Historische Fassung war gültig vom 30.07.1997 bis 02.05.2003

Gesetz
zur Ausübung des Berufes der Hebamme und des Entbindungspflegers
(Sächsisches Hebammengesetz – SächsHebG)

Vom 9. Juli 1997

Der Sächsische Landtag hat am 12. Juni 1997 das folgende Gesetz beschlossen:

Inhaltsübersicht:

§   1
Zweck des Gesetzes
§   2
Berufspflichten
§   3
Aufgaben
§   4
Beiziehung eines Arztes
§   5
Anwendung von Arzneimitteln
§   6
Schweigepflicht
§   7
Dokumentationspflicht
§   8
Fortbildung
§   9
Aufsicht des Gesundheitsamtes, Melde- und Informationspflichten bei freiberuflicher Tätigkeit
§ 10
Weitere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit
§ 11
Vergütung
§ 12
Außerkrafttreten von Rechtsvorschriften
§ 13
Inkrafttreten

§ 1
Zweck des Gesetzes

Mit diesem Gesetz wird die Berufsausübung der Hebammen und Entbindungspfleger (Hebammen) im Freistaat Sachsen geregelt und dabei insbesondere Artikel 4 der Richtlinie 80/155/EWG des Rates vom 21. Januar 1980 (ABl. EG Nr. L 33 S. 8), geändert durch die Richtlinie 89/594/EWG des Rates vom 30. Oktober 1989 (ABl. EG Nr. L 341 S. 19), umgesetzt.

§ 2
Berufspflichten

Die Hebammen sind verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft und entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft auszuüben. Sie haben das Lebensrecht des Ungeborenen und die Menschenwürde der Mutter und des Neugeborenen zu achten.

§ 3
Aufgaben

Hebammen haben Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Neugeborenen Hilfe zu leisten und dabei deren Gesundheit zu schützen und zu erhalten. Im Rahmen dieser Aufgabe führen Hebammen insbesondere folgende Tätigkeiten in eigener Verantwortung aus:

  1.
angemessene Aufklärung und Beratung in Fragen der Familienplanung,
  2.
Feststellung der Schwangerschaft und Beobachtung der normal verlaufenden Schwangerschaft, Durchführung der üblichen Kontrolluntersuchungen zur Überwachung des normalen Schwangerschaftsverlaufs,
  3.
Veranlassung der Untersuchungen, die für eine möglichst frühzeitige Feststellung einer Risikoschwangerschaft notwendig sind, einschließlich Aufklärung über diese Untersuchungen,
  4.
Vorbereitung auf die Elternschaft, umfassende Vorbereitung auf die Geburt einschließlich Beratung in Fragen der Hygiene und Ernährung,
  5.
Betreuung der Gebärenden während der Geburt und Überwachung des Fötus in der Gebärmutter mit Hilfe geeigneter technischer Mittel,
  6.
Durchführung von Normalgeburten und bei fehlender ärztlicher Hilfe von Beckenendlagengeburten, Ausführung von Dammschnitten und Dammnähten,
  7.
regelmäßige Untersuchung, Überwachung und Pflege des Neugeborenen in den ersten zehn Tagen nach der Geburt und erforderlichenfalls darüber hinaus, Durchführung von vorbeugenden Maßnahmen sowie der Blutentnahme für Screening-Untersuchungen, Einleitung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen in Notfällen, insbesondere sofortige Wiederbelebung des Neugeborenen,
  8.
Betreuung der Wöchnerin, regelmäßige Überwachung des Zustandes der Mutter in den ersten zehn Tagen nach der Geburt und erforderlichenfalls darüber hinaus, Anleitung zur bestmöglichen Ernährung und Pflege des Neugeborenen, Hinweis auf ärztliche Früherkennungsuntersuchung des Neugeborenen,
  9.
Anleitung der Wöchnerin zum Stillen und Hilfe bei Stillproblemen,
10.
Durchführung der vom Arzt verordneten Behandlung.

§ 4
Beiziehung eines Arztes

Hebammen haben auf Regelwidrigkeiten und Risikofaktoren zu achten und erforderlichenfalls dafür zu sorgen, daß ein Arzt beigezogen oder die Einweisung in eine Klinik veranlaßt wird. Übernimmt ein Arzt in diesen Fällen die Behandlung, haben die Hebammen den Anweisungen des Arztes Folge zu leisten. Ist in Notfällen ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen, führen die Hebammen die erforderlichen Maßnahmen selbst durch. Zu diesen gehört insbesondere die manuelle Ablösung der Plazenta mit manueller Nachuntersuchung der Gebärmutter.

§ 5
Anwendung von Arzneimitteln

(1) Hebammen dürfen ohne ärztliche Anweisung oder Verordnung folgende Arzneimittel unter Beachtung der Gebrauchsinformationen anwenden und verabreichen:

1.
bei gegebener Indikation in der Eröffnungsperiode ein nichtverschreibungspflichtiges krampflösendes oder schmerzstillendes Medikament, das für die Geburtshilfe angezeigt ist,
2.
im Falle einer Dammnaht ein nichtverschreibungspflichtiges Lokalanästhetikum,
3.
bei Notsituationen unmittelbar vor und während der Geburt sowie in der Nachgeburtsperiode, falls ein Arzt nicht rechtzeitig zugezogen werden kann oder die rechtzeitige Einweisung in ein Krankenhaus nicht möglich ist, Medikamente, die gemäß der jeweils gültigen Anlage zur Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Abgabe an Hebammen vorgesehen sind.

(2) Freiberuflich tätige Hebammen haben diese Arzneimittel verfügbar zu halten.

§ 6
Schweigepflicht

Hebammen haben über die ihnen im Rahmen der Berufsausübung anvertrauten oder sonst bekanntgewordenen Angelegenheiten zu schweigen, soweit sie nicht zur Offenbarung befugt sind; dies gilt auch gegenüber Ärzten sowie Hebammen, die nicht bei der Behandlung oder Betreuung mitgewirkt haben.

§ 7
Dokumentationspflicht

(1) Hebammen haben die in ihrer beruflichen Tätigkeit getroffenen Feststellungen und Maßnahmen zu dokumentieren. Anhand der Dokumentation müssen sämtliche Vorgänge nachvollziehbar sein.

(2) Die Dokumentationen sind mindestens 30 Jahre aufzubewahren.

(3) Bei Beendigung der Berufsausübung sind die Dokumentationen dem zuständigen Gesundheitsamt zu übergeben.

§ 8
Fortbildung

Hebammen sind verpflichtet, sich beruflich fortzubilden. Sie haben in dem Umfang von Fortbildungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, wie dies zur Erhaltung und Entwicklung der zur Berufsausübung notwendigen Fachkenntnisse erforderlich ist.

§ 9
Aufsicht des Gesundheitsamtes, Melde- und
Informationspflichten bei freiberuflicher Tätigkeit

(1) Freiberuflich tätige Hebammen üben ihren Beruf unter Aufsicht des Gesundheitsamtes aus. Sie haben dem Gesundheitsamt auf Verlangen die hierfür notwendigen Auskünfte zu erteilen und Einblick in ihre Aufzeichnungen und Tagebücher zu gewähren.

(2) Sie haben das Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn eine von ihnen betreute Schwangere, Gebärende, Wöchnerin, ein Neugeborenes oder ein Säugling verstorben oder eine Totgeburt erfolgt ist. Personenbezogene Daten sind in diesem Zusammenhang nur insoweit zu übermitteln, wie dies zur Aufklärung des in Satz 1 geschilderten Sachverhaltes und zur Wahrnehmung der Kontrollbefugnisse durch das Gesundheitsamt erforderlich ist.

(3) Sonstige Melde- und Anzeigepflichten bleiben unberührt.

§ 10
Weitere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit

(1) Freiberuflich tätige Hebammen sind verpflichtet,

1.
sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu versichern,
2.
ihre Praxis durch ein Schild zu kennzeichnen, das Namen, Berufsbezeichnung, Sprechstunden und Fernsprechnummer angibt und
3.
berufsunwürdige Werbung zu unterlassen.

(2) Freiberuflich tätige Hebammen sollen zur gegenseitigen Vertretung bereit sein. Hebammen, die Geburtshilfe leisten, haben dafür zu sorgen, daß sie oder ihre Vertretung für die von ihnen betreute Schwangere oder Wöchnerin erreichbar sind.

§ 11
Vergütung

(1) Das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Vergütungen für gegenüber Selbstzahlerinnen erbrachte Leistungen zu erlassen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Hebammen sowie der Selbstzahlerinnen Rechnung zu tragen. Insbesondere sind die Einkommensentwicklung der Gesamtbevölkerung und die Entwicklung der Vergütungssätze für die Abrechnung von Leistungen gegenüber den Trägern der gesetzlichen Krankenkasse zu berücksichtigen.

(2) Die Vergütungen können durch feste Sätze, nach der Dauer der Leistung oder durch Rahmensätze bestimmt werden. Sind in der Verordnung Rahmensätze vorgesehen, ist zu regeln, daß die Höhe der Vergütungen nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und dem zeitlichen Aufwand der Leistung, zu bemessen ist.

§ 12
Außerkrafttreten von Rechtsvorschriften

Folgende Rechtsvorschriften treten, soweit sie gemäß Artikel 123 Abs. 1 und Artikel 125 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland Landesrecht enthalten, außer Kraft:

1.
das Hebammengesetz vom 21. Dezember 1938 in der im Bundesgesetzblatt (BGBl.) Teil III, Gliederungsnummer 2124-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 55 des Gesetzes vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469),
2.
die Zweite Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes vom 13. September 1939 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2124-1-2, veröffentlichten bereinigten Fassung,
3.
die Sechste Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes vom 16. September 1941 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2124-1-6, veröffentlichten bereinigten Fassung, geändert durch Verordnung vom 3. September 1981 (BGBl. I S. 923),
4.
die Siebente Verordnung zur Durchführung des Hebammengesetzes vom 20. August 1942 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2124-1-7, veröffentlichten bereinigten Fassung,
5.
die Verordnung über Wochenpflegerinnen vom 7. Februar 1943 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2124-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 18. April 1975 (BGBl. I S. 967).

§ 13
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.

Dresden, den 9. Juli 1997

Der Landtagspräsident
Erich Iltgen

Der Ministerpräsident
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf

Der Staatsminister
für Soziales, Gesundheit und Familie
Dr. Hans Geisler