fachbehörden unverzüglich und umfassend die für den Umweltschutz zuständigen Verwaltungsbehörden über ihre Feststellungen. Diese unterrichten aufgrund der Benachrichtigung durch die Fachbehörden oder aufgrund eigener Erkenntnisse die Strafverfolgungsbehörden unverzüglich und umfassend
 
a)
über den Verdacht einer Straftat nach dem 28. Abschnitt des Strafgesetzbuches oder entsprechenden Bestimmungen des StGB/DDR, soweit diese anwendbar sind,
 
b)
über den Verdacht einer Straftat gegen die Umwelt, wenn dies wegen der Bedeutung der Tat oder aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist. Hiernach besteht insbesondere dann eine Anzeigepflicht, wenn
 
 
aa)
die Straftat zu einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung von Leben oder Gesundheit anderer oder von fremden Sachen von bedeutendem Wert oder zu einer erheblichen oder nachhaltigen Schädigung des Naturhaushalts geführt hat,
 
 
bb)
der Tatverdächtige wiederholt gegen Rechtsvorschriften oder behördliche Anordnungen, Bedingungen oder Auflagen zum Schutz der Umwelt verstoßen hat.
2
Die Anzeige ist an die zuständige Staatsanwaltschaft zu richten. Ist zum Zweck der Beweissicherung ein sofortiges Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden erforderlich, ist außerdem die Polizei unverzüglich zu unterrichten.

V
Ordnungswidrigkeitenverfahren

Die vorstehende Unterrichtungspflicht lässt die Rechte und Pflichten der zuständigen Verwaltungsbehörden zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Umweltschutzes unberührt; insbesondere geben die Verwaltungsbehörden bei Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Straftat die Sache gemäß § 41 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ( OWiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186), an die Staatsanwaltschaft ab.

VI
Beteiligung der Verwaltungsbehörden
durch die Staatsanwaltschaft

1
Die in dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) und in den Richtlinien für Strafverfahren und das Bußgeldverfahren ( RiStBV) vom 14. Mai 1991 (SächsABl. Nr. 14 S. 4) enthaltenen Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Verwaltungsbehörden sind zu beachten. Dies gilt insbesondere für
 
a)
die Beteiligung der Verwaltungsbehörden vor einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2, §§ 153, 153a StPO (Nummer 90 Abs. 1, Nummer 93 Abs. 1 RiStBV),
 
b)
die Beteiligung der Verwaltungsbehörden vor einer Einstellung des Verfahrens wegen einer Ordnungswidrigkeit (§ 40, § 42 Abs. 1, § 63 Abs. 3 OWiG; Nummer 275 Abs. 1, 3 und 5 RiStBV), wobei Nummer 275 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative RiStBV nicht anzuwenden ist,
 
c)
die Beteiligung der Verwaltungsbehörden an der Hauptverhandlung (Nummer 288 Abs. 2 RiStBV in Verbindung mit § 76 OWiG),
 
d)
die Abgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde nach § 43 Abs. 1 OWiG (Nummer 276 RiStBV).
2
Ferner sind in entsprechender Anwendung von Nummer 52 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) in Verbindung mit den allgemeinen Vorschriften der MiStra die Einleitung und der Ausgang des Verfahrens dem zuständigen Regierungspräsidium mitzuteilen.

VII
Bekämpfung der Nuklearkriminalität

Die Bestimmungen der gemeinsamen Verwaltungsvorschrift der Staatsministerien des Innern, der Justiz und für Umwelt und Landesentwicklung über die Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der Nuklearkriminalität, insbesondere der Nachsorge im Freistaat Sachsen vom 8. März 1995 (SächsABl. S. 462), bleiben unberührt.

VIII
Inkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 15. September 1995 in Kraft.


Dresden, den 11. August 1995

Sächsisches Staatsministerium
der Justiz
Dr. Franke

Staatssekretär

Dresden, den 12. Juli 1995

Sächsisches Staatsministerium
des Innern
Wicker
Staatssekretär

Dresden, den 8. Juni 1995

Sächsisches Staatsministerium
für Umwelt und Landesentwicklung
Angst
Staatssekretär

Dresden, den 7. Juli 1995

Sächsisches Staatsministerium
für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten
Dr. Kerger
Oberregierungsrat

Dresden, den 7. Juli 1995

Sächsisches Staatsministerium
für Wirtschaft und Arbeit
Wagner
Ministerialdirigent

Änderungsvorschriften