Gesetz
über die Weiterbildung im Freistaat Sachsen
(Weiterbildungsgesetz – WBG)
Vom 29. Juni 1998
Rechtsbereinigt mit Stand vom 23. Mai 2004
Der Sächsische Landtag hat am 27. Mai 1998 das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Begriff der Weiterbildung
(1) Die Weiterbildung ist ein eigenständiger, gleichberechtigter Teil des Bildungswesens im Freistaat Sachsen. Sie umfaßt die Bereiche der allgemeinen, kulturellen, politischen, beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung in ihrer wechselseitigen Verbindung.
(2) Der Regelungsbereich dieses Gesetzes umfaßt Weiterbildung nur insoweit, wie diese nicht durch die Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes, des Sozialgesetzbuches III, des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen, des Sächsischen Hochschulgesetzes oder durch andere Rechtsvorschriften erfaßt ist. Die betriebsinterne Weiterbildung ist nicht Gegenstand dieses Gesetzes.
§ 2
Ziel und Aufgaben der Weiterbildung
(1) Ziel von Weiterbildung ist es, dazu beizutragen, die zur Bewältigung persönlicher und beruflicher Herausforderungen sowie zur aktiven Mitgestaltung demokratischer Verhältnisse erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, zu vertiefen, zu erweitern oder zu erneuern. Weiterbildung soll helfen, die Prinzipien der Eigenverantwortlichkeit und der Chancengleichheit zu verwirklichen.
(2) Allgemeine und kulturelle Weiterbildung soll die selbständige und verantwortliche Urteilsfähigkeit fördern und zur kreativen Auseinandersetzung mit kulturellen, sozialen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen und Entwicklungen sowie zu deren Bewältigung anregen.
(3) Politische Weiterbildung soll die Fähigkeit zur Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten fördern und zu kritischer Beurteilung gesellschaftlicher Zusammenhänge befähigen. Sie soll zur Entwicklung toleranten Verhaltens gegenüber Andersdenkenden beitragen.
(4) Berufliche Weiterbildung soll dazu befähigen, sachgerecht auf die sich ständig wandelnden Anforderungen in der Berufs- und Arbeitswelt reagieren zu können. In diesem Sinne dient sie sowohl dem Erhalt des Arbeitsplatzes als auch der Wiedereingliederung in den Beruf sowie der Mobilität.
(5) Wissenschaftliche Weiterbildung soll die Auseinandersetzung mit neueren Erkenntnissen der Wissenschaften fördern. Sie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und den Weiterbildungseinrichtungen.
§ 3
Träger, Einrichtungen, Landesorganisationen und Landesverbände der Weiterbildung
(1) Träger der Weiterbildung im Sinne dieses Gesetzes sind juristische Personen des öffentlichen Rechts oder gemeinnützige juristische Personen des Privatrechts, die durch ihre Einrichtungen Veranstaltungen der Weiterbildung in eigener Verantwortung organisieren, öffentlich anbieten und durchführen.
(2) Einrichtungen und Landesorganisationen der Weiterbildung sind Bildungseinrichtungen in einer Trägerschaft nach Absatz 1, die Bildungsveranstaltungen planen, organisieren und durchführen.
(3) Landesverbände der Weiterbildung sind Zusammenschlüsse von Trägern oder Einrichtungen der Weiterbildung auf Landesebene. Sie fördern und koordinieren die Weiterbildungsarbeit ihrer Mitglieder, die Zusammenarbeit untereinander sowie mit anderen Organisationen; sie fördern durch geeignete Maßnahmen die Qualität der Bildungsarbeit ihrer Mitglieder und vertreten diese auf der Landesebene.
§ 4
Grundsätze der staatlichen Förderung
(1) Der Freistaat Sachsen fördert die Weiterbildung nach Maßgabe dieses Gesetzes und des Staatshaushaltsplanes. Die Förderung orientiert sich an Schwerpunkten, die von der Staatsregierung regelmäßig neu festzulegen sind. Ein Rechtsanspruch auf Förderung besteht nicht.
(2) Das Staatsministerium für Kultus regelt durch Rechtsverordnung eine angemessene Förderung von Einrichtungen und Landesorganisationen der Weiterbildung; dabei ist eine Gleichbehandlung öffentlich-rechtlicher und freier Träger zu gewährleisten.
(3) Werden für einen im Sinne dieses Gesetzes förderungswürdigen Aufwand Zuschüsse aus Mitteln des Bundes, der Bundesanstalt für Arbeit, des Landes oder sonstiger öffentlicher Rechtsträger außerhalb dieses Gesetzes gewährt, so wird dies bei Zuschüssen nach diesem Gesetz entsprechend berücksichtigt. Die Art dieser Berücksichtigung regelt das Staatsministerium für Kultus durch Rechtsverordnung. 1
§ 5
Voraussetzung für die Förderung von Einrichtungen
und Landesorganisationen
(1) Eine Einrichtung oder Landesorganisation nach § 3 kann auf schriftlichen Antrag ihres Trägers vom Freistaat Sachsen als förderungswürdig anerkannt werden, wenn sie
- ihren Sitz und Tätigkeitsbereich im Freistaat Sachsen hat;
- nach Ziel und Inhalt ihrer Veranstaltungen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland sowie der Verfassung des Freistaates Sachsen im Einklang steht;
- ausschließlich und nicht nur auf Spezialgebieten Weiterbildungsmaßnahmen anbietet;
- grundsätzlich jedermann offensteht;
- in Anbetracht ihrer pädagogischen, fachlichen und materiellen Voraussetzungen die Gewähr für eine erfolgreiche und dauerhafte Bildungsarbeit bietet;
- von einer nach Vorbildung und Werdegang geeigneten Person geleitet wird;
- zur Offenlegung ihrer Bildungsziele, Organisations- und Arbeitsformen, Personalausstattung, Teilnehmerzahl und Finanzierung gegenüber dem Freistaat Sachsen bereit ist.
(2) Die Förderung von Einrichtungen oder Landesorganisationen mit Internats- und Wirtschaftsbetrieb setzt neben den Erfordernissen von Absatz 1 die Gemeinnützigkeit der Einrichtung voraus.
(3) Eine Anerkennung scheidet aus, wenn die Einrichtung oder Landesorganisation
- der Gewinnerzielung dient;
- von gewerblichen Unternehmen oder in Anlehnung an solche betrieben wird;
- ganz oder überwiegend der beruflichen Fortbildung oder Umschulung dient.
(4) Das Nähere regelt das Staatsministerium für Kultus durch Rechtsverordnung.
§ 6
Art der Förderung
(1) Der Träger einer anerkannten Einrichtung oder Landesorganisation erhält nach Maßgabe des § 4 Absatz 1 auf Antrag leistungsbezogene Personal- und Sachkostenzuschüsse als Grundförderung für die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen.
(2) Ebenso können zweckgebundene Zuschüsse zu Weiterbildungsprojekten von besonderem öffentlichem Interesse sowie zur Weiterbildung von in Einrichtungen nach § 3 Absatz 1 tätigem Unterrichtspersonal gewährt werden, wenn sich der Antragsteller angemessen an den Kosten beteiligt.
(3) Das Staatsministerium für Kultus regelt durch Rechtsverordnung die Grundsätze für die Gewährung von Zuschüssen einschließlich Antragstellung, Bewilligungsverfahren und Verwendungsnachweis.
(4) Nach Maßgabe des jeweils gültigen Staatshaushaltsplanes kann eine investive Förderung erfolgen. 2
§ 7
Unabhängigkeit der Weiterbildung
Durch die öffentliche Förderung der Weiterbildung wird das Recht auf Freiheit der Lehre und auf selbständige Lehrplangestaltung sowie auf unabhängige Auswahl der Leiter und Mitarbeiter nicht berührt.
§ 8
Prüfungen
Einrichtungen oder Landesorganisationen der Weiterbildung haben das Recht, eigene Prüfungen durchzuführen. Diese können staatlich anerkannt werden. Andere Vorschriften, die die Durchführung oder Anerkennung von Prüfungen regeln, bleiben unberührt. Das Nähere regelt das Staatsministerium für Kultus durch Rechtsverordnung.
§ 9
Landesbeirat für Erwachsenenbildung
Beim Staatsministerium für Kultus wird ein Landesbeirat für Erwachsenenbildung eingerichtet, der die Staatsregierung in grundlegenden Fragen der Weiterbildung berät. Er fördert die Zusammenarbeit zwischen den anerkannten Trägern der Erwachsenenbildung und ist vor dem Inkrafttreten von Gesetzen, Rechtsverordnungen sowie Richtlinien, die Fragen der Weiterbildung berühren, zu hören.
§ 10
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Dresden, den 29. Juni 1998
Der Landtagspräsident
Erich Iltgen
Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf
Der Staatsminister für Kultus
Dr. Matthias Rößler