Sächsisches Sammlungsgesetz
(SächsSammlG)

Vom 5. November 1996

Rechtsbereinigt mit Stand vom 1. August 2008

Der Sächsische Landtag hat am 9. Oktober 1996 das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Erlaubnisbedürftige Sammlungen

(1) Einer Erlaubnis bedürfen Sammlungen, bei denen durch unmittelbares Einwirken auf Personen

1.
auf Straßen oder Plätzen, in Gaststätten, Schankwirtschaften oder sonst an allgemein zugänglichen Orten (Straßensammlung) oder
2.
von Haus zu Haus, insbesondere mit Sammellisten (Haussammlung),

zu Geld- oder Sachspenden oder zur Spende geldwerter Leistungen für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke aufgefordert werden soll.

(2) Der Erlaubnis bedürfen auch

1.
der wie eine Haus- oder Straßensammlung durchgeführte Verkauf von Waren, wenn dabei durch ausdrücklichen Hinweis auf die Verwendung des Erlöses, auf die Gemeinnützigkeit des Veranstalters oder in sonstiger Weise der Eindruck erweckt wird, daß durch den Kauf der Waren gemeinnützige oder mildtätige Zwecke gefördert werden sollen; dies gilt nicht für den Vertrieb von Blindenwaren nach dem Blindenwarenvertriebsgesetz,
2.
Sammlungen, in denen durch öffentliche Aufrufe zu Sachspenden, insbesondere von gut tragbarer Kleidung, gebrauchter Wäsche, Federbetten und Schuhen oder von gebrauchtem Hausrat, für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke aufgefordert werden soll,
3.
öffentliche Altmaterialsammlungen, in denen durch Aufrufe zur Spende, insbesondere von Lumpen, Textilresten und Altpapier aufgefordert werden soll, wenn dabei beim Spender durch Hinweise auf die Gemeinnützigkeit des Veranstalters, auf die Verwendung des Verkaufserlöses für dessen satzungsgemäße Arbeit oder in sonstiger Weise der Eindruck erweckt werden kann, daß der Spender durch die Hergabe des Altmaterials gemeinnützige oder mildtätige Zwecke fördere.

(3) Keiner Erlaubnis bedürfen Sammlungen, die

1.
unter den Angehörigen eines Betriebes, einer Behörde oder sonst unter den Mitgliedern einer Personenvereinigung oder
2.
in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Versammlung oder einer sonstigen Veranstaltung in geschlossenen Räumen oder auf abgegrenzten Grundflächen unter den Teilnehmern

durchgeführt werden sollen.

§ 2
Antrag auf die Sammlungserlaubnis

(1) Der Antrag auf die Sammlungserlaubnis soll spätestens einen Monat vor dem für die Sammlung vorgesehenen Zeitpunkt bei der Erlaubnisbehörde gestellt werden. Anträge auf Genehmigung von Sammlungen gemäß § 1 Abs. 1, die über den Bezirk einer Landesdirektion hinausgehen, sollen bis zum 1. September eines jeden Jahres für die im folgenden Jahr beabsichtigten Sammlungen eingereicht werden.

(2) Im schriftlichen Antrag auf Genehmigung einer öffentlichen Sammlung sollen angegeben werden:

1.
Zeitraum und Gebiet der Sammlung,
2.
Veranstalter der Sammlung,
3.
die vom Veranstalter mit der Durchführung der Sammlung vertraglich, ehrenamtlich oder unentgeltlich Beauftragten,
4.
Zweck der Sammlung,
5.
Form der Sammlung. 1

§ 3
Versagung der Sammlungserlaubnis

(1) Die Erlaubnis ist zu versagen,

1.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Durchführung der Sammlung oder durch die Verwendung des Sammlungsertrages die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gestört wird,
2.
wenn der Veranstalter keine genügende Gewähr für die ordnungsgemäße, der Erlaubnis entsprechende Durchführung der Sammlung und die zweckentsprechende Verwendung des Sammlungsertrages bietet, oder
3.
wenn anzunehmen ist, daß die Kosten der Sammlung in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu dem verbleibenden Reinertrag stehen werden.

(2) Die Erlaubnis für die Durchführung einer Sammlung kann versagt werden,

1.
wenn die zeitgleiche Durchführung oder Häufung mehrerer Sammlungen in demselben Sammlungsgebiet voraussichtlich zu einer übermäßigen Belästigung der Bevölkerung führen würde,
2.
wenn durch die Sammlung selbst, durch die Verwirklichung des Sammlungszwecks oder durch die sonstige Verwendung des Sammlungsertrages die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten beeinträchtigt werden können.

(3) Die Erteilung der Erlaubnis kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller

1.
einen anderen Sammlungszweck für den Fall angibt, daß der vorgesehene Sammlungszweck nur mit einem bestimmten Mindestergebnis der Sammlung erreicht werden kann und zweifelhaft ist, ob dieses Ergebnis erzielt werden kann,
2.
einen weiteren Zweck für den Fall angibt, daß der Ertrag der Sammlung höher sein sollte, als er zum Erreichen des vorgesehenen Zweckes erforderlich sein wird.

§ 4
Form und Inhalt der Erlaubnis

(1) Die Erlaubnis ist schriftlich zu erteilen. In ihr werden der Zeitpunkt, zu dem die Sammlung durchgeführt werden darf, das Sammlungsgebiet, die Sammlungsart nach § 1 Abs. 1 oder 2, der Sammlungszweck, der Veranstalter der Sammlung und die Form der Sammlung verbindlich festgelegt.

(2) Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden, die die ordnungsgemäße Durchführung der Sammlung und die zweckentsprechende Verwendung des Sammlungsertrages sicherstellen oder dem Schutz des Spenders vor unlauteren Sammlungsformen dienen sollen.

§ 5
Pflichten des Veranstalters

Der Veranstalter einer Sammlung hat der Erlaubnisbehörde innerhalb einer von ihr gesetzten Frist

1.
eine Abrechnung des Sammlungsertrages, der entstandenen Sammlungsunkosten und der Verwendung des Sammlungsertrages
2.
auf Verlangen die zur Überwachung und Prüfung der Sammlung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und über die Verwendung des Sammlungsertrages Belege

vorzulegen.

§ 6
Änderung des Sammlungszweckes

(1) Der Sammlungsertrag darf nur mit Zustimmung der Erlaubnisbehörde für einen anderen als den in der Erlaubnis genannten Zweck verwendet werden. Zum Sammlungsertrag gehören auch die daraus gezogenen Nutzungen und beschafften Gegenstände.

(2) Stellt sich nach Durchführung der Sammlung heraus, daß der Sammlungszweck nicht zu verwirklichen ist und ist der Veranstalter nicht bereit oder nicht in der Lage, einen anderen Sammlungszweck zu benennen, ist der Sammlungsertrag einem von der Erlaubnisbehörde bestimmten gemeinnützigen oder mildtätigen Zweck zuzuführen, der dem mit der Sammlung verfolgten Zweck möglichst nahekommen soll.

§ 7
Treuhänder

(1) Die Erlaubnisbehörde kann einen Treuhänder für die Verwaltung des Sammlungsertrages bestellen, wenn

1.
eine Sammlung ohne die erforderliche Erlaubnis veranstaltet worden ist oder der Veranstalter in erheblicher Weise gegen die in der Erlaubnis gemachten Auflagen verstößt oder verstoßen hat,
2.
die Erlaubnis nach Beginn der Sammlung zurückgenommen oder widerrufen worden ist, oder
3.
sich bei der Durchführung oder Abwicklung der Sammlung Mißstände zeigen, die eine zweckentsprechende Verwendung des Sammlungsertrages gefährden und sich nicht auf andere Weise beseitigen lassen.

(2) Der Treuhänder übt das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Sammlungsertrag zum Zwecke seiner bestimmungsgemäßen Verwendung aus. Er führt die Geschäfte unter Aufsicht der Erlaubnisbehörde und hat die Pflichten des Veranstalters zu erfüllen. Er ist berechtigt, den Sammlungsertrag sowie die Sammlungsunterlagen in Besitz zu nehmen und zu diesem Zweck die Geschäftsräume sowie die Wohnung des Veranstalters zu betreten. Der Veranstalter verliert die Befugnis, über den Sammlungsertrag zu verfügen.

§ 8
Mitwirkung Minderjähriger

Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen zum Sammeln nicht herangezogen werden. Personen von der Vollendung des 14. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres dürfen nur bei Straßensammlungen und nur bis zum Eintritt der Dunkelheit als Sammler eingesetzt werden. Die Erlaubnisbehörde kann Ausnahmen zulassen, wenn die Sammler nur im Familien- und Freundeskreis tätig werden.

§ 9
Überwachung nicht erlaubnisbedürftiger Sammlungen

(1) Wer Sammlungen von Geld- oder Sachspenden oder von Spenden geldwerter Leistungen durch Spendenbriefe, durch öffentliche Aufrufe, durch Aufstellen von Sammlungsbehältnissen oder in der Form der persönlichen Mitgliederwerbung veranstaltet oder veranstalten will, hat der nach § 10 zuständigen Behörde auf Verlangen die Auskünfte zu geben und die Unterlagen vorzulegen, die für eine Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der Sammlung und der zweckentsprechenden Verwendung des Sammlungsertrages erforderlich sind. Die Behörde kann dem Veranstalter darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 2 Auflagen erteilen.

(2) Die Durchführung oder Fortsetzung einer nicht erlaubnisbedürftigen Sammlung ist zu untersagen, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 vorliegen.

(3) Einem Veranstalter, dem eine Sammlung gemäß Absatz 2 untersagt wird oder untersagt worden ist, kann die Auflage erteilt werden, zukünftige Sammlungen der zuständigen Behörde bis jeweils spätestens einen Monat vor Sammlungsbeginn unter Angabe von Art, Zweck, Zeit und Gebiet der Sammlung anzuzeigen.

(4) Die Durchführung oder Fortsetzung einer nicht erlaubnisbedürftigen Sammlung kann untersagt werden, wenn der Veranstalter ihm erteilte Auflagen nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt.

(5) Die §§ 6 und 7 finden entsprechende Anwendung.

§ 10
Erlaubnisbehörde

(1) Erlaubnisbehörden sind

1.
die Landesdirektion Leipzig für Sammlungen, die sich über den Bezirk einer Landesdirektion hinaus erstrecken,
2.
die Landesdirektionen für Sammlungen, die sich im Bezirk einer Landesdirektion über das Gebiet eines Landkreises oder einer Kreisfreien Stadt hinaus erstrecken,
3.
die Landkreise für Sammlungen, die sich im Landkreis über das Gebiet einer kreisangehörigen Gemeinde hinaus erstrecken, und
4.
im Übrigen die Gemeinden.

(2) Zuständig für die Überwachung nicht erlaubnisbedürftiger Sammlungen nach § 9, die nicht auf das Gebiet einer kreisangehörigen Gemeinde beschränkt sind, sind die Landkreise, im übrigen die Gemeinden.

(3) Die Landkreise und Gemeinden nehmen die Aufgaben nach diesem Gesetz als Pflichtaufgaben nach Weisung wahr. Das Weisungsrecht ist unbeschränkt.

(4) Oberste Fachaufsichtsbehörde ist die für das Sammlungswesen zuständige oberste Landesbehörde. Im übrigen wird die Fachaufsicht von den für die Rechtsaufsicht zuständigen Behörden ausgeübt. 2

§ 11
Ordnungswidrigkeiten

(1) Mit einer Geldbuße bis zu 5 000 EUR kann belegt werden, wer vorsätzlich und in den Fällen der Nummern 4 bis 6 auch fahrlässig

1.
eine Sammlung ohne die erforderliche Erlaubnis veranstaltet oder bei ihr mitwirkt,
2.
den Sammlungsertrag ganz oder teilweise einem anderen als dem erlaubten oder von der zuständigen Behörde bestimmten Zweck zuführt,
3.
der Vorlage- oder Auskunftspflicht nach § 5 oder § 9 Abs. 1 innerhalb einer ihm gesetzten Frist nicht nachkommt,
4.
gegenüber der zuständigen Behörde unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
5.
einer Auflage zuwiderhandelt,
6.
als Veranstalter entgegen § 8 Minderjährige als Sammler tätig werden läßt. 3

(2) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ( OWiG) in der jeweils geltenden Fassung ist die nach § 10 zuständige Erlaubnisbehörde.

§ 12
Einziehung

Der Sammlungsertrag einer nicht erlaubten oder auf Grund des § 9 Abs. 2 oder 4 untersagten Sammlung und die damit beschafften Gegenstände können nach den Bestimmungen des OWiG eingezogen werden. § 23 OWiG ist anzuwenden. Der eingezogene Sammlungsertrag und die eingezogenen Gegenstände sind einem gemeinnützigen oder mildtätigen Zweck zuzuführen; der mutmaßliche Wille des Spenders ist nach Möglichkeit zu berücksichtigen.

§ 13
Sammlungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften

(1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Sammlungen der Kirchen und anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, wenn sie

1.
in Kirchen oder anderen der Religions- und Weltanschauungsausübung dienenden Räumen,
2.
in örtlichem Zusammenhang mit religiösen oder weltanschaulichen Veranstaltungen oder
3.
in der Form der Haussammlung bei ihren Angehörigen oder Mitgliedern

durchgeführt werden.

(2) Die Regelungen der Verträge des Freistaates Sachsen mit Kirchen und anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts bleiben unberührt.

§ 14
Verwaltungsvorschriften

Das Staatsministerium für Soziales kann zur Durchführung dieses Gesetzes Verwaltungsvorschriften erlassen. 4

§ 15
Kosten

Für Amtshandlungen nach diesem Gesetz werden Kosten nach dem Verwaltungskostengesetz für den Freistaat Sachsen (SächsVwKG) vom 15. April 1992 (SächsGVBl. S. 164) erhoben. Soweit eine Sammlung gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken zu dienen bestimmt ist, werden für die Erteilung oder Versagung der Sammlungserlaubnis, für die Änderung des Sammlungszwecks nach § 6 Abs. 1 und für die Prüfung der Abrechnung nach § 5 keine Kosten erhoben.

§ 16
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 30 der Verfassung des Freistaates Sachsen) und das Grundrecht auf Eigentum (Artikel 14 des Grundgesetzes, Artikel 31 der Verfassung des Freistaates Sachsen) eingeschränkt.

§ 17
Schlußvorschriften

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

(2) Gleichzeitig tritt die Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen (Sammlungs- und Lotterieverordnung) vom 18. Februar 1965 (GBl. DDR II Nr. 32 S. 238), zuletzt geändert durch Gesetz des Freistaates Sachsen über Lotterien und Ausspielungen (SächsLottG) vom 16. Oktober 1992 (SächsGVBl. S. 471), außer Kraft.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.

Dresden, den 5. November 1996

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister
für Soziales, Gesundheit und Familie
Dr. Hans Geisler