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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

HA Großflächige Einzelhandelseinrichtungen

Vollzitat: HA Großflächige Einzelhandelseinrichtungen vom 19. November 2024 (SächsABl. S. 1411)

Handlungsanleitung
des Sächsischen Staatsministeriums
für Regionalentwicklung
über die Zulässigkeit von Großflächigen Einzelhandelseinrichtungen
im Freistaat Sachsen
(HA Großflächige Einzelhandelseinrichtungen)

Vom 19. November 2024

I.
Allgemeines

1. Ziel

Ziel dieser Handlungsanleitung ist es, dazu beizutragen, großflächige Einzelhandelseinrichtungen und Vorhaben mit ähnlichen Auswirkungen an raumordnerisch und städtebaulich geeigneten Stellen anzusiedeln beziehungsweise ihre Erweiterung oder Änderung zuzulassen, und zentrale Versorgungsbereiche zu erhalten und zu entwickeln. Die Handlungsanleitung ist ausschließlich auf raumordnerische und städtebauliche Erfordernisse ausgerichtet und hat nicht den Zweck, auf den Wettbewerb der einzelnen Unternehmen oder die unterschiedlichen Betriebsformen des Handels Einfluss zu nehmen. Sie soll den Trägern der Bauleitplanung und der Regionalplanung, den Raumordnungsbehörden und den Bauaufsichtsbehörden Leitlinien für die Beurteilung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen und Vorhaben mit ähnlichen Auswirkungen vorgeben.

Die Notwendigkeit einer Steuerung der Ansiedlung und Erweiterung von Einzelhandelseinrichtungen ergibt sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer stetigen Veränderung der Bevölkerungsstruktur und damit einhergehenden Veränderungen im Nachfrageverhalten nach Angeboten des Einzelhandels. Die veränderten Anforderungen und Erwartungen spiegeln sich auch in einer veränderten baulichen Gestaltung und einer Zunahme der Verkaufsfläche von Einzelhandelsbetrieben wider. Die Interessen der Betreiber an Flexibilität, insbesondere hinsichtlich des Warensortiments, sowie gesamtwirtschaftliche Aspekte sind zu berücksichtigen. Wesentliche Leitmotive müssen indes städtebauliche und raumordnerische Gesichtspunkte sein, um die Nahversorgung der Wohnbevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs mit geeigneten städtebaulichen und raumordnerischen Mitteln zu sichern. Die Innenentwicklung ist daher raumordnerisch einer ungeordneten Außenentwicklung und einer Ausdehnung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen in peripheren Stadtrandlagen vorzuziehen.

Die Handlungsanleitung soll einen Überblick über die geltenden Rahmenbedingungen geben und diese nach Möglichkeit konkretisieren. Als Verwaltungsvorschrift sind der Handlungsanleitung hierbei normative Grenzen gesetzt, insbesondere durch § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 3. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 176) geändert worden ist, sowie dem gemäß der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan Sachsen vom 14. August 2013 erlassenen Landesentwicklungsplan 2013 (LEP 2013).

Die folgenden Ausführungen dienen dem Zweck, eine landeseinheitliche Rechtsanwendung bei der Planung und bauordnungsrechtlichen Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben sicherzustellen. So soll insbesondere die kommunale Planungshoheit gestärkt werden, der bei der Einzelhandelsentwicklung vor Ort eine maßgebliche Steuerungsfunktion zu kommt.

2. Anwendungsbereich

Die Handlungsanleitung soll den Trägern der Regionalplanung, den Raumordnungsbehörden, den Gemeinden als Trägern der Bauleitplanung und den Bauaufsichtsbehörden als Grundlage für die Beurteilung von Einzelhandelsbetrieben, insbesondere Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben dienen und so auch potentiellen Investoren, Grundstückseigentümern und Unternehmen des Einzelhandels Planungs- und Investitionssicherheit bieten. Die Handlungsanleitung ist insbesondere anzuwenden bei der Planung und Zulassung folgender Vorhaben:

a)
Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen und Anlagen, die ähnliche Auswirkungen haben können,
b)
Erweiterung bestehender Einzelhandelsbetriebe zu großflächigen Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen mit ähnlichen Auswirkungen,
c)
Umwandlung von Großhandelsbetrieben in großflächige Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen mit ähnlichen Auswirkungen,
d)
Sortimentsumstellungen, die raumbedeutsame oder städtebaulich relevante Auswirkungen haben können,
e)
Nutzungsänderungen von Lagerhallen, Lagerflächen, Ausstellungsflächen, landwirtschaftlichen, militärischen oder industriellen Anlagen und vergleichbaren Anlagen hin zu großflächigen Einzelhandelseinrichtungen oder Anlagen mit ähnlichen Auswirkungen,
f)
Konzentration mehrerer Betriebe auf engem Raum (Agglomeration) sowie
g)
provisorischen, befristet genehmigten großflächigen Einzelhandelseinrichtungen.

Unternehmen des Versandhandels oder des Onlinehandels (ohne Verkaufsflächen, Abholtresen und Ähnliches), die Waren an Endverbraucher verkaufen, sind ebenfalls Einzelhandelsbetriebe. Die Regelungen des Bauplanungs- und Raumordnungsrechts zum Einzelhandel sind jedoch nur anwendbar, wenn es sich um einen Betrieb mit einer Verkaufsstätte handelt. Reine Versand- oder Onlinehandelsbetriebe unterliegen daher nicht dem Regelungsregime dieser Handlungsanleitung. Gleichwohl ist bei Untersuchungen und Gutachten zum Kaufkraftabfluss sowie zu ökonomischer Auswirkungen von großflächigen Handelsvorhaben auch der zunehmende Einfluss des Online-Handels zu berücksichtigen. Dies gilt gleichermaßen bei der Erstellung von kommunalen Einzelhandelskonzepten (siehe dazu Ziffer III).

3. Begriffe

a)
Großflächige Einzelhandelseinrichtungen
Großflächige Einzelhandelseinrichtungen im Sinne dieser Handlungsanleitung sind die von § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung erfassten Vorhaben. Danach werden Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe einem bauplanungsrechtlichen Sonderregime unterstellt. Die eigentliche Bedeutung des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung besteht darin, derartige Nutzungen einer speziellen bauleitplanerischen Regelung zu unterstellen und die genannten Vorhaben aus Gewerbe-, Misch- und Industriegebieten fernzuhalten.
b)
Großflächige Einzelhandelsbetriebe
Der Begriff Einzelhandelsbetrieb ist nicht mit einer bestimmten Betriebsform verbunden. Einzelhändler ist vielmehr jeder, der überwiegend an private Endverbraucher verkauft. Die Großflächigkeit beginnt dort, wo üblicherweise die Größe der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetrieben, sogenannten Nachbarschaftsläden, ihre Obergrenze hat. Die Großflächigkeit ist hierbei eine eigenständige Anwendungsvoraussetzung des § 11 Absatz 3 Nummer 2 der Baunutzungsverordnung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass sich als Kriterium zur Bestimmung dieses Merkmals weniger die Geschossfläche, als vielmehr die Verkaufsfläche eignet, unter anderem BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4 C 14.04. Aus Gründen der einheitlichen Handhabbarkeit in der Rechtsanwendung hat das Bundesverwaltungsgericht dabei einen Schwellenwert von 800 m² zu Grunde gelegt.
c)
Einkaufszentren, Factory-Outlet-Center
Ein Einkaufszentrum setzt im Regelfall einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe, meistens verbunden mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben, voraus. Fehlt es an der Voraussetzung einer einheitlichen Planung, dann ist außer einer engen räumlichen Konzentration ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender Organisation und Kooperation, zum Beispiel durch gemeinsame Werbung unter einer verbindenden Sammelbezeichnung, gemeinsam betriebenen Parkplätzen oder gemeinsam genutzten Lagerflächen erforderlich, welche die Ansammlung mehrerer Betriebe aus der Sicht der Kunden zu einem einheitlichen gewachsenen und aufeinander bezogenen Ganzen werden lässt. In Ortsteilen und kleineren Orten kann bereits die Zusammenfassung von nur wenigen Betrieben dieser Art mit zentrenbildender Funktion ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Baunutzungsverordnung darstellen, vergleiche BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 4.07.
Als Factory-Outlet-Center werden einheitlich geplante und errichtete bauliche Anlagen bezeichnet, in denen eine Vielzahl von Marken vom Hersteller beziehungsweise einem Konzessionär in separaten Ladeneinheiten preisreduziert an den Verbraucher veräußert werden. Die Verkaufsfläche der geplanten und vorhandenen Factory-Outlet-Center ist grundsätzlich den standortbezogenen Verkaufsflächen hinzuzurechnen und bei Ansiedlungsentscheidungen zu berücksichtigen. In Deutschland liegt die durchschnittliche Verkaufsfläche für Factory-Outlet-Center bei circa 11 000 m². Bei einem Factory-Outlet-Center handelt es sich regelmäßig um ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Baunutzungsverordnung, vergleiche BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 – 4 C 5/01.
d)
Sonstige großflächige Handelsbetriebe
Sonstige Handelsbetriebe sind Handelsbetriebe, die nicht ausschließlich Einzelhandel betreiben, jedoch mit Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind, weil sie in nicht unerheblichem Umfang auch an private Endverbraucher verkaufen und deshalb die gleichen Auswirkungen wie großflächige Einzelhandelsbetriebe haben können. Abzugrenzen sind diese Betriebe somit in erster Linie vom reinen Großhandel. Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 der Baunutzungsverordnung unterscheiden sich vom reinen Großhandel insbesondere dadurch, dass ein bestimmter Prozentsatz des Umsatzes, in der Regel mehr als 10 Prozent, durch den Verkauf an Endverbraucher erzielt wird. Anhaltspunkte für einen umfangreichen Einzelhandel können dem Bauantrag entnommen werden, zum Beispiel Sortimentsbreite, Größe der Verkaufsflächen, der Kassenzonen und Anzahl der Stellplätze.
e)
Fachmärkte
Fachmärkte sind in der Regel großflächige Einzelhandelsbetriebe, die ein breites Sortiment aus einem Warenbereich, zum Beispiel Bekleidungs- oder Schuhfachmarkt, einem Bedarfsbereich, wie zum Beispiel Sport- oder Baufachmarkt, oder einem Zielgruppenbereich, wie zum Beispiel einem Möbel- oder Haushaltswarenfachmarkt für designorientierte Kunden, in übersichtlicher Warenpräsentation bei tendenziell niedrigem bis mittlerem Preisniveau anbieten. Im Gegensatz dazu bieten Fachgeschäfte regelmäßig auf Verkaufsflächen unter 800 m² ein branchenspezifisches oder bedarfsgruppenorientiertes Sortiment in großer Auswahl sowie in unterschiedlichen Qualitäten und Preislagen mit Bedienung und ergänzenden Dienstleistungen an.
f)
Verkaufsfläche
Verkaufsfläche ist die Fläche, auf der der Verkauf stattfindet und die von den Kunden zu diesem Zweck betreten werden darf. Sie umschließt die dem Verkauf dienende Fläche einschließlich der Gänge, Treppen, Aufzüge, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen, Schaufenster und Ausstellungsflächen. Ebenso dazu zählen Kassenvorräume, einschließlich der Bereiche zum Einpacken der Ware und zur Entsorgung des Verpackungsmaterials, Windfänge und Freiflächen, soweit sie dem Kunden zugänglich sind. Auch Flächen, die der Kunde aus hygienischen oder anderen Gründen nicht betreten darf, die er aber einsehen kann, zum Beispiel eine Fleischtheke mit Bedienung durch Geschäftspersonal, zählen zur Verkaufsfläche, vergleiche BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4 C 14.04. Nicht zur Verkaufsfläche gehören dagegen reine Lagerflächen und abgetrennte Bereiche, in denen beispielsweise Waren zubereitet und portioniert werden. Freiverkaufsflächen und Verkehrsflächen vor den Läden zählen dann zur Verkaufsfläche, wenn dort nicht nur vorübergehend Waren zum Verkauf angeboten werden.
g)
Sortimente
Als Sortiment wird die Gesamtheit der von dem jeweiligen Handelsbetrieb angebotenen Warenarten verstanden. Der typische Charakter des Betriebs wird von seinem Kernsortiment, dem Hauptsortiment, bestimmt. Das Randsortiment dient der Ergänzung des Angebots und muss sich dem Kernsortiment deutlich unterordnen. Da auf Flächen der Randsortimente trotz ihres geringen Anteils an der Gesamtverkaufsfläche oft hohe Umsatzwerte erzielt werden, sind regelmäßig auch die Auswirkungen etwaiger Randsortimente auf die Zentrenstruktur genau zu untersuchen. Die Sortimentsbreite ist die Vielfalt der angebotenen Warengruppen, die Sortiments­tiefe wird durch die Auswahl innerhalb der Warengruppen charakterisiert. Im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche werden zentren- beziehungsweise innenstadtrelevante und nicht zentren- beziehungsweise nicht innenstadtrelevante Sortimente unterschieden.
aa)
Zentrenrelevante beziehungsweise innenstadtrelevante Sortimente zeichnen sich dadurch aus, dass sie vorrangig Innenstadtbesucher anziehen, häufig im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden, überwiegend ohne PKW transportiert werden können und einen geringen Flächenanspruch im Verhältnis zur Wertschöpfung haben. Bei zentrenrelevanten Sortimenten sind negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, insbesondere auf die Innenstadtentwicklung zu erwarten, wenn sie überdimensioniert an nicht integrierten Standorten angesiedelt werden.
bb)
Nicht zentren- beziehungsweise nicht innenstadtrelevant sind in der Regel Sortimente, die großflächige Betriebsformen zwingend voraussetzen, zum Beispiel sperrige Güter und Güter mit Großplatzbedarf, die eine An- und Auslieferung mit Kraftfahrzeugen erfordern und in der Regel für innerstädtische Lagen weniger geeignet sind. Diese Güter werden häufig im Zusammenhang mit handwerklichen Dienstleistungen (zum Beispiel Kfz-Handel mit Werkstatt) oder gewerblichen Nutzungen (zum Beispiel Baustoffhandel) angeboten.
cc)
Nahversorgungsrelevante Sortimente sind vor allem die Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere für die Grundversorgung mit Lebensmitteln, Getränken sowie Gesundheits- und Drogerieartikel. Sie sind zugleich eine Teilmenge der zentrenrelevanten Sortimente.
Die Festsetzung zulässiger Sortimente sowie Sortimentsbeschränkungen ist wichtiger Bestandteil des Bebauungsplans und sollte von der Kommune unter Berücksichtigung der jeweiligen ortstypischen Situation begründet, abgewogen und beschlossen werden, vergleiche auch OVG Münster, Urteil vom 3. Juni 2002 – 7 A 92/99. Die zulässigen beziehungsweise ausgeschlossenen Sortimente sind eindeutig zu bezeichnen. Soweit in einem Bebauungsplan beispielsweise für ein Gebiet „zentrenrelevante Sortimente“ zugelassen sind, ist diese Festsetzung zu unbestimmt und führt damit zur Ungültigkeit des Bebauungsplans, vergleiche BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07.
h)
Zentrale Versorgungsbereiche
Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen, häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote, eine bestimmte Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt, BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07. Der Begriff wird im Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 394) geändert worden ist, und in der Baunutzungsverordnung an verschiedenen Stellen genannt, zum Beispiel in § 2 Absatz 2 Satz 2, § 9 Absatz 2a und § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches sowie in § 11 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung. Auch wenn eine Legaldefinition fehlt, hat der Begriff durch die Aufnahme in den Katalog der Belange in § 1 Absatz 6 Nummer 4 des Baugesetzbuches an Bedeutung gewonnen. Zentrale Versorgungsbereiche können sich aus planerischen Festlegungen ergeben, namentlich aus Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen oder aus sonstigen planungsrechtlich nicht verbindlichen raumordnerischen und städtebaulichen Konzeptionen, vor allem aber aus eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen. Je nach ihrer konkreten Versorgungsfunktion können sie auf einen engeren oder einen mehr oder weniger weiten Bereich einwirken und dessen Versorgung dienen sowie dabei einen umfassenden oder nur eingeschränkten Versorgungsbedarf abdecken. Vor diesem Hintergrund können als zentrale Versorgungsbereiche angesehen werden:
aa)
Innenstadtzentren, die einen größeren Einzugsbereich, in der Regel das gesamte Stadtgebiet und gegebenenfalls sogar darüber hinaus ein weiteres Umland versorgen und in denen regelmäßig ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird,
bb)
Nebenzentren, die einen mittleren Einzugsbereich, zumeist bestimmte Bezirke größerer Städte versorgen und in denen regelmäßig ein zumindest breiteres Spektrum von Waren für den mittel- und kurzfristigen, gegebenenfalls auch den langfristigen Bedarf angeboten wird, sowie
cc)
Grund- und Nahversorgungszentren, die einen kleineren Einzugsbereich, in der Regel nur bestimmte Quartiere größerer Städte beziehungsweise gesamte kleinere Orte, versorgen und in denen regelmäßig überwiegend Waren für den kurzfristigen Bedarf und gegebenenfalls auch für Teilbereiche des mittelfristigen Bedarfs, angeboten werden.
Ein zentraler Versorgungsbereich setzt vorhandene Nutzungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde, gegebenenfalls auch nur eines Teils des Gemeindegebiets, mit Waren aller Art von Bedeutung sind. Zentral sind Versorgungsbereiche nicht nur dann, wenn sie nach Lage, Art und Zweckbestimmung der gemeindeweiten und der übergemeindlichen Versorgung dienen. Das Adjektiv „zentral“ ist nicht rein geografisch in dem Sinne zu verstehen, dass es sich um einen räumlich im Zentrum der jeweiligen Gemeinde gelegenen Bereich handeln muss, sondern es hat vielmehr eine funktionale Bedeutung. Dem Bereich muss die Bedeutung eines Zentrums für die Versorgung zukommen. Diese ist dann zu bejahen, wenn die Gesamtheit der auf eine Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in dem betreffenden Bereich aufgrund der Zuordnung dieser Nutzungen innerhalb des räumlichen Bereichs und aufgrund ihrer verkehrlichen Erschließung und Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat.
i)
Städtebaulich integrierte Lage
Die Regelungen des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung zur Einzelhandelsentwicklung zielen insbesondere darauf ab, den Einzelhandel an den Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind, vergleiche BVerwG, Urteil vom 1. August 2002, 4 C 5.01. Städtebaulich integrierte Lagen in diesem Sinne zeichnen sich dadurch aus, dass das direkte Umfeld wesentlich von zusammenhängender Wohnbebauung geprägt ist, aus der eine fußläufige Erreichbarkeit des Standorts möglich ist, ohne dass städtebauliche Barrieren den Standort von der Wohnbebauung separieren. Sie sollen insbesondere auch für die nicht motorisierte Bevölkerung die Versorgung an möglichst gut erreichbaren Standorten sichern und verfügen in aller Regel über eine ortsübliche Anbindung an Radwege oder den öffentlichen Personennahverkehr. Standorte, die hingegen nicht in einer derart zentralen und für die Wohnbevölkerung allgemein gut erreichbaren Lage liegen, dürften nicht als städtebaulich integriert anzusehen sein.
j)
Städtebauliche Entwicklungskonzepte
Ein städtebauliches Entwicklungskonzept hat eine die Aufstellung des Bebauungsplans unterstützende Funktion, siehe § 9 Absatz 2a Satz 2 des Baugesetzbuches. Es soll nachvollziehbare Aussagen, beispielsweise über die zentralen Versorgungsbereiche und ihre Schutzbedürftigkeit enthalten. Städtebauliche Entwicklungskonzepte sind so genannte informelle städtebauliche Planungen, die auch im Sinne einer Gesamtsteuerung der Gemeindeentwicklung aufgestellt und fortgeschrieben werden. Das städtebauliche Entwicklungskonzept muss von der Gemeinde beschlossen sein und, um Wirkungen im Sinne einer Feinsteuerung zu entfalten, auch tatsächlich von den Gemeinden angewandt werden. Nur so kann es auch als Ausdruck gemeindlicher Planungshoheit verstanden werden und Berücksichtigung im Sinne von § 1 Absatz 6 Nummer 11 des Baugesetzbuches finden.
k)
Einzelhandelskonzepte
Ein Einzelhandelskonzept ist in der Regel Teil eines ganzheitlichen städtebaulichen Entwicklungskonzepts. Mit der Aufstellung gemeindlicher Einzelhandelskonzepte und der planungsrechtlichen Absicherung dieser Konzepte durch Bauleitpläne können die Gemeinden die Entwicklung ihrer Zentren und Nebenzentren unterstützen und für eine ausgewogene Versorgung sorgen. Die Erarbeitung von Einzelhandelskonzepten soll in der Regel eingebettet sein in eine integrierte kommunale Entwicklungsplanung, in der sowohl Belange der sektoralen Planungen als auch der übergeordneten Planung Berücksichtigung finden. In den Einzelhandelskonzepten legen die Gemeinden ihre Entwicklungsziele für den Einzelhandel und die Standorte für die weitere Entwicklung des Einzelhandels fest. Bei der Aufstellung der Einzelhandelskonzepte sind die Standortbedingungen im Vorfeld gutachterlich zu untersuchen. Eine Beteiligung der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, der Raumordnungsbehörde (Landesdirektion Sachsen) und Organisationen des Einzelhandels sowie eine Abstimmung mit den betroffenen Nachbargemeinden und dem zuständigen Planungsverband soll erfolgen. Da kommunale Entscheidungen unter anderem wegen der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung auch regionale Auswirkungen entfalten können, kann es zweckmäßig sein, über die gemeindlichen Einzelhandelskonzepte hinaus interkommunale Einzelhandelskonzepte zu erarbeiten. Weiteres zum Themenbereich Einzelhandelskonzepte findet sich unter Ziffer III.

II.
Raumordnung und Landesplanung

Die raumordnerische Steuerung des großflächigen Einzelhandels erfolgt nach allgemein gültigen, überörtlichen und fachübergreifenden Kriterien über die Raumordnungspläne, insbesondere den LEP 2013 und die jeweils geltenden Regionalpläne. Im Raumordnungsrecht wird zwischen Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung unterschieden, vergleiche § 3 des Raumordnungsgesetzes vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 88) geändert worden ist. Ziele sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Sie sind von den in § 4 des Raumordnungsgesetzes genannten Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten. Gemeindliche Bauleitpläne sind an die Ziele der Raumordnung anzupassen, § 1 Absatz 4 des Raumordnungsgesetzes. Dies gilt auch für bereits in Kraft gesetzte Bauleitpläne. Die Anpassung ist gegebenenfalls im Wege der Kommunalaufsicht durchzusetzen. Von den Zielen, die als sogenannte Soll-Ziele formuliert wurden, können in atypischen Fallkonstellationen Ausnahmen möglich sein. Die Verletzung eines Ziels kann indes regelmäßig nicht durch die Einhaltung anderer Ziele kompensiert beziehungsweise unbeachtlich werden.

Grundsätze der Raumordnung treffen allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes und sind bei raumbedeutsamen Planungen gegeneinander und untereinander abzuwägen. Sie sind im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung zu berücksichtigen. Ebenfalls zu berücksichtigen sind sonstige Erfordernisse, beispielsweise in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren oder landesplanerische Stellungnahmen.

Die maßgeblichen Ziele des LEP 2013 werden im Folgenden näher erläutert:

1.
Zentrale-Orte-Konzept, Ziel 1.3 LEP 2013
Das Zentrale-Orte-Konzept soll unter anderem dazu beitragen, dass die Bevölkerung Einrichtungen der Daseinsvorsorge in zumutbarer Entfernung ihres Wohnortes erreichen kann. So sollen gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Freistaates Sachsen gewährleistet und verlässliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und für private und öffentliche Träger der Daseinsvorsorge bei ihren Standort- und Investitionsentscheidungen geschaffen werden. Der LEP 2013 ordnet den Zentralen Orten Verflechtungsbereiche zu, die aufzeigen, welche Städte und Gemeinden durch die jeweilige zentralörtliche Ausstattung mitversorgt werden. In der Begründung zu Ziel 1.3.2 des LEP 2013 wird gleichwohl anerkannt, dass sich durch einen erhöhten Mobilitätsgrad der Bevölkerung und den Strukturwandel die zentralörtlichen Standortbindungen lockern und eine funktional eindeutige Zuordnung nicht immer möglich ist. Um Beeinträchtigungen der jeweiligen Funktionen zu vermeiden, ist eine Abstimmung und Zusammenarbeit der Zentralen Orte auch im Bereich des großflächigen Einzelhandels geboten, vergleiche Begründung zu Ziel 1.3.3.
2.
Konzentrationsgebot, Ziele 2.3.2.1 und 2.3.2.2 LEP 2013
Das Konzentrationsgebot beziehungsweise Zentralitätsgebot bestimmt als verbindliche raumordnerische Vorgabe, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe außerhalb Zentraler Orte grundsätzlich nicht zulässig sind. Der LEP 2013 enthält keine Öffnungsklausel, die die Ansiedlung, Erweiterung oder wesentliche Änderung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben unterhalb von Grundzentren zulässt. Zur Sicherung der verbrauchernahen Versorgung mit Gütern des kurzfristigen Bedarfs ist die Ansiedlung, Erweiterung oder wesentliche Änderung auch in Grundzentren zulässig. Großflächige Einzelhandelsbetriebe dienen in der Regel der verbrauchernahen Versorgung, wenn sie auf mindestens 90 Prozent ihrer Verkaufsfläche nahversorgungsrelevantes Sortiment vertreiben. Derartige Vorhaben dienen auch der Versorgungsfunktion, die den Grundzentren in Ziel 1.3.1 LEP 2013 zugeordnet wird.
3.
Integrationsgebot, Ziel 2.3.2.3 LEP 2013
Das Integrationsgebot bestimmt, dass die Ansiedlung, Erweiterung oder wesentliche Änderung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen nur in städtebaulich integrierter Lage zulässig ist. Das Merkmal der städtebaulichen Integration wird in der Begründung des Ziels näher konkretisiert. Eine städtebaulich integrierte Lage zeichnet sich dadurch aus, dass das Umfeld des Standorts von zusammenhängender Wohnbebauung geprägt ist, aus der eine fußläufige Erreichbarkeit des Standorts gegeben ist, ohne dass städtebauliche Barrieren wie zum Beispiel Hauptverkehrsstraßen den Standort von der Wohnbebauung separieren.
In der Begründung wird auch näher auf die Differenzierung zwischen innenstadtrelevanten und nicht innenstadtrelevanten großflächigen Einzelhandelseinrichtungen eingegangen. Diese Handlungsanleitung hält an der Auffassung fest, dass bei innenstadtrelevanten Sortimenten negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, insbesondere auf die Innenstadtentwicklung, zu erwarten sind, wenn sie überdimensioniert an nicht integrierten Standorten angesiedelt werden.
4.
Kongruenzgebot, Ziel 2.3.2.4 LEP 2013
Das Kongruenzgebot bestimmt, dass die Ansiedlung, Erweiterung oder wesentliche Änderung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen nicht dazu führen soll, dass der Einzugsbereich den Verflechtungsbereich des Zentralen Ortes wesentlich überschreitet. Das Kongruenzgebot zielt auf den Schutz Zentraler Orte vor übermäßigem Kaufkraftabzug ab und ist als Soll-Ziel ausgestaltet, das in atypischen Fällen Ausnahmen zulässt. Die im LEP 2013 enthaltenen Vorgaben zu den Kategorien der Verflechtungsbereiche (Mittelbereich, Nahbereich, Oberbereich) sind unter Berücksichtigung des zeitlichen Voranschreitens und entsprechender gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen seit dem Jahr 2013 (unter anderem Strukturwandel, demographische Entwicklungen, erhöhter Mobilitätsgrad der Bevölkerung) anzuwenden.
5.
Beeinträchtigungsverbot, Ziel 2.3.2.5 LEP 2013
Hinsichtlich des Ziels 2.3.2.5 ist zu beachten, dass das Verbot, die Nahversorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich eines Vorhabens wesentlich zu beeinträchtigen, als Ziel der Raumordnung unzulässig ist, vergleiche BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2023 – 4 CN 10.21. Die vorgenannte Entscheidung ist bei der raumordnerischen Abwägung des sogenannten Beeinträchtigungsverbots des LEP 2013 zu beachten. Insbesondere die Erstellung von Verträglichkeitsgutachten ist ein geeignetes Mittel, um festzustellen, ob von einem Vorhaben wesentliche Beeinträchtigungen im Sinne des Ziels 2.3.2.5 ausgehen. So kann bewertet werden, ob ein Vorhaben den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung entspricht und ob es städtebaulich verträglich ist. Kern einer solchen Analyse ist regelmäßig eine Prognose der absatzwirtschaftlichen Auswirkungen des Einzelhandelsvorhabens, also insbesondere ob eine Umverteilung von Kaufkraft oder Umsatz wahrscheinlich ist und welche Auswirkungen dies hätte. Die Verträglichkeit kann allerdings auch mittels eines Einzelhandelskonzepts nachgewiesen werden, soweit dieses eine Planung bereits hinsichtlich dieser Fragestellung untersucht hat.
6.
Agglomerationsvorbehalt, Ziel 2.3.2.7 LEP 2013
Die vorgenannten Ziele finden auch im Falle einer Agglomeration im raumordnerischen Sinne Anwendung. Darunter ist die Ansammlung mehrerer, in der Regel baulich getrennter, selbständiger Einzelhandelsbetriebe in enger räumlicher Nachbarschaft zu verstehen, von denen raumbedeutsame Auswirkungen wie von einem Einzelhandelsgroßprojekt ausgehen oder ausgehen können. Entscheidend ist die räumliche Gesamtheit der Einzelhandelseinrichtungen, auch wenn die einzelnen Betriebe unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit bleiben. Für das Vorliegen einer Agglomeration im Sinne des Ziels 2.3.2.7 sind ein gemeinsames Betriebs- oder Marketingkonzept oder gemeinsame Stellplätze nicht erforderlich, wenn die einzelnen Betriebe in enger räumlicher Nähe zueinander liegen und von der Bevölkerung als benachbart wahrgenommen werden können.
7.
Zielabweichungsverfahren
Soweit die Bindungswirkung eines raumordnerischen Ziels der Durchführung eines Vorhabens beziehungsweise der Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplans entgegensteht, eröffnet § 16 des Landesplanungsgesetzes vom 11. Dezember 2018 (SächsGVBl. S. 706), das zuletzt durch Artikel 25 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (SächsGVBl. S. 705) geändert worden ist, die Möglichkeit, diese entgegenstehende Rechtswirkung im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens zu überwinden. Die Abweichung von Zielen der Raumordnung ist danach nur dann zulässig, wenn die Zielabweichung im Einzelfall unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, ist zu beachten, dass sich in den Zielen des Kapitels 2.3.2 LEP 2013 verschiedene Anliegen verdichten, die zur Grundkonzeption der raumordnerischen Planung gehören. Sie stellen den konzentrierten Ausfluss eines planerischen Gesamtkonzepts dar.

III.
Gemeindliche Planung

Bei der Steuerung der Einzelhandelsentwicklung kommt den Gemeinden eine entscheidende Rolle zu. Im Rahmen ihrer Planungshoheit sind die Gemeinden ermächtigt, die Städtebaupolitik und damit die Einzelhandelssteuerung nach ihren Vorstellungen zu betreiben. Insbesondere konzeptionelle Festlegungen über die Zulässigkeit und den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben an bestimmten Standorten sowie die Reglementierung von Sortimenten in bestimmten Bereichen, sind dabei geeignete Mittel, um zum Beispiel zentrale Versorgungsbereiche zu schützen oder zu entwickeln, vergleiche BVerwG, Beschluss vom 10. November 2004, 4 BN 33.04. Durch die Aufstellung von gemeindlichen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten und der planungsrechtlichen Umsetzung dieser Konzepte können Gemeinden die Entwicklung ihrer Zentren und Nebenzentren steuern, unterstützen und so für eine ausgewogene Versorgung sorgen. Einzelhandelskonzepte dokumentieren die kommunalen Planungsabsichten, stellen eine Beurteilungsgrundlage für die Bauleitplanung dar und bieten Planungs- und Investitionssicherheit für den Einzelhandel, potentielle Investoren und Grundstückseigentümer. Gemeinden können in den Einzelhandelskonzepten ihre Entwicklungsziele für den Einzelhandel und Anforderungen an die zukünftige Entwicklung bestimmter Standorte festlegen. Als Bestandteile gemeindlicher Einzelhandelskonzepte werden daher beispielsweise empfohlen:

1.
Bestandserhebung und -analyse der örtlichen Einzelhandelssituation,
2.
Darstellung der städtebaulichen Konzeption für die Einzelhandelsentwicklung,
3.
Identifizierung der bestehenden tatsächlichen zentralen Versorgungsbereiche sowie räumliche und funktionale Festlegungen zur perspektivischen Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
4.
Ortsspezifische Liste zentrenrelevanter Sortimente und
5.
Empfehlungen für die Bauleitplanung, wie sich die räumlichen und funktionalen Festlegungen auswirken; insbesondere hinsichtlich der Überprüfung geltender Bebauungspläne und bereits vorhandener Einzelhandelsstandorte im unbeplanten Innenbereich und gegebenenfalls bestehender Agglomerationen.

Bei der Aufstellung von gemeindlichen Planungen (wie Einzelhandelskonzepten und Bebauungsplänen) sowie bei Vorhaben nach § 34 des Baugesetzbuches soll eine Beteiligung der betroffenen Träger öffentlicher Belange, insbesondere der jeweils zuständigen Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer, der Raumordnungsbehörde (Landesdirektion Sachsen), des Planungsverbands sowie der betroffenen Nachbargemeinden sichergestellt werden. Auch eine Beteiligung der örtlichen Bevölkerung sowie in kleineren Kommunen wesentlicher ortsansässiger Handelsbetriebe kann zweckmäßig sein. Bei der Aufstellung sind vorhandene regionale Einzelhandelskonzepte zu berücksichtigen. Mehrere Kommunen können solche regionalen Einzelhandelskonzepte auch gemeindeübergreifend gemeinsam aufstellen. Damit ein Einzelhandelskonzept als städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 11 des Baugesetzbuches gelten kann, das in der Bauleitplanung zu berücksichtigen ist, muss es vom Gemeinderat nach Abwägung der betroffenen Belange förmlich beschlossen werden. Vorhandene Einzelhandelskonzepte sollten regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.

IV.
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einzelvorhaben

Großflächige Einzelhandelseinrichtungen weisen mittlerweile regelmäßig eine Verkaufsfläche von mehr als 800 m² und eine Geschossfläche von mehr als 1 200 m² auf. Sie sind unter Berücksichtigung der Vermutungsregelung in § 11 Absatz 3 Satz 3 der Baunutzungsverordnung grundsätzlich nur in Sonder- und Kerngebieten zulässig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann gemäß § 11 Absatz 3 Satz 4 der Baunutzungsverordnung in atypischen Fallgestaltungen gemacht werden. Die eindeutigen Vorgaben der Baunutzungsverordnung einerseits und die modernen Anforderungen an Lebensmittelmärkte andererseits, führen dazu, dass eigentlich als Ausnahme gedachte Fallkonstellationen mittlerweile oft der Regelfall sind. Diese Konstellation stellt eine Herausforderung dar, der mit den folgenden Ausführungen begegnet werden soll.

1. Zulässigkeitskriterium des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung

Gemäß § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung sind Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe nur in Kerngebieten und in für solche Betriebe ausdrücklich ausgewiesenen Sondergebieten zulässig. Bei Einkaufszentren ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu prüfen, welche Auswirkungen vom Vorhaben konkret ausgehen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, eventuelle Kaufkraftabzüge konkret zu belegen. Vielmehr geht der Normgeber davon aus, dass sich die in § 11 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung bezeichneten Auswirkungen bei Einkaufszentren generell nicht ausschließen lassen, sodass sich eine Einzelfallprüfung erübrigt.

Bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben ist hingegen eine Prüfung erforderlich, ob diese dem Regime des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung unterliegen. Dies ist der Fall, wenn sie sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können. Die Vorschriften des § 11 Absatz 3 Satz 2 bis 4 der Baunutzungsverordnung regeln, wann solche Auswirkungen bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben anzunehmen sind.

Für die Anwendung von § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung bedarf es nicht des konkreten Nachweises, dass Auswirkungen tatsächlich eintreten. Es genügt vielmehr die Möglichkeit des Eintretens dieser Auswirkungen. Je deutlicher die Regelgrenze von 1 200 m² Geschossfläche überschritten ist, desto größeres Gewicht kommt der Vermutungswirkung des § 11 Absatz 3 Satz 3 der Baunutzungsverordnung zu. Als Hilfestellung zum Umgang mit der Vermutungsregelung, und um die Anwendung des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung in der Genehmigungspraxis zu erleichtern, wird der Leitfaden zum Umgang mit § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung in Bezug auf Betriebe des Lebensmitteleinzelhandels, beschlossen durch die Fachkommission Städtebau am 28. September 2017, zur Anwendung empfohlen. Einen zusätzlichen Überblick sollen die folgenden Ausführungen geben.

a)
Landesplanerische und städtebauliche Auswirkungen gemäß § 11 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung
Die landesplanerischen oder städtebaulichen Auswirkungen werden in § 11 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung beispielhaft konkretisiert. Im Einzelfall können auch nicht ausdrücklich aufgeführte Auswirkungen von Bedeutung sein. Bei der Prüfung sind die unterschiedlichen städtebaulichen Verhältnisse in den verschiedenen Siedlungsräumen zu berücksichtigen. In städtischen Ballungsgebieten sind im Einzelfall andere Maßstäbe anzulegen, als in ländlichen, weniger dicht besiedelten Gebieten, in denen sich das Einzugsgebiet eines Einzelhandelsbetriebs auf einen größeren Radius erstreckt. In § 11 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung werden darüber hinaus beispielhaft folgende Auswirkungen genannt:
aa)
Zu den schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Absatz 1 und 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274; 2021 I S. 123), das zuletzt durch Artikel 11 Absatz 3 des Gesetzes vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 202) geändert worden ist, zählen insbesondere erhebliche Lärm-, Abgas- und Geruchsbelästigungen der Nachbarschaft durch Kunden- und Lieferverkehr auf dem Betriebsgelände und dorthin führenden Straßen. Auch das Be- und Entladen oder die Störung durch Maschinenanlagen, wie Lüftungsanlagen, oder die Beleuchtung der Stellplätze oder Leuchtreklame können die Nachbarschaft erheblich beeinträchtigen.
bb)
Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung liegen vor, wenn die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung des Vorhabens nicht gewährleistet ist beziehungsweise das vorhandene Verkehrsnetz nach seiner Konzeptions- und Leistungsfähigkeit nicht auf das Vorhaben ausgerichtet ist. Das gilt vor allem dann, wenn Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs fehlen oder unzureichend dimensioniert sind. Auf § 16 des Sächsischen Straßengesetzes vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 93), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. August 2019 (SächsGVBl. S. 762; 2020 S. 29) geändert worden ist, wonach derjenige, der den aufwendigeren Bau einer Straße veranlasst, dem Träger der Straßenbaulast die Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung zu vergüten hat, wird hingewiesen. Zur infrastrukturellen Ausstattung gehören auch sonstige Erschließungsanlagen, Wasser-, Sammel- und Abwasserbeseitigungsanlagen, Abfallbeseitigungsanlagen, Feuerwehr, Rettungsdienst sowie die Versorgung mit Energie, Wasser, Wärme.
cc)
Auswirkungen auf den Straßenverkehr betreffen sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr. Sie sind anzunehmen, wenn vorhandene Verkehrseinrichtungen durch den vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Verkehr überlastet beziehungsweise ihrer bestimmungsmäßigen Nutzung entzogen werden oder wenn Verkehrsbehinderungen auftreten. Dieses wäre zum Beispiel dann zu bejahen, wenn Wohnstraßen zusätzlich wesentlich belastet und zu Durchgangsstraßen werden oder sich an Verkehrsknoten Staus entwickeln können. Auf das Erfordernis einer hinreichenden Stellplatzzahl wird hingewiesen, vergleiche auch § 49 der Sächsischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Mai 2016 (SächsGVBl. S. 186), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. März 2024 (SächsGVBl. S. 169) geändert worden ist, in Verbindung mit den entsprechenden Ausführungen zu Stellplatzrichtzahlen in der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Sächsischen Bauordnung vom 18. März 2005 (SächsABl. SDr. S. S 59, S 363), die zuletzt durch die Verwaltungsvorschrift vom 9. Mai 2019 (SächsABl. S. 782) geändert worden ist, zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 5. Dezember 2023 (SächsABl. SDr. S. S 321).
dd)
Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen können sich dadurch ergeben, dass die von solchen Einrichtungen ausgehende Kaufkraftbindung möglicherweise die Existenz von kleineren, auf die Nahversorgung für den kurzfristigen Bedarf ausgerichteten, Läden gefährdet. Durch damit verbundene Geschäftsaufgaben kann die verbrauchernahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs erschwert oder gefährdet werden. Ein wesentlicher Kaufkraftabzug von vorhandenen Einzelhandelsbetrieben stellt für sich genommen noch keine Auswirkung im dargestellten Sinne dar, da das öffentliche Baurecht keine wirtschaftslenkende Funktion wahrnimmt und nicht dem Konkurrentenschutz ortsansässiger Betriebe dient. Eine raumordnerische und städtebauliche Relevanz ergibt sich erst, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist. Die Frage, ob dies zu befürchten ist, ist im Zweifelsfall durch neutrale Gutachter zu klären.
ee)
Die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden kann durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen negativ berührt werden, wenn bestehende oder geplante Zentren in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt oder deren Entwicklungspotenziale wesentlich beeinträchtigt werden. Schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich sind auch dann zu erwarten, wenn schon vorhandene Einzelhandelsbetriebe den Versorgungsbereich schädigen und die Schädigung durch einen neu hinzutretenden Einzelhandelsbetrieb verstärkt wird, BVerwG, Beschluss vom 12.01.2017, 4 B 43.16.
ff)
Städtebaulich unerwünschte Folgen können in Abhängigkeit von der planerischen Konzeption der Gemeinde darin liegen, dass es durch einen übermäßigen Kaufkraftabzug zu Gunsten großflächiger Einzelhandelseinrichtungen in nicht integrierten Standorten zu Geschäftsaufgaben und Leerstand von Geschäften in zentraler Lage kommt. Die hiermit verbundene Minderung der Attraktivität der betroffenen Haupt- oder Nebenzentren der Gemeinde oder der Nachbargemeinden kann mit einer Gefährdung der zentralen Versorgungsbereiche einhergehen. Eine raumordnerische Relevanz ist dann gegeben, wenn durch Entwicklungen der beschriebenen Art das landesplanerische System der Zentralen Orte dadurch gefährdet werden kann, dass ausgewiesene Zentren ihre zentralörtliche Funktion nicht mehr ausreichend wahrnehmen können. Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild kommen bei einem nach Lage, Umfang und Größe aus dem Rahmen der Umgebung fallenden oder in der Landschaft dominierenden Vorhaben in Betracht, insbesondere bei Vorhaben am Stadtrand und im ländlichen Raum. Sie können beispielsweise darin bestehen, dass die Geschlossenheit eines Ortsbildes durch eine großflächige Einzelhandelseinrichtung gestört wird. Dies gilt in besonderem Maße, wenn das Projekt in der Nähe denkmalgeschützter oder sonstiger das Ortsbild prägender Einzelbauten und Ensembles errichtet werden soll oder wenn Auswirkungen auf die Stadtsanierung zu erwarten sind. Anders als § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 des Baugesetzbuches, der erst bei einer Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds eine Verletzung öffentlicher Belange annimmt, reicht hier eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung dieser Schutzgüter aus.
gg)
Auswirkungen auf den Naturhaushalt können durch eine Beeinträchtigung des Ökosystems gegeben sein. Zu untersuchen sind die Auswirkungen von Betrieben sowohl auf Leistungsfähigkeit und Wirkungsgefüge des Naturhaushalts als auch auf die einzelnen Bestandteile des Naturhaushalts, insbesondere auf Boden, Wasser, Luft und Klima.
b)
Vermutungsregel gemäß § 11 Absatz 3 Satz 3 und 4 der Baunutzungsverordnung
Nach § 11 Absatz 3 Satz 3 der Baunutzungsverordnung sind Auswirkungen in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche des Betriebs 1 200 m² überschreitet. Diese gesetzliche Regelvermutung kann im Einzelfall widerlegt werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Auswirkungen trotz Überschreitens dieses Richtwerts nicht auftreten oder trotz Unterschreitens dennoch vorliegen, vergleiche § 11 Absatz 3 Satz 4 der Baunutzungsverordnung. Anhaltspunkte für die Rechtfertigung der Annahme, dass die Vermutungsregelung nicht zutrifft, können sich sowohl aus den betrieblichen Merkmalen des Vorhabens als auch aus Besonderheiten der städtebaulichen oder raumordnerischen Situation ergeben. In § 11 Absatz 3 Satz 4 Halbsatz 2 der Baunutzungsverordnung sind einige Anhaltspunkte beispielhaft aufgeführt. Mit dem Kriterium der Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile trägt § 11 Absatz 3 Satz 4 der Baunutzungsverordnung dem Umstand Rechnung, dass die städtebaulichen Folgen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs maßgeblich davon abhängen, in welchem Umfeld er angesiedelt wird. Ob negative Auswirkungen zu erwarten sind, ist u. a. anhand der städtebaulichen Integration des Einzelhandelsbetriebs zu beurteilen. In einer kleinen Gemeinde kann bereits ein Betrieb mit weniger als 1 200 m² Geschossfläche Auswirkungen haben, während der gleiche Betrieb in einem städtischen Umfeld keine Auswirkungen zeigt und integriert ist. Die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung ist dann nicht nachteilig betroffen, wenn der beantragte Betrieb eine Unterversorgung der Ortsteile in seinem Einzugsbereich mit Waren des täglichen und des kurzfristigen Bedarfs beseitigt. Die Ansiedlung eines städtebaulich integrierten Einzelhandelsbetriebs hat indes nicht allein deswegen negative Auswirkungen, weil damit andere bereits bestehende städtebaulich integrierter Einzelhandelsbetriebe in ihrer Existenz gefährdet würden.
Die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung wird insbesondere durch den Lebensmitteleinzelhandel wahrgenommen. Von großflächigen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben in größeren Gemeinden und Ortsteilen sind auch oberhalb der Regelvermutungsgrenze von 1 200 m² Geschossfläche unter Berücksichtigung des Einzelfalls dann keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung und den Verkehr zu erwarten, wenn der Anteil nicht nahversorgungsrelevanten Sortiments weniger als 10 Prozent der Verkaufsfläche betrifft, und der Standort verbrauchernah und hinsichtlich des induzierten Verkehrsaufkommens verträglich sowie städtebaulich integriert ist. Liegt der Vorhaben­standort innerhalb eines zentralen Versorgungsbereichs, begründet dies regelmäßig eine Atypik im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 4 der Baunutzungsverordnung, vergleiche BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2021 – 4 B 44.20. Die Lage in einem zentralen Versorgungsbereich ist regelmäßig auch mit einer städtebaulich integrierten Lage verbunden.
Betriebliche Besonderheiten, die von der typischen Fallgestaltung abweichen können, sind insbesondere gegeben, wenn der Betrieb auf ein schmales Warensortiment beschränkt ist, zum Beispiel auf Gartenbedarf, bei Artikeln, die üblicherweise zusammen mit handwerklichen Dienstleistungen angeboten werden, zum Beispiel beim Kfz-Handel mit Werkstatt, bei Artikeln, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen, zum Beispiel beim Baustoffhandel. Für alle atypischen Fallgestaltungen gilt Folgendes: Soweit bei einer atypischen Fallgestaltung die Vermutungsregel nicht anzuwenden ist, muss die Abschätzung möglicher Auswirkungen auf konkrete Untersuchungen gestützt werden. Die atypische Fallgestaltung kann nicht losgelöst von der Größenordnung des Vorhabens beurteilt werden. Auch bei Vorhaben mit einem schmalen Warensortiment und nicht zentrenrelevanten Kernsortimenten können aufgrund der Größe des Vorhabens Auswirkungen auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf das Orts- und Landschaftsbild oder auf den Naturhaushalt vorliegen. Außerdem sind bei solchen Vorhaben aufgrund branchenüblicher zentren- und nahversorgungsrelevanter Randsortimente Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Ansiedlungsgemeinde oder in benachbarten Gemeinden möglich und daher auch konkret zu prüfen.
c)
Sonderfall Agglomeration
Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung können auch dadurch gegeben sein, dass mehrere kleine Betriebe mit einer Größe von jeweils unter 1200 m² Geschossfläche in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang errichtet werden, zu vorhandenen Betrieben neue Betriebe mit Geschossflächen unter 1200 m² hinzutreten oder vorhandene Betriebe entsprechend erweitert oder umgenutzt werden sollen.
Ob es sich um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt, das heißt, ob die Verkaufsfläche zusammengerechnet werden kann, so dass insgesamt die Großflächigkeit des Betriebes zu bejahen wäre, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten. Ein Einzelhandelsbetrieb ist nur dann als selbständig anzusehen, wenn er unabhängig von anderen Betrieben genutzt werden kann und deshalb als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre, vergleiche BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4 C 14.04. Dieses ist bei einem Betrieb zu bejahen, der über einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume verfügt. Soweit baulich und funktionell eigenständige Betriebe vorliegen, das heißt, der einzelne Betrieb unabhängig von anderen Einzelhandelsbetrieben genutzt werden kann, dürfen die Verkaufsflächen nicht zusammengerechnet werden. Eine Zusammenrechnung der Verkaufsflächen innerhalb eines Gebäudes ist vorzunehmen, wenn ein Betrieb als Hauptbetrieb dominiert und das Warenangebot der anderen Betriebe vom Verbraucher nur als Randangebot wahrgenommen wird. Dieses bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

2. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 des Baugesetzbuches)

a)
Grundsatz
Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne von § 30 Absatz 1 des Baugesetzbuches (qualifizierter Bebauungsplan) ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Das gleiche gilt für Vorhaben im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 30 Absatz 2 des Baugesetzbuches. Die zulässige Art der baulichen Nutzung ist in den Bebauungsplänen durch Baugebiete in Verbindung mit der Baunutzungsverordnung festgesetzt. Die für den jeweils festgesetzten Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung geltenden Vorschriften finden damit Eingang in den Bebauungsplan, § 1 Absatz 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung. Im Geltungsbereich von Bebauungsplänen findet hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung unmittelbar Anwendung, wonach großflächige Einzelhandelsvorhaben außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind. In allen anderen Baugebieten sind sie somit, soweit die Regelvermutung des § 11 Absatz 3 Satz 3 der Baunutzungsverordnung greift, unzulässig.
b)
Korrektur im Einzelfall
Eine nach § 30 des Baugesetzbuches grundsätzlich gegebene bauplanungsrechtliche Zulässigkeit kann durch die Anwendung des § 15 der Baunutzungsverordnung eingeschränkt werden. Dies kommt nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines grundstücksbezogenen atypischen Sachverhalts in Betracht und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Großflächige Einzelhandelseinrichtungen können demnach auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung im Einzelfall unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen oder von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Diese Vorschrift dient dazu, im Einzelfall bei atypischer Fallgestaltung vom Satzungsgeber nicht beabsichtigte, unangemessene Ergebnisse zu vermeiden, ist aber kein Mittel, um eine planerische Fehlentscheidung zu korrigieren.
Die durch § 15 der Baunutzungsverordnung geschützte Umgebung reicht nur so weit, wie die Nutzung anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht durch ein Vorhaben unmittelbar beeinträchtigt werden kann. Die Vorschrift des § 15 Absatz 1 Satz 2 der Baunutzungsverordnung erfordert als Ausdruck des Gebots der Rücksichtnahme einen eingrenzbaren Bereich von Grundstücken, auf die Rücksicht zu nehmen ist und stellt nur auf unmittelbar die konkrete Nutzung von Grundstücken betreffende Beeinträchtigungen ab, die bauaufsichtlich erfasst und verhindert werden können oder sollen. Unzumutbare Belästigungen und Störungen im Sinne des § 15 der Baunutzungsverordnung können zum Beispiel darin bestehen, dass ein durch die Realisierung eines Vorhabens verursachtes hohes Verkehrsaufkommen die öffentlichen Straßen in der maßgeblichen Umgebung ungewöhnlich belastet, so dass der Zu- und Auslieferungsverkehr anderer Grundstücke erheblich behindert wird oder Wohngrundstücke durch Immissionen übermäßig stark beeinträchtigt werden. Mittelbare städtebauliche Auswirkungen werden hingegen nicht erfasst.
c)
Einfacher Bebauungsplan
Liegt ein einfacher Bebauungsplan gemäß § 30 Absatz 3 des Baugesetzbuches vor, so sind Handelsbetriebe aller Art nur zulässig, wenn sie dessen Festsetzungen nicht widersprechen. Im Übrigen ist das Vorhaben nach § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches oder nach § 34 Absatz 2 des Baugesetzbuches zu beurteilen.

3. Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, § 34 des Baugesetzbuches

Die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im Sinne von § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil (Innenbereich) ist unterschiedlich zu beurteilen und zwar bei einer näheren Umgebung, die einem Baugebiet der Baunutzungsverordnung entspricht, hinsichtlich der Art der Nutzung nach § 34 Absatz 2 des Baugesetzbuches, hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche nach § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches (dazu siehe Ziffer IV Nummer 3 Buchstabe a; bei einer näheren Umgebung, die uneinheitlich strukturiert und keinem Baugebiet der Baunutzungsverordnung vergleichbar ist, nur nach § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches (dazu siehe Ziffer IV Nummer 3 Buchstabe b, unter Beachtung des § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches als zusätzlicher Zulassungsvoraussetzung.

a)
Bereich, der einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung entspricht (§ 34 Absatz 2 des Baugesetzbuches)
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebietstypen, führt dies hinsichtlich der Beurteilung des Vorhabens nach der Art seiner baulichen Nutzung zur Anwendung von § 34 Absatz 2 des Baugesetzbuches. In diesem Fall ist § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung unmittelbar anzuwenden. Danach ist das Vorhaben nur zulässig, wenn die vorhandene Bebauung als faktisches Kern- oder als Sondergebiet zu qualifizieren ist. Ist die nähere Umgebung dagegen als Misch-, Gewerbe- oder Industriegebiet einzuordnen, ist ein Vorhaben, das die Voraussetzungen des § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung erfüllt, unzulässig. Bei dieser Beurteilung sind auch die landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die räumlich über die nach § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches maßgebliche nähere Umgebung hinausgehen, die Fernwirkungen.
b)
Bereich, der keinem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung entspricht (§ 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches)
Sofern die nähere Umgebung nicht einem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung entspricht, ist ein Vorhaben gemäß § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches zulässig, wenn es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Dies ist dann der Fall, wenn es sich innerhalb des sich aus der näheren Umgebung ergebenden Rahmens hält, also in der näheren Umgebung bereits vorhanden ist. Danach ist ein Vorhaben unzulässig, wenn es den aus der Umgebung hervorgehenden Rahmen überschreitet, in dem es dort kein Vorbild oder keine Entsprechung findet und es zusätzlich geeignet ist, selbst oder in Folge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen, vergleiche BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 30.78. Ist in der näheren Umgebung kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb vorhanden und werden bodenrechtliche Spannung dadurch erzeugt oder verstärkt, dass zum Beispiel durch den zu erwartenden Kundenverkehr Anwohner mit höherem Verkehrslärm belastet werden, führt dies zwingend zur Unzulässigkeit eines großflächigen Einzelhandelsvorhabens. Es ist zu beachten, dass der Ausnahmevorbehalt des § 34 Absatz 3a Satz 1 des Baugesetzbuches Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen können, nicht erfasst, vergleiche § 34 Absatz 3a Satz 2 des Baugesetzbuches. Soweit sich ein Vorhaben nach den oben skizzierten Kriterien gemäß § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches einfügt, weil zum Beispiel die nähere Umgebung bereits durch großflächige Einzelhandelseinrichtungen geprägt ist, kann ihm eine etwaige Unvereinbarkeit mit einem im LEP 2013 oder einem Regionalplan festgelegten landesplanerischen Ziel nicht entgegen gehalten werden, da solche über die nähere Umgebung hinausgehenden Fernwirkungen bei der Beurteilung des Einfügens im Sinne von § 34 Absatz 1 des Baugesetzbuches außer Betracht bleiben. Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung bedürfen insoweit der Umsetzung in einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan, um sich auf die Zulässigkeit von Einzelvorhaben auswirken zu können. Die Ansiedlung einer planungsrechtlich nach § 34 des Baugesetzbuches zulässigen großflächigen Einzelhandelseinrichtung kann nur dadurch verhindert werden, dass die Gemeinde – solange über den Bauantrag noch nicht entschieden wurde – einen Bebauungsplan aufstellt und eine Veränderungssperre gemäß § 14 des Baugesetzbuches erlässt.
c)
Schutz zentraler Versorgungsbereiche (§ 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches)
Für die Sicherung zentraler Versorgungsbereiche im Innenbereich wurde die Regelung des § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches eingeführt. Hiernach dürfen von Vorhaben im Sinne des § 34 Absatz 1 und 2 des Baugesetzbuches keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Die Vorschrift erfasst sowohl großflächige als auch nicht großflächige Einzelhandelsvorhaben. Schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches sind zu erwarten, wenn die städtebauliche Funktion eines zentralen Versorgungsbereichs nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird, unter anderen, wenn ein Einzelhandelsbetrieb außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs, aber mit Auswirkungen auf diesen errichtet werden soll, dadurch Kaufkraft aus dem zentralen Versorgungsbereich abgezogen wird und der für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs notwendige Warenumsatz im Allgemeinen oder in seinen wichtigen Bestandteilen nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Es reicht aus, dass solche Auswirkungen zu erwarten sind, dass also beispielsweise aufgrund einer Prognoseentscheidung mit Umsatzumverteilungen zu rechnen ist. Wenn ein zentraler Versorgungsbereich vorhanden ist, ist seine tatsächliche ökonomische und städtebauliche Situation zu betrachten, vergleiche BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07. Zu berücksichtigen sind insoweit der räumliche Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs sowie die Auswirkungen des Vorhabens in räumlicher Hinsicht. Bei der Prognose, ob Funktionsstörungen der zentralen Versorgungsbereiche zu erwarten sind, ist auch zu untersuchen, welche Verkaufsfläche der Betrieb im Vergleich zu der gesamten Verkaufsfläche im zentralen Versorgungsbereich hat. Der im jeweiligen Fall zu berücksichtigende zentrale Versorgungsbereich kann in der Gemeinde liegen, in der das Vorhaben nach § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches zu beurteilen ist, aber auch in Nachbargemeinden. Die Einhaltung des § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches hat insoweit auch Bedeutung für das gemeindenachbarliche Abstimmungsgebot des § 2 Absatz 2 des Baugesetzbuches.
d)
Einfacher Bebauungsplan zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Absatz 2a des Baugesetzbuches)
Mit der Regelung des § 9 Absatz 2a des Baugesetzbuches kann der mit § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches verfolgte Zweck in einem einfachen Bebauungsplan umgesetzt und verbindlich gemacht werden. Ermöglicht wird ein Bebauungsplan, mit dem im nicht-beplanten Innenbereich zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche gezielte Bestimmungen über die Zulässigkeit bestimmter Arten von Nutzungen und damit insbesondere von Einzelhandelsbetrieben getroffen werden können. Schutzobjekt gemäß § 9 Absatz 2a des Baugesetzbuches ist nicht nur ein bereits vorhandener zentraler Versorgungsbereich, sondern auch ein erst zu entwickelnder Versorgungsbereich. Insoweit geht § 9 Absatz 2a des Baugesetzbuches über den Anwendungsbereich des § 34 Absatz 3 des Baugesetzbuches hinaus. Der Regelungsinhalt ist an § 1 Absatz 5, 8 und 9 der Baunutzungsverordnung angelehnt, erfordert aber nicht die Festsetzung eines Baugebiets. Ein Bebauungsplan, der nur Festsetzungen nach § 9 Absatz. 2a des Baugesetzbuches enthält, kann im vereinfachten Verfahren gemäß § 13 Absatz 1 des Baugesetzbuches aufgestellt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen. In der Begründung zum Bebauungsplan ist darzulegen, inwiefern der Bebauungsplan der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche dienen soll. Gemäß § 9 Absatz 2a Satz 2 des Baugesetzbuches ist insbesondere ein städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 11 des Baugesetzbuches zu berücksichtigen, das Aussagen über die vorhandenen und zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. Es ist möglich – und im Sinne einer nachhaltigen städtebaulichen Planung sogar zu empfehlen –, dass sich eine Gemeinde zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche sowohl des Instruments des einfachen Bebauungsplans nach § 9 Absatz 2a des Baugesetzbuches bedient, als auch durch eine Änderung bereits bestehender Bebauungspläne nach § 30 Absatz 1 und 2 des Baugesetzbuches Ausschlusskriterien in diesen, bereits überplanten, Bereichen festlegt. So könnten bestehende und zu entwickelnde zentrale Versorgungsbereiche für das gesamte Gemeindegebiet gesichert werden. Zur städtebaulichen Nachvollziehbarkeit sollte ein gemeindeweites Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Bauleitplanung zu Grunde gelegt und vom Gemeinderat verabschiedet werden (siehe hierzu auch Ziffer III.). Um diesen Sicherungsgedanken planerisch zu komplettieren und im Sinne der Rechtsprechung nachvollziehbar zu machen, empfiehlt sich darüber hinaus, eine positive planerische Ausweisung hinsichtlich des zu schützenden zentralen Versorgungsbereiches vorzunehmen, und zwar sowohl für den bereits bestehenden zentralen Versorgungsbereich, als auch und erst recht für den noch zu entwickelnden Versorgungsbereich.

4. Außenbereich

Vorhaben, die die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs zum Gegenstand haben, sind im Außenbereich als sonstige Vorhaben nach § 35 Absatz 2 des Baugesetzbuches zu beurteilen. In Anbetracht der regelmäßig mit ihnen verbundenen vielfältigen negativen Auswirkungen, beeinträchtigen sie zahlreiche öffentliche Belange. Im Gegensatz zu § 34 des Baugesetzbuches kann einem Außenbereichsvorhaben gemäß § 35 Absatz 3 Satz 3 des Baugesetzbuches auch ein Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung und Landesplanung entgegengehalten werden. Aufgrund der Vielzahl der öffentlichen Belange, welche durch ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben im Außenbereich beeinträchtigt werden, kann sich in der Regel auch bei einer Anwendung von § 35 Absatz 4 des Baugesetzbuches bei Nutzungsänderungen, Ersatzbauten oder Erweiterungen kein Zulassungsanspruch ergeben, da lediglich die dort abschließend aufgeführten öffentlichen Belange nicht entgegengehalten werden können. Im Übrigen kommt bei Betrieben nach § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung eine Anwendung von § 35 Absatz 4 des Baugesetzbuches regelmäßig wegen Fehlens der diesbezüglichen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht in Betracht. Insbesondere stellt der Ausbau eines bisherigen „Nachbarschaftsladens“ zu einem Betrieb im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 der Baunutzungsverordnung keine zulässige Erweiterung gemäß § 35 Absatz 4 Nummer 6 des Baugesetzbuches, sondern eine unzulässige Nutzungsänderung dar.

5. Gesicherte Erschließung

Zulässigkeitsvoraussetzung für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben ist immer die gesicherte Erschließung. Zur gesicherten Erschließung gehören bei Einzelhandelsgroßprojekten insbesondere der verkehrsgerechte Anschluss an eine leistungsfähige öffentliche Straße mit einwandfreien Grundstücksein- und -ausfahrten sowie gegebenenfalls mit zusätzlichen Ein- und Ausfädelungsstreifen auf der öffentlichen Straße. Auch der Anschluss an Fuß- und Radwege ist bei der Beurteilung der Erreichbarkeit zu berücksichtigen. Geht das Vorhaben mit einer so starken Belastung der das Baugrundstück erschließenden Straße einher, dass sich die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nur durch zusätzliche Erschließungsmaßnahmen, wie eine Straßenverbreiterung oder die Schaffung von Einfädelungsspuren, gewährleisten lässt, so ist die Erschließung nicht gesichert. Außerdem ist in der Regel ein leistungsfähiger Anschluss an das öffentliche Nahverkehrsnetz erforderlich. Die Erschließung ist mit den zuständigen Straßenbaubehörden sowie dem Träger des ÖPNV abzustimmen.

V.
Inkrafttreten

Diese Handlungsanleitung tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.

Dresden, den 19. November 2024

Der Staatsminister für Regionalentwicklung
Thomas Schmidt

Anhang

Arbeitshilfe für Verträglichkeitsgutachten betreffend großflächige Einzelhandelsvorhaben
I.
Projektbeschreibung
1.)
Vertriebsform und Art des Vorhabens
2.)
geplante Verkaufsflächen nach Sortimenten, Überblick über Sortimentsstruktur (insbesondere Gliederung nach Kern- und Randsortimenten und Zentrenrelevanz)
3.)
geplante Umsätze nach Sortimenten
4.)
Einzugsbereiche nach Umsatzanteilen des jeweiligen Marktbereichs, zum Beispiel Nahbereich/engerer Einzugsbereich und zentralörtlichem Verflechtungsbereich
5.)
Standortbeschreibung, zum Beispiel Zentralität, städtebauliche/stadtfunktionelle Lage beziehungsweise Einbindung inklusive Verkehrsanbindung und etwaigen Agglomerationen
6.)
Zahl der Beschäftigten, Beschäftigtenstruktur
7.)
Flächenbedarf, zum Beispiel auch für ruhenden Verkehr
II.
Derzeitige Kaufkraftdaten für Standort, Einzugsbereich und zentralörtlichen Verflechtungsbereich
1.)
Kaufkraftkennziffern nach Sortimenten
2.)
Sortimentsspezifische Pro-Kopf-Ausgaben, Vergleich zu Bundesdurchschnitt
3.)
Kaufkraftbindung insgesamt und sortimentsbezogen – Zentralitätskennziffer
4.)
Kaufkraftabfluss insgesamt und sortimentsbezogen
5.)
Kaufkraftpotentiale insgesamt und nach Sortimenten
III.
Versorgungsgrad/Versorgungssituation der Bevölkerung im Einzugsbereich und im zentralörtlichen Verflechtungsbereich
1.)
Zahl und Art der Einzelhandelsbetriebe, Verkaufsflächen nach vorhabenbezogenen Sortimentsbereichen
2.)
Erhebung nach Gemeinden, Stadt-/Ortsteilen und Standorten, wie zum Beispiel Kern-, Sondergebieten, beziehungsweise nach Standortlagen
IV.
Angebotslücken nach Sortimenten
nach Standorten im zentralörtlichen Verflechtungsbereich
V.
Kennziffern der geplanten Projekte nach Sortimenten
1.)
Umsatzkennziffern je Einwohner, je m² Verkaufsfläche, je Beschäftigten; Vergleich zu vorhandenen Betrieben im Einzugsbereich beziehungsweise Bundesdurchschnitt
2.)
Verkaufsflächenausstattung im Einzugsbereich je Einwohner derzeit und nach Realisierung des Projektes, Vergleich zu überregionalen Werten
3.)
Kaufkraftabschöpfungsquoten im Einzugsbereich und Untersuchung der sortimentsspezifischen Kaufkraftabschöpfung sowie der potenziellen Marktanteile nach Sortimenten
VI.
Analyse der Auswirkungen im Einzugsbereich beziehungsweise zentralörtlichen Verflechtungsbereich und in konkurrierenden Standorten
1.)
Ökonomische Auswirkungen
a)
Auswirkungen, insbesondere Umsatzumverteilungen hinsichtlich vorhandener Einzelhandelsbetriebe nach Standorten, Sortimenten unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Auswirkungen bei innenstadtrelevanten Sortimenten auf vorhandene Stadt-, Stadtteilzentren, Ortskerne
b)
quantitative und qualitative Arbeits- und Ausbildungsplatzbilanz zum Beispiel anhand Produktivitätskennziffern wie Umsatz oder Beschäftigte
c)
Auswirkungen auf die mittelständische Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung
2.)
Landesplanerische Auswirkungen
a)
Auswirkungen auf das zentralörtliche System und die Funktion der zentralen Orte unter Berücksichtigung der Auswirkungen insbesondere auf zentrale Ortsteile auch benachbarter Grund-, Mittel- und Oberzentren
b)
Auswirkungen auf die Wahrnehmung des zentrenrelevanten Einzelhandelsangebotes in zumutbarer Erreichbarkeit insbesondere für immobile Käuferschichten
c)
Vereinbarkeit mit einzelhandelsspezifischen Aussagen vorliegender Regional- beziehungsweise Stadtentwicklungskonzepte, Zentrenkonzepte und Einzelhandelskonzepten
3.)
Städtebauliche Auswirkungen
a)
Auswirkungen auf Stadtteile und Ortsteile mit städtebaulichen Sanierungs-, Stadterneuerungs-, städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen, Dorferneuerungs- und entwicklungsmaßnahmen
b)
Auswirkungen auf die Entwicklung und Sicherung der Stadtzentren, Nebenzentren, Ortskerne, auch im Hinblick auf zu erwartende Leerstände und Probleme der Folgenutzung
c)
Auswirkungen auf die Leitfunktion des innerstädtischen Einzelhandels
4.)
Verkehrliche Auswirkungen
a)
Ziel- und Quellverkehr nach Verkehrsmittelart
b)
Verkehrsanbindungen an ÖPNV, Erreichbarkeit zu Fuß, Zeitdistanzen
c)
Kunden-, Fahrzeugaufkommen unter Berücksichtigung der Spitzenzeiten
d)
erforderliche Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen
5.)
Auswirkungen auf Umwelt, Naturhaushalt, Orts- und Landschaftsbild
a)
zusätzliche Emissionsbelastungen durch Verkehr
b)
Flächeninanspruchnahme und -versiegelung
c)
Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild und die nähere Umgebung
d)
weitere Auswirkungen analog Umweltverträglichkeitsprüfung bei Vorhaben ab 5 000 m² Geschossfläche

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2024 Nr. 49, S. 1411
    Fsn-Nr.: 40-V24.1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 6. Dezember 2024