Sächsisches Gesetz
über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen
(Sächsisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – SächsPsychKHG)

erlassen als Artikel 1 des Sächsischen Gesetzes zur Reform der Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen

Vom 22. Juli 2024

Abschnitt 1
Gemeinsame Vorschriften

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt

1.
Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen und von psychischer Krankheit bedrohte Menschen,
2.
die Anordnung und den Vollzug von Schutzmaßnahmen im Hinblick auf Menschen mit psychischen Erkrankungen, insbesondere die Unterbringung nach diesem Gesetz,
3.
den Vollzug
a)
von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches sowie nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes,
b)
der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozeßordnung,
c)
der einstweiligen Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens nach § 81 der Strafprozeßordnung und nach § 73 des Jugendgerichtsgesetzes sowie
d)
vorläufiger Maßnahmen vor dem Widerruf der Aussetzung nach § 463 Absatz 1 in Verbindung mit § 453c der Strafprozeßordnung.

§ 2
Grundsätze

(1) 1Bei allen Hilfen und Schutzmaßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf die individuelle Situation der Menschen mit psychischen Erkrankungen besondere Rücksicht zu nehmen. 2Ihre Würde ist zu achten. 3Ihr Wille ist zu achten, soweit dieses Gesetz dies nicht einschränkt.

(2) 1Bei der Ausgestaltung der Hilfen, der Schutzmaßnahmen und des Vollzugs der Maßregel ist die Vielfalt der Lebensumstände, insbesondere die kulturelle und soziale Lebenssituation, angemessen zu berücksichtigen. 2Auf die Barrierefreiheit, insbesondere auf barrierefreie Kommunikation, ist zu achten.

(3) Der Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist insbesondere durch Transparenz und Aufklärung entgegenzuwirken.

(4) 1Alle Leistungserbringer von Hilfen und alle Einrichtungen, bei denen Menschen mit psychischen Erkrankungen wohnen, betreut werden oder untergebracht sind oder bei denen die Maßregel vollzogen wird, tragen dafür Sorge, dass die Menschen mit psychischen Erkrankungen und insbesondere die Menschen mit seelischer Behinderung vor jeglicher Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch geschützt werden. 2Sie sind insbesondere verpflichtet, Gewaltschutzkonzepte, die auch die Beschäftigten mit einbeziehen, zu erstellen und umzusetzen. 3Für die Aufgaben nach den Sätzen 1 und 2 ist in jeder Einrichtung eine verantwortliche Person zu benennen.

§ 3
Begriffsbestimmungen

(1) 1Menschen mit psychischen Erkrankungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die infolge einer psychischen Störung funktionseingeschränkt, krank oder behindert sind einschließlich

1.
der Menschen, bei denen eine Abhängigkeitserkrankung vorliegt,
2.
der Kinder und Jugendlichen, die von einer psychischen Erkrankung betroffen sind,
3.
der Menschen, die an einer gerontopsychiatrischen Erkrankung leiden, und
4.
der Menschen mit seelischen Behinderungen.

2Menschen, die von einer psychischen Erkrankung oder seelischen Behinderung bedroht sind, sind auch Menschen mit psychischen Erkrankungen im Sinne dieses Gesetzes.

(2) 1Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind Angehörige im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches, die zu dem Menschen mit psychischer Erkrankung in einer engen sozialen Beziehung stehen. 2Vertrauenspersonen im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die zu dem Menschen mit psychischer Erkrankung in einer engen sozialen Beziehung stehen, ohne Angehörige zu sein.

(3) Berechtigte Person im Sinne dieses Gesetzes ist die gesetzliche Vertreterin oder der gesetzliche Vertreter einer minderjährigen oder volljährigen Person sowie die oder der rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte einer volljährigen Person.

(4) Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung im Sinne dieses Gesetzes umfasst die ambulante und stationäre Krankenbehandlung insbesondere in den Fachbereichen Psychiatrie und Psychotherapie.

(5) Psychosoziale Versorgung im Sinne dieses Gesetzes umfasst alle anderen Leistungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen, die nicht Krankenbehandlungen im Sinne des Absatz 4 sind.

(6) Krankenhäuser im Sinne dieses Gesetzes sind psychiatrische Fachkrankenhäuser sowie Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern, die volljährige oder minderjährige Patientinnen und Patienten aufnehmen.

(7) 1Andere stationäre Einrichtungen im Sinne des Gesetzes sind Wohnformen, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen wohnen, betreut werden, Assistenzleistungen erhalten oder untergebracht sind. 2Dies sind vor allem besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe, stationäre Pflegeeinrichtungen und stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe.

(8) 1Psychosoziale Dienste und Angebote im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, die Leistungen im Sinne des Absatzes 5 für Menschen mit psychischen Erkrankungen in ambulanter Form erbringen. 2Soweit Sozialpsychiatrische Dienste ambulante ärztliche Leistungen nach § 11 Absatz 2 Satz 2 erbringen, sind diese Leistungen davon nicht erfasst.

(9) Anerkannte Einrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, die von der Aufsichtsbehörde für die öffentlich-rechtliche Unterbringung zugelassen sind.

(10) Maßregelvollzugseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind Kliniken für Forensische Psychiatrie, die Teil der psychiatrischen Krankenhäuser in Trägerschaft des Freistaates Sachsen sind, oder Einrichtungen, denen vom Freistaat Sachsen der Vollzug der Maßnahmen nach § 1 Nummer 3 übertragen wurde.

(11) Eine spezialisierte Maßregelvollzugseinrichtung im Sinne dieses Gesetzes ist eine in sich abgeschlossene jugendforensische Abteilung in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, die Teil eines psychiatrischen Krankenhauses in Trägerschaft des Freistaates Sachsen ist.

§ 4
Besuchskommissionen

(1) 1Besuchskommissionen besuchen schwerpunktbezogen Krankenhäuser, andere stationäre Einrichtungen, anerkannte Einrichtungen, Maßregelvollzugseinrichtungen sowie psychosoziale Dienste und Angebote, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen wohnen, aufgenommen oder untergebracht sind, betreut werden oder Assistenzleistungen erhalten. 2Die Besuchskommissionen sind unabhängig und besuchen die Orte in der Regel unangemeldet.

(2) 1Die Besuchskommissionen überprüfen die allgemeinen Lebensbedingungen und die Wahrung der Rechte der Menschen mit psychischen Erkrankungen in den besuchten Einrichtungen. 2Sie beraten bei Bedarf besuchte Einrichtungen zu Verbesserungsmöglichkeiten. 3Sind in den besuchten Einrichtungen Menschen mit psychischen Erkrankungen aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung untergebracht, prüfen die Besuchskommissionen, ob die mit der Unterbringung von Menschen mit psychischen Erkrankungen verbundenen besonderen Aufgaben und gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden und die Rechte der Patientinnen, Patienten, Bewohnerinnen und Bewohner gewahrt werden. 4Die Besuchskommissionen geben den Menschen mit psychischen Erkrankungen während der Besuche Gelegenheit, Wünsche und Beschwerden vorzubringen. 5Sie wirken auf eine zeitnahe Lösung hin.

(3) 1Besuchte Einrichtungen sind verpflichtet, die Besuchskommissionen zu unterstützen, insbesondere ihnen Zutritt zu gewähren, Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. 2Personenbezogene Unterlagen dürfen nur mit Einwilligung des Menschen mit psychischer Erkrankung oder dessen berechtigter Person eingesehen werden. 3Von dem Einwilligungsvorbehalt ausgenommen sind die Dokumentationen betreffend die Unterbringung und andere freiheitsentziehende Maßnahmen sowie die Sicherungsmaßnahmen einschließlich notwendiger richterlicher Genehmigungen. 4Vor Gesprächen mit Minderjährigen ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten einzuholen. 5Die Schweigepflicht der mit der Behandlung und Betreuung der Menschen mit psychischen Erkrankungen betrauten Personen bleibt im Übrigen unberührt.

(4) 1Als Mitglieder der Besuchskommissionen beruft das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Benehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege jeweils für eine Amtszeit von vier Jahren

1.
Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen,
2.
Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin, Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder andere Ärztinnen und Ärzte mit Berufserfahrung in der Psychiatrie,
3.
Fachkräfte aus dem Bereich der Suchthilfe,
4.
Menschen mit psychischen Erkrankungen,
5.
Mitglieder des Landesbeirats für Inklusion der Menschen mit Behinderungen,
6.
Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher,
7.
Personen mit der Befähigung zum Richteramt,
8.
Personen mit einer abgeschlossenen Qualifikation zur Genesungsbegleitung,
9.
Personen
a)
mit einer Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen auf dem Gebiet der Psychiatrie oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
b)
mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in der Krankenpflege und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie oder
c)
mit einer abgeschlossenen sozialpädagogischen, heilpädagogischen oder heilerziehungspflegerischen Ausbildung und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie,
10.
Psychologische Psychotherapeutinnen, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Fachpsychotherapeutinnen und Fachpsychotherapeuten für Erwachsene, Fachpsychotherapeutinnen und Fachpsychotherapeuten für Kinder und Jugendliche oder Psychologinnen und Psychologen mit Erfahrung im Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen,
11.
rechtliche Betreuerinnen und Betreuer sowie Vormunde,
12.
Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Jugendhilfe.

2Es können auch Bürgerinnen und Bürger berufen werden, die sich in besonderem Maße für die Belange von Menschen mit psychischen Erkrankungen eingesetzt haben. 3Die Mitglieder sollen jährlich mindestens für drei Besuche der Besuchskommissionen zur Verfügung stehen.

(5) 1Die Mitglieder der Besuchskommissionen wählen eine Gesamtvorsitzende oder einen Gesamtvorsitzenden und jeweils eine Regionalvorsitzende oder einen Regionalvorsitzenden für die Regionen Leipzig, Dresden und Chemnitz. 2Sie geben sich eine Geschäftsordnung. 3Die Geschäftsstelle ist beim Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt eingerichtet.

(6) 1Jede Besuchskommission soll aus drei Personen bestehen und fachlich ausgewogen zusammengesetzt sein. 2Jeder Besuchskommission soll mindestens ein Mitglied nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 oder 4 angehören. 3Sind die für die Einrichtung bestellten Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher gemäß Absatz 7 Satz 2 beim Besuch anwesend, sind lediglich zwei Mitglieder zur Bildung der Besuchskommission erforderlich.

(7) 1Die Besuchskommissionen arbeiten vertrauensvoll zusammen insbesondere mit

1.
den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern nach § 5,
2.
den Mitwirkungsgremien der Patientinnen und Patienten, der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Nutzerinnen und Nutzer der Einrichtungen,
3.
der zuständigen Behörde nach § 31 des Sächsischen Wohnteilhabegesetzes vom 20. März 2024 (SächsGVBl. S. 325) und den Besuchskommissionen nach § 14 des Sächsischen Inklusionsgesetzes vom 2. Juli 2019 (SächsGVBl. S. 542) und
4.
der zuständigen Behörde nach § 27 Absatz 1 des Landesjugendhilfegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2008 (SächsGVBl. S. 578), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 13. Juni 2024 (SächsGVBl. S. 516) geändert worden ist.

2Die Besuchskommissionen sollen die für die Einrichtung bestellten Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher zur Teilnahme an dem Besuch einladen. 3Prüfungen der Besuchskommissionen, die gleichzeitig mit Prüfungen der Besuchskommissionen nach § 14 des Sächsischen Inklusionsgesetzes durchgeführt werden, sollen vermieden werden.

(8) 1Jede Besuchskommission legt spätestens zwei Monate nach einem Besuch ihren Besuchsbericht der Einrichtung und deren Träger zur Kenntnis vor und bietet diesen gleichzeitig Rücksprache zu ihren Empfehlungen an. 2Die Einrichtung gibt den Besuchsbericht den bestellten Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern zur Kenntnis. 3Spätestens zwei Monate nach einem Besuch hat die Besuchskommission ihren Besuchsbericht dem Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur aufsichtsrechtlichen Verwendung zu übersenden. 4Stellt eine Besuchskommission erhebliche Mängel fest, deren Beseitigung keinen Aufschub zulässt, informiert sie unverzüglich die im Einzelfall zuständige Aufsichtsbehörde. 5Die Besuchskommissionen verfassen in eigener Verantwortung einmal jährlich eine Übersicht und einmal in der Legislaturperiode einen gemeinsamen Bericht, der zusammenfassend über die Ergebnisse ihrer Arbeit im Berichtszeitraum informiert. 6Die Jahresübersicht wird den Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften und dem Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt übermittelt und veröffentlicht. 7Den gemeinsamen Bericht leitet das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt dem Landtag zur Kenntnis zu.

(9) Die Aufsichtspflichten und Befugnisse der zuständigen Behörden sowie das Recht der betroffenen Menschen, andere Überprüfungs- oder Beschwerdeinstanzen anzurufen, bleiben unberührt.

(10) 1Die Mitglieder der Besuchskommissionen haben über die Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu bewahren. 2Dies gilt nicht für die Berichtspflichten nach Absatz 8 und nicht für Tatsachen, die offenkundig sind.

§ 5
Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher

(1) 1Für Krankenhäuser, anerkannte Einrichtungen und Maßregelvollzugseinrichtungen bestellen die Kreisfreie Stadt oder der Landkreis, in deren Gebiet die Einrichtung liegt, im Benehmen mit den Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften ehrenamtliche Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher, die nicht in derselben Einrichtung tätig sind. 2Für andere stationäre Einrichtungen können Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher bestellt werden, sofern sie nicht in derselben Einrichtung tätig sind. 3Die zu bestellenden Personen sollen über Grundkenntnisse im Bereich des Versorgungssystems für Menschen mit psychischen Erkrankungen verfügen und zur Fortbildung bereit sein. 4Sie arbeiten unabhängig und weisungsfrei. 5Die Kreisfreie Stadt oder der Landkreis informiert die Aufsichtsbehörde unverzüglich über die Bestellung und den Bestellungszeitraum der Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher.

(2) 1Die Krankenhäuser oder die Einrichtungen stellen sicher, dass den Menschen mit psychischen Erkrankungen barrierefreie Informationen über das Angebot der Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher zugänglich sind. 2Die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher haben Zugang zu den Menschen mit psychischen Erkrankungen. 3Ihnen sind persönliche Gespräche und die sonstige Kontaktaufnahme mit den betroffenen Menschen zu gestatten. 4Die notwendige räumliche und sachliche Ausstattung für die Ausübung des Amtes ist zu gewähren. 5Die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher und das Beschwerdemanagement der Einrichtung arbeiten eng zusammen.

(3) 1Die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher prüfen Wünsche und Beschwerden der Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie ihrer Angehörigen in den Krankenhäusern und Einrichtungen und beraten sie. 2Bei Bedarf und mit dem Einverständnis der Ratsuchenden vermitteln sie zwischen ihnen und den Beschäftigten. 3Die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher bemühen sich um eine individuelle zeitnahe Lösung. 4Sie informieren die Ratsuchenden über den Fortgang ihres Anliegens.

(4) 1Stellen die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher erhebliche Mängel fest, deren Beseitigung keinen Aufschub zulässt, informieren sie die Leitung des Krankenhauses oder der Einrichtung, den Träger und die Psychiatriekoordinatorin oder den Psychiatriekoordinator des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt. 2Zu diesem Zweck ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die im Rahmen der Tätigkeit nach Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 erlangt wurden, zulässig.

(5) 1Die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher arbeiten eng mit der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft und der Psychiatriekoordinatorin oder dem Psychiatriekoordinator des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt zusammen und berichten mindestens einmal jährlich über den Sachstand in dem betreuten Krankenhaus oder der betreuten Einrichtung. 2Diese unterstützen die Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit, unterbreiten ihnen Fortbildungsangebote und ermöglichen die Vernetzung der Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher untereinander.

(6) 1Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher werden für höchstens fünf Jahre bestellt. 2Die wiederholte Bestellung für dieselbe Einrichtung ist zulässig.

§ 6
Psychiatrieberichterstattung

(1) 1Zur Verbesserung der bedarfsgerechten psychiatrischen und psychosozialen Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen erfolgt eine Psychiatrieberichterstattung. 2Sie dient den Landkreisen, den Kreisfreien Städten und dem Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zu einer nachhaltigen Planung und Strukturierung der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung auf regionaler und Landesebene, ihrer Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung. 3Sie fließt in die regionalen Psychiatriepläne, Suchthilfepläne und Suchtberichte sowie den Landespsychiatrieplan und den Sächsischen Drogen- und Suchtbericht ein.

(2) 1Die Psychiatrieberichterstattung erfolgt durch die Erhebung statistischer, nicht personenbezogener Daten bei den Leistungserbringern, Krankenhäusern, anerkannten Einrichtungen und den Maßregelvollzugseinrichtungen. 2Statistische Daten sind insbesondere einrichtungsbezogene strukturelle Daten, klinische, soziodemografische und nicht personenbezogene klienten- und patientengruppenbezogene Daten sowie Daten zu Zwangsmaßnahmen. 3Die Meldepflichten ergeben sich aus den §§ 16, 45, 81.

(3) Die Kosten der Datenauswertung und der Erstellung der Psychiatrieberichterstattung nach Absatz 1 Satz 1 trägt der Freistaat Sachsen.

(4) Näheres über das Verfahren der Datenübermittlung, die Bestimmung der mit der Psychiatrieberichterstattung befassten Stelle und deren Einbindung in den Datenübermittlungsprozess, Art und Umfang der Daten sowie deren Übermittlung regelt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Rechtsverordnung.

Abschnitt 2
Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen

§ 7
Hilfesystem

(1) Das Hilfesystem für Menschen mit psychischen Erkrankungen umfasst alle Angebote für eine bedarfsgerechte psychiatrische, psychotherapeutische, psychosomatische und psychosoziale Versorgung im ambulanten, niederschwelligen, teilstationären, stationären, rehabilitativen und pflegerischen Bereich.

(2) Im Rahmen einer bedarfsgerechten Versorgung werden Hilfen nach diesem Gesetz ergänzend zu Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht.

(3) Das Zusammenwirken aller an der Versorgung in einem Landkreis oder einer Kreisfreien Stadt Beteiligten bildet das System der regionalisierten Pflichtversorgung.

§ 8
Hilfen

(1) 1Hilfen nach diesem Gesetz sind Leistungen, die dem Menschen mit psychischer Erkrankung angeboten werden und die dieser freiwillig annimmt. 2Maßnahmen nach den Abschnitten 3 und 4 bleiben hiervon unberührt.

(2) Ziel ist es, durch rechtzeitige und umfassende Beratung, Betreuung und Assistenz sowie durch Vermittlung oder Durchführung geeigneter Maßnahmen, insbesondere von Behandlungen,

1.
die Zeichen einer psychischen Erkrankung durch vorsorgende Hilfen rechtzeitig zu erkennen, so dass der betroffene Mensch rasch behandelt werden kann und Maßnahmen entbehrlich sind, welche die selbständige Lebensführung beeinträchtigen und die persönliche Freiheit einschränken,
2.
den Menschen mit psychischer Erkrankung durch begleitende Hilfen darin zu unterstützen, mit seiner Erkrankung zu leben, eine Verschlechterung zu vermeiden und eine Besserung zu erreichen und gegebenenfalls notwendige Schutzmaßnahmen gegen den Willen des betroffenen Menschen zu verkürzen,
3.
nach einer psychiatrischen oder psychosomatischen Behandlung oder Unterbringung durch nachsorgende Hilfen die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu erleichtern und zu fördern sowie Rückfälle zu vermeiden.

(3) 1Die Hilfen sind nach dem individuellen Hilfebedarf des Menschen mit psychischer Erkrankung mit ihm zu vereinbaren und aufeinander abgestimmt zu erbringen. 2Die Wünsche der Menschen mit psychischen Erkrankungen sind zu berücksichtigen. 3Bei minderjährigen Personen sind die Sorgeberechtigen und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben das Jugendamt hinzuzuziehen. 4Geschlechts- und kultursensible sowie behinderungsbedingte Aspekte sind zu berücksichtigen.

(4) Die Hilfen werden nach Möglichkeit und in Abhängigkeit vom konkreten Bedarf so erbracht, dass der Mensch mit psychischer Erkrankung sie in Anspruch nehmen kann, ohne seinen gewohnten Lebensbereich aufgeben zu müssen.

(5) 1Hilfen sollen, soweit möglich und therapeutisch vertretbar sowie von der Person erwünscht, am Wohnort des Menschen mit psychischer Erkrankung in Form von aufsuchenden Hilfen erbracht werden. 2Digitale Kommunikationsmittel und Online-Angebote können genutzt werden, soweit es die fachgerechte Versorgung zulässt.

(6) 1Hilfen sollen nur dann in Krankenhäusern und anderen stationären Einrichtungen geleistet werden, wenn das Ziel der Hilfen auf anderem Wege nicht erreicht werden kann. 2Die Erbringung von Hilfen soll vorrangig in ambulanter Form erfolgen, insbesondere durch ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und psychosoziale Beratung sowie Assistenz des Menschen mit psychischer Erkrankung.

(7) Beratungs- und Unterstützungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen in einer akuten psychischen Krise sollen auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie der psychosozialen Dienste und Angebote gewährleistet sein, insbesondere in den Abend- und Nachtstunden sowie am Wochenende (Krisendienst).

(8) 1Beratungen und Informationen werden auch für Angehörige von Menschen mit psychischer Erkrankung und Vertrauenspersonen erbracht. 2Sie sollen Verständnis für die besondere Lage der psychisch erkrankten Person wecken sowie insbesondere die Bereitschaft und Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Unterstützung des Menschen mit psychischer Erkrankung fördern. 3Die Leistungen dienen auch der Prävention psychischer Erkrankungen der Angehörigen und Vertrauenspersonen selbst.

(9) Die Angehörigen und Vertrauenspersonen sind auf ihren Wunsch und mit Zustimmung des Menschen mit psychischer Erkrankung bei der Versorgungsplanung für ihn einzubinden.

(10) 1Bei der Beratung und Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie der Assistenz für diese sollen auch Menschen mit Eigenerfahrung und abgeschlossener Ausbildung zur Genesungsbegleitung eingesetzt werden. 2Menschen mit Eigenerfahrung sind Personen, die selbst eine psychische Erkrankung haben oder von ihr genesen sind.

§ 9
Zuständigkeit

(1) 1Unbeschadet der Verpflichtungen Dritter sind die Landkreise und Kreisfreien Städte im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit für die Gewährung ihrer Hilfen im Sinne dieses Gesetzes und deren Koordination zuständig. 2Sie erlassen Kreis- oder Stadtpsychiatriepläne, welche die verbindlich abgestimmten sozialpsychiatrischen Hilfeleistungen festlegen. 3Diese können getrennt nach einem Psychiatrie- und einem Suchthilfeplan erstellt werden.

(2) 1Örtlich zuständig ist der Landkreis oder die Kreisfreie Stadt, in deren Gebiet der Mensch mit Hilfebedarf seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. 2Ist dieser nicht feststellbar, ist der Landkreis oder die Kreisfreie Stadt zuständig, in deren Gebiet die Hilfsbedürftigkeit eintritt.

§ 10
Psychosoziale Dienste und Angebote

(1) 1Psychosoziale Dienste und Angebote sind insbesondere Sozialpsychiatrische Dienste, Suchtberatungs- und -behandlungsstellen, psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen, niederschwellige Kontaktangebote für Suchterkrankte sowie Angebote der Tagesstrukturierung, des Wohnens und der Teilhabe an Arbeit. 2Es können bei diesen Diensten und Angeboten Beschwerdestellen für Menschen mit psychischen Erkrankungen eingerichtet werden, in denen Fachkräfte, Menschen mit Eigenerfahrung und Angehörige gemeinsam auf die Klärung von Beschwerden psychisch kranker Menschen hinwirken.

(2) 1Die Landkreise und Kreisfreien Städte halten Sozialpsychiatrische Dienste und Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen sowie psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen vor. 2Sie wirken darauf hin, dass weitere erforderliche psychosoziale Dienste und Angebote eingerichtet werden.

(3) 1Die Landkreise und Kreisfreien Städte können den Vollzug der Aufgaben der Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, der Sozialpsychiatrischen Dienste, der psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen sowie der anderen psychosozialen Dienste und Angebote Verbänden der freien Wohlfahrtspflege oder gemeinnützigen Institutionen übertragen, soweit und solange diese zur Aufgabenerfüllung geeignet und bereit sind. 2Entsprechende landesweite Fachempfehlungen zu Qualitätsstandards sind zu berücksichtigen.

§ 11
Sozialpsychiatrische Dienste

(1) Der Sozialpsychiatrische Dienst koordiniert die psychosoziale, die ambulante psychiatrische und die psychotherapeutische Versorgung der Menschen mit psychischen Erkrankungen in seinem regionalen Versorgungsgebiet im Rahmen der Einzelfallhilfen.

(2) 1Ihm obliegen die Aufgaben nach § 17 Absatz 3 Nummer 5 des Sächsischen Gesundheitsdienstgesetzes vom 11. Dezember 1991 (SächsGVBl. S. 413), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2024 (SächsGVBl. S. 662) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und die Gewährung der Hilfen gemäß § 8. 2Ihm obliegen ferner die Diagnostik und die ambulante ärztliche Behandlung, soweit niedergelassene Ärztinnen und Ärzte oder psychiatrische Institutsambulanzen sie nicht sicherstellen können oder diese für die Patientinnen und Patienten nicht erreichbar sind.

(3) 1Als Leitung des Sozialpsychiatrischen Dienstes ist eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie einzusetzen. 2Ist eine derartige Stellenbesetzung aus sachlichen Gründen nicht möglich, kann die Funktion auch von

1.
einer Fachärztin oder einem Facharzt für das öffentliche Gesundheitswesen,
2.
einer Fachärztin oder einem Facharzt mit einschlägiger psychiatrischer Berufserfahrung oder
3.
einer Psychologischen Psychotherapeutin, einem Psychologischen Psychotherapeuten, einer Fachpsychotherapeutin für Erwachsene oder einem Fachpsychotherapeuten für Erwachsene mit Erfahrung in der Psychiatrie

ausgeübt werden. 3Eine Leitung nach Satz 2 ist nur zulässig, wenn und soweit sichergestellt ist, dass die einem Arztvorbehalt unterliegenden Maßnahmen nach Absatz 2 von einer Fachärztin oder einem Facharzt durchgeführt werden.

(4) Die nach Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 notwendige Erfahrung einer Psychotherapeutin oder eines -therapeuten kann dadurch nachgewiesen werden, dass sie oder er

1.
zur Führung der Berufsbezeichnung eines Psychologischen Psychotherapeuten berechtigt ist oder
2.
gemäß § 1 Absatz 1 des Psychotherapeutengesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1604), das durch Artikel 17 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, berechtigt ist, diese Berufsbezeichnung zu führen und darüber hinaus
a)
eine fünfjährige Weiterbildung auf dem Gebiet der Erwachsenen- oder Kinder- und Jugendpsychotherapie erfolgreich absolviert hat oder
b)
über eine dreijährige Berufserfahrung in der Behandlung schwer psychisch kranker Menschen verfügt.

(5) 1Die Sozialpsychiatrischen Dienste arbeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 mit allen anderen Leistungserbringern in ihrer Versorgungsregion eng zusammen. 2Zu diesem Zweck dürfen zwischen den Sozialpsychiatrischen Diensten und den anderen Leistungserbringern personenbezogene Daten übermittelt werden. 3Die Beschäftigten der Sozialpsychiatrischen Dienste und der anderen Leistungserbringer haben über das, was ihnen dabei bekannt wird, auch über den Tod des Patienten hinaus, Verschwiegenheit zu bewahren.

§ 12
Versorgungsverpflichtung der Krankenhäuser

(1) 1Die Krankenhäuser sind verpflichtet, die einer psychiatrischen Krankenhausbehandlung bedürfenden Patientinnen und Patienten aus einem nach Absatz 3 festgelegten Einzugsgebiet, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder in dem die stationäre Behandlungsbedürftigkeit eingetreten ist, aufzunehmen und zu behandeln. 2Den gewöhnlichen Aufenthalt hat eine Person dort, wo sie sich unter den Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. 3Der gewöhnliche Aufenthalt ist auch der Aufenthalt in einer anderen stationären Einrichtung oder einer anerkannten Einrichtung. 4Die Sätze 1 bis 3 finden keine Anwendung bei Unterbringungen in Maßregelvollzugseinrichtungen aufgrund strafrechtlicher Entscheidung.

(2) 1Die Aufnahmeverpflichtung nach Absatz 1 beschränkt nicht das Recht der Patientinnen und Patienten auf freie Krankenhauswahl. 2Unberührt bleiben die Regelungen zur Notfallversorgung nach § 27 Absatz 1 des Sächsischen Krankenhausgesetzes vom 15. Dezember 2022 (SächsGVBl. S. 752), in der jeweils geltenden Fassung, in Verbindung mit § 2 Absatz 3 Satz 2 des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. März 2024 (SächsGVBl. S. 289), in der jeweils geltenden Fassung.

(3) 1Die Einzugsgebiete der Krankenhäuser und Durchführungsvorschriften zu den Absätzen 1 und 2 legt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem Einzugsgebietsplan im Benehmen mit den Krankenhausträgern und im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern sowie dem Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung durch Rechtsverordnung fest. 2Die Festlegung erfolgt unter Berücksichtigung des Krankenhausplanes im Sinne des Sächsischen Krankenhausgesetzes. 3Das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt kann in begründeten Fällen Krankenhäuser zeitlich befristet von der Vollversorgungsverpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 entbinden und sich daraus ergebende ergänzende Versorgungsverpflichtungen für andere Krankenhäuser festlegen. 4Die Entscheidung ergeht gegenüber den betroffenen Krankenhausträgern und wird im Sächsischen Amtsblatt bekanntgemacht.

§ 13
Koordination der Versorgung auf Ebene der Landkreise und Kreisfreien Städte, Psychosoziale Arbeitsgemeinschaften

(1) 1Die Landkreise und Kreisfreien Städte richten als beratende Gremien Psychosoziale Arbeitsgemeinschaften ein. 2Sie können Facharbeitsgruppen für besondere versorgungsrelevante Themen einrichten. 3Die Landkreise und Kreisfreien Städte können für den Bereich Drogen und Sucht zusätzliche beratende Gremien bilden. 4Die Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften analysieren die psychiatrische, psychotherapeutische und psychosoziale Versorgungssituation fach- und trägerübergreifend und erarbeiten fachliche Vorschläge zur Steuerung, Planung und Koordination der Hilfen sowie insbesondere zur Vernetzung der Hilfeleistungen und Angebote im Landkreis oder in der Kreisfreien Stadt. 5Sie sind vor grundlegenden Veränderungen in der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung zu hören. 6Dies gilt auch für die Gremien nach Satz 3 zur Versorgung von Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung.

(2) Die Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften wirken auf die Bildung von Verbünden der Leistungserbringer und die Einrichtung von Krisendiensten in ihrer Versorgungsregion hin.

(3) Den psychosozialen Arbeitsgemeinschaften sollen angehören im Landkreis oder der Kreisfreien Stadt tätige

1.
Psychologische Psychotherapeutinnen, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Fachpsychotherapeutinnen für Erwachsene, Fachpsychotherapeuten für Erwachsene, Fachpsychotherapeutinnen und Fachpsychotherapeuten für Kinder- und Jugendliche,
2.
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, insbesondere solche mit einer Facharztanerkennung für das Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
3.
Vertreterinnen und Vertreter
a)
des Sozialpsychiatrischen Dienstes,
b)
der Suchthilfe,
c)
der Verbände oder Interessenvertretungen der Menschen mit psychischen Erkrankungen,
d)
der Jugendhilfe,
e)
möglichst aller Sozialleistungsträger,
f)
der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, soweit sie Leistungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen erbringen,
g)
des regionalen Verbundes der Leistungserbringer,
h)
von Krankenhäusern,
i)
der Verbände oder Interessenvertretungen der Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen,
j)
von Betreuungsvereinen und Hilfevereinen,
k)
der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen,
4.
regionale Beauftragte für Menschen mit Behinderungen,
5.
Vertreterinnen und Vertreter psychosozialer Zentren für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund sowie
6.
sonstige Vertreterinnen und Vertreter von öffentlichen Stellen, die für Hilfen für psychisch kranke Menschen zuständig sind.

(4) 1Die Landkreise und Kreisfreien Städte bestellen für die Sicherstellung und Koordination der Hilfen nach den §§ 8, 10 und 11 sowie für deren bedarfsgerechte Weiterentwicklung aus dem Kreis ihrer fachkompetenten Beschäftigten eine Person zur Psychiatriekoordinatorin oder zum Psychiatriekoordinator. 2Die Bestellung einer Suchtkoordinatorin oder eines Suchtkoordinators ist zusätzlich möglich. 3Die Psychiatriekoordinatorin oder der Psychiatriekoordinator leitet die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt, führt ihre Geschäfte und vertritt im Rahmen ihrer Aufgaben den Landkreis oder die Kreisfreie Stadt. 4Die Rechte der Suchtkoordinatorin oder des Suchtkoordinators im Sinne von Satz 3 bestimmt der Landkreis oder die Kreisfreie Stadt.

§ 14
Verbünde der Leistungserbringer

(1) 1In den Landkreisen und Kreisfreien Städten können sich die wesentlichen psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Leistungserbringer sowie die Selbsthilfeangebote einer Versorgungsregion zu Verbünden zusammenschließen. 2Die Verbünde berücksichtigen den besonderen Kooperationsbedarf im Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen sowie gerontopsychiatrischen Versorgung.

(2) 1Die Leistungserbringer treffen in den Verbünden schriftliche Kooperationsvereinbarungen mit dem Ziel, im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit sowie in den von ihnen angebotenen Leistungsbereichen für Menschen mit psychischen Erkrankungen und komplexem Hilfebedarf in ihrer Versorgungsregion eine möglichst bedarfsgerechte, wohnortnahe Pflichtversorgung zu erreichen. 2Sie unterstützen die Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften bei ihrer Aufgabe nach § 13 Absatz 1 Satz 4. 3Die Leitung und Koordinierung des Verbundes wird zwischen seinen Mitgliedern geregelt.

(3) 1Für die Menschen mit komplexem Hilfebedarf sollen Hilfeplankonferenzen angeboten werden. 2Dabei sollen die Leistungserbringer unter Beteiligung der Angehörigen und Vertrauenspersonen sowie der betroffenen Leistungsträger eine individuelle Versorgungsmöglichkeit für den Menschen mit komplexem Hilfebedarf finden. 3Der Sozialpsychiatrische Dienst ist einzubeziehen.

(4) 1Die Verbünde der Leistungserbringer sollen mit den Leistungsträgern, der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft sowie Netzwerken aus anderen Bereichen zusammenarbeiten. 2Dies schließt auch die Zusammenarbeit mit den Maßregelvollzugseinrichtungen für die Wiedereingliederung strafrechtlich untergebrachter Patientinnen und Patienten ein. 3Verbände und regionale Interessenvertretungen der Menschen mit psychischen Erkrankungen, der Menschen mit Eigenerfahrung und der Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen sind einzubinden.

(5) 1Die Versorgungsregion entspricht in der Regel dem Gebiet des Landkreises oder der Kreisfreien Stadt. 2Sie kann von den Mitgliedern eines Verbundes abweichend festgelegt werden, wenn es die regionale Versorgungsstruktur gebietet.

§ 15
Koordination der Versorgung auf Landesebene, Landesbeirat Psychische Gesundheit

(1) Zur fachlichen Abstimmung auf Landesebene wird als ständiges, beratendes Gremium ein Landesbeirat Psychische Gesundheit für einen Zeitraum von jeweils vier Jahren vom Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt berufen.

(2) 1Der Landesbeirat besteht aus Expertinnen und Experten, die die unterschiedlichen Versorgungsstrukturen und die Interessen der Menschen mit psychischen Erkrankungen und von deren Angehörigen widerspiegeln. 2Sie vertreten die Interessen ihres jeweiligen Gebietes und wirken vermittelnd gegenüber dem Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

(3) 1Der Landesbeirat gibt sich eine Geschäftsordnung. 2Die Geschäftsstelle ist beim Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt eingerichtet.

(4) Das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt erstellt im Benehmen mit dem Landesbeirat Psychische Gesundheit und der Landesarbeitsgemeinschaft der Psychiatriekoordinatoren einen Landespsychiatrieplan, der die psychiatrische, psychotherapeutische und psychosoziale Versorgungslage im Freistaat Sachsen beschreibt und Ziele sowie Umsetzungsempfehlungen für die Weiterentwicklung des Hilfesystems für Menschen mit psychischen Erkrankungen im Freistaat Sachsen enthält.

§ 16
Dokumentations- und Meldepflichten

(1) 1Die Leistungserbringer von Hilfen dokumentieren ihre Leistungen nach diesem Gesetz. 2Dokumentationspflichten aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Die Sozialpsychiatrischen Dienste sind verpflichtet, der obersten Aufsichtsbehörde folgende Daten jeweils zum 31. März eines Jahres für das vergangene Jahr zu melden:

1.
einrichtungsbezogene Strukturmerkmale, insbesondere Informationen zu der Ausstattung, den Angeboten und der Mitwirkung im Verbund der Leistungserbringer,
2.
klinische Daten, insbesondere die Anzahl der versorgten Menschen nach Diagnosegruppen entsprechend der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification, Version 2024, abrufbar auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und bei der Deutschen Nationalbibliothek archivmäßig gesichert niedergelegt, in der jeweils aktuellen Version,
3.
soziodemografische Daten, insbesondere zu Alter und Geschlecht der versorgten Menschen,
4.
nicht personenbezogene klienten- und patientengruppenbezogene Daten, insbesondere allgemeingültige, gruppenbezogene Angaben zu Beratungsinhalten und Teilnahme an Hilfeplankonferenzen.

(3) Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen sind auf Anforderung der obersten Aufsichtsbehörde verpflichtet, die Daten nach Absatz 2 zu melden, mit Ausnahme der Information zur Mitwirkung im Verbund der Leistungserbringer nach Nummer 1 und der Daten nach Nummer 4.

(4) 1Die Suchtberatungs- und -behandlungsstellen sind verpflichtet, an der Berichterstattung im Rahmen der Deutschen Suchthilfestatistik mitzuwirken. 2Die Suchthilfestatistik ist Bestandteil der Psychiatrieberichterstattung nach § 6.

(5) Andere stationäre Einrichtungen sind, soweit sich die Meldepflichten nicht aus § 45 Absatz 3 ergeben, auf Anforderung der obersten Aufsichtsbehörde verpflichtet, folgende Daten zu melden:

1.
die Anzahl der aufgenommenen Menschen mit psychischen Erkrankungen nach Diagnosegruppen entsprechend der jeweils aktuellen Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme,
2.
soziodemografische Daten, insbesondere zu Alter und Geschlecht der aufgenommenen Menschen,
3.
die Anzahl der untergebrachten Personen und Dauer der Unterbringungen,
4.
Anzahl und Art durchgeführter freiheitsbeschränkender und freiheitsentziehender Maßnahmen gemäß § 1831 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2 und § 1631b Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
5.
die Anzahl der Suizide von untergebrachten Personen.

(6) Krankenhäuser sind, soweit sich die Meldepflichten nicht aus § 45 Absatz 2 ergeben, verpflichtet, der obersten Aufsichtsbehörde folgende Daten jeweils zum 31. März eines Jahres für das vergangene Jahr zu melden:

1.
Anzahl und Dauer der Unterbringungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen,
2.
soziodemografische Daten der untergebrachten Personen, insbesondere zu Alter und Geschlecht,
3.
Anzahl und Art durchgeführter freiheitsbeschränkender und freiheitsentziehender Maßnahmen gemäß § 1831 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2 und § 1631b Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
4.
die Anzahl der bei den untergebrachten Personen ergriffenen ärztlichen Zwangsmaßnahmen gemäß § 1832 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
5.
die Anzahl der Suizide von Patientinnen und Patienten.

(7) Näheres über Art und Umfang der Daten sowie deren Übermittlung und das Verfahren regelt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Rechtsverordnung.

§ 17
Rechtsaufsicht

(1) Die Landkreise und Kreisfreien Städte nehmen ihre Aufgaben und Befugnisse nach Abschnitt 1 und 2 als weisungsfreie Pflichtaufgaben wahr, soweit nicht etwas anderes geregelt ist.

(2) 1Die Rechtsaufsicht führt die Landesdirektion Sachsen als Aufsichtsbehörde und das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt als oberste Aufsichtsbehörde. 2Die besonderen Aufsichtsregelungen des Sächsischen Gesundheitsdienstgesetzes und des Sächsischen Wohnteilhabegesetzes bleiben unberührt.

Abschnitt 3
Unterbringung

Unterabschnitt 1
Voraussetzungen der Unterbringung und Unterbringungsverfahren

§ 18
Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Eine Unterbringung nach diesem Gesetz liegt vor, wenn ein Mensch mit psychischer Erkrankung gegen oder ohne seinen Willen aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, einer sofortigen vorläufigen Unterbringung oder einer fürsorglichen Aufnahme oder Zurückhaltung in ein Krankenhaus oder eine anerkannte Einrichtung eingewiesen wird oder dort weiterhin zu bleiben hat.

(2) Eine Unterbringung nach diesem Gesetz ist nur zulässig, wenn und solange ein psychisch kranker Mensch infolge seiner psychischen Erkrankung sein Leben oder seine Gesundheit erheblich und gegenwärtig gefährdet (Selbstgefährdung) oder eine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für bedeutende Rechtsgüter anderer darstellt (Fremdgefährdung) und die Gefahr nicht auf andere Weise abwendbar ist.

(3) 1Für eine Unterbringung nach diesem Gesetz anstelle einer Unterbringung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches kann in Fällen der Selbstgefährdung insbesondere sprechen,

1.
dass keine Betreuung nach den §§ 1814 bis 1819 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder Bevollmächtigung nach § 1820 des Bürgerlichen Gesetzbuches besteht oder
2.
dass durch die Betreuerin, den Betreuer, die Bevollmächtigte oder den Bevollmächtigten keine unverzügliche Entscheidung getroffen werden kann.

2Bei Kindern und Jugendlichen ist eine Unterbringung nach § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches vorrangig vor der Unterbringung nach diesem Gesetz.

(4) 1Die Unterbringung kann nur vollzogen werden, wenn keine Maßnahmen nach den §§ 81, 126a und 463 Absatz 1 in Verbindung mit § 453c der Strafprozeßordnung, nach den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches oder nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches oder nach § 73 des Jugendgerichtsgesetzes getroffen worden sind. 2Ist jemand aufgrund dieses Gesetzes untergebracht und werden Maßnahmen aufgrund der in Satz 1 genannten Bestimmungen getroffen, so ist die Unterbringungsanordnung nach diesem Gesetz außer Vollzug zu setzen oder aufzuheben.

§ 19
Rechtsbelehrung

(1) 1Die betroffene Person wird über ihre Rechte während des Unterbringungsverfahrens von der nach § 20 zuständigen Verwaltungsbehörde und während des Vollzuges der Unterbringung vom Krankenhaus oder der anerkannten Einrichtung belehrt und schriftlich informiert. 2Die Belehrung ist zu dokumentieren.

(2) 1Gegen eine Maßnahme zur Vorbereitung und zum Vollzug der Unterbringung nach diesem Gesetz kann die untergebrachte Person auch schon vor der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. 2Absatz 1 gilt entsprechend. 3Über den Antrag entscheidet das für die Anordnung der Unterbringung zuständige Gericht. 4§ 327 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. Februar 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 54) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, ist entsprechend anzuwenden.

§ 20
Zuständige Verwaltungsbehörde

(1) 1Sachlich zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne dieses Gesetzes ist der Landkreis oder die Kreisfreie Stadt. 2Der Landkreis oder die Kreisfreie Stadt legt fest, welche Behörde die Aufgaben wahrnimmt.

(2) 1Örtlich zuständig ist die Verwaltungsbehörde, in deren Gebiet das Bedürfnis für die Unterbringung entsteht. 2Die Verwaltungsbehörde, in deren Gebiet die unterzubringende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist über das Unterbringungsverfahren zu informieren und anzuhören.

§ 21
Unterbringung, Regelverfahren

(1) 1Die Verwaltungsbehörde ermittelt von Amts wegen, wenn sich gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung ergeben. 2In diesem Falle hat sie ein amtsärztliches Gutachten darüber einzuholen,

1.
ob eine Unterbringung aus fachlicher Sicht erforderlich ist oder ob und welche anderen weniger belastenden Maßnahmen ausreichen,
2.
ob und welche Behandlungen oder Maßnahmen ohne Zustimmung der Person notwendig sind,
3.
ob die Person offensichtlich nicht in der Lage ist, ihren Willen kundzutun, und
4.
ob von ihrer persönlichen Anhörung erhebliche Nachteile für ihre Gesundheit oder eine Gefährdung Dritter zu besorgen sind.

3Das Gutachten, an dessen Erstellung eine Ärztin oder ein Arzt mit Facharztanerkennung für das Fachgebiet Psychiatrie, eine Ärztin oder ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie, eine Psychologische Psychotherapeutin, ein Psychologischer Psychotherapeut, eine Fachpsychotherapeutin oder ein Fachpsychotherapeut für Erwachsene mit Erfahrung in der Psychiatrie zu beteiligen ist, muss auf den gegenwärtigen Gesundheitszustand der betroffenen Person abstellen und auf einer persönlichen Untersuchung beruhen. 4§ 11 Absatz 4 findet entsprechend Anwendung.

(2) 1Gleichzeitig ist das für den gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Person zuständige Gesundheitsamt und der Sozialpsychiatrische Dienst zum Sachverhalt anzuhören. 2Ist die Verwaltungsbehörde beim Ordnungsamt angesiedelt, arbeitet sie mit dem Gesundheitsamt und dem Sozialpsychiatrischen Dienst eng zusammen; insbesondere tauschen sie Informationen zum Sachverhalt aus und stimmen sich zum Vorgehen im Rahmen ihrer Aufgaben ab. 3Für diese Aufgabenerfüllung notwendige persönliche Daten der betroffenen Person dürfen gegenseitig verarbeitet, insbesondere übermittelt werden.

(3) 1Die betroffene Person ist schriftlich über die Einleitung des Verfahrens zu informieren und zur Untersuchung für die Begutachtung nach Absatz 1 vorzuladen. 2Ist die betroffene Person minderjährig, so sind unverzüglich die Sorgeberechtigten zu benachrichtigen. 3Hat die betroffene Person eine Betreuerin oder einen Betreuer oder eine Bevollmächtigte oder einen Bevollmächtigten für die Aufgabenbereiche des Aufenthaltsbestimmungsrechtes oder der Gesundheitssorge, so ist diese oder dieser unverzüglich zu benachrichtigen. 4Auf Wunsch der betroffenen Person sind Angehörige und Vertrauenspersonen zu hören, wenn dadurch das Verfahren nicht unverhältnismäßig behindert wird. 5Die betroffene Person ist darauf hinzuweisen, dass sie Angehörige oder Vertrauenspersonen hinzuziehen kann.

(4) 1Leistet die betroffene Person der Vorladung zur Untersuchung für die Begutachtung nach Absatz 1 keine Folge, kann das Gericht anordnen, dass zum Zweck der Untersuchung eine Vertreterin oder ein Vertreter der Verwaltungsbehörde unter Beiziehung einer Ärztin oder eines Arztes die Wohnung der betroffenen Person betreten kann oder die betroffene Person zur Begutachtung vorgeführt wird. 2Es ist die Maßnahme zu treffen, die am wenigsten in die Rechte der oder des Betroffenen eingreift. 3Über die Anordnung der Maßnahme und eine zwangsweise Durchsetzung notwendiger invasiver Eingriffe nach Absatz 5 Satz 2 entscheidet das für die Anordnung der Unterbringung zuständige Gericht. 4Für das gerichtliche Verfahren gilt § 322 in Verbindung mit den §§ 283 und 284 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. 5Bei Maßnahmen nach Satz 1 kann sich die Verwaltungsbehörde der Mitwirkung des Polizeivollzugsdienstes bedienen.

(5) 1Die betroffene Person hat die Untersuchung nach den Absätzen 1 und 4 zu dulden. 2Die untersuchende Ärztin oder der untersuchende Arzt ist berechtigt, nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken erforderliche Blutproben zu entnehmen und andere einfache diagnostische Eingriffe vorzunehmen, wenn keine Nachteile für die Gesundheit der betroffenen Person zu befürchten sind.

(6) 1Der Inhalt des Gutachtens, die beabsichtigte Maßnahme und mögliche Alternativen sind mit der betroffenen Person auf für sie verständliche Weise persönlich zu erörtern. 2Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreterinnen oder Vertreter sind in Kenntnis zu setzen. 3Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Gutachten das Vorliegen erheblicher Nachteile für die betroffene Person oder eine Gefährdung Dritter bestätigt oder Gefahr in Verzug ist.

(7) 1Ist nach dem Ergebnis der Untersuchung zu erwarten, dass die betroffene Person untergebracht werden muss, wenn sie nicht ärztlich behandelt wird, so kann ihr die Verwaltungsbehörde im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst aufgeben, sich innerhalb einer bestimmten Frist in ambulante ärztliche Behandlung, in ein Krankenhaus oder in eine andere geeignete Einrichtung zu begeben. 2Die betroffene Person ist dann verpflichtet, deren Anweisungen zu befolgen. 3Die betroffene Person hat der Verwaltungsbehörde den Namen und die Anschrift der ambulant behandelnden Ärztin oder des ambulant behandelnden Arztes, des Krankenhauses oder der Einrichtung mitzuteilen. 4Diese informieren die Verwaltungsbehörde, wenn die Behandlung gegen ärztlichen Rat abgebrochen wurde. 5Kommt die betroffene Person der Aufforderung, sich in Behandlung zu begeben, nicht nach und sind die Voraussetzungen für eine Unterbringung weiterhin gegeben, ist das gerichtliche Unterbringungsverfahren einzuleiten.

(8) 1Stellt die Verwaltungsbehörde fest, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung vorliegen, beantragt sie deren Anordnung beim Gericht. 2Der Antrag ist zu begründen. 3Die Ermittlungsergebnisse nach Absatz 1 und sonstige Erkenntnisse zum Sachverhalt sind dem Antrag beizufügen. 4Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beantragung der Unterbringung darf die persönliche Untersuchung nicht länger als sieben Tage zurückliegen. 5Ist zu erwarten, dass eine vorläufige Unterbringung im Sinne des § 331 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beantragen ist, ist ein ärztliches oder psychotherapeutisches Zeugnis ausreichend.

(9) 1Stellt die Verwaltungsbehörde im Laufe des Verfahrens fest, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung nicht vorliegen, teilt sie dies der betroffenen Person schriftlich mit. 2Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 3Von der Mitteilung kann abgesehen werden, wenn die schriftliche Benachrichtigung über die Einleitung des Verfahrens nach Absatz 3 Satz 1 noch nicht erfolgt ist.

(10) 1Vor Ablauf der gerichtlich angeordneten Unterbringung prüft die Verwaltungsbehörde, ob ein Antrag auf Verlängerung beim zuständigen Gericht gestellt werden soll. 2Für die Verlängerung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung entsprechend.

§ 22
Vollstreckung der Unterbringung

Die Vollstreckung der vom Gericht angeordneten Unterbringung obliegt der Verwaltungsbehörde, die sich dabei der Mitwirkung des Polizeivollzugsdienstes gemäß § 37 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358), das durch das Gesetz vom 5. Juli 2024 (SächsGVBl. S. 595) geändert worden ist, bedienen kann.

§ 23
Sofortige vorläufige Unterbringung

(1) 1Die Verwaltungsbehörde kann die sofortige vorläufige Unterbringung in einem Krankenhaus anordnen und nach Maßgabe des § 22 vollstrecken, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen und eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden kann. 2Die Verwaltungsbehörde hat das zuständige Gericht unverzüglich, spätestens bis 12 Uhr des auf den Beginn des Festhaltens folgenden Tages, von der Unterbringung zu verständigen und mitzuteilen, ob eine Unterbringung nach § 21 beantragt wird.

(2) 1Vor der Entscheidung über die sofortige vorläufige Unterbringung ist soweit möglich eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, eine Ärztin oder ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie, eine Psychologische Psychotherapeutin oder ein Psychologischer Psychotherapeut oder eine Fachpsychotherapeutin oder ein Fachpsychotherapeut für Erwachsene mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie beizuziehen. 2Die Verwaltungsbehörde hat die betroffene Person persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihr zu verschaffen. 3Dies kann im Einzelfall nur dann unterbleiben, wenn hiervon ein erheblicher Nachteil für die Gesundheit der betroffenen Person zu befürchten ist und die beigezogene Person nach Satz 1 dies bestätigt.

(3) 1Ist die sofortige vorläufige Unterbringung angeordnet, ist die Person im Krankenhaus unverzüglich von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie oder einer Ärztin oder einem Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie zu untersuchen. 2Ergibt die Untersuchung, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht vorliegen, so ist die Person von der ärztlichen Leitung oder ihrer jeweiligen Vertretung zu entlassen, es sei denn, sie verbleibt aufgrund ihrer Einwilligung im Krankenhaus. 3Von der Entlassung sind das zuständige Gericht und die Verwaltungsbehörde unverzüglich zu verständigen. 4Liegen die Voraussetzungen einer Unterbringung nach Einschätzung der untersuchenden Person nach Satz 1 vor, gilt § 25 Absatz 4 und 7 entsprechend.

§ 24
Vorführung

(1) 1Bei Gefahr im Verzug kann der Polizeivollzugsdienst in den Fällen des § 23 Absatz 1 Satz 1 eine Person ohne Anordnung der Verwaltungsbehörde dem nach § 26 Absatz 1 zuständigen Krankenhaus vorführen. 2Die Gründe der Vorführung sind der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt von dem Polizeivollzugsdienst mitzuteilen. 3Soweit möglich, ist vorher eine Ärztin oder ein Arzt beizuziehen. 4Satz 1 gilt auch in den Fällen, in denen sich eine untergebrachte Person entgegen der Entscheidung des Gerichtes der Obhut des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung entzieht.

(2) 1Die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung entscheidet außer im Fall des Absatzes 1 Satz 4 nach Maßgabe des § 25, ob die Person fürsorglich aufgenommen wird. 2Liegen die Voraussetzungen einer fürsorglichen Aufnahme nicht vor, informiert das Krankenhaus den Polizeivollzugsdienst unverzüglich über die bevorstehende Entlassung.

(3) 1Der Polizeivollzugsdienst informiert die Verwaltungsbehörde unverzüglich über jede vorgenommene Vorführung. 2§ 25 Absatz 7 gilt entsprechend.

§ 25
Fürsorgliche Aufnahme und Zurückhaltung

(1) 1Wird eine Person nach § 24 Absatz 1 Satz 1 vom Polizeivollzugsdienst vorgeführt, wird sie im Krankenhaus unverzüglich von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie oder einer Ärztin oder einem Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie untersucht. 2Die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung entscheidet sodann über ihre fürsorgliche Aufnahme.

(2) Ergibt die Untersuchung, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht vorliegen, so ist die Person zu entlassen, es sei denn, sie verbleibt aufgrund einer Einwilligung im Krankenhaus.

(3) Ergibt die Untersuchung, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen, so kann die Patientin oder der Patient gegen oder ohne ihren oder seinen Willen fürsorglich aufgenommen werden.

(4) 1Im Fall des Vorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen nach Absatz 3 hat die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses über den Zustand der Patientin oder des Patienten und über die Notwendigkeit der Unterbringung im Sinne des § 21 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 3 das Gericht und die Verwaltungsbehörde unverzüglich, spätestens bis 12 Uhr des Tages, der auf den Beginn des zwangsweisen Aufenthaltes der Patientin oder des Patienten folgt, zu benachrichtigen. 2Die Verwaltungsbehörde entscheidet daraufhin unverzüglich, ob sie einen Antrag auf Unterbringung nach diesem Gesetz stellt. 3Sie informiert die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung über ihre Entscheidung. 4Wenn diese nicht unmittelbar erreichbar sind, informiert sie die diensthabende Ärztin oder den diensthabenden Arzt.

(5) 1Ergeht bis zum Ablauf des auf das Ergreifen oder den Beginn des Festhaltens der Patientin oder des Patienten folgenden Tages keine Entscheidung des Gerichtes, so ist die Patientin oder der Patient von der ärztlichen Leitung oder ihrer jeweiligen Vertretung zu entlassen. 2Hiervon sind

1.
das Gericht,
2.
die Verwaltungsbehörde,
3.
die Angehörigen und Vertrauenspersonen, soweit die Patientin oder der Patient dem nicht ausdrücklich widerspricht,
4.
bei Minderjährigen die Sorgeberechtigten,
5.
bei Personen, für die eine Betreuerin, ein Betreuer, eine Bevollmächtigte oder ein Bevollmächtigter für die Aufgabenbereiche des Aufenthaltsbestimmungsrechtes oder der Gesundheitssorge bestellt ist, diese Person und
6.
der zuständige Sozialpsychiatrische Dienst

unverzüglich zu benachrichtigen. 3Liegt nach Einschätzung der ärztlichen Leitung oder ihrer jeweiligen Vertretung eine Selbst- oder Fremdgefährdung weiter vor, ist darüber hinaus der Polizeivollzugsdienst vorab über die Entlassung zu informieren.

(6) 1Befindet sich eine Patientin oder ein Patient bereits in einem Krankenhaus, ohne aufgrund dieses Gesetzes untergebracht zu sein, so kann sie oder er unter den Voraussetzungen von Absatz 3, wenn Gefahr in Verzug ist und die Verwaltungsbehörde nicht mehr rechtzeitig entscheiden kann, gegen oder ohne seinen Willen zurückgehalten werden. 2Die Absätze 4 und 5 sind entsprechend anzuwenden.

(7) 1Der Patientin oder dem Patienten ist in jedem Stadium des Unterbringungsverfahrens Gelegenheit zu geben, Angehörige oder Vertrauenspersonen zu benachrichtigen. 2Die Personen nach Satz 1 sind auf Wunsch der Patientin oder des Patienten zu hören, soweit das Verfahren dadurch nicht unverhältnismäßig behindert wird.

Unterabschnitt 2
Vollzug der Unterbringung

§ 26
Vollzug der Unterbringung in einem Krankenhaus oder einer anerkannten Einrichtung

(1) 1Die Unterbringung erfolgt grundsätzlich in dem Krankenhaus, das nach § 12 Absatz 1 für die Pflichtversorgung des Ortes zuständig ist, in dem die Patientin oder der Patient ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. 2Ist dieser nicht feststellbar, richtet sich die Unterbringung nach dem Ort, in dem die Unterbringungsbedürftigkeit aufgetreten ist.

(2) 1Eine Unterbringung Erwachsener ist auch in einer anerkannten Einrichtung möglich, wenn sie von der Aufsichtsbehörde zugelassen ist. 2Die Zulassung erfolgt nur, wenn die Einrichtung im Hinblick auf ihre personelle und sachliche Ausstattung, Organisation sowie medizinische und persönliche Betreuung für die Unterbringung geeignet ist. 3Hierzu gehört, dass die Sicherheit innerhalb der Einrichtung und der Schutz vor Entweichen gewährleistet sind. 4Die Zulassung kann entsprechend den Gegebenheiten in der Einrichtung auf bestimmte Gruppen von Personen beschränkt werden; sie kann mit Auflagen verbunden werden und ist widerruflich. 5Das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Verfahren der Zulassung einschließlich dessen Durchführung, Anforderungen an Einrichtungen, die bei Antragstellung beizubringenden Unterlagen, der Beteiligung sach- und fachkundiger Stellen und des Widerrufs der Zulassung zu regeln.

(3) 1Die nichtöffentlichen Krankenhausträger üben, soweit sie eine Unterbringung nach diesem Gesetz vollziehen, als Beliehene hoheitliche Befugnisse aus. 2Die Träger der nichtöffentlichen Einrichtungen werden im Rahmen des Zulassungsverfahren nach Absatz 2 beliehen.

(4) 1Die ärztliche Leitung, die Pflegedienstleitung und die leitende Psychologin oder der leitende Psychologe sowie die stellvertretenden Leitungskräfte der nichtöffentlichen Krankenhausträger und der Träger der anerkannten Einrichtungen (Leitungskräfte), zu deren Aufgaben der Vollzug der Unterbringung gehört, werden von der Aufsichtsbehörde widerruflich für die Anordnung und Durchführung der Vollzugsaufgaben nach diesem Gesetz bestellt. 2Die Bestellung setzt die fachliche und persönliche Eignung der Leitungskräfte voraus. 3Weiteres Personal, welches an den Vollzugsaufgaben nach Satz 1 mitwirkt, muss fachlich und persönlich geeignet sein. 4Die Mitwirkung bedarf der Einwilligung der Leitungskräfte. 5Das mit dem Vollzug der Unterbringung befasste Personal muss durch den nichtöffentlichen Krankenhausträger oder Träger der anerkannten Einrichtungen an das vorliegende Gesetz sowie umfassend an die Weisungen der in den Sätzen 6 und 7 genannten Behörden gebunden werden. 6Die Aufsichtsbehörde kann sowohl den Beschäftigten der öffentlichen Krankenhausträger als auch den Beschäftigten der nichtöffentlichen Krankenhausträger und der Träger der anerkannten Einrichtungen Weisungen erteilen, soweit es nicht eine therapeutische Entscheidung betrifft. 7Die oberste Fachaufsichtsbehörde kann das Selbsteintrittsrecht nach § 46 Absatz 4 auch durch Weisungen gegenüber den Beschäftigten des Krankenhausträgers und den Beschäftigten des Trägers der anerkannten Einrichtung ausüben.

§ 27
Rechtsstellung der untergebrachten Personen

(1) 1Aufgrund dieses Gesetzes untergebrachte Personen unterliegen während der Unterbringung nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer grundrechtlich garantierten Freiheiten. 2Diese müssen im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung verhältnismäßig sein. 3Zweck der Unterbringung ist es, den krankheitsbedingten Zustand der Selbst- oder Fremdgefährdung im Sinne des § 18 Absatz 2 zu beenden.

(2) 1Die diensthabende Ärztin oder der diensthabende Arzt des Krankenhauses oder die Leitung der anerkannten Einrichtung informiert die untergebrachte Person über ihre Rechte und Pflichten. 2Kinder und Jugendliche sind ihrem jeweiligen Alter und Entwicklungsstand entsprechend über ihre Rechte aufzuklären. 3Den Sorgeberechtigten ist die Möglichkeit zu Teilnahme hieran zu geben.

(3) Kinder und Jugendliche sollen je nach Eigenart und Schwere ihrer Erkrankung sowie nach ihrem Entwicklungsstand gesondert untergebracht werden.

(4) 1Die untergebrachten Personen sollen unter Beachtung medizinischer, sozialtherapeutischer und sicherheitstechnischer Erkenntnisse und Möglichkeiten Gelegenheit zu sinnvoller Beschäftigung und Arbeit haben. 2Für geleistete Arbeit ist ein angemessenes Arbeitsentgelt zu gewähren. 3Die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag abzuschließen, bleibt unberührt.

(5) Den untergebrachten Personen ist täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien zu ermöglichen.

(6) 1Jeder Träger eines Krankenhauses oder einer anerkannten Einrichtung soll eine Hausordnung erlassen, die der Fachaufsichtsbehörde zur Kenntnis zu geben ist. 2Die Hausordnung regelt Rechte und Pflichten der untergebrachten Personen, um ein geordnetes Zusammenleben auf engem Raum und eine sinnvolle Gestaltung der Unterbringung zu ermöglichen. 3Die Hausordnung kann insbesondere Regelungen über die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Patientenzimmer, die Einkaufsmöglichkeiten, ein Rauch- und Alkoholverbot, die Besuchszeiten, den Telefonverkehr, die Freizeitgestaltung und den regelmäßigen Aufenthalt im Freien, den Umgang der untergebrachten Personen miteinander sowie über den Umgang mit Regelverstößen enthalten. 4Den Beschäftigten, den untergebrachten Personen sowie den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern ist Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Aufstellung der Hausordnung zu geben. 5Die Hausordnung ist in einer für jede untergebrachte Person verständlichen Sprache zur Verfügung zu stellen und bekannt zu geben. 6Durch die Hausordnung dürfen die Rechte der untergebrachten Personen nicht über die Regelungen dieses Gesetzes hinaus eingeschränkt werden.

§ 28
Anspruch auf Behandlung

(1) Wer aufgrund dieses Gesetzes in einem Krankenhaus untergebracht ist, ist unverzüglich nach seiner Aufnahme ärztlich zu untersuchen.

(2) 1Die Patientin oder der Patient hat Anspruch auf die notwendige medizinische Behandlung, insbesondere der Erkrankung, die zur Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung). 2Sie schließt die erforderlichen Untersuchungen sowie psychotherapeutische, pflegerische, sozialtherapeutische, heilpädagogische und beschäftigungs- sowie arbeitstherapeutische Maßnahmen ein. 3Zur Behandlung und Therapie gehören auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Patientinnen und Patienten nach ihrer Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. 4Die Behandlung und Therapie erfolgt nach einem Behandlungsplan.

(3) 1Die Behandlung bedarf der Einwilligung der Patientin oder des Patienten, soweit nicht § 29 zur Anwendung kommt. 2Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Einwilligung berechtigter Personen bleiben unberührt.

(4) 1Die Patientin, der Patient oder die berechtigte Person ist in verständlicher Weise über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend und angemessen aufzuklären. 2Die Aufklärung der Patientin oder des Patienten erfolgt, sobald ihr oder sein Gesundheitszustand dies zulässt. 3Die Vorschriften des Bürgerliches Gesetzbuches zur Aufklärung der Patientinnen, Patienten und berechtigten Personen sind entsprechend anzuwenden.

(5) 1Der Behandlungsplan ist mit der Patientin oder dem Patienten zu erörtern. 2Ihr oder ihm ist dabei Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben. 3Zur Erörterung ist die berechtigte Person hinzuzuziehen, auf Wunsch der Patientin oder des Patienten auch eine Angehörige, ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson.

(6) 1Die Patientin oder der Patient ist vor der Entlassung in verständlicher Weise auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Behandlungsvereinbarung mit dem Krankenhaus hinzuweisen. 2Die Behandlungsvereinbarung hat auch die Wünsche der Patientin oder des Patienten bei Behandlungen gegen den natürlichen Willen und Sicherungsmaßnahmen zu enthalten, wenn die Patientin oder der Patient die Aufnahme wünscht.

(7) 1Ist eine Person in einer anerkannten Einrichtung untergebracht, hat sie ebenfalls Anspruch auf medizinische Behandlung, soweit sie erforderlich ist. 2Ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie sonstige Leistungserbringer von Krankenbehandlungen sind beizuziehen. 3Die Absätze 2 bis 6 gelten entsprechend.

§ 29
Ärztliche Zwangsmaßnahmen

(1) Eine ärztliche Zwangsmaßnahme liegt vor, wenn die Behandlung oder die Maßnahmen nach dieser Vorschrift gegen den Willen der Patientin oder des Patienten erfolgt.

(2) 1Eine ärztliche Zwangsmaßnahme gegen den Willen einer einwilligungsfähigen Person ist unzulässig. 2Der im einwilligungsfähigen Zustand erklärte Wille der Ablehnung der Behandlung ist zu beachten. 3Es gelten die Vorschriften zur Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechend. 4Die Voraussetzungen der Einwilligungsfähigkeit liegen vor, wenn die Patientin oder der Patient auf der Grundlage der ärztlichen Aufklärung

1.
den Grund, die Bedeutung und die Tragweite der ärztlichen Maßnahme erkennen und verstehen kann sowie
2.
sich darüber ein eigenes Urteil bilden und nach dieser Einsicht handeln kann.

5Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass die Einwilligungsfähigkeit der Patientin oder des Patienten fehlt, hat deren Prüfung und Beurteilung von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie oder einer Ärztin oder einem Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie zu erfolgen. 6Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen von Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe c.

(3) Lehnt die Patientin oder der Patient die Behandlung aus natürlichem Willen ab und ist sie oder er nicht einwilligungsfähig oder hat sie oder er keine wirksame Erklärung im Sinne von Absatz 2 Satz 2 und 3 abgegeben, ist eine ärztliche Zwangsmaßnahme abweichend von Absatz 2 Satz 1 zulässig, wenn

1.
die Behandlung der Anlasserkrankung
a)
im Sinne des § 28 Absatz 2 Satz 1 geboten ist, um die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung insoweit wiederherzustellen, dass der Patientin oder dem Patienten nach der Entlassung ein möglichst eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft möglich ist, wenn ohne die Behandlung eine langfristige Unterbringung zu erwarten ist,
b)
oder die Behandlung einer anderen Erkrankung, die auf Grund der Anlasserkrankung verweigert wird, dazu dient, eine schwerwiegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Patientin oder des Patienten abzuwenden, oder
c)
geboten ist, um eine von der Patientin oder dem Patienten ausgehende konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person in dem Krankenhaus abzuwenden,
2.
die Behandlung hinsichtlich des Behandlungsgrundes Erfolg verspricht,
3.
andere für die Patientin oder den Patienten unter Berücksichtigung des natürlichen Willens weniger belastende Behandlungen oder andere Maßnahmen nicht hinreichend erfolgversprechend sind,
4.
der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die mit ihr einhergehende Beeinträchtigung und den möglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich überwiegt,
5.
zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht wurde, die Patientin oder den Patienten von der Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung zu überzeugen sowie
6.
die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchgeführt wird und die gebotene medizinische Versorgung der Patientin oder des Patienten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist.

(4) Eine Behandlung nach Absatz 3 setzt voraus, dass

1.
die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung die Entscheidung über die Behandlung trifft und die Genehmigung beim zuständigen Gericht beantragt,
2.
die Patientin oder der Patient über die Behandlung und ihre beabsichtigten Wirkungen sowie Nebenwirkungen in einer verständlichen Weise von einer Fachärztin oder einem Facharzt möglichst umfassend aufgeklärt worden ist,
3.
bei Minderjährigen die Sorgeberechtigten von der ärztlichen Leitung oder ihrer jeweiligen Vertretung vor Antragstellung des Krankenhauses angehört wurden,
4.
eine Fachärztin oder ein Facharzt der Patientin oder dem Patienten und der berechtigten Person die Behandlung ankündigt sowie eine Kopie des Antrages nach Nummer 1 aushändigt und
5.
bei Volljährigen das Betreuungsgericht, bei Minderjährigen das Familiengericht die Behandlung genehmigt.

(5) 1Besteht die unmittelbare erhebliche Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung für das Leben oder die Gesundheit der Patientin oder des Patienten, kann die Behandlung begonnen werden, ohne dass die Voraussetzungen nach Absatz 4 vorliegen. 2Die Anordnung kann von der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt getroffen werden, wenn die ärztliche Leitung oder ihre jeweilige Vertretung nicht unmittelbar erreichbar ist. 3Die Aufklärung nach Absatz 4 Nummer 2, bei Minderjährigen die Anhörung der Sorgeberechtigten nach Absatz 4 Nummer 3 und die gerichtliche Genehmigung nach Absatz 4 Nummer 5 sind unverzüglich nachzuholen. 4Abweichend von Absatz 4 Nummer 2 und 3 können Aufklärung und Anhörung auch durch die diensthabende Ärztin oder den diensthabenden Arzt erfolgen.

(6) 1Eine zwangsweise medikamentöse Beruhigung, die aus therapeutischen Gründen erforderlich ist, ist unter den Voraussetzungen von Absatz 2 bis 4 sowie Absatz 8 und 9 zulässig. 2Unter den Voraussetzungen von Absatz 5 Satz 1 ist eine Notfallmedikation zulässig. 3Absatz 5 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(7) 1Eine Ernährung gegen den natürlichen Willen der Patientin oder des Patienten ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Patientin oder des Patienten abzuwenden. 2Sofern die Ernährung mit invasiven Maßnahmen verbunden ist, gelten die Absätze 1 bis 5 sowie 8 und 9 entsprechend.

(8) Alle ärztlichen Zwangsmaßnahmen dürfen nur unter unmittelbarer Leitung und Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden.

(9) 1Die ärztlichen Zwangsmaßnahmen sind zu dokumentieren einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung. 2Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt hat eine zu dokumentierende Nachbesprechung abzuhalten, sobald es der Gesundheitszustand zulässt.

§ 30
Religionsausübung

(1) 1Den untergebrachten Personen darf die religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. 2Auf ihren Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger in Verbindung zu treten. 3Sie haben das Recht, innerhalb des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen und ihren Glauben nach den Regeln ihrer Religionsgemeinschaft auszuüben.

(2) 1Aus zwingenden Gründen der Behandlung sowie aus schwerwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung in dem Krankenhaus oder der anerkannten Einrichtung kann in die Freiheit der Religionsausübung eingegriffen werden. 2Die für die jeweilige Religionsgemeinschaft zuständige Seelsorgerin oder der dafür zuständige Seelsorger soll nach Möglichkeit vorher gehört werden.

(3) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

§ 31
Persönliches Eigentum

(1) 1Die untergebrachten Personen haben das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände in ihrem unmittelbaren Besitz zu haben, soweit die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der Allgemeinheit dadurch nicht erheblich gestört wird. 2Geld und Wertgegenstände können in Gewahrsam genommen werden, wenn und soweit die untergebrachten Personen zum Umgang damit nicht in der Lage sind und eine berechtigte Person für diesen Aufgabenbereich nicht vorhanden ist.

(2) Die Ingewahrsamnahme von Geld, Wertgegenständen, persönlicher Kleidung und persönlicher Gegenstände, deren Aufbewahrung sowie deren Herausgabe, die spätestens bei Entlassung zu erfolgen hat, sind zu dokumentieren.

§ 32
Recht auf Besuch

(1) Die untergebrachten Personen haben das Recht, im Rahmen einer allgemeinen Besuchsregelung Besuch zu empfangen.

(2) Persönlicher Kontakt zu Besuchern soll auch in Form von Videobesuchen ermöglicht werden.

(3) 1Besuch kann untersagt oder beschränkt werden, wenn er die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährdet. 2Er kann im Einzelfall darüber hinaus untersagt oder beschränkt werden, wenn gesundheitliche Nachteile für die untergebrachte Person zu befürchten sind. 3Hierzu zählt auch die Gefährdung des Behandlungsziels. 4Die Untersagung kommt nur in Betracht, wenn eine Beschränkung des Besuches zur Abwendung der befürchteten Nachteile nicht ausreicht. 5Die Untersagung des Besuches ist von der ärztlichen Leitung oder ihrer jeweiligen Vertretung anzuordnen. 6Im Übrigen gilt für Besuchsbeschränkungen § 39.

(4) Als Maßnahmen der Beschränkung des Besuchs kommen in Betracht:

1.
die Durchsuchung der Besucherin oder des Besuchers,
2.
das Absuchen der Besucherin oder des Besuchers mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände,
3.
die persönliche Anwesenheit einer oder eines Beschäftigten des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung während des Besuchs, wenn die untergebrachte Person und die Besucherin oder der Besucher vor dem Besuch darauf hingewiesen wurden,
4.
die Untersagung der Übergabe von Gegenständen an die Patientin oder den Patienten.

(5) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn seine Fortsetzung die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden würde oder erhebliche gesundheitliche Nachteile für die untergebrachte Person zu befürchten wären.

(6) 1Nicht untersagt, überwacht und aufgezeichnet werden dürfen in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache Besuche

1.
von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten,
2.
von Verteidigerinnen und Verteidigern,
3.
von Notarinnen und Notaren,
4.
der oder des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
5.
der oder des Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten sowie
6.
von anderen Landesdatenschutzbeauftragten und Landesinformationsfreiheitsbeauftragten.

2Eine inhaltliche Überprüfung der von diesen Besuchern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist unzulässig. 3Die Übergabe dieser Schriftstücke oder Unterlagen an die untergebrachte Person darf nicht untersagt werden. 4Für Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern bleiben die §§ 148 und 148a der Strafprozeßordnung unberührt.

(7) Nicht untersagt, überwacht und aufgezeichnet werden dürfen Besuche der Mitglieder von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter.

§ 33
Post- und Fernmeldeverkehr, digitale Kommunikation

(1) Die untergebrachten Personen haben das Recht, unbeschränkt Postsendungen, insbesondere Briefe und Pakete, abzusenden und zu empfangen sowie Telefongespräche frei zu führen, soweit die Absätze 3 und 4 nichts anderes bestimmen.

(2) 1Nicht beschränkt oder überwacht werden der Schriftwechsel und die Telefongespräche der untergebrachten Personen mit

1.
Gerichten,
2.
Staatsanwaltschaften,
3.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten,
4.
Verteidigerinnen und Verteidigern,
5.
Verfahrenspflegerinnen und Verfahrenspflegern,
6.
Notarinnen und Notaren,
7.
den Aufsichtsbehörden,
8.
den Besuchskommissionen im Sinne des § 4,
9.
den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern im Sinne des § 5,
10.
der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
11.
der oder dem Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten,
12.
anderen Landesdatenschutzbeauftragten und Landesinformationsfreiheitsbeauftragten sowie
13.
Mitgliedern von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter.

2Dies gilt auch für den Post- und Fernmeldeverkehr in Ausübung des Petitionsrechts nach Artikel 17 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 35 der Verfassung des Freistaates Sachsen. 3Satz 1 gilt bei ausländischen Staatsangehörigen auch für den Post- und Fernmeldeverkehr mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes. 4Die §§ 148 und 148a der Strafprozeßordnung bleiben unberührt.

(3) 1Eingehende Postsendungen können unter Berücksichtigung von Absatz 2 von Beschäftigten des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung in Anwesenheit der untergebrachten Person auf deren materiellen Inhalt kontrolliert werden. 2Telefongespräche können unter Berücksichtigung des Absatzes 2 überwacht werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden oder ein gesundheitlicher Nachteil für die untergebrachte Person zu befürchten ist. 3Telefongespräche können mit vorheriger Unterrichtung der untergebrachten Person und des telefonischen Gesprächspartners dadurch überwacht werden, dass eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter mithört.

(4) 1Liegen Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung oder der Sicherheit der Allgemeinheit vor, so darf unter Berücksichtigung von Absatz 2 der Schriftwechsel eingesehen und angehalten werden. 2Telefongespräche können unterbrochen werden. 3Angehaltene Schriftstücke sind der Absenderin, dem Absender oder der berechtigten Person unter Angabe der Gründe zurückzugeben. 4Soweit dies unmöglich oder aus anderen Gründen des Satzes 1 untunlich ist, sind sie aufzubewahren und die Gründe hierfür zu dokumentieren.

(5) 1Die Absätze 1 bis 4 gelten für Schriftwechsel und Gespräche mittels elektronischer Kommunikationsmittel entsprechend. 2Die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherungsmaßnahme nach § 34 Absatz 2 Nummer 1 bleibt unberührt.

§ 34
Sicherungsmaßnahmen

(1) 1Die untergebrachten Personen dürfen nur solchen Sicherungsmaßnahmen unterworfen werden, die für den Zweck der Unterbringung und zur Vermeidung oder Beseitigung einer erheblichen Störung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung unerlässlich sind. 2Sicherungsmaßnahmen können auch angeordnet werden, wenn die gegenwärtige Gefahr besteht, dass sich die untergebrachte Person selbst tötet, ihre eigene Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter Dritter erheblich schädigt oder sich der Unterbringung ohne Erlaubnis entziehen will, und wenn und solange dieser Gefahr nicht durch weniger eingreifende Maßnahmen begegnet werden kann. 3Die Verwendung von Sicherungsmaßnahmen zur Disziplinierung ist unzulässig.

(2) 1Als Sicherungsmaßnahmen sind zulässig

1.
der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen,
2.
die Überwachung, auch durch technische Hilfsmittel,
3.
die nächtliche Nachschau,
4.
die Absonderung von anderen untergebrachten Personen,
5.
die Beschränkung oder der Entzug des Rechts auf Aufenthalt im Freien,
6.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Unterbringungsraum ohne gefährdende Gegenstände (Kriseninterventionsraum),
7.
das Festhalten,
8.
sonstige Maßnahmen zur teilweisen Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen, beispielsweise Fesselung, Bettgitter oder Vorsatztisch,
9.
die weitgehende oder vollständige kurzfristige Aufhebung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtungen (Fixierung).

2Ein Entzug des Rechts auf Aufenthalt im Freien nach Satz 1 Nummer 5 ist unter Beachtung des Absatzes 1 nur zulässig, wenn eine Unterbringung im Kriseninterventionsraum erfolgt. 3Die Anwendung einer Sicherungsmaßnahme nach Satz 1 Nummer 9 ist in anerkannten Einrichtungen unzulässig.

(3) 1Die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen ist der untergebrachten Person anzukündigen. 2Die Ankündigung darf nur dann unterbleiben, wenn Sicherungsmaßnahmen sofort angewendet werden müssen, um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwenden.

(4) 1Die in Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 bis 9 genannten Sicherungsmaßnahmen dürfen nur von der ärztlichen Leitung des Krankenhauses oder ihrer jeweiligen Vertretung angeordnet werden. 2Alle anderen Sicherungsmaßnahmen können auch von einer diensthabenden Ärztin oder einem diensthabenden Arzt des Krankenhauses angeordnet werden, wovon die ärztliche Leitung oder ihre jeweilige Vertretung unverzüglich zu informieren ist. 3Bei Gefahr im Verzug können die Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 bis 9 auch von einer diensthabenden Ärztin oder einem diensthabenden Arzt des Krankenhauses angeordnet werden, eine Entscheidung der ärztlichen Leitung des Krankenhauses oder ihrer jeweiligen Vertretung, einhergehend mit einer Zweckprüfung, ist unverzüglich nachzuholen. 4Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen in anerkannten Einrichtungen ist der Einrichtungsleitung oder ihrer jeweiligen Vertretung vorbehalten.

(5) Sicherungsmaßnahmen sind befristet anzuordnen und unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen sind.

(6) Eine angemessene und regelmäßige Überwachung während der Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 4, 6, 8 und 9 durch pflegerisches, therapeutisches oder ärztliches Personal ist zu gewährleisten.

(7) 1Nach Beendigung der Sicherungsmaßnahme ist deren Nachbesprechung der untergebrachten Person, sobald es ihr Gesundheitszustand zulässt, anzubieten und mit ihrer Zustimmung durchzuführen. 2In der Nachbesprechung sind der untergebrachten Person insbesondere die Gründe für die Anordnung in verständlicher Weise zu erläutern.

(8) Anordnung, Begründung, Verlauf, Art der Überwachung und Dauer der Sicherungsmaßnahme und die Nachbesprechung nach Absatz 7 sind zu dokumentieren.

§ 35
Ergänzende Regelungen
bei freiheitsentziehenden Sicherungsmaßnahmen

(1) 1Eine freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahme liegt vor, wenn die Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person innerhalb des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung derart eingeschränkt wird, dass aufgrund der Dauer oder Intensität eine erhebliche, überwiegende oder vollständige Aufhebung der körperlichen Bewegungsfreiheit eintritt. 2Freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen dürfen nur angewandt werden, wenn und solange sie zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder der Selbsttötung oder der Selbstverletzung unerlässlich sind und ein milderes Mittel nicht in Frage kommt. 3Für freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen gelten § 34 und die nachfolgenden Absätze.

(2) 1Der vorherigen richterlichen Genehmigung bedarf es bei der Anwendung von

1.
Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 und 8, bei denen die untergebrachte Person über einen längeren Zeitraum oder stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass (regelmäßig) die Bewegungsfreiheit entzogen werden soll, oder
2.
nicht nur kurzfristigen Fixierungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9.

2Als längerer Zeitraum im Sinne der Nummer 1 gilt grundsätzlich eine Dauer ab 24 Stunden. 3Kurzfristig im Sinne der Nummer 2 ist eine Fixierung, wenn sie voraussichtlich nicht länger als 30 Minuten dauert.

(3) 1Die freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahme wird beim zuständigen Gericht von der für die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 4 zuständigen Person beantragt. 2Ohne vorherige richterliche Genehmigung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub eine gegenwärtige erhebliche Gefahr verbunden ist. 3Die richterliche Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. 4Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Maßnahme vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(4) 1Bei der Durchführung von freiheitsentziehenden Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 bis 8 muss die angemessene Überwachung und Betreuung nach § 34 Absatz 6 durch therapeutisches oder pflegerisches Personal erfolgen und das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle gewährleistet sein. 2Bei einer Fixierung ist darüber hinaus grundsätzlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sicherzustellen. 3Von einer unmittelbaren Anwesenheit der Betreuungsperson während einer Fixierung kann im Einzelfall vorübergehend abgesehen werden, wenn ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt außerhalb des Fixierungsraums zur fixierten Patientin oder zum fixierten Patienten besteht und

1.
die fixierte Patientin oder der fixierte Patient dies ausdrücklich wünscht und dieser Wunsch medizinisch vertretbar ist oder
2.
eine ärztliche, therapeutische oder pflegerische Einschätzung vorliegt, dass hierdurch eine schnellere Beendigung der Fixierung erreicht werden kann.

(5) 1Nach Beendigung einer Fixierung ist die untergebrachte Person in einer für sie verständlichen Weise auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. 2Der Hinweis ist zu dokumentieren.

§ 36
Durchsuchung

(1) 1Die untergebrachte Person, ihre Sachen und die Räume des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung dürfen durchsucht werden, sofern der Zweck der Unterbringung oder die Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung dies erfordern. 2Untergebrachte Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts sowie Ärztinnen oder Ärzten durchsucht werden. 3Bei berechtigtem Interesse der untergebrachten Person soll ihrem Wunsch entsprochen werden, die mit der Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Beschäftigten eines bestimmten Geschlechts zu übertragen. 4Nur Beschäftigte des benannten Geschlechts dürfen in diesem Fall während der Entkleidung anwesend sein. 5Die Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine unmittelbare erhebliche Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. 6Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen.

(2) 1Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung darf nur in einem geschlossenen Raum geschehen. 2Andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein.

§ 37
Videoüberwachung

(1) 1Der Einsatz optisch-elektronischer Einrichtungen (Videoüberwachung) in Krankenhäusern oder anerkannten Einrichtungen, in denen Unterbringungen nach diesem Gesetz durchgeführt werden, ist vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 verboten. 2Dies gilt insbesondere für Patientenzimmer und alle Sanitärräume.

(2) 1Soweit dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in dem Krankenhaus oder der anerkannten Einrichtung erforderlich ist, dürfen mittels offener Videoüberwachung beobachtet werden:

1.
das Gelände, das Gebäude und die öffentlich zugänglichen Bereiche im Gebäudeinneren des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung,
2.
gemeinschaftlich genutzte Bereiche der geschlossen geführten und damit nicht öffentlich zugänglichen Bereiche des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung, insbesondere Aufenthaltsräume sowie Flur-, Hof- und Gartenbereiche.

2Die Videoüberwachung in diesen Bereichen kann auch erfolgen, wenn untergebrachte Personen sowie Besucherinnen und Besucher unvermeidlich betroffen werden, hinsichtlich derer die Voraussetzungen des Einsatzes nicht vorliegen. 3Der Einsatz von Videoüberwachung ist erkennbar zu machen.

(3) Die Anordnung einer zeitweisen Videoüberwachung einer nicht fixierten untergebrachten Person ist zulässig, wenn

1.
sich diese in einem für die vorübergehende Unterbringung und zur Beobachtung geeigneten Raum außerhalb von Patientenzimmern, insbesondere in einem Kriseninterventionsraum, befindet,
2.
sie zuvor von einer Ärztin oder einem Arzt persönlich untersucht und in einer ihrem Gesundheitszustand angemessenen Weise über die verfügbaren und im Rahmen ihrer Behandlung angezeigten Möglichkeiten der Beobachtung sowie über ihre Auswirkungen auf den Behandlungsverlauf aufgeklärt wurde,
3.
von ihr keine erklärte oder als natürlicher Wille geäußerte Ablehnung vorliegt, wobei die Vorschriften zur Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechend gelten, und
4.
die Videoüberwachung nach fachlicher Abwägung anstelle einer persönlichen Betreuung aus medizinischen Gründen ärztlich vertretbar ist.

(4) 1Soll eine Videoüberwachung in einem zur Beobachtung geeigneten Raum abweichend von Absatz 3 Nummer 3 gegen den wirksam erklärten oder natürlichen Willen der untergebrachten Person dennoch durchgeführt werden, ist dies in Ausnahmefällen zulässig, wenn kein weniger einschneidendes Mittel vorhanden ist, um eine unmittelbare und erhebliche Gefahr für die körperliche Unversehrtheit oder das Leben der untergebrachten Person abzuwenden. 2Die Vorschriften für die vorübergehende Unterbringung im Kriseninterventionsraum müssen erfüllt sein.

(5) 1Die Videoüberwachung nach den Absätzen 3 und 4 ist von der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt anzuordnen. 2Die Anordnung gilt für eine Höchstdauer von 12 Stunden. 3Eine Verlängerung der Videoüberwachung über einen Zeitraum von 12 Stunden hinaus ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 und 4 oder Absatz 4 weiterhin erfüllt sind. 4Entfallen die Gründe, die zu der Anordnung geführt haben, muss diese unverzüglich zurückgenommen werden. 5Die untergebrachte Person ist im Verlauf der Videoüberwachung auf ihr Verlangen unverzüglich, darüber hinaus regelmäßig in angemessenen, mit der Anordnung nach Satz 1 festzulegenden zeitlichen Mindestabständen, von einer oder einem zur Betreuung geeigneten Beschäftigten persönlich aufzusuchen. 6Der Monitor, auf den das durch die Videoüberwachung erhobene Signal übertragen wird, ist ohne Unterbrechung von den geeigneten Beschäftigten zu beobachten. 7Beginn, Dauer und Ende der Videoüberwachung, die Gründe für ihre Anordnung, die Aufklärung nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und die Art der Maßnahmen nach Satz 5 sind zu dokumentieren.

(6) 1Bei Beginn und im Verlauf der Videoüberwachung nach den Absätzen 2 bis 4 ist sicherzustellen, dass

1.
die Monitore zur Beobachtung ausschließlich von den dazu berechtigten Personen eingesehen werden können und
2.
die Intimsphäre der betroffenen Patientin oder des betroffenen Patienten gewahrt ist, insbesondere durch das Verpixeln oder Aussparen des Sanitärbereichs von der Videoüberwachung.

2Die Aufzeichnung und Speicherung der Videoüberwachung ist zulässig. 3Hinsichtlich der Löschung gilt § 35 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes vom 22. August 2019 (SächsGVBl. S. 663), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Januar 2024 (SächsGVBl. S. 52) geändert worden ist, entsprechend.

§ 38
Unmittelbarer Zwang

(1) Anordnungen nach diesem Gesetz dürfen durch Beschäftigte des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung im Wege des unmittelbaren Zwangs gegenüber der untergebrachten Person durchgesetzt werden, wenn der damit verfolgte Zweck nicht auf andere Weise erreicht werden kann.

(2) 1Unmittelbarer Zwang ist vorher anzukündigen. 2Die Ankündigung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwenden.

(3) 1Eine Nachbesprechung der Anwendung unmittelbaren Zwangs soll mit der untergebrachten Person erfolgen, sobald es ihr Gesundheitszustand zulässt. 2Die Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Nachbesprechung sind zu dokumentieren.

(4) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auf Grund anderer Vorschriften bleibt unberührt.

§ 39
Belastende Vollzugsmaßnahmen

(1) Belastende Vollzugsmaßnahmen sind alle nach diesem Gesetz zulässigen Maßnahmen gegenüber einer untergebrachten Person, die angeordnet werden.

(2) 1Eine belastende Vollzugmaßnahme ist von der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt anzuordnen, wenn nicht etwas anderes in diesem Gesetz bestimmt ist. 2Belastende Vollzugsmaßnahmen sind von der anordnenden Person zu dokumentieren.

§ 40
Offene Gestaltung der Unterbringung, Belastungserprobung

(1) Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, soll die Unterbringung nach Möglichkeit gelockert und weitestgehend in freien Formen durchgeführt werden, sobald der Gesundheitszustand der untergebrachten Person und das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit dies zulassen.

(2) Zur Belastungserprobung kann stundenweiser Ausgang mit oder ohne Aufsicht einer oder eines Beschäftigten des Krankenhauses gewährt werden.

(3) 1Die untergebrachte Person kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 von der ärztlichen Leitung des Krankenhauses oder ihrer jeweiligen Vertretung sowie der Leitung der anerkannten Einrichtung bis zu einer Dauer von jeweils zwei Wochen zur Belastungserprobung beurlaubt werden. 2Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies für den Zweck der Unterbringung erforderlich ist. 3Es kann insbesondere die Auflage erteilt werden, ärztliche Anweisungen zu befolgen. 4Die Beurlaubung ist der zuständigen Verwaltungsbehörde, der berechtigten Person sowie den Angehörigen und Vertrauenspersonen vorab mitzuteilen.

(4) 1Die Belastungserprobung kann widerrufen, eingeschränkt, nur unter Aufsicht gewährt oder mit Absprachen verbunden werden, insbesondere wenn sich der gesundheitliche Zustand der untergebrachten Person verschlechtert, Auflagen nicht befolgt werden oder dies im Interesse der Sicherheit der Allgemeinheit erforderlich ist. 2Die Entscheidungen sind möglichst im Einvernehmen mit der untergebrachten Person zu treffen.

§ 41
Aussetzung des Vollzugs, Entlassung

(1) Die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung oder die Leitung der anerkannten Einrichtung haben unverzüglich das Gericht und die Verwaltungsbehörde zu verständigen, wenn nach ihrer Überzeugung die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr vorliegen.

(2) 1Hat das zuständige Gericht die Aussetzung des Vollzuges der Unterbringung mit Auflagen angeordnet, obliegt deren Überwachung der Verwaltungsbehörde, in deren Gebiet die untergebrachte Person ihren Aufenthalt hat. 2§ 22 gilt entsprechend. 3Die Hilfen nach Abschnitt 2 werden mit dem Ziel einer Wiederherstellung der Gesundheit der untergebrachten Person und ihrer sozialen Eingliederung gewährt.

(3) 1Ist die Aussetzung der Unterbringung mit der Auflage verbunden, dass sich die untergebrachte Person in ärztliche Behandlung begibt, hat sie oder die Person, der die Sorge für sie obliegt, der Verwaltungsbehörde und dem Gericht unverzüglich die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt mitzuteilen. 2Diese informieren die Verwaltungsbehörde und das Gericht, wenn die Behandlung gegen ärztlichen Rat abgebrochen wurde.

(4) Die ärztliche Leitung des Krankenhauses oder ihre jeweilige Vertretung oder die Leitung der anerkannten Einrichtung muss die untergebrachte Person unverzüglich entlassen, wenn

1.
das zuständige Gericht die Aussetzung des Vollzuges angeordnet oder die von ihm angeordnete Unterbringung aufgehoben hat,
2.
der gerichtlich angeordnete Zeitraum der Unterbringung beendet ist, ohne dass das zuständige Gericht zuvor die Verlängerung der Unterbringung angeordnet hat.

§ 42
Freiwilliger Aufenthalt

Bleibt die Person aufgrund einer Einwilligung ohne Vorliegen der Voraussetzungen für die Unterbringung weiter in dem Krankenhaus oder der anerkannten Einrichtung, ist dies dem Gericht, der Verwaltungsbehörde, der Betreuerin oder dem Betreuer, der Bevollmächtigten oder dem Bevollmächtigten und, soweit die Person damit einverstanden ist, den Angehörigen und Vertrauenspersonen mitzuteilen.

§ 43
Kosten der Unterbringung

(1) 1Die Kosten einer nach diesem Gesetz durchgeführten Unterbringung hat die untergebrachte Person zu tragen. 2Die Verjährung der Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Unterbringung beginnt mit Beendigung der Unterbringung. 3Auf Gesetz oder Vertrag beruhende Verpflichtungen Dritter, vor allem einer unterhaltspflichtigen Person oder eines Sozialleistungsträgers, bleiben unberührt.

(2) 1Wird eine gerichtliche Entscheidung, mit der eine Unterbringung nach diesem Gesetz angeordnet wurde, aufgehoben, weil zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht vorlagen, trägt der Freistaat Sachsen die Kosten der Unterbringung. 2Dies gilt nur soweit, wie die untergebrachte Person keinen Anspruch gegen einen Sozialleistungsträger, insbesondere eine Krankenversicherung, oder aufgrund beihilferechtlicher Regelungen nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen hat.

(3) 1Hat die Verwaltungsbehörde die sofortige vorläufige Unterbringung angeordnet, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorlagen, trägt sie die Kosten der Unterbringung. 2Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) 1Der Kommunale Sozialverband Sachsen übernimmt die Unterbringungskosten, soweit und solange sie die untergebrachte Person oder andere nicht unmittelbar tragen. 2Er kann von der untergebrachten Person oder anderen Verpflichteten den Ersatz der Kosten verlangen, deren Aufbringung zuzumuten wäre, wenn die Person Hilfen zur Gesundheit im Sinne des Fünften Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erhielte. 3Die Vorschriften des Ersten, Zehnten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gelten entsprechend. 4Die Unterbringungskosten, die dem Kommunalen Sozialverband Sachsen nicht ersetzt oder erstattet werden, trägt der Freistaat Sachsen.

§ 44
Kosten des Verfahrens

Verwaltungsbehörden und Polizeivollzugsdienst erheben für ihre Tätigkeit nach diesem Gesetz keine Kosten.

§ 45
Dokumentations- und Meldepflichten

(1) Die Krankenhäuser und anerkannten Einrichtungen, die die Unterbringung nach diesem Gesetz vollziehen, führen eine Patientenakte entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Patientenakte und dokumentieren zudem die belastenden Vollzugsmaßnahmen.

(2) Die Krankenhäuser sind verpflichtet, der obersten Aufsichtsbehörde folgende Daten jeweils zum 31. März eines Jahres für das vergangene Jahr zu melden:

1.
Unterbringungen nach den §§ 18 und 21,
2.
sofortige vorläufige Unterbringungen nach § 23,
3.
fürsorgliche Aufnahmen und Zurückhaltungen nach § 25,
4.
ärztliche Zwangsmaßnahmen nach § 29,
5.
freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 34 und 35,
6.
soziodemografische Daten, insbesondere zu Alter und Geschlecht,
7.
die Anzahl der Suizide von Patientinnen und Patienten.

(3) Die anerkannten Einrichtungen sind verpflichtet, der obersten Aufsichtsbehörde folgende Daten jeweils zum 31. März eines Jahres für das vergangene Jahr zu melden:

1.
Unterbringungen nach den §§ 18 und 21,
2.
sofortige vorläufige Unterbringungen nach § 23,
3.
freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 34 und 35,
4.
soziodemografische Daten, insbesondere zu Alter und Geschlecht,
5.
die Anzahl der Suizide der untergebrachten Personen.

(4) Näheres über Art und Umfang der Daten sowie deren Übermittlung und das Verfahren bestimmt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

§ 46
Fachaufsicht

(1) Die Verwaltungsbehörden üben ihre Aufgaben nach diesem Abschnitt als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung aus.

(2) Soweit die Krankenhausträger oder Träger der anerkannten Einrichtungen eine Unterbringung nach diesem Gesetz vollziehen, unterstehen sie der Fachaufsicht.

(3) 1Die Aufsicht führt die Landesdirektion Sachsen. 2Oberste Fachaufsichtsbehörde ist das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

(4) Die oberste Fachaufsichtsbehörde kann die Befugnisse der Aufsichtsbehörde selbst ausüben,

1.
wenn Gefahr in Verzug ist oder
2.
wenn die Aufsichtsbehörde einer ihr erteilten Weisung innerhalb der ihr gesetzten Frist keine Folge geleistet hat.

(5) 1Die Fachaufsicht erstreckt sich auf die Sicherstellung der rechtmäßigen und zweckmäßigen Aufgabenwahrnehmung. 2Die Aufsichtsbehörde kann sich insbesondere unterrichten lassen, Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke nehmen, Weisungen erteilen, soweit es nicht eine therapeutische Entscheidung betrifft, und die Räumlichkeiten des Krankenhauses oder der anerkannten Einrichtung aufsuchen. 3Von dem Recht auf Akteneinsicht ausgenommen ist der konkrete Inhalt vertraulicher Therapiegespräche. 4Die Aufsichtsbehörde kann auf Kosten des Krankenhaus- oder Einrichtungsträgers selbst tätig werden oder Dritte beauftragen, wenn der Träger einer Weisung nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachkommt.

Abschnitt 4
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung

Unterabschnitt 1
Grundsätze

§ 47
Vollzug der Maßregeln

(1) 1Die Maßnahmen nach § 1 Nummer 3 werden in einer Maßregelvollzugseinrichtung durchgeführt. 2Der Vollzug der Maßnahmen gemäß § 1 Nummer 3 für Patientinnen und Patienten, die Jugendliche oder Heranwachsende nach § 1 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes sind, erfolgt in spezialisierten Maßregelvollzugseinrichtungen.

(2) 1Mit der Durchführung von Aufgaben des Vollzugs der Maßnahmen nach § 1 Nummer 3 kann der Freistaat Sachsen kommunale Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts beauftragen. 2§ 3 des Gesetzes über den Kommunalen Sozialverband Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 2024 (SächsGVBl. S. 160), das durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. März 2024 (SächsGVBl. S. 325) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt unberührt.

§ 48
Organisation des Maßregelvollzugs

(1) 1Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung obliegt der Chefärztin oder dem Chefarzt. 2Sie oder er ist Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, möglichst mit Schwerpunkt forensische Psychiatrie. 3Die ärztliche Leitung einer spezialisierten Maßregelvollzugseinrichtung obliegt einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. 4Bedienstete beider Einrichtungen müssen über die erforderliche Fachkunde und persönliche Eignung verfügen.

(2) 1Die Maßregelvollzugseinrichtungen sind so auszustatten und zu gliedern, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen ausgerichtete Behandlung und Therapie der Patientinnen und Patienten ermöglicht, deren Eingliederung gefördert und der erforderliche Schutz der Allgemeinheit gewährleistet wird. 2Zusätzlich haben spezialisierte Maßregelvollzugseinrichtungen alterstypische Aufgaben, wie die Erziehung, Bildung und Ausbildung der Patientinnen und Patienten, wahrzunehmen. 3Dabei sind deren Alter und deren Entwicklungsstand zu berücksichtigen.

(3) Das Leben in den Maßregelvollzugseinrichtungen soll den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden, soweit es ohne Beeinträchtigungen des Zwecks der Unterbringung möglich ist.

§ 49
Aufgaben und Ziele des Maßregelvollzugs

(1) Der Maßregelvollzug hat die Aufgabe, durch eine gesicherte Unterbringung der Patientinnen und Patienten sowie deren Behandlung und Therapie die Gesellschaft vor weiteren Straftaten zu schützen.

(2) Ziel der Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung ist es, die betroffenen Patientinnen und Patienten

1.
soweit wie möglich zu heilen oder ihren Zustand soweit zu bessern, dass sie keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellen, und sie zu befähigen, verantwortungsbewusst am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen,
2.
von ihrem Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(3) Zur Erreichung dieser Ziele ist die familiäre, soziale und berufliche Eingliederung der Patientinnen und Patienten zu fördern.

§ 50
Rechtsstellung der Patientinnen und Patienten

(1) 1Während des Maßregelvollzugs unterliegen die Patientinnen und Patienten nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer grundrechtlich garantierten Freiheiten. 2Diese müssen im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Maßregelvollzugseinrichtungen verhältnismäßig sein oder sich aus den Anforderungen an ein geordnetes Zusammenleben in der Einrichtung ergeben. 3Im Übrigen bleiben gerichtlich angeordnete Beschränkungen unberührt.

(2) 1Die Persönlichkeit der Patientinnen und Patienten ist zu achten. 2Während des Maßregelvollzugs und aller Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes ist insbesondere auf das Alter, das Geschlecht, die geschlechtliche Identität, den Gesundheitszustand, die Religion und die Lebensumstände der Patientinnen und Patienten Rücksicht zu nehmen.

(3) 1Den Patientinnen und Patienten ist täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien zu ermöglichen. 2Dies gilt nicht, wenn die Patientin oder der Patient einer Sicherungsmaßnahme nach § 68 in Verbindung mit § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6, 8 oder 9 unterworfen ist.

(4) 1Die Patientinnen und Patienten wirken an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 49 Absatz 2 und an der Gestaltung des Vollzugs der Maßregel mit. 2Hierfür ist ihre Bereitschaft und ihr Verantwortungsbewusstsein zu wecken und zu fördern.

§ 51
Aufnahme

(1) 1Patientinnen und Patienten sind bei ihrer Aufnahme unverzüglich von der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt in einer ihnen verständlichen Weise über ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung zu unterrichten. 2Zu unterrichten ist auch über die Organisation und Ordnung in der Maßregelvollzugseinrichtung einschließlich der geltenden Hausordnung. 3Erlaubt der Gesundheitszustand oder ein fehlendes Sprachverständnis der Patientin oder des Patienten diese Unterrichtung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme, so ist sie nachzuholen, sobald dies möglich ist. 4Berechtigten Personen der Patientinnen und Patienten ist Gelegenheit zur Teilnahme an der Unterrichtung zu geben. 5Die Unterrichtung ist zu dokumentieren.

(2) 1Patientinnen und Patienten sind unverzüglich nach der Aufnahme ärztlich zu untersuchen (Aufnahmeuntersuchung). 2Sie haben die Aufnahmeuntersuchung zu dulden.

(3) Für jede Patientin und jeden Patienten ist eine Patientenakte entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Patientenakte zu führen, in der auch die belastenden Vollzugsmaßnahmen zu dokumentieren sind.

§ 52
Anspruch auf Behandlung

(1) 1Die Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf die notwendige medizinische Behandlung, insbesondere der Erkrankung, die zur Unterbringung geführt hat (Anlasserkrankung). 2Sie schließt die erforderlichen Untersuchungen sowie psychotherapeutische, sozialtherapeutische, heilpädagogische, pflegerische und beschäftigungs- sowie arbeitstherapeutische Maßnahmen ein. 3Zur Behandlung und Therapie gehören auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um den Patientinnen und Patienten nach ihrer Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. 4Behandlung und Therapie erfolgen nach einem Behandlungs- und Eingliederungsplan nach § 53.

(2) 1Die Behandlung bedarf der Einwilligung der Patientin oder des Patienten oder einer hierzu berechtigten Person. 2Dies gilt nicht, soweit § 29 zur Anwendung kommt. 3Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Einwilligung berechtigter Personen bleiben unberührt.

(3) 1Die Patientinnen und Patienten oder die berechtigten Personen sind in verständlicher Weise über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend und angemessen aufzuklären. 2Die Aufklärung der Patientinnen und Patienten erfolgt, sobald ihr Gesundheitszustand dies zulässt. 3Die Vorschriften des Bürgerliches Gesetzbuches zur Aufklärung der Patientinnen, Patienten und berechtigten Personen sind entsprechend anzuwenden.

§ 53
Behandlungs- und Eingliederungsplan

(1) 1Auf der Grundlage der insbesondere aus der Aufnahmeuntersuchung gewonnenen Untersuchungsergebnisse und unter Berücksichtigung der Persönlichkeit, des Alters, des Entwicklungsstandes sowie der Lebensverhältnisse der Patientin oder des Patienten ist ein Behandlungs- und Eingliederungsplan bis zum ersten gerichtlichen Prüfungstermin nach § 67e des Strafgesetzbuches aufzustellen. 2Maßnahmen, die der Patientin oder dem Patienten nach der Entlassung das Führen und Gestalten eines eigenverantwortlichen Lebens ermöglichen, sind ebenso aufzunehmen. 3Der Behandlungs- und Eingliederungsplan enthält insbesondere Angaben über

1.
die ärztliche, medizinische, psychiatrische, psychotherapeutische, pflegerische, soziotherapeutische und heilpädagogische Behandlung,
2.
ergo- und arbeitstherapeutische Angebote,
3.
die Teilnahme an Unterrichtsveranstaltungen und an Maßnahmen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Umschulung einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
4.
Möglichkeiten der Aufnahme oder Fortsetzung eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses, welches Fähigkeiten und Fertigkeiten der Patientin oder des Patienten entspricht und diese fördern kann,
5.
die Einbeziehung von der Patientin oder dem Patienten nahestehenden Personen in Behandlungen und Therapien zur Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
6.
sozialunterstützende Maßnahmen,
7.
Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenzen,
8.
Angebote zur Freizeitgestaltung und Sportangebote sowie
9.
Maßnahmen im Rahmen von Vollzugslockerungen und der Entlassungsvorbereitung.

(2) 1Schulpflichtigen Patientinnen und Patienten wird allgemein- oder berufsbildender Unterricht in der spezialisierten Maßregelvollzugseinrichtung ermöglicht, soweit dies die räumlichen und organisatorischen Verhältnisse der Maßregelvollzugseinrichtung zulassen. 2Den Patientinnen und Patienten werden altersgerechte Beschäftigungs-, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten angeboten; sie erhalten entwicklungsfördernde Hilfestellungen.

(3) Der Behandlungs- und Eingliederungsplan ist regelmäßig zu überprüfen und dem Krankheits-, Behandlungs- und Therapieverlauf sowie der sozialen Entwicklung der Patientin oder des Patienten anzupassen.

(4) 1Der Behandlungs- und Eingliederungsplan und spätere Änderungen sind mit der Patientin oder dem Patienten und der berechtigten Person zu erörtern und diesen auszuhändigen. 2Angehörige oder nahestehende Personen können auf Wunsch der Patientin oder des Patienten einbezogen werden.

§ 54
Einstweilig untergebrachte Patientinnen und Patienten

(1) Für einstweilig untergebrachte Patientinnen und Patienten nach § 126a der Strafprozeßordnung gilt § 52 entsprechend mit der Maßgabe, dass ein Behandlungs- und Eingliederungsplan nicht zu erstellen ist.

(2) 1Einstweilig untergebrachte Patientinnen und Patienten dürfen nicht mit anderen untergebrachten Patientinnen und Patienten in demselben Patientenzimmer untergebracht werden. 2Eine solche Unterbringung ist nur mit Zustimmung der einstweilig untergebrachten Patientin oder des einstweilig untergebrachten Patienten oder aus wichtigen Gründen, insbesondere aus Gründen der Ordnung oder Sicherung oder therapeutischen Gründen, zulässig.

§ 55
Vollstreckungsplan, Verlegung

(1) Das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt regelt im Benehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung im Vollstreckungsplan, in welcher Maßregelvollzugseinrichtung die Patientin oder der Patient unterzubringen ist.

(2) Die Entscheidung über die Einweisung oder Verlegung einer Patientin oder eines Patienten in eine andere als nach dem Vollstreckungsplan zuständige Maßregelvollzugseinrichtung trifft das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt nach Maßgabe des Vollstreckungsplans sowie nach Anhörung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte.

Unterabschnitt 2
Organisation und Gestaltung der Unterbringung

§ 56
Religionsausübung

§ 30 gilt entsprechend.

§ 57
Persönliches Eigentum

(1) Die Patientin oder der Patient hat das Recht, ihre oder seine persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände im unmittelbaren Besitz zu haben, soweit der Behandlungserfolg nicht gefährdet ist, die Sicherheit oder Ordnung der Maßregelvollzugseinrichtung oder der Allgemeinheit dadurch nicht erheblich gestört ist und die Übersichtlichkeit des Patientenzimmers nicht gefährdet wird.

(2) Geld und Wertgegenstände können in Gewahrsam genommen werden, wenn und soweit die Patientin oder der Patient zum Umgang damit nicht in der Lage ist und eine berechtigte Person für diesen Aufgabenbereich nicht vorhanden ist.

(3) 1Persönliche Kleidung und persönliche Gegenstände, deren unmittelbarer Besitz der Patientin oder dem Patienten untersagt wurde, sind von der Maßregelvollzugseinrichtung aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich und zumutbar ist. 2Auf Kosten der Patientin oder des Patienten können ausgeschlossene Kleidung und Gegenstände an benannte Personen übergeben oder versendet werden.

(4) Die Ingewahrsamnahme von Geld, Wertgegenständen, persönlicher Kleidung und persönlicher Gegenstände, deren Aufbewahrung sowie deren Herausgabe, die spätestens bei Entlassung zu erfolgen hat, sind zu dokumentieren.

§ 58
Recht auf Besuch

(1) Patientinnen und Patienten haben das Recht, im Rahmen einer allgemeinen Besuchsregelung Besuche zu empfangen.

(2) Persönlicher Kontakt zu Besuchern soll auch in Form von Videobesuchen ermöglicht werden.

(3) 1Besuche können untersagt oder beschränkt werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung der Maßregelvollzugseinrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden. 2Besuche können im Einzelfall darüber hinaus untersagt oder beschränkt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte gesundheitliche Nachteile für die Patientin oder den Patienten als Folge des Besuches befürchten lassen. 3Hierzu zählt auch die Gefährdung der Zielsetzung des Behandlungs- oder Eingliederungsplans. 4Die Untersagung kommt nur in Betracht, wenn eine Beschränkung des Besuches zur Abwendung der befürchteten Nachteile nicht ausreicht.

(4) 1Als Maßnahmen der Beschränkung des Besuchs kommen in Betracht:

1.
die Durchsuchung der Besucherin oder des Besuchers,
2.
das Absuchen der Besucherin oder des Besuchers mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände,
3.
die Überwachung und Aufzeichnung des Besuchs, die auch mittels optisch-technischer Einrichtungen zulässig sind, wenn die Patientin oder der Patient und die Besucherin oder der Besucher vor dem Besuch darauf hingewiesen wurden,
4.
die Untersagung der Übergabe von Gegenständen an die Patientin oder den Patienten.

2Hinsichtlich der Löschung der mittels optisch-technischer Einrichtungen erhobenen Aufzeichnungen nach Nummer 3 gilt § 35 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes entsprechend.

(5) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn seine Fortsetzung die Sicherheit oder Ordnung der Maßregelvollzugseinrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden würde oder erhebliche gesundheitliche Nachteile für die Patientin oder den Patienten zu befürchten wären.

(6) Die Untersagung, die Beschränkung und der Abbruch eines Besuches sowie die Untersagung der Übergabe von Gegenständen an die Patientin oder den Patienten werden von der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt angeordnet.

(7) 1Nicht untersagt, überwacht und aufgezeichnet werden dürfen in einer die Patientin oder den Patienten betreffenden Rechtssache Besuche

1.
von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten,
2.
von Verteidigerinnen und Verteidigern,
3.
von Notarinnen und Notaren,
4.
der oder des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
5.
der oder des Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten sowie
6.
von anderen Landesdatenschutzbeauftragten und Landesinformationsfreiheitsbeauftragten.

2Eine inhaltliche Überprüfung der von diesen Besuchern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist unzulässig. 3Die Übergabe dieser Schriftstücke oder Unterlagen an die Patientin oder den Patienten darf nicht untersagt werden. 4Für Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern bleiben die §§ 148 und 148a der Strafprozeßordnung unberührt.

(8) Nicht untersagt, überwacht und aufgezeichnet werden dürfen Besuche der Mitglieder von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter.

§ 59
Post- und Fernmeldeverkehr, andere Formen der Telekommunikation

(1) Die Patientinnen und Patienten haben das Recht, auf eigene Kosten Postsendungen, insbesondere Briefe und Pakete, abzusenden und zu empfangen sowie Telefongespräche frei zu führen, soweit die Absätze 3 bis 5 nichts anderes bestimmen.

(2) 1Nicht beschränkt oder überwacht werden der Schriftwechsel und die Telefongespräche der Patientinnen und Patienten mit

1.
Gerichten,
2.
Staatsanwaltschaften,
3.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten,
4.
Verteidigerinnen und Verteidigern,
5.
Verfahrenspflegerinnen und Verfahrenspflegern,
6.
Notarinnen und Notaren,
7.
den Aufsichtsbehörden,
8.
den Besuchskommissionen im Sinne des § 4,
9.
den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern im Sinne des § 5,
10.
der Bundesbeauftragten oder des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
11.
der oder dem Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten,
12.
anderen Landesdatenschutzbeauftragten und Landesinformationsfreiheitsbeauftragten und
13.
Mitgliedern von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter.

2Dies gilt auch für den Post- und Fernmeldeverkehr in Ausübung des Petitionsrechts nach Artikel 17 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 35 der Verfassung des Freistaates Sachsen. 3Satz 1 gilt bei ausländischen Staatsangehörigen auch für den Post- und Fernmeldeverkehr mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes. 4Die §§ 148 und 148a der Strafprozeßordnung bleiben unberührt.

(3) 1Eingehende und ausgehende Postsendungen können unter Berücksichtigung von Absatz 2 von Bediensteten der Maßregelvollzugseinrichtung in Anwesenheit der Patientin oder des Patienten auf deren materiellen Inhalt kontrolliert werden. 2Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung ist berechtigt, Anzahl, Gewicht und Größe von Postsendungen festzulegen sowie den Inhalt der an Patientinnen und Patienten versendeten Pakete, insbesondere im Hinblick auf Nahrungs- und Genussmittel, zu beschränken oder auszuschließen. 3Ebenso können Verpackungsformen von Postsendungen vom Empfang oder dem Versand ausgeschlossen werden, wenn deren Kontrolle mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist.

(4) 1Telefongespräche können unter Berücksichtigung des Absatzes 2 überwacht werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung der Maßregelvollzugseinrichtung oder die Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährden oder ein gesundheitlicher Nachteil für die Patientin oder den Patienten zu befürchten ist. 2Die Überwachung erfolgt durch das Mithören einer oder eines Bediensteten dieser Einrichtung. 3Vor Gesprächsbeginn ist die Patientin oder der Patient und deren oder dessen Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner hierüber zu unterrichten.

(5) 1Liegen Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Maßregelvollzugseinrichtung oder der Sicherheit der Allgemeinheit vor, so darf unter Berücksichtigung von Absatz 2 der Schriftwechsel eingesehen und angehalten werden. 2Telefongespräche können unterbrochen werden. 3Angehaltene Schriftstücke sind der Absenderin, dem Absender oder der berechtigten Person unter Angabe der Gründe zurückzugeben. 4Soweit dies unmöglich oder aus anderen Gründen des Satzes 1 untunlich ist, sind sie aufzubewahren und die Gründe hierfür zu dokumentieren.

(6) 1Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1858), das zuletzt durch Artikel 35 des Gesetzes vom 6. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 149) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, durch die Aufsichtsbehörde soll die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung der Patientin oder dem Patienten gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. 2Die Absätze 1 bis 5 gelten für diese Formen der Telekommunikation entsprechend. 3Die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherungsmaßnahme nach § 68 in Verbindung mit § 34 Absatz 2 Nummer 1 bleibt unberührt.

§ 60
Hausordnung

(1) 1Jede Maßregelvollzugseinrichtung erlässt eine Hausordnung, die der Fachaufsichtsbehörde zur Kenntnis zu geben ist. 2Die Hausordnung regelt Rechte und Pflichten der Patientinnen und Patienten, um ein geordnetes Zusammenleben auf engem Raum und eine sinnvolle Gestaltung der Unterbringung zu ermöglichen. 3Die Hausordnung kann insbesondere Regelungen über die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Patientenzimmer, die Einkaufsmöglichkeiten, ein Rauch- und Alkoholverbot, die Besuchszeiten, den Telefonverkehr, die Freizeitgestaltung und den regelmäßigen Aufenthalt im Freien, den Umgang der Patientinnen und Patienten miteinander sowie über den Umgang mit Regelverstößen enthalten.

(2) 1Die Hausordnung ist in leicht verständlicher Sprache zu verfassen. 2Die Maßregelvollzugseinrichtung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Hausordnung für jede Patientin und jeden Patienten in einer für sie oder ihn verständlichen Sprache zur Verfügung steht und bekannt gegeben wird.

(3) Durch die Hausordnung dürfen die Rechte der Patientinnen und Patienten nicht weiter als nach diesem Gesetz zulässig eingeschränkt werden.

Unterabschnitt 3
Finanzielle Regelungen

§ 61
Kosten der Unterbringung

(1) 1Die Kosten der Unterbringung trägt der Freistaat Sachsen, soweit nicht ein Sozialleistungsträger, die Patientin oder der Patient dazu beizutragen hat. 2Die Erhebung des Kostenbeitrags der stationär untergebrachten Patientinnen und Patienten erfolgt nach Maßgabe von § 138 Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes.

(2) 1Von Patientinnen und Patienten, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis befinden, sich selbst beschäftigen, Vermögen besitzen oder über regelmäßige Einkünfte verfügen, ist für die Dauer der gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung ein Kostenbeitrag zu erheben. 2Die Patientin oder der Patient hat über eigene Einkünfte und eigenes Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Ermittlung des Unterbringungskostenbeitrages erforderlich ist. 3Die Ermittlung und Erhebung der Kostenbeiträge regelt eine Verwaltungsvorschrift des Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

(3) 1Der Kostenbeitrag der nicht bedürftigen Patientin oder des nicht bedürftigen Patienten, die oder der im Rahmen einer Vollzugslockerung außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung wohnt, soll sich auf die Kosten von Unterkunft und Verpflegung erstrecken. 2Der Patientin oder dem Patienten muss ein Betrag in der Höhe des monatlichen Regelsatzes nach § 27a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch verbleiben.

§ 62
Krankenversicherungsschutz, Versorgung der Patientinnen und Patienten im Krankheitsfall und Gesundheitsfürsorge

(1) 1Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung. 2Patientinnen und Patienten können an den Kosten für diese Leistungen in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter, sofern hierdurch nicht die Erreichung der Vollzugsziele, insbesondere die Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten, gefährdet würde.

(2) 1Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen hinsichtlich anderer Erkrankungen, medizinische Vorsorgeleistungen und sonstige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit, die nicht im Zusammenhang mit der Anlasserkrankung stehen, entsprechend den Grundsätzen und Maßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung. 2Patientinnen und Patienten können an den Kosten für Leistungen nach Satz 1 entsprechend den Regelungen über Zuzahlungen für gesetzlich Krankenversicherte beteiligt werden. 3Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die Ansprüche nach Absatz 2 ruhen, solange die Patientinnen und Patienten aufgrund eines freien Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses oder wegen des Bezugs einer gesetzlichen Rente krankenversichert sind.

§ 63
Finanzielle Leistungen

(1) 1Ist die Patientin oder der Patient bedürftig, erhält sie oder er einen Barbetrag sowie eine Bekleidungspauschale nach § 27b Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Geldleistung. 2Bedürftigkeit liegt vor, wenn die Patientin oder der Patient ihren oder seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem Einkommen und dem Vermögen, bestreiten kann. 3Die Patientin oder der Patient ist zur Mitwirkung und zu Tatsachenangaben entsprechend den §§ 60, 65 und 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch verpflichtet.

(2) Die Höhe des Barbetrags richtet sich nach § 27b Absatz 3 Satz 2 und 3 erster Halbsatz des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die Höhe der Bekleidungspauschale nach § 27b Absatz 4 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

(3) Die Leistung des Barbetrags und der Bekleidungspauschale erfolgt monatlich zum dritten Werktag auf das Eigengeldkonto der Patientin oder des Patienten gemäß § 66 Absatz 2.

(4) 1Über den Barbetrag und die Bekleidungspauschale kann die Patientin oder der Patient frei verfügen, soweit dies nicht im Widerspruch zum Behandlungs- und Eingliederungsplan steht. 2Die Verfügbarkeit über den Barbetrag und die Bekleidungspauschale kann zudem von der ärztlichen Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihrer jeweiligen Vertretung beschränkt werden, soweit der Zweck der Unterbringung oder die Erreichung der Ziele des Maßregelvollzugs gefährdet werden.

(5) 1Das Ansparen der monatlichen Bekleidungspauschale ist den Patientinnen und Patienten über einen Zeitraum von längstens zwölf Monaten zu gestatten. 2Wird der angesparte Betrag nicht innerhalb des vorgenannten Zeitraums verbraucht, verfällt der Anspruch auf den Restbetrag. 3Eine Übertragung auf den Folgemonat kommt nicht in Betracht. 4Patientinnen und Patienten sind sowohl auf die Ansparmöglichkeit als auch auf den Verfall der angesparten Bekleidungspauschale im Zeitpunkt der Aufnahme hinzuweisen, § 51 Absatz 1 gilt entsprechend.

(6) Bei einer Verlegung in eine andere Maßregelvollzugseinrichtung werden der Patientin oder dem Patienten angesparte Geldleistungen nach Absatz 1 Satz 1 mitgegeben, soweit diese nicht bereits nach Absatz 5 Satz 2 verfallen sind.

(7) 1Werden Patientinnen oder Patienten aus der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 67d Absatz 2 oder 4 bis 6 des Strafgesetzbuches entlassen, verfällt der Anspruch auf die bis zum Entlassungszeitpunkt nicht verbrauchte Bekleidungspauschale. 2Patientinnen und Patienten sind auf den Verfall der nicht verbrauchten Bekleidungspauschale im Zeitpunkt der Aufnahme hinzuweisen, § 51 Absatz 1 gilt entsprechend.

§ 64
Bezüge im Maßregelvollzug

(1) Patientinnen und Patienten erhalten für Tätigkeiten, Beschäftigungen und für ihre Teilnahme an Ausbildungs- oder Qualifikationsmaßnahmen oder an arbeitstherapeutischen Maßnahmen folgende Bezüge:

1.
ein angemessenes Arbeitsentgelt für geleistete wirtschaftlich verwertbare Arbeit,
2.
eine angemessene Ausbildungsbeihilfe für Zeiten der Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Qualifikationsmaßnahme,
3.
eine Zuwendung für die Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen.

(2) 1Die Grundsätze über die Höhe der Bezüge und die vergütungsrechtlichen Grundlagen legt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt fest. 2Die Bezüge werden von der Maßregelvollzugseinrichtung anhand der von der Patientin oder dem Patienten ausgeübten Tätigkeit und Beschäftigung sowie der hierfür vorgesehenen Vergütungsstufen im jeweiligen Einzelfall festgesetzt.

§ 65
Überbrückungsgeld

(1) 1Um Patientinnen und Patienten die Wiedereingliederung in allgemeine Lebensverhältnisse nach der aufgrund rechtskräftiger Entscheidung angeordneten Entlassung aus der Unterbringung zu erleichtern, ist ein Überbrückungsgeld aus den während der Unterbringung erhaltenen Bezügen zu bilden. 2Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung kann gestatten, dass das Überbrückungsgeld im Einzelfall auch für Ausgaben in Anspruch genommen werden kann, die der Förderung des Behandlungs- oder Therapieziels dienen.

(2) Das Überbrückungsgeld wird bis zur Höhe des Betrags gebildet, der nach § 90 Absatz 2 Nummer 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bei den Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom Einsatz ausgenommen ist.

(3) 1Die Maßregelvollzugseinrichtung führt für die Patientin oder den Patienten ein Überbrückungsgeldkonto. 2Für den Pfändungsschutz des Überbrückungsgeldes gilt § 51 Absatz 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

(4) 1Bei einer Entlassung in den Justizvollzug wird das während der Dauer des Maßregelvollzugs angesparte Überbrückungsgeld als Überbrückungsgeld mitgegeben. 2Dies gilt entsprechend bei einer Verlegung aus dem Justizvollzug in den Maßregelvollzug.

(5) Das während des Wiedereingliederungsprozesses nicht verwendete Überbrückungsgeld wird der Patientin oder dem Patienten oder der berechtigten Person spätestens im Zeitpunkt der Beendigung der Maßregel ausgezahlt.

§ 66
Eigengeld

(1) Das Eigengeld besteht aus den Geldbeträgen, die die Patientinnen und Patienten in die Maßregelvollzugseinrichtung mitbringen und die sie während der Zeit der Unterbringung erhalten, sowie den Teilen der Bezüge, die nicht als Barbetrag, Überbrückungsgeld oder Unterbringungskostenbeitrag in Anspruch genommen werden.

(2) 1Jede Maßregelvollzugseinrichtung führt für die Patientin oder den Patienten ein Eigengeldkonto, auf dem alle in Absatz 1 genannten Geldbeträge und Zahlungen geführt werden. 2Verfügungsberechtigt über das Eigengeldkonto ist die Patientin oder der Patient oder die hierzu berechtigte Person. 3Alle Verfügungen der Patientin oder des Patienten über das Eigengeld bedürfen der Genehmigung der ärztlichen Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihrer jeweiligen Vertretung. 4Diese darf die Genehmigung nur versagen, wenn die Verwendung des Geldes den Erfolg der Behandlung oder Therapie oder die Sicherheit der Einrichtung gefährden würde.

Unterabschnitt 4
Sicherheit und Ordnung

§ 67
Ärztliche Zwangsmaßnahmen

§ 29 gilt entsprechend.

§ 68
Sicherungsmaßnahmen

§ 34 gilt entsprechend.

§ 69
Ergänzende Regelungen bei freiheitsentziehenden Sicherungsmaßnahmen

(1) 1Eine Sicherungsmaßnahme nach § 34 ist mit einer freiheitsentziehenden Wirkung für die Patientin oder den Patienten verbunden, wenn die Bewegungsfreiheit der Patientin oder des Patienten innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung derart eingeschränkt wird, dass aufgrund der Dauer oder Intensität eine erhebliche, überwiegende oder vollständige Aufhebung der körperlichen Bewegungsfreiheit eintritt. 2Es gelten § 34 sowie die nachfolgenden Absätze.

(2) Freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahmen dürfen nur angewandt werden, wenn und solange sie zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder der Selbsttötung oder der Selbstverletzung unerlässlich sind und ein milderes Mittel nicht in Frage kommt.

(3) 1Bei der Anwendung von

1.
Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 und 8, bei denen der Patientin oder dem Patient über einen längeren Zeitraum oder stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass (regelmäßig) die Bewegungsfreiheit entzogen werden soll, oder
2.
nicht nur kurzfristigen Fixierungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9

ist die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu unterrichten. 2Sollen Patientinnen und Patienten Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 und 9 unterworfen werden, bedarf es zusätzlich der vorherigen Genehmigung des zuständigen Gerichts. 3Als längerer Zeitraum im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gilt grundsätzlich eine Dauer, die 24 Stunden überschreitet. 4Nicht nur kurzfristig ist eine Fixierung im Sinne des Satzes 1 Nummer 2, wenn sie absehbar eine Dauer von 30 Minuten überschreitet.

(4) 1Die gerichtliche Genehmigung erfolgt aufgrund eines Antrages der für die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 zuständigen Person. 2Ohne vorherige gerichtliche Genehmigung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub eine gegenwärtige erhebliche Gefahr verbunden ist. 3Die gerichtliche Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. 4Ist eine gerichtliche Entscheidung beantragt und die Maßnahme vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(5) 1Bei der Durchführung von freiheitsentziehenden Sicherungsmaßnahmen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 und 8 ist ergänzend zu § 34 Absatz 6 auch das erforderliche Maß an ärztlicher Kontrolle zu gewährleisten. 2Bei einer Fixierung ist darüber hinaus grundsätzlich eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sicherzustellen. 3Von einer unmittelbaren Anwesenheit der Betreuungsperson während einer Fixierung kann im Einzelfall vorübergehend abgesehen werden, wenn ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt außerhalb des Fixierungsraums zur fixierten Patientin oder zum fixierten Patienten besteht und

1.
die fixierte Patientin oder der fixierte Patient dies ausdrücklich wünscht und dieser Wunsch medizinisch vertretbar ist oder
2.
eine ärztliche, therapeutische oder pflegerische Einschätzung vorliegt, dass hierdurch eine schnellere Beendigung der Fixierung erreicht werden kann.

(6) 1Nach Beendigung einer Fixierung ist die Patientin oder der Patient in einer für sie oder ihn verständlichen Weise auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. 2Der Hinweis ist zu dokumentieren.

§ 70
Videoüberwachung

(1) Der Einsatz der Videoüberwachung in Maßregelvollzugseinrichtungen ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 verboten.

(2) 1Soweit dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Maßregelvollzugseinrichtung oder zur Gewährleistung der Sicherung der Patientinnen und Patienten erforderlich ist, dürfen mittels offener Videoüberwachung beobachtet werden:

1.
das Gelände, das Gebäude und die öffentlich zugänglichen Bereiche im Gebäudeinneren der Maßregelvollzugseinrichtung,
2.
gemeinschaftlich genutzte Bereiche der geschlossen geführten und damit nicht öffentlich zugänglichen Bereiche der Maßregelvollzugseinrichtung, insbesondere Aufenthaltsräume sowie Flur-, Hof- und Gartenbereiche.

2Die Videoüberwachung in diesen Bereichen kann auch erfolgen, wenn Patientinnen und Patienten sowie Besucherinnen und Besucher unvermeidlich betroffen werden, hinsichtlich derer die Voraussetzungen des Einsatzes nicht vorliegen. 3Der Einsatz der Videoüberwachung ist erkennbar zu machen.

(3) 1Die Anordnung einer zeitweisen Videoüberwachung einer nicht fixierten Patientin oder eines nicht fixierten Patienten ist zur Abwehr einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung zulässig, wenn sie oder er

1.
sich in einem für die vorübergehende Unterbringung und zur Beobachtung geeigneten Raum außerhalb von Patientenzimmern, insbesondere in einem Kriseninterventionsraum, befindet,
2.
zuvor von einer Ärztin oder einem Arzt persönlich untersucht und in einer ihrem oder seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise über die verfügbaren und im Rahmen ihrer Behandlung angezeigten Möglichkeiten der Beobachtung sowie über ihre Auswirkungen auf den Behandlungsverlauf aufgeklärt wurde und
3.
der Videoüberwachung zugestimmt hat oder diese nach fachlicher Abwägung anstelle einer persönlichen Betreuung aus medizinischen oder therapeutischen Gründen veranlasst ist.

2Die Videoüberwachung ist von der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt anzuordnen. 3Entfallen die Gründe, die zur Anordnung der Videoüberwachung geführt haben, ist diese unverzüglich zu beenden. 4Beginn, Dauer und Ende der Videoüberwachung, die Gründe für ihre Anordnung und die Aufklärung nach Satz 1 Nummer 2 sind zu dokumentieren.

(4) 1Bei Beginn und im Verlauf der Videoüberwachung ist sicherzustellen, dass

1.
die Monitore zur Beobachtung ausschließlich von den dazu berechtigten Personen eingesehen werden können und
2.
die Intimsphäre der betroffenen Patientin oder des betroffenen Patienten gewahrt ist, insbesondere durch das Verpixeln oder Aussparen des Sanitärbereichs von der Videoüberwachung.

2Die Aufzeichnung und Speicherung der Videoüberwachung ist zulässig. 3Hinsichtlich der Löschung der Aufzeichnungen gilt § 35 Absatz 1 Satz 2 bis 4 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes entsprechend.

§ 71
Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Patientin oder der Patient rechtswidrig und schuldhaft

1.
gegen Gesetze verstößt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht,
2.
fremde Sachen zerstört oder beschädigt,
3.
andere Personen verbal oder tätlich angreift,
4.
verbotene Gegenstände in die Einrichtung einbringt, sich an deren Einbringung beteiligt, sie besitzt oder weitergibt,
5.
entweicht oder zu entweichen versucht,
6.
gegen Weisungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen verstößt,
7.
sich übertragenen Aufgaben entzieht,
8.
unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Substanzen besitzt oder konsumiert,
9.
wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder
10.
die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung und dadurch das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung stört.

(2) 1Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

1.
das erzieherische Auseinandersetzen mit dem Sachverhalt,
2.
die Erteilung von Weisungen und Auflagen, wie beispielsweise einer Kontaktbeschränkung an eine Patientin, einen Patienten oder mehrere Patientinnen und Patienten,
3.
die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaftsräumen oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche,
4.
der Verweis,
5.
die Beschränkung des Aufenthalts im Freien bis zu einer Woche,
6.
die Beschränkung der Verfügung über Geldbeträge gemäß der §§ 63 und 64 bis zu einem Monat,
7.
die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs im Zimmer der Patientin oder des Patienten bis zu einer Woche,
8.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit bis zu einer Woche,
9.
die Beschränkung oder der Ausschluss von der Teilnahme an gemeinschaftlichen Unternehmungen bis zu einer Woche,
10.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu einem Monat unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge, wenn die Verfehlung in Zusammenhang mit der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung steht.

2Satz 1 Nummer 10 gilt nicht für freie Arbeits-, Beschäftigungs- und Ausbildungsverhältnisse.

(3) Von Disziplinarmaßnahmen wird abgesehen, wenn es genügt, die Patientin oder den Patienten zu rügen.

(4) Maßnahmen nach Absatz 2 werden von der ärztlichen Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihrer jeweiligen Vertretung angeordnet.

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(6) 1Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhält die Patientin oder der Patient Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt und der beabsichtigten Maßnahme zu äußern. 2Die Patientin oder der Patient wird unterrichtet, dass es ihr oder ihm freisteht, sich zum Sachverhalt zu äußern. 3Die Patientin oder der Patient kann eine Vertrauensperson oder einen Beistand hinzuziehen. 4Die Entscheidung wird der Patientin oder dem Patienten mündlich eröffnet. 5Die Disziplinarmaßnahme ist zu begründen und zu dokumentieren.

§ 72
Durchsuchung

§ 36 gilt entsprechend.

§ 73
Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) 1Zur Sicherheit des Vollzuges und zur Aufrechterhaltung des geordneten Zusammenlebens sind als erkennungsdienstliche Maßnahmen mit Kenntnis der Patientin oder des Patienten zulässig

1.
die Aufnahme von Lichtbildern,
2.
die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale,
3.
Messungen sowie
4.
die biometrische Erfassung von Daten der körperlichen Merkmale von Fingern, Händen, des Gesichts und der Stimme.

2Die nach Satz 1 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sind getrennt von der Patientenakte aufzubewahren.

(2) 1Die nach Absatz 1 Satz 1 erhobenen Daten dürfen der zuständigen Vollstreckungs- oder Strafverfolgungsbehörde übermittelt werden, soweit dies erforderlich ist zur Fahndung nach oder Festnahme von entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung aufhaltenden Patientinnen und Patienten. 2Die Daten sind vom Empfänger nach Beendigung der Fahndung oder nach Festnahme der gesuchten Person zu löschen.

(3) Die nach Absatz 1 Satz 1 erhobenen Daten sind zu löschen und die Unterlagen zu vernichten, sobald die vollstreckungsrechtliche Entscheidung über die Beendigung der Unterbringung und über eine etwaige Führungsaufsicht rechtskräftig ist.

§ 74
Unmittelbarer Zwang

(1) Unmittelbarer Zwang ist jede Form der unmittelbaren Einwirkung auf Patientinnen, Patienten, andere Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt oder durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt.

(2) Anordnungen und Maßnahmen nach diesem Gesetz dürfen von Bediensteten der Maßregelvollzugseinrichtung im Wege des unmittelbaren Zwangs gegenüber der Patientin oder dem Patienten durchgesetzt werden, wenn der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann und der durch den unmittelbaren Zwang zu erwartende Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(3) Gegenüber anderen Personen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Patientinnen oder Patienten der Obhut der Maßregelvollzugseinrichtung zu entziehen, wenn sie unbefugt in deren Bereich eindringen, sich unbefugt darin aufhalten oder diese trotz Aufforderung nicht verlassen.

(4) 1Unmittelbarer Zwang ist vorher anzukündigen. 2Die Ankündigung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

(5) Unter mehreren möglichen und geeigneten Formen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die die von ihr betroffene Person am wenigsten beeinträchtigt.

(6) 1Eine Nachbesprechung der Anwendung unmittelbaren Zwangs ist der Patientin oder dem Patienten von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt anzubieten, sobald es ihr oder sein Gesundheitszustand zulässt. 2Die Anwendung unmittelbaren Zwangs, das Anbieten und die Nachbesprechung sind zu dokumentieren.

(7) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auf Grund anderer Vorschriften bleibt unberührt.

§ 75
Festnahmerecht

Patientinnen oder Patienten, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung aufhalten, können von Bediensteten der Maßregelvollzugseinrichtung oder auf ihre Veranlassung hin vom Polizeivollzugsdienst festgenommen und zurückgebracht werden.

§ 76
Vorführung

(1) Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft werden Patientinnen oder Patienten, denen keine mit dem unbeaufsichtigten Aufenthalt außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung verbundene Vollzugslockerung gewährt ist, von der Maßregelvollzugseinrichtung vorgeführt.

(2) 1Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung erteilt die erforderlichen Weisungen an die mit der Vorführung beauftragten Bediensteten. 2Besteht eine erhebliche Gefahr des Entweichens der Patientin oder des Patienten, ordnet die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung die Fesselung nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 an, insbesondere für die Dauer der Vorführung. 3Es gelten § 68 in Verbindung mit § 34 und § 69.

(3) Die Maßregelvollzugseinrichtung unterrichtet das Gericht oder die Staatsanwaltschaft über das nach Absatz 2 Veranlasste.

§ 77
Belastende Vollzugsmaßnahmen

§ 39 gilt entsprechend.

Unterabschnitt 5
Beschwerdeverfahren, Rechtsmittel, Aufsicht

§ 78
Beschwerde

(1) 1Patientinnen und Patienten haben das Recht, sich mit ihren Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die zuständigen Bediensteten der Maßregelvollzugseinrichtung zu wenden. 2Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

(2) Das Beschwerderecht der Patientin oder des Patienten gilt auch gegenüber den Mitgliedern der Besuchskommissionen und den Patientenfürsprecherinnen und -fürsprechern.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

(4) 1Kenntnisse, die im Rahmen einer Beschwerde über persönliche Belange einer Patientin oder eines Patienten erlangt werden, sind vertraulich zu behandeln. 2Sie dürfen nur mit Genehmigung der Patientin oder des Patienten und nur zu dem Zweck verwertet werden, zu welchem sie mitgeteilt worden sind.

§ 79
Gerichtliche Entscheidung

(1) 1Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Vollzugsangelegenheiten auf dem Gebiet des Maßregelvollzugs kann eine Entscheidung des Gerichts beantragt werden. 2Hat die Patientin oder der Patient den Erlass einer Maßnahme beantragt und wurde diese von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt der Maßregelvollzugseinrichtung oder vom Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt abgelehnt, unterlassen oder nicht im beantragten Umfang erlassen, kann die Patientin oder der Patient auch eine gerichtliche Entscheidung beantragen. 3§ 138 Absatz 3 in Verbindung mit den §§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes gilt entsprechend.

(2) Der Anspruch nach Absatz 1 besteht unabhängig vom Beschwerderecht der Patientin oder des Patienten nach § 78.

§ 80
Fachaufsicht

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtungen unterliegen bei der Durchführung des Vollzugs einer Unterbringung nach § 47 und der Wahrnehmung der weiteren Aufgaben dieses Abschnitts der Fachaufsicht des Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

(2) 1Die Fachaufsicht erstreckt sich auf die Sicherstellung der rechtmäßigen und zweckmäßigen Aufgabenwahrnehmung. 2Die Aufsichtsbehörde kann sich insbesondere unterrichten lassen, Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen, Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke nehmen, Weisungen erteilen und Zutritt zu den Räumlichkeiten der Maßregelvollzugseinrichtung verlangen. 3Die Aufsichtsbehörde kann Einsicht in die Patientenakte nehmen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

§ 81
Meldepflichten

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtungen und die nach § 47 Absatz 2 Satz 1 beauftragten kommunalen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind verpflichtet, der obersten Aufsichtsbehörde folgende Daten jeweils zum 31. März eines Jahres für das vorangegangene Jahr zu melden:

1.
die Anzahl der Unterbringungen nach den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches,
2.
die Anzahl der Unterbringungen nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches,
3.
die Anzahl der einstweiligen Unterbringungen nach § 126a der Strafprozeßordnung,
4.
die Anzahl der einstweiligen Unterbringungen nach § 73 des Jugendgerichtsgesetzes und § 81 der Strafprozeßordnung,
5.
die Anzahl der ärztlichen Zwangsmaßnahmen nach § 67 in Verbindung mit § 29,
6.
die Anzahl der freiheitsentziehenden Sicherungsmaßnahmen nach § 68 in Verbindung mit § 34 und § 69,
7.
die Anzahl der Suizide der Patientinnen und Patienten.

(2) Näheres über Art und Umfang der Daten sowie deren Übermittlung und das Verfahren bestimmt das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Unterabschnitt 6
Lockerung, Erledigung, Nachsorge

§ 82
Vollzugslockerungen

(1) 1Auf der Grundlage des Behandlungs- und Eingliederungsplans sowie unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem bisherigen Behandlungs- und Therapieverlauf werden den Patientinnen und Patienten Vollzugslockerungen gewährt. 2Diese sind ausgeschlossen, wenn zu befürchten ist, dass Patientinnen oder Patienten sich dem Vollzug der Maßregel entziehen, die Vollzugslockerungen missbrauchen, eine Gefahr für andere darstellen oder sonst den Zweck der Maßregel gefährden würden.

(2) 1Vor der Gewährung einer Vollzugslockerung ist die Vollstreckungsbehörde zu hören. 2Die Gewährung der Vollzugslockerung ist der Vollstreckungsbehörde mitzuteilen.

(3) Der Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung erfolgt auch während der Dauer der Gewährung von Vollzugslockerungen.

(4) Vollzugslockerungen können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden.

(5) Das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern und dem für Justiz zuständigen Staatsministerium durch Rechtsverordnung die Formen und das Verfahren einer Vollzugslockerung einschließlich deren Durchführung, Aussetzung und Widerruf zu regeln.

§ 83
Förderung der Aussetzung und Erledigung der Maßregel

(1) Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung hat gegenüber der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung der Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung, die Erledigung der Maßregel oder die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge anzuregen, sofern sie die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Anordnungen für erfüllt hält.

(2) In den Fällen von Unterbringungen nach § 64 des Strafgesetzbuches hat eine unverzügliche Unterrichtung an die Vollstreckungsbehörde zu erfolgen, wenn für die Patientin oder den Patienten eine konkrete Aussicht auf einen Behandlungs- oder Therapieerfolg nicht oder nicht mehr besteht.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Aussetzung der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozeßordnung und für die vorläufigen Maßnahmen vor dem Widerruf der Aussetzung nach § 463 Absatz 1 in Verbindung mit § 453c der Strafprozeßordnung.

(4) Die Maßregelvollzugseinrichtung unterrichtet die Aufsichtsbehörde über die Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3.

§ 84
Forensische Ambulanzen

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtungen richten Forensische Ambulanzen ein.

(2) 1Die Forensischen Ambulanzen haben das Ziel, die entlassenen Patientinnen und Patienten im Prozess ihrer weiteren Verselbständigung zu begleiten und zu unterstützen, krisenhafte Entwicklungen und Zuspitzungen frühzeitig zu erkennen sowie durch Einleitung geeigneter Maßnahmen und durch therapeutische Interventionen der Gefahr neuer Straftaten entgegenzuwirken. 2Sie dienen der Stabilisierung erreichter Behandlungsfortschritte und einer erfolgreichen Eingliederung der Patientinnen und Patienten in die Gesellschaft. 3In enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Maßregelvollzugseinrichtung nimmt dabei die fachlich zuständige Forensische Ambulanz bereits während des stationären Behandlungsprozesses, jedoch frühestens zu Beginn der Phase der Entlassungsvorbereitung, ihre Tätigkeit auf.

(3) Die Forensischen Ambulanzen haben folgende Aufgaben:

1.
die Unterstützung der Maßregelvollzugseinrichtungen bei der psychiatrischen, psycho- oder soziotherapeutischen Behandlung, Betreuung und Überwachung der in den Maßregelvollzugseinrichtungen untergebrachten Patientinnen und Patienten während des Zeitraums der Entlassungsvorbereitung im stationären Bereich sowie der Patientinnen und Patienten, die sich für längere Zeit zur Vorbereitung der Entlassung außerhalb des stationären Bereichs aufhalten,
2.
die psychiatrische, psycho- oder soziotherapeutische Behandlung, Betreuung und Überwachung von Patientinnen und Patienten nach ihrer Entlassung sowie
3.
die psychiatrische, psycho- oder soziotherapeutische Betreuung, Behandlung und Überwachung von Patientinnen und Patienten, gegenüber denen das Gericht eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nummer 1 und 2 des Strafgesetzbuches angeordnet, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt oder denen es eine entsprechende Weisung nach § 67b in Verbindung mit § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 11 und Absatz 2 Satz 2 und 3 des Strafgesetzbuches erteilt hat.

(4) Die Betreuung, Behandlung und Überwachung der Patientinnen und Patienten nach Absatz 3 umfasst in der Regel Einzelgespräche, Suchtmittelkontrollen, Fallkonferenzen der Nachsorgepartner sowie empfangende, aufsuchende und begleitende Maßnahmen.

(5) 1Die Forensischen Ambulanzen arbeiten mit den Führungsaufsichtsstellen, der Bewährungshilfe und vergleichbaren Einrichtungen zusammen. 2Die Zusammenarbeit erstreckt sich bei jugendlichen Patientinnen und Patienten auch auf Jugendämter, Schul- und Bildungseinrichtungen, sozialpsychiatrische Praxen niedergelassener Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater, niedergelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Fachpsychotherapeutinnen und Fachpsychotherapeuten für Kinder und Jugendliche, jugendpsychiatrische Institutsambulanzen sowie auf sonstige in der Jugendarbeit tätige Organisationen. 3Satz 2 gilt für heranwachsende Patientinnen und Patienten entsprechend, soweit die genannten Stellen ein Angebot für Heranwachsende vorhalten.

(6) 1Die Betreuung, Behandlung und Überwachung entlassener oder sich in der Phase der Entlassungsvorbereitung befindlicher Patientinnen und Patienten durch eine andere als die fachlich zuständige Forensische Ambulanz ist im Einzelfall im Einvernehmen der Leitungen der betroffenen Maßregelvollzugseinrichtungen möglich, soweit dadurch die Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten in die Gesellschaft gefördert und die erreichten Behandlungsergebnisse langfristig gesichert werden können. 2Die Leitung einer Forensischen Ambulanz obliegt einer Fachärztin oder einem Facharzt.

(7) Die Kosten der Forensischen Ambulanzen trägt der Freistaat Sachsen, soweit nicht ein Sozialleistungsträger, die Patientin oder der Patient dazu beizutragen hat.

Abschnitt 5
Datenschutz

Unterabschnitt 1
Datenschutz im Hilfesystem und bei Unterbringung

§ 85
Datenverarbeitung

(1) Auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieses Gesetzes finden ergänzend zur Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2; L 74 vom 4.3.2021, S. 35), in der jeweils geltenden Fassung, die Vorschriften des Sächsischen Datenschutzdurchführungsgesetzes vom 26. April 2018 (SächsGVBl. S. 198, 199), das zuletzt durch Artikel 8 Absatz 6 des Gesetzes vom 6. Juli 2023 (SächsGVBl. S. 467) geändert worden ist, und des Sächsischen Krankenhausgesetzes Anwendung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen, zur Rechnungsprüfung sowie zur Durchführung von Organisationsuntersuchungen ist zulässig, wenn dies nach der Beurteilung der öffentlichen Stelle, die eine solche Befugnis wahrnimmt, erforderlich ist, weil sie ihre Aufgabe sonst nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand auf andere Weise, insbesondere mit anonymisierten Daten, erfüllen kann.

§ 86
Besonders schutzwürdige Daten

1Besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung und andere personenbezogene Daten, die einem Berufsgeheimnis oder einem besonderen Amtsgeheimnis unterfallen, dürfen die Landkreise und Kreisfreien Städte sowie die an einem Unterbringungsverfahren beteiligten Stellen für andere Zwecke als die, für welche die Daten erhoben und gespeichert worden sind, nur weiterverarbeiten, wenn

1.
die betroffene Person eingewilligt hat,
2.
eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder
3.
eine Lebensgefahr oder eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit nicht anders abgewendet werden kann.

2Eine Übermittlung an das Gericht oder die berechtigte Person ist darüber hinaus zulässig, soweit dies für eine Unterbringung nach diesem Gesetz oder für die Vertretung erforderlich ist.

§ 87
Unterrichtung in besonderen Fällen

1Ist aufgrund der Art und Schwere seiner psychischen Erkrankung anzunehmen, dass der psychisch kranke Mensch sich oder andere durch das Führen eines motorisierten Verkehrsmittels oder durch den Umgang mit Waffen gefährden könnte, kann die Leitung der zuständigen Verwaltungsbehörde oder die ärztliche Leitung des Krankenhauses, in dem die betroffene Person untergebracht ist, die zuständige öffentliche Stelle über die getroffenen Feststellungen unterrichten. 2Dem betroffenen Menschen ist vorher Gelegenheit zu geben, sich zu der Unterrichtung zu äußern. 3Eine Äußerung ist der Unterrichtung beizufügen.

§ 88
Datenlöschung

1Soweit nicht andere Vorschriften längere Aufbewahrungsfristen vorsehen, sind die unter dem Namen der betroffenen Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen

1.
von der für die Gewährung von Hilfen zuständigen Stelle spätestens zehn Jahre nach der Beendigung der Gewährung von Hilfen,
2.
von der für die Untersuchung nach § 21 Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 1 zuständigen Person spätestens zehn Jahre nach der letzten Untersuchung,
3.
von der für die Beantragung oder Anordnung einer Unterbringung zuständigen Verwaltungsbehörde spätestens zehn Jahre nach der Beendigung des Unterbringungsverfahrens, sofern die Daten nicht nach Nummer 1 oder Nummer 2 länger aufbewahrt werden dürfen,
4.
von dem Krankenhaus oder der anerkannten Einrichtung spätestens 15 Jahre nach der Beendigung der Unterbringung.

2Ist ein Rechtsstreit anhängig, sind die für den Rechtsstreit benötigten Daten erst nach dessen Beendigung zu löschen.

§ 89
Auskunfts- und Einsichtsrechte

(1) 1Die Gewährung von Auskunft und Einsicht nach Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung gegenüber der betroffenen Person kann unterbleiben, soweit und solange nach ärztlichem oder psychotherapeutischem Zeugnis erhebliche Gründe entgegenstehen, insbesondere eine Lebensgefahr oder eine Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Nachteile für die betroffene Person. 2Sie ist zu versagen, soweit ihr schutzwürdige Interessen anderer Personen entgegenstehen.

(2) 1Soweit medizinische Daten betroffen sind, dürfen Auskunft und Einsicht nur von einer Ärztin oder einem Arzt gewährt werden. 2Im Fall des Todes der betroffenen Person gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend.

(3) Die Mitglieder von Delegationen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Unterausschusses zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter erhalten während des Besuchs in einem Krankenhaus oder einer anerkannten Einrichtung Einsicht in die vorhandenen Akten der betroffenen Person, mit Ausnahme der Therapiegespräche, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderlich ist.

§ 90
Datenschutz bei Forschungsvorhaben

(1) 1Die mit der Durchführung von Hilfen, Schutzmaßnahmen und Unterbringungen befassten Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler dürfen unter Beachtung der Schweigepflicht die in diesem Zusammenhang in ihrer Einrichtung anfallenden personenbezogenen Daten für eigene wissenschaftliche Forschungsvorhaben speichern und nutzen. 2Soweit es ohne Beeinträchtigung des Forschungsvorhabens möglich ist, sind die personenbezogenen Daten zu anonymisieren. 3Satz 1 gilt entsprechend für sonstiges wissenschaftliches Personal, soweit es der Geheimhaltungspflicht des § 203 des Strafgesetzbuches unterliegt.

(2) Im Übrigen gilt § 12 des Sächsischen Datenschutzdurchführungsgesetzes.

Unterabschnitt 2
Datenschutz im Maßregelvollzug

§ 91
Entsprechende Geltung
der Regelungen für den Justizvollzug

(1) Neben § 4 Absatz 2 und 3 sowie den Vorschriften dieses Unterabschnitts gelten § 2 Nummer 2 bis 21 und 23, die §§ 3 bis 9, § 10 mit Ausnahme von Absatz 3 Satz 2, § 12 mit Ausnahme von Absatz 8 und 10 Nummer 1, § 13 Absatz 1 bis 3, die §§ 14 bis 16, 18 bis 21, 23 bis 28, 36 bis 44, 52 bis 63 und 65 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes entsprechend, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes geregelt ist.

(2) 1Die Einsichtnahme in Behandlungs- und Krankenakten zum Zweck der Aufsicht darf, soweit hierdurch der Inhalt vertraulicher Therapiegespräche betroffen ist, nur durch folgende, hierzu beauftragte Personen mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Forensik erfolgen:

1.
eine Ärztin oder einen Arzt, die oder der eine Facharztanerkennung für das Fachgebiet Psychiatrie erworben hat,
2.
eine Psychologische Psychotherapeutin oder einen Psychologischen Psychotherapeuten, eine Fachpsychotherapeutin oder einen Fachpsychotherapeuten für Erwachsene sowie diesen nach § 11 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe a und b gleichgestellte Personen oder
3.
eine Fachpsychologin oder einen Fachpsychologen für Rechtspsychologie.

2Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder ihre jeweilige Vertretung hat den Zugang der nach Satz 1 beauftragten Personen zu den Akten und zu den Patientinnen und Patienten sicherzustellen.

(3) Vollzuglicher Zweck im Sinne von § 2 Nummer 2 Buchstabe a des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes ist es, die Patientinnen und Patienten durch die Behandlung so weit wie möglich zu heilen oder ihren Zustand so weit zu verbessern, dass sie nicht mehr gefährlich sind und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft möglich ist.

(4) Anstelle des vollzuglichen Zwecks im Sinne des § 2 Nummer 2 Buchstabe a und b des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes tritt im Fall der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozeßordnung und der Unterbringung nach § 81 der Strafprozeßordnung der jeweils damit verfolgte Zweck.

(5) Eine Erhebung nach § 8 Absatz 1 Nummer 7 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes darf sich auch auf Daten aus Akten anderer gerichtlicher Verfahren beziehen.

(6) Eine Übermittlung an öffentliche Stellen nach § 12 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes ist auch zulässig, soweit dies erforderlich ist für

1.
die Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens über die Betreuung der Patientin oder des Patienten,
2.
die Geltendmachung von Ansprüchen der Maßregelvollzugseinrichtung oder zur Abwehr von gegen sie, eine Bedienstete oder einen Bediensteten gerichteten Ansprüchen oder
3.
die Festsetzung, Prüfung oder Genehmigung der Kosten des Maßregelvollzuges.

(7) Maßregelvollzugseinrichtungen dürfen an allgemein- und berufsbildende Schulen sowie an die für Schule und Berufsbildung zuständigen Behörden Daten nach § 12 Absatz 3 Satz 2 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes übermitteln, soweit dies für die Durchführung ihrer Maßnahmen im Sinne des § 53 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 und des § 84 notwendig ist.

(8) Eine Übermittlung an öffentliche Stellen nach § 12 Absatz 6 Nummer 1 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes ist auch zulässig, soweit dies unbedingt erforderlich ist für

1.
die Erstellung von Gutachten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Unterbringung im Maßregelvollzug,
2.
Entscheidungen über Vollzugslockerungen oder
3.
die Erreichung der in Absatz 6 Nummer 1 bis 3 genannten Zwecke.

(9) Eine Übermittlung von Daten nach § 12 Absatz 6 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes ist auch an Einrichtungen zulässig, in die die Patientin oder der Patient im Rahmen des Maßregelvollzuges zur Weiterbehandlung verlegt werden soll oder verlegt worden ist, soweit dies unbedingt erforderlich ist.

(10) 1Die personenbezogenen Daten nach § 37 Absatz 1 Nummer 1 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes sowie Zeitpunkt und Zeitdauer des Besuches darf die Maßregelvollzugseinrichtung bei Besucherinnen und Besuchern, die nicht Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte, Verteidigerinnen, Verteidiger, Notarinnen oder Notare in einer die Patientin oder den Patienten betreffenden Rechtssache sind, in der Behandlungs- oder Krankenakte speichern. 2Diese Daten sind nach den Vorschriften zu löschen, die für die Löschung von personenbezogenen Daten der Patientin oder den Patienten zuordenbaren Dritten gelten.

(11) Eine Kenntlichmachung nach § 44 Absatz 1 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes darf auch erfolgen, soweit dies aus Therapiegründen erforderlich ist.

(12) Abweichend von § 59 Absatz 3 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes sind die personenbezogenen Daten von Patientinnen und Patienten nach 30 Jahren und die personenbezogenen Daten von ihnen zuordenbaren Dritten nach fünf Jahren nach der Entlassung oder der Verlegung der Patientin oder des Patienten zu löschen oder so zu anonymisieren, dass die Daten nicht mehr einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können.

(13) Abweichend von § 60 Absatz 1 Satz 2 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes beträgt die Frist 30 Jahre.

(14) Für die entsprechende Anwendung der in den Absätzen 1 bis 13 genannten Vorschriften des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes treten anstelle

1.
der Justizvollzugsbehörden die Maßregelvollzugseinrichtungen und das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt,
2.
der Gefangenen die Patientinnen und Patienten, die im Vollzug der Unterbringung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 in einer Maßregelvollzugseinrichtung untergebracht sind,
3.
der Anstalt die Maßregelvollzugseinrichtung,
4.
der Gefangenenbuchungsnummer die Patientenidentifikationsnummer,
5.
des Vollzugs der Untersuchungshaft und der Freiheitsentziehungen nach § 1 Satz 1 Nummer 2 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes der Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozeßordnung,
6.
der Gefangenenpersonalakte die Patientenakte,
7.
der Gesundheits- und Therapieakte die Behandlungs- und Krankenakte,
8.
des Staatsministeriums der Justiz das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt,
9.
des Justizvollzugs der Maßregelvollzug.

§ 92
Übermittlung an die Maßregelvollzugseinrichtung

Personen nach § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 6 des Strafgesetzbuches sowie Gerichte und Behörden sind befugt, der Maßregelvollzugseinrichtung Strafurteile, staatsanwaltschaftliche Ermittlungssachverhalte, psychiatrische und psychologische Gutachten aus gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahren, den Lebenslauf und Angaben über die bisherige Entwicklung sowie Angaben über Krankheiten, Körperschäden und Verhaltensauffälligkeiten der Patientin oder des Patienten zu übermitteln, soweit dies im Rahmen des Maßregelvollzuges erforderlich ist, es sei denn, dass Rechtsvorschriften außerhalb der allgemeinen Regelungen über die Berufs- und Amtsverschwiegenheit dies untersagen.

§ 93
Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer

1.
unbefugt von diesem Unterabschnitt geschützte personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, verarbeitet,
2.
die Übermittlung personenbezogener Daten, die durch diesen Unterabschnitt geschützt werden und nicht offenkundig sind, durch unrichtige Angaben erschleicht,
3.
nach einer Verpflichtung gemäß § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 6 Satz 2 und 3 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes das Datengeheimnis gemäß § 6 Satz 1 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes verletzt oder nach einer Verpflichtung gemäß § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 20 Absatz 1 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes das Datengeheimnis verletzt, wenn die Verletzung nicht mit Strafe bedroht ist,
4.
entgegen § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 65 Nummer 4 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und mit § 35 Absatz 3 Satz 3 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358, 398), das durch Artikel 10 des Gesetzes vom 22. August 2019 (SächsGVBl. S. 663) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, die Datenschutzbeauftragte oder den Datenschutzbeauftragten einer Maßregelvollzugsbehörde wegen der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben benachteiligt,
5.
als Datenschutzbeauftragte oder Datenschutzbeauftragter einer Maßregelvollzugsbehörde ihre oder seine Verschwiegenheitspflicht nach § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 65 Nummer 4 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und mit § 35 Absatz 4 Satz 2 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes verletzt, wenn die Verletzung nicht mit Strafe bedroht ist,
6.
personenbezogene Daten ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 10 Absatz 2 und 3 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes für einen anderen Zweck verarbeitet,
7.
eine Auskunft nach § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 54 Absatz 1 und § 56 Satz 1 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes nicht richtig oder nicht vollständig erteilt,
8.
entgegen § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 65 Nummer 5 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und mit § 40 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes der oder dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten den Zugang zu den Grundstücken und Diensträumen, einschließlich aller Datenverarbeitungsanlagen und -geräte, sowie zu allen personenbezogenen Daten und Informationen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gewährt,
9.
entgegen § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 65 Nummer 5 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und mit § 40 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 des Sächsischen Datenschutz-Umsetzungsgesetzes der oder dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten die Informationen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder
10.
bei der Datenverarbeitung im Auftrag als Auftragsverarbeiter oder als eine dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter unterstellte Person gegen eine Weisung des Verantwortlichen gemäß § 91 Absatz 1 bis 13 in Verbindung mit § 5 des Sächsischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes verstößt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Der oder die Sächsische Datenschutzbeauftragte ist Verwaltungsbehörde im Sinne von § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

§ 94
Strafvorschriften

(1) Wer eine der in § 93 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 bezeichneten Handlungen gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder andere zu bereichern oder andere zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Abschnitt 6
Schlussvorschriften

§ 95
Einschränkungen von Grundrechten

Eingeschränkt werden können durch Maßnahmen nach diesem Gesetz das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen), die Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen), das Elternrecht und die Familieneinheit (Artikel 6 Absatz 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 22 Absatz 4 der Verfassung des Freistaates Sachsen), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen), das Recht auf Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 30 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen).

§ 96
Übergangsvorschrift zur Psychiatrieberichterstattung

(1) Für die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 zum Zweck der Psychiatrieberichterstattung gemäß § 8a des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Oktober 2007 (SächsGVBl. S. 422), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2024 (SächsGVBl. S. 662) geändert worden ist, erhobenen Daten nach § 8b des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes finden die §§ 8e, 8f und 8h des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes weiter Anwendung.

(2) Für die Nutzung der Psychiatrieberichterstattung findet § 8g des Sächsischen Psychisch-Kranken-Gesetzes weiter Anwendung.