Historische Fassung war gültig vom 01.01.2002 bis 02.05.2003

Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
über die Schiedsstelle in der Jugendhilfe
(SchiedJugVO)

Vom 13. Oktober 1999

Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Januar 2002

Auf Grund von § 78 g Abs. 4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VIII) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546) wird verordnet:

§ 1
Begriffsbestimmungen

(1) Beteiligte Organisationen sind die Vereinigungen der Träger der Einrichtungen, die Vereinigungen der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und das Landesjugendamt als Fachbehörde des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.

(2) Vereinigungen der Träger der Einrichtungen sind:

1.
für die freigemeinnützigen Träger die in der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen vertretenen Spitzenverbände,
2.
für die privat-gewerblichen Träger der Verband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Berlin im VPK e.V. und
3.
für die kommunalen Träger der Sächsische Landkreistag und der Sächsische Städte- und Gemeindetag.

(3) Vereinigungen der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind der Sächsische Landkreistag und der Sächsische Städte- und Gemeindetag.

§ 2
Einrichtung und Aufgabe der Schiedsstelle

Die beteiligten Organisationen (§ 1) richten für den Freistaat Sachsen eine Schiedsstelle ein; sie hat die in § 78 g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII genannte Aufgabe.

§ 3
Mitglieder der Schiedsstelle

(1) Mitglieder der Schiedsstelle sind der unparteiische Vorsitzende, fünf Vertreter der Träger der Einrichtungen und fünf Vertreter der Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Mitglieder). Die Mitglieder haben jeweils einen Stellvertreter.

(2) Der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden von den beteiligten Organisationen gemeinsam bestellt. Kommt eine Einigung zwischen den beteiligten Organisationen nicht zustande, kann jede beteiligte Organisation Einzelvorschläge bei der Geschäftsstelle einreichen; aus diesen werden der Vorsitzende und dessen Stellvertreter durch Los von der Geschäftsstelle bestimmt.

(3) Die Vertreter der Träger der Einrichtungen und deren Stellvertreter werden wie folgt bestellt:

1.
Drei Vertreter und deren Stellvertreter bestellen die freigemeinnützigen Träger (§ 1 Abs. 2 Nr. 1),
2.
einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellen die privat-gewerblichen Träger (§ 1 Abs. 2 Nr. 2),
3.
einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellen die kommunalen Träger (§ 1 Abs. 2 Nr. 3).

(4) Die Vertreter der Träger der öffentlichen Jugendhilfe und deren Stellvertreter werden wie folgt bestellt:

1.
Zwei Vertreter und deren Stellvertreter bestellt der Sächsische Städte- und Gemeindetag,
2.
zwei Vertreter und deren Stellvertreter bestellt der Sächsische Landkreistag,
3.
einen Vertreter und dessen Stellvertreter bestellt das Landesjugendamt als Fachbehörde des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.

(5) Kommt bis spätestens sechs Wochen nach Beginn einer Amtsperiode eine Einigung über den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter nicht zustande und wird der Vorsitzende und dessen Stellvertreter auch nicht im Losverfahren nach Absatz 2 Satz 2 bestimmt oder werden die weiteren Mitglieder und deren Stellvertreter von den beteiligten Organisationen nicht bestellt, reicht das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie auf Antrag einer der beteiligten Organisationen die Einzelvorschläge für das Losverfahren bei der Geschäftsstelle ein oder bestellt die weiteren Mitglieder und deren Stellvertreter.

(6) Eine erneute Bestellung ist zulässig.

§ 4
Wirksamkeit der Bestellung

(1) Die Bestellung des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters wird wirksam, sobald diese ihre Bereitschaft zur Amtsübernahme schriftlich erklärt haben und die Bestellung unter Vorlage der Bereitschaftserklärung gegenüber der Geschäftsstelle angezeigt wurde.

(2) Die Bestellung der weiteren Mitglieder und deren Stellvertreter wird wirksam, sobald ihre Namen der Geschäftsstelle bekannt gegeben worden sind.

§ 5
Amtsperiode

(1) Die Amtsperiode der Schiedsstelle beträgt vier Jahre. Die erste Amtsperiode beginnt am Tage des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung.

(2) Die Amtsdauer der Mitglieder und deren Stellvertreter endet mit dem Ablauf der Amtsperiode; bis zur Bestellung der neuen Mitglieder und deren Stellvertreter führen sie jedoch die Geschäfte weiter. Satz 1 gilt auch für die während einer Amtsperiode neu hinzugetretenen Mitglieder und Stellvertreter.

§ 6
Amtsführung

Die Mitglieder führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Sie sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen oder bei Verhinderung ihre Stellvertreter zu benachrichtigen. Die Verhinderung ist der Geschäftsstelle anzuzeigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Stellvertreter.

§ 7
Abberufung

(1) Die beteiligten Organisationen können gemeinsam den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter abberufen. Sprechen sich nicht alle der beteiligten Organisationen für die Abberufung nach Satz 1 aus, kann das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie auf Antrag einer der beteiligten Organisationen aus wichtigem Grund den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter nach dessen Anhörung abberufen. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer der antragstellenden Organisation unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen der übrigen Organisationen die weitere Amtsführung des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters bis zum Ablauf der Amtsperiode nicht zugemutet werden kann.

(2) Jede beteiligte Organisation kann aus wichtigem Grund ihre Vertreter oder Stellvertreter nach vorheriger Anhörung der Betroffenen mit Zustimmung des Vorsitzenden abberufen. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Organisation die weitere Amtsführung ihres Vertreters oder des Stellvertreters bis zum Ablauf der Amtsperiode nicht zugemutet werden kann. Der Vorsitzende erteilt die Zustimmung, wenn ein wichtiger Grund nach Satz 2 vorliegt.

(3) Die Abberufung ist der Geschäftsstelle schriftlich mitzuteilen. Sie wird mit Eingang der Mitteilung wirksam. Die Geschäftsstelle unterrichtet die beteiligten Organisationen schriftlich über die Abberufung.

§ 8
Amtsniederlegung

Die Mitglieder sowie deren Stellvertreter können jederzeit ihr Amt durch schriftliche Erklärung gegenüber der Geschäftsstelle niederlegen. Die Niederlegung wird mit dem Eingang der Erklärung wirksam. Die Geschäftsstelle unterrichtet die beteiligten Organisationen schriftlich über die Niederlegung.

§ 9
Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle der Schiedsstelle wird beim Landesjugendamt eingerichtet.

§ 10
Antrag

Das Schiedsverfahren ist gemäß § 78 g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einzuleiten, wenn eine der Parteien die Entscheidung der Schiedsstelle bei der Geschäftsstelle schriftlich beantragt. Im Antrag sollen der Tag der Aufforderung zu Vertragsverhandlungen, die Ergebnisse der vorangegangenen Verhandlungen, ein bestimmtes Antragsbegehren und die Gegenstände angegeben werden, über die keine Einigung erreicht werden konnte.

§ 11
Verfahren

(1) Der Vorsitzende bestimmt Zeit und Ort der Sitzungen und veranlasst die schriftliche Ladung der Parteien sowie der weiteren Mitglieder durch die Geschäftsstelle.

(2) Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen; bei Eilbedürftigkeit kann der Vorsitzende eine kürzere Frist festlegen. Die Ladung der weiteren Mitglieder enthält neben den Angaben von Ort und Zeit der Sitzung auch die Tagesordnung und die für die weiteren Mitglieder entscheidungserheblichen Unterlagen. Die weiteren Mitglieder können verlangen, Einsicht in die vollständigen von den Parteien eingereichten Unterlagen zu nehmen.

(3) Der Vorsitzende bereitet die Sitzungen vor und leitet sie. Er wirkt zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin.

(4) Die Parteien sind bei der Ermittlung des Sachverhaltes zur Mitwirkung verpflichtet. § 20 und § 21 Abs. 1, 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 bis 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Artikel 1a des Gesetzes vom 6. August 1998 (BGBl. I S. 2022, 2024), gelten entsprechend. Eine Aussetzung des Schiedsverfahrens ist nur mit Zustimmung aller Parteien zulässig.

§ 12
Ablehnung von Mitgliedern

(1) Für den Ausschluss von der Mitwirkung an der Entscheidung und die Ablehnung von Mitgliedern gelten § 41 Nr. 1 bis 3, 5 und 6, §§ 42, 43 und § 44 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Die Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter eines Betroffenen und die vorangegangene Tätigkeit im Entgeltverfahren als Bevollmächtigter oder als Beistand einer Partei berechtigen nicht zur Ablehnung.

(2) Das Ablehnungsgesuch ist bei der Schiedsstelle anzubringen, die hierüber entscheidet. Anstelle des abgelehnten Mitglieds nimmt dessen Stellvertreter an der Beratung und Beschlussfassung über die Ablehnung teil. Scheidet ein Mitglied durch Ablehnung aus, nimmt sein Stellvertreter am weiteren Verfahren teil.

§ 13
Beratung und Entscheidung

(1) Die Schiedsstelle entscheidet auf Grund mündlicher, nicht öffentlicher Verhandlung durch Beschluss. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es nicht, wenn beide Parteien ausdrücklich auf sie verzichten. Die Verhandlung kann in Abwesenheit der Parteien geführt werden, soweit in der Ladung hierauf hingewiesen wurde. Ferner kann der Vorsitzende ein schriftliches Verfahren anordnen, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist; auf Antrag einer Partei ist mündlich zu verhandeln.

(2) Die Schiedsstelle ist beschlussfähig, wenn die weiteren Mitglieder ordnungsgemäß durch den Vorsitzenden geladen worden und neben dem Vorsitzenden mindestens je drei Vertreter der Träger der Einrichtungen und mindestens je drei Vertreter der Träger der öffentlichen Jugendhilfe anwesend sind. Wird die Schiedsstelle mit dem gleichen streitigen Gegenstand erneut befasst, ist sie ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlussfähig. Bei der Ladung zur zweiten oder weiteren Befassung muss auf die Bestimmung des Satzes 2 hingewiesen werden.

(3) Die Schiedsstelle entscheidet mit einfacher Stimmenmehrheit. Jedes Mitglied hat eine Stimme; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Stimmenthaltung ist nicht zulässig.

(4) Die Beratung und Beschlussfassung erfolgt in Abwesenheit der Parteien.

(5) Die Entscheidung der Schiedsstelle, mit der die streitigen Gegenstände der Vereinbarung festgesetzt werden (Schiedsspruch), ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und den Parteien unverzüglich zuzustellen.

(6) Die Parteien können zur Niederschrift der Schiedsstelle das Verfahren durch einen Vergleich beenden. Der Antragsteller kann bis zur Bestandskraft der Entscheidung der Schiedsstelle seinen Antrag zurücknehmen; § 92 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend. Im Falle des Vergleichs, der Antragsrücknahme oder der Erledigung des Antrags auf andere Weise entscheidet die Schiedsstelle nur über die Kosten gemäß § 14.

§ 14
Verfahrenskosten

(1) Für jedes Verfahren der Schiedsstelle wird zur Deckung der Verfahrenskosten, die sich aus den anteiligen Personal- und Sachkosten der Geschäftsstelle einschließlich der Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und § 16 sowie den Auslagen zusammensetzen, eine Gebühr erhoben.

(2) Die Gebühr beträgt mindestens 250 EUR und höchstens 5 000 EUR. 1 Die Gebühr setzt die Schiedsstelle im Schiedsspruch oder bei Erledigung des Verfahrens auf andere Weise gesondert nach der Bedeutung und Schwierigkeit des Falles unter angemessener Berücksichtigung der Kosten und Auslagen der Geschäftsstelle und unter Berücksichtigung der Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und § 16 fest.

(3) Die Gebühr wird fällig, sobald die Schiedsstelle über den streitigen Gegenstand eine Festsetzung getroffen hat oder das Verfahren sich auf andere Weise erledigt hat.

(4) Die nach den Absätzen 1 und 2 festgesetzte Gebühr trägt der Antragsteller, sofern in den Sätzen 2 bis 4 nichts anderes bestimmt ist. Die Schiedsstelle kann im Schiedsspruch die Gebühr auch der unterliegenden Partei oder, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, den Parteien nach verhältnismäßiger Teilung auferlegen. Erledigt sich das Verfahren auf andere Weise, entscheidet die Schiedsstelle gesondert über die Gebührenverteilung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Wird ein Vergleich geschlossen, haben sich die Parteien über die Gebührenverteilung zu einigen.

(5) Soweit die Verfahrenskosten nicht durch die Gebühr gedeckt werden, sind die die Höchstgebühr übersteigenden Kosten von den beteiligten Organisationen anteilsmäßig nach der Zahl der bestellten Vertreter zu tragen.

§ 15
Entschädigung der Mitglieder

(1) Der Vorsitzende oder im Vertretungsfall sein Stellvertreter erhalten von der Geschäftsstelle nach Abschluss jedes Verfahrens:

1.
Reisekosten nach dem Sächsischen Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Sächsisches Reisekostengesetz – SächsRKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1998 (SächsGVBl. S. 346) in der jeweils geltenden Fassung,
2.
Pauschbeträge für sonstige Barauslagen und Zeitversäumnis.

Die Pauschbeträge setzen die beteiligten Organisationen einvernehmlich und mit Zustimmung des Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie fest. Kommt eine Einigung nach Satz 2 nicht zustande, setzt das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie die Pauschbeträge fest.

(2) Die weiteren Mitglieder der Schiedsstelle oder im Vertretungsfall deren Stellvertreter erhalten Reisekosten sowie Ersatz für sonstige Barauslagen und Zeitversäumnis von den beteiligten Organisationen, die sie bestellt haben, nach deren Regelungen.

§ 16
Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen

Zeugen und Sachverständige, die auf Beschluss der Schiedsstelle hinzugezogen worden sind, erhalten von der Geschäftsstelle eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1756), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 10 des Gesetzes vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108, 3113), in der jeweils geltenden Fassung.

§ 17
Geschäftsordnung

Die Schiedsstelle gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie bedarf.

§ 18
Rechtsaufsicht

Die Rechtsaufsicht über die Schiedsstelle führt das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie.

§ 19
In-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.

Dresden, den 13. Oktober 1999

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister für Soziales,
Gesundheit und Familie
Dr. Hans Geisler