Sächsisches Ausführungsgesetz
zum Schwangerschaftskonfliktgesetz
(SächsSchKGAG)
erlassen als Artikel 1 des Gesetzes zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen
Vom 13. Juni 2008
Rechtsbereinigt mit Stand vom 17. August 2024
Abschnitt 1
Allgemeine Grundsätze
§ 1
Zweck
(1) Das Gesetz dient dem Schutz des ungeborenen Lebens und der Bewältigung aller eine Schwangerschaft mittelbar und unmittelbar betreffenden Fragen durch Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebotes an Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG) vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. August 1995 (BGBl. I S. 1050) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Das Gesetz regelt die Aufgaben der Beratungsstellen, die Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen nach § 9 SchKG und die staatliche Förderung der Beratungsstellen nach § 4 SchKG.
§ 2
Aufgaben der Beratungsstellen
(1) Die Beratungsstellen nehmen folgende Aufgaben wahr:
- 1.
- Beratung gemäß § 2 SchKG,
- 2.
- Schwangerschaftskonfliktberatung gemäß den §§ 5 bis 7 SchKG,
- 3.
- Erstellen eines jährlichen Berichtes gemäß § 10 Abs. 1 SchKG,
- 4.
- präventive, altersgerechte, geschlechtsspezifische und zielgruppenorientierte Angebote zu Fragen der Partnerschaft, Sexualaufklärung, Familienplanung und Schwangerschaft sowie der Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens und der Entwicklung des ungeborenen Kindes,
- 5.
- Öffentlichkeitsarbeit, die über die Aufgaben und Arbeitsweise der Beratungsstellen allgemein informiert und die Bekanntheit und Erreichbarkeit der Beratungsstelle fördert,
- 6.
- Beratung zu und Entgegennahme, Vorprüfung und Weiterleitung von Anträgen auf finanzielle Hilfen an die Stiftung „Hilfe für Familien, Mutter und Kind“ des Freistaates Sachsen,
- 7.
- Beratung im Zusammenhang mit der pränatalen Diagnostik und
- 8.
- Mitarbeit in lokalen Netzwerken, die dem Kinderschutz dienen.
(2) Absatz 1 Nr. 2 und 3 gilt nicht für Beratungsstellen, die ausschließlich Beratung nach § 2 SchKG anbieten.
(3) Der in Absatz 1 Nr. 3 genannte jährliche Bericht ist jeweils bis zum 31. März des Folgejahres dem Staatsministerium für Soziales vorzulegen.
Abschnitt 2
Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
§ 3
Anerkennungsverfahren
(1) Das Staatsministerium für Soziales ist für die Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen zuständig.
(2) 1Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen werden auf schriftlichen Antrag des Trägers anerkannt, wenn sie die Voraussetzungen nach § 9 SchKG und § 4 erfüllen und dies dem Staatsministerium für Soziales nachweisen. 2Beizufügen ist eine schriftliche Erklärung der beratenden Personen, in der sie bestätigen, die Beratung nach den in den §§ 5 und 6 SchKG festgelegten Grundsätzen durchzuführen.
(3) Änderungen, welche die Voraussetzungen der Anerkennung nach § 9 SchKG und § 4 betreffen, sind dem Staatsministerium für Soziales unverzüglich schriftlich anzuzeigen.
(4) Die Anerkennung der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle wird unbefristet erteilt.
(5) Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn
- 1.
- der Träger die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle schließt,
- 2.
- der Träger die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle an einen anderen Träger übergibt,
- 3.
- die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 9 SchKG und § 4 nicht mehr erfüllt sind oder
- 4.
- die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ihre Tätigkeit für länger als 2 Monate einstellt. 2Davon ausgenommen sind Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die nur mit einer Fachkraft besetzt sind, wenn diese wegen Krankheit länger als 2 Monate ausfällt.
(6) Erteilung und Widerruf der Anerkennung werden im Sächsischen Amtsblatt öffentlich bekannt gemacht.
(7) Die Anerkennung begründet keinen Anspruch auf staatliche Förderung.
§ 4
Landesrechtliche Anforderungen an Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
(1) Eine Beratungsstelle verfügt über hinreichend persönlich und fachlich qualifiziertes und der Zahl nach ausreichendes Personal gemäß § 9 Nr. 1 SchKG, wenn
- 1.
- sie über mindestens eine in der Beratungstätigkeit erfahrene und mit den Hilfen vertraute Fachkraft verfügt; als erfahren gilt, wer über eine mindestens 3-jährige praktische Erfahrung bei der Erledigung der Aufgaben gemäß § 2 Abs. 1 verfügt,
- 2.
- die Fachkräfte einen der folgenden Abschlüsse nachweisen:
- a)
- staatlich anerkannte Sozialarbeiterin oder Diplom-Sozialpädagogin oder staatlich anerkannter Sozialarbeiter oder Diplom-Sozialpädagoge,
- b)
- Diplompsychologin oder Diplompsychologe,
- c)
- Ärztin oder Arzt mit einem beraterspezifischen Fortbildungsnachweis oder
- d)
- Ehe-, Familien- und Lebensberaterin oder -berater mit einer vom Deutschen Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Familienberatung anerkannten Ausbildung;
- im Einzelfall kann das Staatsministerium für Soziales Fachkräfte mit einer vergleichbaren Ausbildung anerkennen,
- 3.
- die Fachkräfte eine zusätzliche Qualifikation für die Schwangerschaftskonfliktberatung im Umfang von mindestens 100 Stunden innerhalb von 3 Jahren bei einem durch das Staatsministerium für Soziales bestätigten Anbieter nachweisen; dabei gilt, dass nach Abschluss eines Grundkurses im Umfang von mindestens 40 Stunden und nach Vorlage der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Erklärung die Fachkräfte bereits berechtigt sind, Schwangerschaftskonfliktberatungen nach den §§ 5 und 6 SchKG durchzuführen; eine endgültige Anerkennung erfolgt erst nach Abschluss der Zusatzqualifikation,
- 4.
- der Träger der Beratungsstelle die erforderliche Fortbildung und die regelmäßige Teilnahme an Besprechungen mit externen Beratern zur systematischen Reflexion des beruflichen Handelns (Supervision) für die in der Beratungsstelle tätigen Fachkräfte sicherstellt,
- 5.
- der Träger der Beratungsstelle deren Beschäftigte und Beauftragte über ihre Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 203 Abs. 1 Nr. 4a des Strafgesetzbuches) und ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a der Strafprozessordnung) unterrichtet und auf die strafrechtlichen Folgen einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht hingewiesen hat.
(2) Die Voraussetzungen des § 9 SchKG liegen ferner nur dann vor, wenn der Träger
- 1.
- eine Körperschaft des Privatrechts, die einem Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege oder dessen Mitgliedsorganisationen angehören soll, oder eine kommunale Gebietskörperschaft ist,
- 2.
- über die zur Durchführung der Beratung geeigneten Räumlichkeiten verfügt,
- 3.
- an mindestens 4 Tagen pro Woche regelmäßige Öffnungszeiten einrichtet, so dass auch Berufstätige das Angebot wahrnehmen können, und
- 4.
- die Öffnungszeiten und Fernsprechanschlüsse veröffentlicht.
(3) Auch Ärztinnen und Ärzte können als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle im Sinne dieses Gesetzes anerkannt werden, wenn sie die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 Nr. 2 bis 4 erfüllen.
(4) Im Einzelfall kann das Staatsministerium für Soziales eine Beratungsstelle anerkennen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2 nicht vollständig erfüllt sind.
Abschnitt 3
Sicherstellung der Beratung
§ 5
Beteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften
Landkreise und Kreisfreie Städte nehmen die Aufgaben der Beratungsstellen gemäß den §§ 3 und 8 SchKG neben den Körperschaften des Privatrechts und den Ärztinnen und Ärzten nach Maßgabe des § 17 Absatz 3 Nummer 1 des Sächsischen Gesundheitsdienstgesetzes vom 11. Dezember 1991 (SächsGVBl. S. 413), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2024 (SächsGVBl. S. 662) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, wahr.1
§ 6
Förderung von Beratungsstellen
(1) 1Innerhalb eines Einzugsgebietes werden Beratungsstellen gefördert, soweit sie aufgrund ihrer Trägerschaft und ihres Standortes zur Sicherung eines wohnortnahen, pluralen Angebotes erforderlich sind. 2Beratungsstellen sind wohnortnah, wenn Ratsuchenden aus dem Einzugsgebiet die Hin- und Rückreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb eines Tages möglich ist. 3Das Angebot ist innerhalb eines Einzugsgebietes plural, wenn mindestens die Auswahl zwischen 2 Beratungsstellen unterschiedlicher Trägerschaft besteht. 4Den Religionen und Weltanschauungen soll angemessen Rechnung getragen werden.
(2) 1Eine Förderung erfolgt in dem Umfang, der zur Einhaltung des Personalschlüssels gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchKG notwendig ist. 2Die Gesamtzahl der geförderten Beratungsfachkräfte setzt sich zusammen aus der Anzahl der Vollzeitäquivalente nach § 4 Abs. 1 SchKG und fünf Vollzeitäquivalenten für Aufgaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 und 8.
(3) Sofern aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahl eine Reduzierung der Beratungskapazitäten erforderlich ist, wird dabei die bisherige Auslastung der Beratungsstellen als wesentliches Kriterium berücksichtigt, soweit die Pluralität und Wohnortnähe der Beratungsangebote gesichert bleibt.
§ 7
Verordnungsermächtigung
(1) 1Das Staatsministerium für Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine angemessene staatliche Finanzierung der Beratungsstellen im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen festzulegen. 2Dazu gehören:
- 1.
- die zuständige Förderbehörde sowie das Antragsverfahren,
- 2.
- das Festlegen von Einzugsgebieten,
- 3.
- die Höhe der Landesförderung sowie
- 4.
- die Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Auslastungsgrades und die Reduzierung der Förderung bei sehr geringem Auslastungsgrad.
(2) Beratungsstellen gemäß § 3 SchKG sind verpflichtet, dem Staatsministerium für Soziales jährlich bis zum 31. März des Folgejahres zur Ermittlung der Auslastung einen Bericht vorzulegen, der statistische Angaben zu den Aufgaben gemäß § 2 SchKG enthält.
Abschnitt 4
Schlussbestimmungen
§ 8
Übergangsbestimmung
Die Anerkennung einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufgrund der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie zur Anerkennung von Schwangerschaftsberatungsstellen im Freistaat Sachsen vom 11. September 1996 (SächsABl. S. 990), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 30. August 2002 (SächsABl. S. 1041), steht einer Anerkennung nach Abschnitt 2 gleich.