Verwaltungsvorschrift

des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über ehrenamtliche Beauftragte für Denkmalpflege
(VwV Beauftragte für Denkmalpflege)

Vom 15. September 1993 1

Aufgrund von § 7 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen (Sächsisches Denkmalschutzgesetz – SächsDSchG) vom 3. März 1993 (SächsGVBl. S. 229) erläßt das Staatsministerium des Innern als oberste Denkmalschutzbehörde folgende Verwaltungsvorschrift über die Berufung und die Aufgaben ehrenamtlicher Beauftragter für Denkmalpflege:

1
Berufung
1.1
Zur Unterstützung und Beratung der unteren Denkmalschutzbehörden und der Landesoberbehörden für den Denkmalschutz werden ehrenamtliche Beauftragte für Denkmalpflege bestellt. Die ehrenamtlichen Beauftragten werden von der unteren Denkmalschutzbehörde im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Landesamt für Archäologie berufen. Eine Pflicht zur Übernahme einer Tätigkeit als ehrenamtlicher Beauftragter für Denkmalpflege besteht nicht.
1.2
In jedem Stadt- oder Landkreis soll mindestens je ein ehrenamtlicher Beauftragter berufen werden
 
a)
für den Fachbereich Bau- und Kunstdenkmalpflege einschließlich technische Denkmale und
 
b)
für den Fachbereich Archäologie.
1.3
Ehrenamtliche Beauftragte können auch berufen werden für das Gebiet einer unteren Denkmalschutzbehörde nach § 3 Abs. 2 des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes.
1.4
Die ehrenamtlichen Beauftragten werden auf die Dauer von fünf Jahren berufen.
 
Sie dürfen nicht berufen werden, wenn sie
 
  • gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, insbesondere die im internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 20. Dezember 1948 enthaltenen Grundsätze verletzt haben oder
  • für das frühere Ministerium für Staatssicherheit (MfS)/Amt für nationale Sicherheit tätig waren und ihre Berufung deshalb unzumutbar erscheint.
 
Die Berufung kann aus wichtigem Grund widerrufen werden.
1.5
Die ehrenamtlichen Beauftragten erhalten bei der Berufung einen Ausweis (Anlage). Dieser ist zurückzugeben, wenn die Berufung abgelaufen ist oder widerrufen wird.
1.6
Die ehrenamtlichen Beauftragten werden nach § 1 des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 547) bei Übernahme ihrer Aufgaben verpflichtet.
2
Rechtsstellung der ehrenamtlichen Beauftragten
2.1
Die nach Nummer 1 berufenen Personen sind ehrenamtlich tätig und sind Beauftragte der Denkmalschutzbehörden (vgl. § 7, § 15 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 SächsDSchG). Sie haben ihre Tätigkeit gewissenhaft und unparteiisch auszuüben und sind zur Verschwiegenheit über die ihnen bei Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten verpflichtet. Der Umfang der Verschwiegenheitspflicht bestimmt sich nach § 84 des Vorläufigen Verwaltungsverfahrensgesetzes des Freistaates Sachsen vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 74).
2.2
Die ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege sind für die Denkmalschutzbehörden tätig. Sie werden durch die Landesoberbehörde für den Denkmalschutz fachlich angeleitet, für deren Fachbereich sie berufen wurden. Sie üben ihre Tätigkeit regelmäßig außerhalb ihrer beruflichen Arbeitszeit aus.
2.3
Die ehrenamtlichen Beauftragten erhalten auf Antrag für ihre Aufwendungen eine Reisekostenvergütung nach den reisekostenrechtlichen Regelungen des Freistaates. Das Nähere hinsichtlich notwendiger nachgewiesener Auslagen und einer Entschädigung bleibt einer Verordnung des Staatsministeriums des Innern vorbehalten.
3
Allgemeine Aufgaben, Information
3.1
Die ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege beraten und unterstützen die Denkmalschutzbehörden, indem sie ihnen ihre fachlichen Kenntnisse zugänglich machen, fachbezogene Informationen aus ihrem Bereich vermitteln und das allgemeine Verständnis für die Anliegen von Denkmalpflege und Denkmalschutz fördern.
3.2
Die ehrenamtlichen Beauftragten beobachten in ihrem Bereich alle Planungen, Vorhaben und Vorgänge, von denen die Belange der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes berührt sein können, im Hinblick auf die Wahrung dieser Belange. Hierzu gehört auch die Beobachtung der örtlichen und überörtlichen Informationsmedien (Presse, Rundfunk, Fernsehen).
3.3
Die ehrenamtlichen Beauftragten unterrichten in erster Linie die Denkmalschutzbehörden und die zuständige Landesoberbehörde für den Denkmalschutz über alle Beobachtungen in ihrem Bereich, insbesondere wenn eine denkmalschutzrechtliche Maßnahme erforderlich sein könnte. Sie geben den Denkmalschutzbehörden sonstige zweckdienliche Auskünfte, Hinweise und Anregungen.
3.4
Die ehrenamtlichen Beauftragten übernehmen Aufträge der Denkmalschutzbehörden und der Landesämter für Denkmalpflege und für Archäologie.
3.5
Bei Gefahr im Verzug für ein Kulturdenkmal sollen die ehrenamtlichen Beauftragten die zuständige untere Denkmalschutzbehörde unterrichten, um ihr ein rechtzeitiges Tätigwerden zu ermöglichen. Erscheint dies nicht erreichbar, sollen sie die zuständige Landesoberbehörde für den Denkmalschutz (Landesamt für Denkmalpflege oder Landesamt für Archäologie) oder, falls auch diese nicht rechtzeitig tätig werden kann, die Polizei unterrichten, um diesen ein Tätigwerden nach § 4 Abs. 3 des SächsDSchG zu ermöglichen.
4
Entscheidungen, gesetzliche Aufgaben
4.1
Bei allen Fragen, zu deren Klärung die Sachkenntnis der Denkmalschutzbehörden, insbesondere die konservatorischen Fachkenntnisse der Landesoberbehörden für den Denkmalschutz eingesetzt werden müssen, haben die ehrenamtlichen Beauftragten die Denkmalschutzbehörden, in erster Linie die Landesoberbehörden, unverzüglich zu informieren. Die ehrenamtlichen Beauftragten sind nicht befugt, für die Landesoberbehörden für den Denkmalschutz eine Erklärung nach § 4 Abs. 2 des SächsDSchG abzugeben.
4.2
Die ehrenamtlichen Beauftragten sind berechtigt, von Eigentümern und Besitzern von Kulturdenkmalen im Rahmen der Auskunftspflicht nach § 15 Abs. 1 SächsDSchG freiwillig erteilte Auskünfte entgegenzunehmen und an die zuständige Denkmalschutzbehörde weiterzuleiten.
4.3
Die ehrenamtlichen Beauftragten sind befugt, nach vorheriger Benachrichtigung und mit Einwilligung der Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen im Rahmen von § 15 Abs. 2 SächsDSchG soweit erforderlich
 
a)
Grundstücke zu betreten,
 
b)
Kulturdenkmale zu besichtigen,
 
c)
mit entsprechendem Auftrag einer Landesoberbehörde für den Denkmalschutz wissenschaftliche Erfassungsmaßnahmen durchzuführen, insbesondere Einsicht in Archive und Sammlungen zu nehmen.
4.4
Die ehrenamtlichen Beauftragten sind befugt, mit Einwilligung der Eigentümer oder Besitzer und soweit sie dazu von einer Landesoberbehörde für den Denkmalschutz ermächtigt sind und dies ohne Grabungsarbeiten möglich ist, Funde von Kulturdenkmalen zu bergen und zur wissenschaftlichen Bearbeitung für die zuständige Landesoberbehörde in Besitz zu nehmen (Notbergung; § 20 Abs. 4 SächsDSchG).
4.5
Die ehrenamtlichen Beauftragten sind nicht befugt, eigenständig Grabungen durchzuführen. Sie haben Funde, Dokumentationen und alle sonstigen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in ihren Besitz gelangten Gegenstände an die zuständige Landesoberbehörde zu übergeben.
4.6
Die Durchsetzung der Auskunfts- und Duldungspflicht nach Nummer 4.2 und 4.3 und der Fundsicherungsarbeiten nach Nummer 4.4 gegen den Willen des Eigentümers oder Besitzers obliegt der zuständigen Denkmalschutzbehörde.
4.7
Die Ausübung der den ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege nach § 15 Abs. 2 und § 20 Abs. 4 SächsDSchG zustehenden Befugnisse kann beträchtliche rechtliche und finanzielle Folgen haben. Die ehrenamtlichen Beauftragten haben sich deshalb mit der Ausübung dieser Befugnisse auf die unter den gegebenen Umständen notwendigen Maßnahmen zu beschränken. Das von ihnen beabsichtigte Vorgehen haben sie möglichst vorher der zuständigen Denkmalschutzbehörde oder einer Landesoberbehörde für den Denkmalschutz mitzuteilen. Falls eine vorherige Benachrichtigung einer Denkmalschutzbehörde nicht möglich ist, haben sie die zuständige Denkmalschutzbehörde unverzüglich über das Veranlaßte zu unterrichten.
5
Verbindungen mit nahestehenden Institutionen und Personen
5.1
Die ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege pflegen Verbindungen mit Institutionen und Personen, die der Denkmalpflege Verständnis entgegenbringen oder ihr förderlich sein können, insbesondere mit
 
a)
Behörden und Dienststellen (Landratsämter, Bürgermeisterämter, Straßenbau-, Wasserwirtschafts-, Flurbereinigungs- und Landwirtschaftsämter),
 
b)
Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung,
 
c)
Kirchgemeinden,
 
d)
Museen und Sammlungen,
 
e)
den örtlichen Archivpflegern,
 
f)
den Beauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege,
 
g)
den Informationsmedien und
 
h)
den Vereinen.
5.2
Die Pflege der Verbindungen mit nahestehenden Institutionen und Personen nach Nummer 5.1 kann insbesondere im Austausch von fachlichen Informationen, von Informationsmaterial sowie in Vorträgen oder Führungen bestehen.
6
Hinweise
6.1
Die ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegen Arbeitsunfälle nach § 539 Abs. 1 Nr. 13 der Reichsversicherungsordnung versichert.
6.2
Verletzt ein ehrenamtlicher Beauftragter für Denkmalpflege bei der Ausübung seiner hoheitlichen Aufgaben eine Amtspflicht, die ihm einem Dritten gegenüber obliegt, so richtet sich die Haftung für den dem Dritten entstandenen Schaden nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes (unmittelbare Haftung durch den Dienstherrn, Rückgriff gegen den Beauftragten nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Amtspflichtverletzung).
7
Schlußbestimmung
Die Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.


Dresden, den 15. September 1993

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert

Anlage
zu Punkt 1.5
(Blattgröße A 6)

Ausweis
(Muster)

 

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
(Absender)

Formular
Name Platz für Name Adressdaten
Frau/Herr (Name) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Name)
  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Straße)
  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (PLZ, Wohnort)

ist  Ehrenamtlicher Beauftragter der Denkmalpflege
für . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            (Landkreis, Stadt, Landesamt)
Sie/Er ist auf der Grundlage von § 15 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen vom 3. März 1993 berechtigt, nach vorheriger Benachrichtigung der Eigentümer und Besitzer oder Bauunterhaltspflichtigen von Kulturdenkmalen

  • Grundstücke und Wohnungen zu betreten,
  • Kulturdenkmale zu besichtigen,
  • wissenschaftliche Erfassungsmaßnahmen im Auftrag der Landesoberbehörden durchzuführen, insbesondere Einsicht in Archive und Sammlungen zu nehmen,
  • Auskünfte zur Erfüllung der Aufgaben des Denkmalschutzes einzuholen.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ort und Tag der Ausstellung
Gültigkeit:
Fünf Jahre nach Ausstellungsdatum
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unterschrift, Dienstsiegel


Rückseite des Ausweises:

Auszug aus dem

Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale
im Freistaat Sachsen
( SächsDSchG)
Vom 3. März 1993,

veröffentlicht im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 14/1993 S. 229:

§ 15
Auskunfts- und Duldungspflichten

(1) Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen sind verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Denkmalschutzes erforderlich sind.

(2) Die Denkmalschutzbehörden und ihre Beauftragten sind berechtigt, nach vorheriger Benachrichtigung der Eigentümer und Besitzer

1.
Grundstücke zu betreten,
2.
Kulturdenkmale zu besichtigen,
3.
wissenschaftliche Erfassungsmaßnahmen durchzuführen, insbesondere Einsicht in Archive und Sammlungen zu nehmen,

soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Denkmalschutzes erforderlich ist. Wohnungen dürfen gegen den Willen des Eigentümers oder Besitzers nur zur Abwendung dringender Gefahren für Kulturdenkmale betreten werden. Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 30 der Verfassung des Freistaates Sachsen wird insoweit eingeschränkt.