Historische Fassung war gültig vom 25.07.1992 bis 21.11.1995

Verwaltungsvollstreckungsgesetz
für den Freistaat Sachsen
(SächsVwVG)

Vom 17. Juli 1992

Erster Teil:
Allgemeine Vorschriften

§ 1
Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für die Vollstreckung von Verwaltungsakten

1.
der Behörden des Freistaates Sachsen und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
sonstiger Behörden durch die in Nummer 1 genannten Behörden im Wege der Vollstreckungshilfe.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht, soweit auf die Verwaltungsvollstreckung Bundesrecht anzuwenden ist. Es gilt jedoch, soweit Bundesrecht die Länder ermächtigt, zu bestimmen, daß die landesrechtlichen Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung anzuwenden sind.

§ 2
Allgemeine Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung

Ein Verwaltungsakt kann vollstreckt werden, wenn er

1.
zu einer Zahlung, einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder Unterlassung verpflichtet und
2.
unanfechtbar geworden ist, ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat oder seine sofortige Vollziehung angeordnet worden ist.

Ist der Zweck der Vollstreckung erreicht oder zeigt sich, daß er durch Anwendung von Zwangsmitteln nicht erreicht werden kann, ist die Vollstreckung einzustellen.

§ 3
Vollstreckungsschuldner

(1) Als Vollstreckungsschuldner kann in Anspruch genommen werden, wer

1.
eine Leistung aufgrund des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes schuldet oder
2.
für eine Leistung, die ein anderer aufgrund des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes schuldet, persönlich haftet.

(2) Wer zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet ist, steht dem Vollstreckungsschuldner gleich, soweit seine Duldungspflicht reicht.

(3) Gegen den Rechtsnachfolger kann die Vollstreckung eingeleitet oder fortgesetzt werden, soweit er durch den Verwaltungsakt verpflichtet wird und die Voraussetzungen der Vollstreckung für seine Person vorliegen. Ist die Vollstreckung beim Tode des Vollstreckungsschuldners bereits eingeleitet, so kann sie in den Nachlaß fortgesetzt werden, auch wenn die Voraussetzungen der Vollstreckung für den Rechtsnachfolger nicht vorliegen.

§ 4
Vollstreckungsbehörden, Vollstreckungshilfe

(1) Vollstreckungsbehörden sind

1.
die Finanzämter für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die zu einer Zahlung verpflichten (Leistungsbescheide), soweit diese von einer Behörde des Freistaates Sachsen erlassen worden sind,
2.
für sonstige Verwaltungsakte die Behörden, die die Verwaltungakte erlassen haben,
3.
die Behörden, die von anderen Behörden erlassene Verwaltungsakte im Wege der Vollstreckungshilfe vollstrecken.

In den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 gelten für das Verfahren und die Kosten der Vollstreckung die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend.

(2) Inländischen Behörden ist auf Ersuchen Vollstreckungshilfe zu leisten, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Amtshilfe erfüllt sind. Ausländischen Behörden darf Vollstreckungshilfe nur geleistet werden, wenn dies in einer völkerrechtlichen Vereinbarung oder in einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften vorgesehen ist.

(3) Einem Vollstreckungsersuchen nach Absatz 2 darf, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur entsprochen werden, wenn es folgende Angaben enthält:

1.
die Bezeichnung und das Dienstsiegel der ersuchenden Behörde sowie die Unterschrift des Behördenleiters oder seines Beauftragten; bei einem Vollstreckungsersuchen, das mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt ist, können Dienstsiegel und Unterschrift fehlen,
2.
die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erlassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens,
3.
die Angabe der Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, im Falle der Beitreibung die Angabe des Grundes und der Höhe der Geldforderung,
4.
die Angabe, daß der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat oder seine sofortige Vollziehung angeordnet worden ist,
5.
die Bezeichnung der Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll,
6.
im Falle der Beitreibung die Angabe, wann der Pflichtige gemahnt worden ist oder aus welchem Grund die Mahnung unterblieben ist.

Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 entsprechend.

(4) Das Staatsministerium des Innern kann im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Staatsministerium durch Rechtsverordnung

1.
eine andere Behörde zur Vollstreckungsbehörde nach Absatz 1 bestimmen,
2.
näher bestimmen, welche Behörden Vollstreckungshilfe nach Absatz 2 zu leisten haben.

§ 5
Vollstreckungsauftrag

(1) Der mit der Vollstreckung beauftragte Bedienstete der Vollstreckungsbehörde (Vollstreckungsbediensteter) wird dem Vollstreckungsschuldner und Dritten gegenüber durch schriftlichen Auftrag der Vollstreckungsbehörde zur Vollstreckung ermächtigt. Der Vollstreckungsbedienstete hat auf Verlangen den Vollstreckungsauftrag vorzuzeigen und sich auszuweisen.

(2) Der Vollstreckungsauftrag muß mindestens enthalten:

1.
die Bezeichnung und das Dienstsiegel der Vollstreckungsbehörde, die Unterschrift des den Vollstreckungsauftrag erteilenden Bediensteten und den Namen des mit der Vollstreckung beauftragten Bediensteten,
2.
die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erlassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens,
3.
die Bestätigung, daß der Verwaltungsakt nach § 2 vollstreckbar ist,
4.
die Bezeichnung der Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll.

§ 6
Betreten und Durchsuchen

(1) Der Vollstreckungsbedienstete ist befugt, das Besitztum des Vollstreckungsschuldners zu betreten und zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Er kann dabei verschlossene Räume und Behältnisse öffnen oder öffnen lassen.

(2) Wohnungen, Geschäfts- und Betriebsräume und sonstiges befriedetes Besitztum kann er ohne Einwilligung des Vollstreckungsschuldners nur auf Anordnung des Verwaltungsgerichts durchsuchen. Eine Anordnung des Verwaltungsgerichts ist nicht erforderlich, wenn die dadurch eintretende Verzögerung den Zweck der Vollstreckung gefährden würde.

§ 7
Widerstand gegen Vollstreckungshandlungen

Der Vollstreckungsbedienstete ist bei Widerstand gegen eine Vollstreckungshandlung befugt, einfache körperliche Gewalt anzuwenden. Er kann eine Polizeidienststelle um Unterstützung ersuchen.

§ 8
Zuziehung von Zeugen

Ist bei einer Vollstreckungshandlung in den Räumen des Vollstreckungsschuldners weder dieser noch eine zu seinem Haushalt oder Geschäftsbetrieb gehörende Person anwesend, so hat der Vollstreckungsbedienstete eine erwachsene Person als Zeugen zuzuziehen.

§ 9
Vollstreckung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen

(1) Zur Nachtzeit sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen darf der Vollstreckungsbedienstete nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vollstreckungsbehörde vollstrecken. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Sie ist auf Verlangen vorzuzeigen.

(2) Die Nachtzeit umfaßt die Stunden von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

§ 10
Niederschrift

(1) Der Vollstreckungsbedienstete hat über jede Vollstreckungshandlung, die nicht schriftlich vorgenommen wird, eine Niederschrift aufzunehmen.

(2) Die Niederschrift soll enthalten:

1.
die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde und des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes,
2.
Art und Zeit der Niederschrift,
3.
die Vollstreckungshandlung,
4.
die Namen der Personen, mit denen verhandelt wurde,
5.
die Namen der als Zeugen zugezogenen Personen,
6.
eine kurze Darstellung der wesentlichen Vorgänge,
7.
die Namen der an der Vollstreckung beteiligten Bediensteten,
8.
die Unterschrift des die Vollstreckung leitenden Bediensteten.

(3) War der Vollstreckungsschuldner bei der Vollstreckungshandlung nicht anwesend, so hat ihm die Vollstreckungsbehörde eine Abschrift der Niederschrift zuzusenden.

§ 11
Wegfall der aufschiebenden Wirkung

Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung haben keine aufschiebende Wirkung. § 80 Abs. 4 bis 8 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend.

Zweiter Teil:
Vollstreckung von Leistungsbescheiden

§ 12
Art und Umfang der Vollstreckung

(1) Leistungsbescheide werden durch Beitreibung vollstreckt.

(2) Mit der Hauptforderung können beigetrieben werden:

1.
die Kosten der Vollstreckung,
2.
Zinsen, Säumniszuschläge und andere Nebenforderungen, wenn der Vollstreckungsschuldner auf die Verpflichtung zur Leistung der Nebenforderungen sowie deren Höhe zuvor schriftlich hingewiesen worden ist.


§ 13
Fälligkeit, Mahnung

(1) Die Beitreibung ist nur zulässig, soweit die beizutreibende Forderung fällig ist.

(2) Vor der Beitreibung ist der Schuldner durch verschlossenes Schreiben zu mahnen.

(3) Bei regelmäßig wiederkehrenden Geldleistungen kann die Mahnung durch ortsübliche Bekanntmachung erfolgen.

(4) In der Mahnung ist für die Zahlung eine’ Frist von mindestens einer Woche zu bestimmen.

(5) Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn dadurch der Zweck der Vollstreckung gefährdet würde oder wenn Zwangsgeld, Kosten der Vollstreckung sowie Nebenforderungen beigetrieben werden sollen.

§ 14
Beitreibung durch Vollstreckung in bewegliche Sachen

(1) Die Beitreibung kann im Wege der Vollstreckung in bewegliche Sachen erfolgen. Hierfür gelten §§ 281 bis 283, § 285 Abs. 1, §§ 286, 292 bis 308 der Abgabenordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Vollziehungsbeamten der Vollstreckungsbedienstete tritt.

(2) Die Vollstreckungsbehörden können die Gerichtsvollzieher um Beitreibung durch Vollstreckung in bewegliche Sachen ersuchen; dies gilt auch für inländische Vollstreckungsbehörden, die diesem Gesetz nicht unterliegen. Wird die Beitreibung durch Gerichtsvollzieher durchgeführt, gelten die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozeßordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde tritt und eine Zustellung des Vollstreckungsersuchens nicht erforderlich ist. Für das Vollstreckungsersuchen gilt § 4 Abs. 3 entsprechend.

§ 15
Beitreibung durch Vollstreckung in sonstige Vermögensgegenstände

(1) Erfolgt die Beitreibung durch Vollstreckung in sonstige Vermögensgegenstände, so gelten folgende Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend:

1.
§§ 281 bis 283 für die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen im allgemeinen;
2.
§§ 309 bis 314, § 315 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, §§ 316 bis 321 für die Vollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte;
3.
§§ 322 und 323 für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann die Pfändungs- und die Einziehungsverfügung auch dann selbst erlassen und durch die Post zustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner oder der Drittschuldner außerhalb des Freistaates Sachsen, jedoch im Inland seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, sofern das dort geltende Landesrecht dies zuläßt.

(3) Vollstreckungsbehörden im Inland, die diesem Gesetz nicht unterliegen, können gegen Vollstreckungs-schuldner und Drittschuldner, die ihren Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Sachsen haben, selbst Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlassen und durch die Post zustellen.

§ 16
Sonstige Vorschriften für die Beitreibung

Im übrigen gelten für die Beitreibung § 251 Abs. 2 Satz 2; §§ 258, 260, 262 bis 264, 266, 267, 324 bis 327 der Abgabenordnung entsprechend.

§ 17
Eidesstattliche Versicherung

(1) Hat die Vollstreckung in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung geführt oder ist anzunehmen, daß eine vollständige Befriedigung nicht zu erlangen sein wird, so hat der Vollstreckungsschuldner auf Antrag der Vollstreckungsbehörde dem Amtsgericht ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und für seine Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen. Für den Inhalt des Vermögensverzeichnisses gilt § 807 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Der Vollstreckungsschuldner hat zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, daß er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat.

(3) Für das Verfahren vor dem Amtsgericht gelten die §§ 899 bis 910, 913 bis 915 der Zivilprozeßordnung entsprechend. An die Stelle des Vollstreckungstitels tritt der schriftliche Antrag der Vollstreckungsbehörde; für den Antrag gilt § 4 Abs. 3 entsprechend.

(4) Lehnt das Amtsgericht den Antrag der Vollstreckungsbehörde ab, die eidesstattliche Versicherung abzunehmen oder die Haft anzuordnen, so ist die sofortige Beschwerde nach der Zivilprozeßordnung gegeben.

§ 18
Beitreibung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts

(1) Die Beitreibung bedarf der Zulassung durch

1.
die Staatsregierung, wenn sie sich gegen eine oberste Landesbehörde richtet,
2.
die zuständige oberste Landesbehörde, wenn sie sich gegen eine andere Behörde des Freistaates Sachsen richtet,
3.
die Aufsichtsbehörde, wenn sie sich gegen eine der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts richtet; dies gilt nicht für öffentlich-rechtliche Unternehmen, die am Wettbewerb teilnehmen.

(2) Die Zulassung hat zu erfolgen; soweit es sich nicht um Vermögensgegenstände handelt, die für die Erfüllung von Pflichtaufgaben des Schuldners unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein überwiegendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(3) In der Zulassungsverfügung sind der Zeitpunkt der Beitreibung und die Vermögensgegenstände, in die vollstreckt werden darf, zu bestimmen.

Dritter Teil:
Vollstreckung sonstiger Verwaltungsakte

1. Abschnitt:
Allgemeine Vorschriften

§ 19
Zwangsmittel

(1) Verwaltungsakte, die zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung verpflichten, werden mit Zwangsmitteln vollstreckt.

(2) Zwangsmittel sind

1.
Zwangsgeld und Zwangshaft,
2.
Ersatzvornahme,
3.
unmittelbarer Zwang einschließlich Zwangsräumung und Wegnahme.

(3) Kommen mehrere Zwangsmittel in Betracht, so hat die Vollstreckungsbehörde dasjenige Zwangsmittel anzuwenden, das den Vollstreckungsschuldner und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(4) Durch die Anwendung eines Zwangsmittels darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zum Zweck der Vollstreckung steht.

(5) Zwangsmittel dürfen wiederholt und solange angewandt werden, bis der Verwaltungsakt vollzogen oder auf andere Weise erledigt ist.

§ 20
Androhung

(1) Zwangsmittel sind vor ihrer Anwendung von der Vollstreckungsbehörde schriftlich anzudrohen. Dem Vollstreckungsschuldner ist in der Androhung zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen. Eine Frist braucht nicht bestimmt zu werden, wenn eine Duldung oder Unterlassung erzwungen werden soll.

(2) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt, der vollstreckt werden soll, verbunden werden.

(3) Die Androhung muß sich auf bestimmte Zwangsmittel beziehen. Werden mehrere Zwangsmittel angedroht, ist anzugeben, in welcher Reihenfolge sie angewandt werden sollen.

(4) Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe anzudrohen.

(5) Wird Ersatzvornahme angedroht, so sind in der Androhung die voraussichtlichen Kosten anzugeben.

§ 21
Vollstreckung bei Gefahr im Verzug

Von § 3 Abs. 3, §§ 5, 8, 9 und 20 Abs. 1 kann abgewichen werden, soweit dies zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich ist.

2. Abschnitt:
Die einzelnen Zwangsmittel

§ 22
Zwangsgeld

(1) Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt mindestens 10 DM und höchstens 50 000 DM.

(2) Das Zwangsgeld ist vor der Beitreibung schriftlich festzusetzen.

§ 23
Zwangshaft

(1) Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, so kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde nach Anhörung des Vollstreckungsschuldners die Zwangshaft anordnen, wenn bei der Androhung des Zwangsgeldes oder nachträglich auf die Zulässigkeit der Zwangshaft hingewiesen worden ist.

(2) Die Zwangshaft beträgt mindestens einen Tag und höchstens zwei Wochen.

(3) Die Zwangshaft ist auf Antrag der Vollstreckungsbehörde von der Justizverwaltung zu vollstrecken. Die §§ 904 bis 910 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

§ 24
Ersatzvornahme

(1) Wird die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde auf Kosten des Vollstreckungsschuldners einen anderen mit der Vornahme der Handlung beauftragen oder die Handlung selbst vornehmen.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann vom Vollstreckungsschuldner die Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme verlangen.

(3) Die Kosten der Ersatzvornahme und die Vorauszahlung werden von der Vollstreckungsbehörde durch Leistungsbescheid festgesetzt.

(4) Die Kosten sind innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Leistungsbescheides zu zahlen. Von diesem Zeitpunkt an sind die Kosten der Ersatzvornahme zu verzinsen. Die Vorauszahlung ist zu verzinsen, soweit sie die tatsächlichen Kosten der Ersatzvornahme übersteigt. Der Zinssatz beträgt zwei vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank. Änderungen des Diskontsatzes sind für die Verzinsung ab dem Tag wirksam, an dem die Deutsche Bundesbank die Änderung im Bundesanzeiger bekanntgemacht hat.

§ 25
Unmittelbarer Zwang

(1) Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt sowie durch Waffengebrauch oder andere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Waffengebrauch ist nur zulässig, soweit dies durch Gesetz ausdrücklich gestattet ist.

(2) Unmittelbarer Zwang darf nur angewandt werden, wenn Zwangsgeld und Ersatzvornahme nicht zum Erfolg geführt haben oder deren Anwendung untunlich ist.

(3) Gegenüber Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der Zweck der Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint. Das angewandte Mittel muß nach Art und Maß dem Alter und dem Zustand der Personen angemessen sein.

§ 26
Zwangsräumung

(1) Hat der Vollstreckungsschuldner eine unbewegliche Sache, einen Raum oder ein Schiff zu räumen, zu überlassen oder herauszugeben, so können er und die Personen, die zu seinem Haushalt oder Geschäftsbetrieb gehören, aus dem Besitz gesetzt werden. Der Zeitpunkt der Zwangsräumung soll dem Vollstreckungsschuldner angemessene Zeit vorher mitgeteilt werden.

(2) Bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Vollstreckung sind, werden dem Vollstreckungsschuldner oder, wenn dieser nicht anwesend ist, seinem Vertreter oder einer zu seinem Haushalt oder Geschäftsbetrieb gehörenden erwachsenen Person übergeben.

(3) Weigert sich der Empfangsberechtigte nach Absatz 2, die Sachen in Empfang zu nehmen, sind sie zu verwahren. Der Vollstreckungsschuldner ist aufzufordern, die Sachen binnen einer bestimmen Frist abzuholen. Kommt er der Aufforderung nicht nach, so kann die Vollstreckungsbehörde die Sachen verwerten. §§ 296 bis 300 der Abgabenordnung gelten entsprechend.

§ 27
Wegnahme

(1) Hat der Vollstreckungsschuldner eine bewegliche Sache herauszugeben oder vorzulegen, so kann der Vollstreckungsbedienstete sie ihm wegnehmen.

(2) Wird die Sache beim Vollstreckungsschuldner nicht vorgefunden, so hat er über ihren Verbleib Auskunft zu geben oder auf Antrag der Vollstreckungsbehörde vor dem Amtsgericht zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, daß er nicht wisse, wo die Sache sich befinde. Das Gericht kann eine der Sachlage entsprechende Änderung der eidesstattlichen Versicherung beschließen.

(3) Dem Antrag der Vollstreckungsbehörde ist eine beglaubigte Abschrift des zu vollstreckenden Verwaltungsakts beizufügen. Für das Verfahren vor dem Amtsgericht gelten § 899, § 900 Abs. 3 und 5, §§ 901, 902, 904 bis 910 und 913 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

Vierter Teil:
Schlußvorschriften

§ 28
Einschränkung von Grundrechten

Durch Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes können das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen, die Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes und Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 30 der Verfassung des Freistaates Sachsen) eingeschränkt werden.

§ 29
Aufhebung von Rechtsvorschriften

Die Verordnung über die Vollstreckung wegen Geldforderungen der Staatsorgane und staatlichen Einrichtungen vom 6. Dezember 1968 (GBl. II Nr. 6 S. 61), die §§ 53 bis 56 und 58 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei vom 13. September 1990 (GBl. 1 Nr. 61 S. 1489) sowie alle anderen Vorschriften, die diesem Gesetz entsprechen oder widersprechen, werden aufgehoben.

§ 30
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.


Dresden, den 17. Juli 1992

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert