Historische Fassung war gültig vom 01.08.2006 bis 05.06.2008

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus
zur Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche
(VwV LRS-Förderung)

Az.: 34-6504.20/237

Vom 29. Juni 2006

1
Geltungsbereich
 
Die Verwaltungsvorschrift gilt für alle öffentlichen allgemein bildenden und Berufsbildenden Schulen im Freistaat Sachsen.
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Grundsätze
 
Bei einer Reihe von Schülern in der Grundschule und in den weiterführenden Schulen ist der Schulerfolg durch besondere Schwierigkeiten im Lesen und in der Rechtschreibung stark beeinträchtigt. Die nachfolgenden Bestimmungen sollen dazu beitragen, diesen Beeinträchtigungen so weit wie möglich zu begegnen. Sie haben das Ziel, die vorhandenen Begabungen zu entwickeln, den Schülern eine ihrem individuellen Leistungsvermögen angemessene Schullaufbahn zu ermöglichen und die Lese-Rechtschreib-Schwäche im Laufe der Schulzeit durch entsprechende Hilfen zu mindern.
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Begriffsbeschreibung
 
Als Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) wird eine Teilleistungsschwäche verstanden, deren Hauptmerkmal eine ausgeprägte Beeinträchtigung der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfähigkeit ist, die nicht durch eine allgemeine intellektuelle Beeinträchtigung oder inadäquate schulische Betreuung erklärt werden kann.
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Feststellung der LRS, Fördermaßnahmen und Bewertung der Schülerleistungen
4.1
Grundschule
4.1.1
Im Falle einer vermuteten LRS wird von der Schule geprüft, ob ein Feststellungsverfahren eingeleitet wird. Sofern von der Schule die Notwendigkeit der Durchführung eines Feststellungsverfahrens gesehen wird, stellt der Schulleiter mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten einen entsprechenden Antrag an das zuständige Regionalschulamt.
Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
 
a)
schriftliche Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten zur Durchführung des Feststellungsverfahrens bei ihrem Kind,
 
b)
Übungen im freien Schreiben und Mathematikkontrollen mit Fehleranalysen,
 
c)
Rechtschreibkontrolle und Bilderliste,
 
eine pädagogische Einschätzung der Schule zur Leistungsentwicklung des Schülers.
4.1.2
Die Feststellung der LRS für Schüler, bei denen dies vermutet wird, erfolgt durch ein vom Regionalschulamt berufenes Diagnostikteam. Diesem gehören jeweils an:
 
a)
zwei LRS-Lehrer,
 
b)
ein Schulpsychologe,
 
c)
ein Sprachheilpädagoge.
 
Im Rahmen des Feststellungsverfahrens sind durch das Diagnostikteam folgende Bereiche zu diagnostizieren:
 
a)
intellektuelle Befähigung,
 
b)
Primärsymptomatik, Lesen, Rechtschreiben, mathematische Leistungen, sprachlicher Status,
 
c)
Sekundärsymptomatik, wie zum Beispiel Arbeitsweise, Motivation, Konzentration und Ausdauer, Sozialverhalten.
 
In Auswertung des durchgeführten Verfahrens stellt das Diagnostikteam fest, ob beim Schüler eine LRS vorliegt. Darüber hinaus legt das Diagnostikteam für den Schüler einen begründeten Vorschlag zur weiteren Förderung vor. Den Erziehungsberechtigten und dem den Antrag stellenden Schulleiter wird das Ergebnis des Feststellungsverfahrens schriftlich mitgeteilt.
Das Diagnostikteam verweist, sofern dies als erforderlich angesehen wird, auf die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung zur Erkennung von möglichen Besonderheiten der Sinneswahrnehmung, von psychischen oder neurologischen Erkrankungen.
4.1.3
Um Schüler mit festgestellter LRS im Unterricht ihrer Grundschule zu fördern, sind auf der Grundlage einer kontinuierlichen Analysetätigkeit Entwicklungspläne zu erstellen. Die Entwicklungspläne beinhalten konkrete Ziele der individuellen Förderung des Schülers für einen überschaubaren Zeitraum ausgehend von seinem aktuellen Entwicklungsstand. Darüber hinaus werden darin die vorgesehenen Maßnahmen zur Förderung, die beteiligten Personen und Zeitpunkte für Zwischenauswertungen aufgeführt. Gegebenenfalls notwendige außerschulische Fördermaßnahmen sind zu benennen. Der Entwicklungsplan ist Arbeitsinstrument aller Lehrer, die den Schüler unterrichten. Die Erziehungsberechtigten sind über den Entwicklungsplan zu informieren. Es wird empfohlen, mit den Erziehungsberechtigten über die beabsichtigte Förderung eine Bildungsvereinbarung zu schließen.
4.1.4
Die Erziehungsberechtigten von Schülern mit festgestellter LRS können beantragen, die Benotung für Leistungen in Teilbereichen der Fächer Deutsch und/oder Fremdsprache gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 SOGS auszusetzen. Die Beantragung soll zu Beginn des Schuljahres erfolgen. Die Entscheidung über die Aussetzung der Benotung von Teilleistungen trifft die Klassenkonferenz. Die Nichtberücksichtigung von Lese- und/oder Rechtschreibleistungen in den Fächern Deutsch und/oder Fremdsprache wird auf dem Zeugnis oder der Halbjahresinformation vermerkt. Folgende Formulierung wird empfohlen: „Die Lese- und/oder Rechtschreibleistungen sind in der Note im Fach … nicht enthalten.“
4.1.5
Ist trotz intensiver Förderung kein Lernzuwachs festzustellen, ist die gewählte Methode bzw. das Förderkonzept zu überprüfen. In Einzelfällen ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Förderung durch die Schule an Grenzen stößt. In diesen Fällen sollen die Erziehungsberechtigten auch über weitere Unterstützungs- und Therapiemöglichkeiten informiert werden.
4.1.6
Im Ausnahmefall ist auch eine Überprüfung gemäß § 30 SchulG in Verbindung mit § 13 SOFS auf sonderpädagogischen Förderbedarf notwendig.
4.1.7
Am Ende der Klassenstufe 4 unterbreitet die Grundschule schriftlich Vorschläge für die weitere Förderung ab der Klassenstufe 5. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:
 
a)
bisherige lehrplanbezogene Schwerpunktsetzungen
 
b)
Förderansätze und Differenzierungsformen
 
c)
geeignete Lehr- und Lernformen
 
d)
Grundsätze und Formen der Leistungsbewertung.
 
Die Regionalschulämter halten für die Grundschulen schriftliche Informationen über Angebote zur Förderung der Schüler mit LRS an den weiterführenden Schulen bereit. Diese werden den Erziehungsberechtigten mit der Bildungsempfehlung der Grundschule für den Besuch einer weiterführenden Schule übergeben.
4.2
LRS-Klassen
4.2.1
Schüler, die nicht im Rahmen des Unterrichtes ihrer Grundschule im Lesen und im Rechtschreiben ausreichend gefördert werden können, werden mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten in den dafür eingerichteten LRS-Klassen unterrichtet.
4.2.2
Für Schüler, die nach der Klassenstufe 2 in eine LRS-Klasse wechseln, gilt die Stundentafel der Klassenstufe 3 der Grundschule. Die Dehnung der Beschulung erstreckt sich auf zwei Schuljahre und umfasst die Klassen 3/I und-3/II. Der Dehnungsbonus ist vor allem für die differenzierte Förderung der Schüler im Lesen und Rechtschreiben zu nutzen. Zur individuellen Förderung stehen bis zu drei Stunden zusätzlich zur Verfügung.
4.2.3
Die Schüler der Klassen 3/I erhalten zum Halbjahr eine Halbjahresinformation über die erbrachten Leistungen mit einer ergänzenden Verbaleinschätzung und am Schuljahresende ein Jahreszeugnis über die erbrachten Leistungen mit einer ergänzenden Verbaleinschätzung ohne Versetzungsvermerk. Die Schüler der Klassen 3/II erhalten zum Halbjahr eine Halbjahresinformation und am Ende des Schuljahres ein Jahreszeugnis mit Versetzungsvermerk entsprechend den Regelungen für Schüler der Klassenstufe 3 der Grundschule. Punkt 4.1.4 gilt entsprechend.
4.2.4
Im 2. Schulhalbjahr absolvieren die Schüler der Klasse 3/II eine mindestens 14-tägige Adaptionsbeschulung in der zukünftigen Grundschulklasse.
4.2.5
Die aufnehmende Schule erhält ein Abschlussgutachten, welches Aussagen über die Entwicklung des Schülers im Lern- und Leistungsbereich enthält und Hinweise für die weitere Förderung des Schülers gibt. Im Rahmen der vorhandenen sächlichen und personellen Kapazitäten und im Einvernehmen zwischen Regionalschulamt und dem Schulträger sowie dem Träger der Schülerbeförderung können die Schüler bis zum Ende der Grundschulzeit an der die LRS-Klasse führenden Schule verbleiben.
4.2.6
Soweit keine LRS-Klasse gebildet wird, sollen die Schüler an der Schule in anderer Weise, zum Beispiel durch Förderunterricht, angemessen gefördert werden.
4.3
Mittelschule
4.3.1
In Einzelfällen wird eine LRS erst nach dem Übergang in die weiterführende Schule deutlich erkennbar. Es sind daher, insbesondere im 1. Schulhalbjahr der Klassenstufe 5, Anhaltspunkte für das Vorliegen einer LRS besonders zu beachten. In diesen Einzelfällen stellt der Schulleiter mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten einen Antrag auf Feststellung einer LRS an das zuständige Regionalschulamt. Für das Feststellungsverfahren finden Nummer 4.1.1 und 4.1.2 entsprechende Anwendung. Darüber hinaus gelten die Nummern 4.1.3, 4.1.5 und 4.1.6 entsprechend.
4.3.2
Schüler mit festgestellter LRS erhalten eine angemessene individuelle Förderung. Eine Förderung erfolgt vor allem im Rahmen des regulären Unterrichts. Bei Bedarf können gemäß § 18 Abs. 5 SOMIAP im Rahmen der sächlichen und personellen Voraussetzungen zusätzliche Fördermaßnahmen angeboten werden. Diese Fördermaßnahmen können auch parallel zum Regelunterricht der Klasse angeboten werden. Sie sollen sich vor allem auf die Fächer Deutsch und/oder Fremdsprache beziehen.
4.3.3
Bei schriftlichen Arbeiten oder Übungen kann der Fachlehrer gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SOMIAP eine angemessene Arbeitszeitverlängerung gewähren und/ oder zusätzliche Hilfsmittel zulassen. Bei Abschlussprüfungen und Leistungsnachweisen der besonderen Leistungsfeststellung entscheidet der Prüfungsausschuss gemäß § 31 Abs. 5 SOMIAP, welche Maßnahmen und welche Hilfsmittel zur Anwendung kommen.
4.3.4
Bei Schülern mit festgestellter LRS, bei denen die Rechtschreibleistungen über einen nicht absehbaren Zeitraum „mangelhaft“ oder „ungenügend“ bleiben, kann aus besonderen pädagogischen Gründen zeitlich befristet eine Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen in den Fächern Deutsch und/oder Fremdsprache gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SOMIAP gewährt werden. In diesen Fällen werden die Rechtschreibleistungen in der Fachnote nicht berücksichtigt. Die Entscheidung über die Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen trifft die Klassenkonferenz. Die Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen ist jedoch nur mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten zu gewähren und setzt voraus, dass für den Zeitraum des Notenschutzes spezielle Fördermaßnahmen stattfinden. Die Fördermaßnahmen und der individuelle Lernfortschritt des Schülers sind zu dokumentieren und die Erziehungsberechtigten in regelmäßigen Abständen zu informieren. Bei schriftlichen Arbeiten in Fächern, in denen die Aussetzung der Benotung der Rechtschreibleistungen gewährt wurde, werden die Rechtschreibleistungen verbal beurteilt. Die Nichtberücksichtigung der Rechtschreibleistungen in der Fachnote in den Fächern Deutsch und/oder Fremdsprache wird auf dem Jahreszeugnis oder der Halbjahresinformation vermerkt. Folgende Formulierung wird empfohlen: „Die Rechtschreibleistungen sind in der Note im Fach … nicht enthalten.“
4.3.5
Die in den Nummern 4.3.2 bis 4.3.4 genannten Fördermaßnahmen kommen in Betracht für Schüler der Klassenstufen 5 und-6. In begründeten Fällen können Fördermaßnahmen auch in den nachfolgenden Klassenstufen angeboten werden.
4.4
Gymnasium
 
Die Regelungen von Nummer 4.3 finden für Schüler des Gymnasiums sinngemäße Anwendung.
Die Regelungen über die gymnasiale Oberstufe und die Abiturprüfung im Freistaat Sachsen bleiben hiervon unberührt.
4.5
Berufsbildende Schulen
 
Auf Schüler mit festgestellter LRS muss auch an den Berufsbildenden Schulen besonders geachtet werden. Eine Förderung erfolgt im regulären Unterricht durch geeignete pädagogische, fachliche und fachdidaktische Hilfen und Unterstützungsmaßnahmen. Bei Bedarf informiert die Schule über weitere Unterstützungs- und Therapiemöglichkeiten.
Schüler an Berufsbildenden Schulen unterliegen den für die jeweilige Schulart geltenden Grundsätzen der Leistungsbewertung.
Die Prüfungsbestimmungen der jeweiligen Schulart bleiben von dieser Verwaltungsvorschrift unberührt.
4.6
Förderschulen
 
Die Verwaltungsvorschrift gilt für Förderschulen, soweit die Schulordnung Förderschulen keine anders lautenden Regelungen enthält. LRS-Klassen werden an Förderschulen in der Regel nicht eingerichtet.
5
Allgemeine Bestimmungen
5.1
Die Eltern sollen in Elternversammlungen und Elternsprechstunden über Probleme von Schülern mit LRS informiert werden. Dabei sind insbesondere Hinweise für häusliche Hilfen zu geben.
5.2
An jeder Schule ist dafür Sorge zu tragen, dass mindestens ein Lehrer in Fragen der LRS fortgebildet wird. Bei Bedarf kann dieser Lehrer bei Beratungsgesprächen mit Eltern und zu Klassen- bzw. Fachkonferenzen hinzugezogen werden.
5.3
Das Regionalschulamt bestimmt im Einvernehmen mit den Schulträgern die Schulen, an denen differenziertere Maßnahmen zur Förderung von Schülern mit festgestellter LRS angeboten werden. Die in diesen Maßnahmen eingesetzten Lehrer erhalten eine vertiefte Fortbildung.
6
In-Kraft-Treten und Außer-Kraft-Treten
 
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. August 2006 in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Förderung von Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (VwV LRS-Förderung) vom 19. Juli 2001 (MBl.SMK S. 189) außer Kraft.

Dresden, 29. Juni 2006

Hansjörg König
Staatssekretär