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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Historische Fassung war gültig vom 01.01.2011 bis 31.05.2013

Sächsisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz

Vollzitat: Sächsisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz vom 14. Dezember 2010 (SächsGVBl. S. 414), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 15. Dezember 2022 (SächsGVBl. S. 626) geändert worden ist

Gesetz
über den Vollzug der Untersuchungshaft im Freistaat Sachsen
(Sächsisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz – SächsUHaftVollzG)

erlassen als Artikel 1 des Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft im Freistaat Sachsen sowie zur Änderung weiterer Gesetze

Vom 14. Dezember 2010

Teil 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1
Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Untersuchungshaft.

(2) Es gilt entsprechend für den Vollzug der Haft nach § 127b Abs. 2, § 230 Abs. 2, der §§ 236, 329 Abs. 4 Satz 1, § 412 Satz 1 und § 453c der Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437, 2439) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Abs. 5 StPO.

(3) § 119 StPO bleibt unberührt.

§ 2
Zuständigkeit und Zusammenarbeit

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft Entscheidungen nach diesem Gesetz die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird (Anstalt).

(2) Die Anstalt arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen. Sie berücksichtigt bei ihren Entscheidungen die Belange des Strafverfahrens.

§ 3
Grundsätze des Untersuchungshaftvollzugs

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind zur Erfüllung des Haftzwecks sicher unterzubringen.

(2) Sie gelten als unschuldig und sind so zu behandeln, dass selbst der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.

§ 4
Vollzugsmaßnahmen

(1) Soweit das Gesetz keine besondere Regelung enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich sind.

(2) Vollzugsmaßnahmen sollen den Untersuchungsgefangenen erläutert werden.

§ 5
Vollzugsgestaltung

(1) Das Leben in Untersuchungshaft darf sich von einem Leben in Freiheit nur insoweit unterscheiden, wie der Zweck der Untersuchungshaft und die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt es unabdingbar erforderlich machen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.

(2) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Untersuchungsgefangenen werden bei der Vollzugsgestaltung und bei Einzelmaßnahmen berücksichtigt.

§ 6
Soziale Hilfe

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, den persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Haft zu begegnen und angeregt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Zu diesem Zweck arbeitet die Anstalt mit außervollzuglichen Einrichtungen und mit Personen und Vereinen, die soziale Hilfestellung leisten können, zusammen.

(2) Die Beratung soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen. Auf Wunsch sind den Untersuchungsgefangenen Stellen und Einrichtungen zu benennen, die sie in ihrem Bestreben unterstützen können, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen.

Teil 2
Vollzugsverlauf

§ 7
Aufnahme

(1) Mit dem Untersuchungsgefangenen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt, in dem seine gegenwärtige Lebenssituation erörtert und er über seine Rechte und Pflichten informiert wird. Ihm ist die Hausordnung auszuhändigen. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind dem Untersuchungsgefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.

(2) Im Zugangsgespräch ist auch zu klären, ob in seiner Obhut stehende Minderjährige ohne Betreuung und Versorgung zurückgelassen worden sind. In diesem Fall ist unverzüglich das zuständige Jugendamt zu unterrichten.

(3) Beim Zugangsgespräch dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(4) Der Untersuchungsgefangene wird alsbald ärztlich untersucht.

(5) Dem Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, Angehörige oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen.

(6) Der Untersuchungsgefangene soll dabei unterstützt werden, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung, zur Sicherung seiner Vermögensgegenstände außerhalb der Anstalt und zur Aufrechterhaltung seiner sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche zu veranlassen.

§ 8
Verlegung und Überstellung

(1) Ein Untersuchungsgefangener kann in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn es

1.
aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt,
2.
aus Gründen der Vollzugsorganisation oder
3.
aus anderen wichtigen Gründen

erforderlich ist. Zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Anordnung der Verlegung ist dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen.

(2) § 7 Abs. 5 gilt entsprechend.

§ 9
Vorführung, Ausführung und Ausantwortung

(1) Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft wird ein Untersuchungsgefangener vorgeführt. Über Vorführungsersuchen in anderen als dem der Inhaftierung zugrunde liegenden Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(2) Aus besonderen Gründen kann ein Untersuchungsgefangener ausgeführt werden. Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit darin das persönliche Erscheinen des Untersuchungsgefangenen angeordnet ist. Vor der Entscheidung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse des Untersuchungsgefangenen, können ihm die Kosten auferlegt werden.

(3) Untersuchungsgefangene dürfen befristet der Obhut eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Dienststelle des Polizeivollzugsdienstes oder einer Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden (Ausantwortung). Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Die Anordnung der Ausantwortung ist dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen.

§ 10
Entlassung

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt den Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.

(2) Aus fürsorgerischen Gründen kann dem Untersuchungsgefangenen der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags gestattet werden. Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis des Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen aufrechterhalten bleiben.

(3) Einem bedürftigen Untersuchungsgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

Teil 3
Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen

§ 11
Trennungsgrundsätze

(1) Untersuchungsgefangene werden von Gefangenen, an denen eine andere Haftart vollzogen wird, namentlich von Strafgefangenen, getrennt untergebracht. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der einzelnen Untersuchungsgefangenen zulässig.

(2) Junge Untersuchungsgefangene (§ 66 Abs. 1) werden von den übrigen Untersuchungsgefangenen und von Gefangenen, an denen eine andere Haftart vollzogen wird, getrennt untergebracht. Hiervon kann aus den in Absatz 1 Satz 2 genannten Gründen abgewichen werden, wenn eine Vollzugsgestaltung nach den Bestimmungen des Teils 11 gewährleistet bleibt und schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind.

(3) Männliche und weibliche Untersuchungsgefangene werden getrennt untergebracht.

(4) Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere gemeinsame Arbeit und eine gemeinsame Berufs- und Schulausbildung, sind zulässig.

§ 12
Unterbringung während der Arbeit, Bildung und Freizeit

(1) Soweit Untersuchungsgefangene arbeiten oder an einer Bildungsmaßnahme teilnehmen, geschieht dies in der Regel gemeinsam.

(2) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, sich während der Freizeit im Rahmen der räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse in Gemeinschaft mit anderen Untersuchungsgefangenen aufzuhalten.

(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung kann eingeschränkt werden, soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.

§ 13
Unterbringung während der Ruhezeit

(1) Während der Ruhezeit werden die Untersuchungsgefangenen in ihren Hafträumen einzeln untergebracht.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig,

1.
mit Zustimmung der Untersuchungsgefangenen oder
2.
wenn ein Untersuchungsgefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.

(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

§ 14
Unterbringung von Müttern und Vätern mit Kindern

(1) Ein Kind kann mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in einer Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter oder sein Vater befindet, wenn dies seinem Wohl entspricht, die baulichen Gegebenheiten dies zulassen und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen.

§ 15
Persönlicher Gewahrsam, Kostenbeteiligung

(1) Ein Untersuchungsgefangener darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Anstalt oder mit deren Zustimmung überlassen werden. Ohne Zustimmung darf er Gegenstände von geringem Wert von anderen Gefangenen annehmen; die Anstalt kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Gegenstände von ihrer Erlaubnis abhängig machen.

(2) Eingebrachte Sachen, welche der Untersuchungsgefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Dem Untersuchungsgefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzugs und für seine Entlassung nicht benötigt, zu verschicken. Geld wird ihm gutgeschrieben.

(3) Werden eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, vom Untersuchungsgefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, können diese auf Kosten des Untersuchungsgefangenen aus der Anstalt entfernt werden.

(4) Aufzeichnungen und andere Sachen, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

(5) Die Zustimmung nach Absatz 1 kann widerrufen werden, wenn es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer erheblichen Störung der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.

(6) Der Untersuchungsgefangene kann an den Betriebskosten der in seinem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.

§ 16
Ausstattung des Haftraums

Die Untersuchungsgefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Sachen, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind ausgeschlossen.

§ 17
Kleidung

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Kleidung tragen, soweit sie für Reinigung, Instandhaltung und regelmäßigen Wechsel sorgen. Der Anstaltsleiter kann anordnen, dass Reinigung und Instandhaltung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.

(2) Soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist, kann das in Absatz 1 Satz 1 genannte Recht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 18
Verpflegung und Einkauf

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung hat den Anforderungen an eine gesunde Ernährung zu entsprechen. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Es soll den Untersuchungsgefangenen ermöglicht werden, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Die Untersuchungsgefangenen können in angemessenem Umfang aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen. Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt.

(3) Den Untersuchungsgefangenen kann die Möglichkeit eröffnet werden, unmittelbar oder über Dritte Gegenstände über den Versandhandel zu beziehen. Zulassung und Verfahren des Einkaufs über den Versandhandel regelt der Anstaltsleiter.

(4) Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt zu gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen.

§ 19
Annehmlichkeiten

Annehmlichkeiten, die nicht in den §§ 16 bis 18 geregelt sind, dürfen sich Untersuchungsgefangene auf ihre Kosten verschaffen, soweit und solange die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt nicht gefährdet wird.

§ 20
Gesundheitsfürsorge

(1) Die Anstalt unterstützt die Untersuchungsgefangenen bei der Wiederherstellung und Erhaltung ihrer Gesundheit. Die Untersuchungsgefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Den Untersuchungsgefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

(3) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten.

(4) Erkrankt ein Untersuchungsgefangener schwer oder verstirbt er, werden die Angehörigen und der Verteidiger unverzüglich benachrichtigt. Dem Wunsch des Untersuchungsgefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

§ 21
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Untersuchungsgefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Untersuchungsgefangenen verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Anstalt nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Untersuchungsgefangenen ausgegangen werden kann.

(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Fall des Absatzes 1 Satz 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

(3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung Erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

§ 22
Medizinische Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben einen Anspruch auf notwendige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit nach dem allgemeinen Standard der gesetzlichen Krankenversicherung.

(2) Der Anspruch umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sofern dies mit Rücksicht auf die voraussichtliche Dauer des Untersuchungshaftvollzugs zwingend geboten ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.

(3) An den Kosten für Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 kann der Untersuchungsgefangene in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter.

(4) Für Leistungen, die über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen hinausgehen, können den Untersuchungsgefangenen die gesamten Kosten auferlegt werden.

(5) Dem Untersuchungsgefangenen ist auf seine Kosten die Untersuchung durch einen Arzt seiner Wahl zu gestatten. Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Die Konsultation soll in der Anstalt stattfinden.

§ 23
Verlegung, Überstellung und Ausführung
zur medizinischen Behandlung

(1) Ein kranker oder hilfsbedürftiger Untersuchungsgefangener kann in eine zur Behandlung seiner Krankheit oder zu seiner Versorgung besser geeignete Anstalt oder in ein Vollzugskrankenhaus verlegt oder überstellt werden.

(2) Erforderlichenfalls können Untersuchungsgefangene zur medizinischen Behandlung ausgeführt oder in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs gebracht werden.

(3) Vor einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; davon ist abzusehen, wenn durch die Gelegenheit zur Stellungnahme eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Untersuchungsgefangenen zu befürchten ist. Bei Verlegungen und Überstellungen gilt § 7 Abs. 5 entsprechend.

(4) Werden Untersuchungsgefangene während einer Behandlung aus der Haft entlassen, hat der Freistaat Sachsen nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Entlassung angefallen sind.

Teil 4
Arbeit, Bildung, Freizeit

§ 24
Arbeit und Bildung

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet.

(2) Den Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Arbeit oder sonstige Beschäftigung angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. Nehmen sie eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.

(3) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden.

(4) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 25
Arbeitsentgelt und Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld

(1) Wer eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung ausübt, erhält Arbeitsentgelt.

(2) Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973), in der jeweils geltenden Fassung, zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Untersuchungsgefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 Prozent der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen des Untersuchungsgefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen. Das Staatsministerium der Justiz und für Europa wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist dem Untersuchungsgefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(5) Nehmen Untersuchungsgefangene während der Arbeitszeit an einer Bildungsmaßnahme teil, erhalten sie eine Ausbildungsbeihilfe. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

(6) Kann Untersuchungsgefangenen weder Arbeit noch die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme angeboten werden, wird ihnen ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. Bedürftig sind Untersuchungsgefangene, soweit ihnen im laufenden Monat nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht. Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung.

§ 26
Freizeit und Sport

Zur Freizeitgestaltung sind geeignete Angebote vorzuhalten. Insbesondere sollen Sportmöglichkeiten, Gemeinschaftsveranstaltungen und eine Bücherei angeboten werden.

§ 27
Zeitungen und Zeitschriften

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(2) Einzelne Ausgaben von Zeitungen oder Zeitschriften können den Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn deren Inhalte die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erheblich gefährden würden.

§ 28
Rundfunk

Die Untersuchungsgefangenen können am Hörfunk- und Fernsehempfang (Rundfunkempfang) teilnehmen. Der Rundfunkempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Untersuchungsgefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.

Teil 5
Religionsausübung

§ 29
Seelsorge

(1) Den Untersuchungsgefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. Die Untersuchungsgefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(2) Den Untersuchungsgefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 30
Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.

(3) Untersuchungsgefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder an anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 31
Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 29 und 30 entsprechend.

Teil 6
Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete

§ 32
Grundsatz

Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren. § 119 StPO bleibt unberührt.

§ 33
Recht auf Besuch

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen im Monat zwei Stunden Besuch empfangen. Der Anstaltsleiter kann längere Besuchszeiten vorsehen.

(2) Kontakte der Untersuchungsgefangenen zu ihren Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 2. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3214, 3219) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, werden besonders gefördert.

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von den Untersuchungsgefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur voraussichtlichen Entlassung aufgeschoben werden können.

(4) Aus Gründen der Sicherheit in der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen lassen.

(5) Besuche können untersagt werden, wenn sie die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden.

§ 34
Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren

Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. § 33 Abs. 4 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der von ihnen mitgeführten Schriftstücke, sonstigen Unterlagen und Datenträger ist nicht zulässig.

§ 35
Überwachung der Besuche

(1) Besuche dürfen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt optisch überwacht werden. Die optische Überwachung mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die Untersuchungsgefangenen vor dem Besuch erkennbar darauf hingewiesen werden. Eine Aufzeichnung findet nicht statt.

(2) Der Anstaltsleiter kann die akustische Überwachung im Einzelfall anordnen, wenn sie aus Gründen der Sicherheit in der Anstalt oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.

(3) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucher oder Untersuchungsgefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen verstoßen.

(4) Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache werden nicht überwacht. Nicht überwacht werden ferner Besuche von Mitgliedern der Volksvertretungen des Bundes und der Länder, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der Europäischen Agentur für Grundrechte und der weiteren Einrichtungen, mit denen der Kontakt aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 2 gilt auch für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und die anderen Landesdatenschutzbeauftragten.

(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden. Dies gilt nicht für Schriftstücke, sonstige Unterlagen und Datenträger, die dem Untersuchungsgefangenen von seinem Verteidiger oder von einem Notar oder Rechtsanwalt zur Erledigung in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache übergeben werden. Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden.

(6) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung kann im Einzelfall angeordnet werden, dass eine Trennvorrichtung genutzt wird.

§ 36
Recht auf Schriftwechsel

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, auf eigene Kosten Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährdet würde.

§ 37
Überwachung des Schriftwechsels

(1) Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände überwacht. Der Anstaltsleiter kann die Textkontrolle anordnen, wenn sie aus Gründen der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel der Untersuchungsgefangenen mit ihren Verteidigern sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer den Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht überwacht.

(3) Nicht überwacht werden Schreiben der Untersuchungsgefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, die Parlamentarische Versammlung des Europarats, die Europäische Agentur für Grundrechte und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist. Satz 1 gilt auch für Schreiben an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, an den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und an andere Landesdatenschutzbeauftragte. Schreiben der in den Sätzen 1 bis 3 genannten Stellen, die an die Untersuchungsgefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.

§ 38
Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Absenden und den Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.

(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Die Untersuchungsgefangenen haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 39
Anhalten von Schreiben

(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn

1.
es die Sicherheit oder Ordnung in einer Anstalt erfordert,
2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder grobe Beleidigungen enthalten oder
4.
sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Untersuchungsgefangene auf dem Absenden besteht.

(3) Sind Schreiben angehalten worden, wird das dem Untersuchungsgefangenen mitgeteilt. Soweit angehaltene Schreiben nicht beschlagnahmt werden, werden sie an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.

(4) Schreiben, deren Überwachung nach § 37 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 40
Telefongespräche

(1) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen. § 33 Abs. 2, 3 und 5 sowie die §§ 34 und 35 gelten entsprechend. Ist die Überwachung des Telefongesprächs erforderlich, ist die beabsichtigte Überwachung dem Gesprächspartner des Untersuchungsgefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Anstalt oder den Untersuchungsgefangenen mitzuteilen. Der Untersuchungsgefangene ist rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten.

(2) Innerhalb des Geländes der Anstalten sind der Besitz und die Benutzung von Mobilfunkendgeräten verboten.

(3) Die Anstalten dürfen technische Geräte

1.
zur Auffindung von Mobilfunkendgeräten,
2.
zur Aktivierung von Mobilfunkendgeräten zum Zwecke der Auffindung und
3.
zur Störung von Frequenzen, die der Herstellung unerlaubter Mobilfunkverbindungen auf dem Anstaltsgelände dienen,

betreiben. Sie haben hierbei die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Februar 2010 (BGBl. I S. 78, 79) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. Der Mobilfunkverkehr außerhalb des Geländes der Anstalten darf nicht beeinträchtigt werden.

§ 41
Pakete

(1) Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- oder Körperpflegemitteln ist den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet; für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 18 Abs. 4 entsprechend. Der Empfang von Paketen mit anderem Inhalt bedarf der Erlaubnis der Anstalt, welche Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen kann.

(2) Pakete sind in Gegenwart des Untersuchungsgefangenen zu öffnen und zu durchsuchen. Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt gefährden, sind von der Aushändigung an den Untersuchungsgefangenen ausgeschlossen. Ausgeschlossene Gegenstände können zur Habe genommen, zurückgesandt oder vernichtet werden.

(3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt unerlässlich ist.

(4) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Pakete zu versenden. Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt überprüfen.

Teil 7
Sicherheit und Ordnung

§ 42
Grundsatz

Die Pflichten und Beschränkungen, die den Untersuchungsgefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt auferlegt werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 43
Verhaltensvorschriften

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen das geordnete Zusammenleben in der Anstalt nicht stören. Sie haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt in Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit zu richten.

(2) Die Untersuchungsgefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Die Untersuchungsgefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Untersuchungsgefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 44
Durchsuchung

(1) Die Untersuchungsgefangenen, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Untersuchungsgefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Untersuchungsgefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Untersuchungsgefangenen nicht in Gegenwart von Frauen, bei weiblichen Untersuchungsgefangenen nicht in Gegenwart von Männern erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Untersuchungsgefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Unterlagen, die von Untersuchungsgefangenen als Schreiben von Personen oder Institutionen nach § 37 Abs. 2 oder 3 gekennzeichnet sind, dürfen nach Absatz 1 Satz 1 bei Haftraumkontrollen einer Sichtkontrolle auf verbotene Gegenstände auch in Abwesenheit des Untersuchungsgefangenen unterzogen werden. Vom Inhalt der Schreiben von Personen oder Institutionen nach § 37 Abs. 2 oder 3 dürfen die Bediensteten dabei keinesfalls Kenntnis nehmen.

§ 45
Erkennungsdienstliche Maßnahmen, Lichtbildausweise

(1) Zur Sicherung des Vollzugs, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis des Untersuchungsgefangenen zulässig:

1.
die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
2.
die Aufnahme von Lichtbildern,
3.
die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale und
4.
Messungen.

(2) Die hierbei gewonnenen Unterlagen oder Daten werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen oder in personenbezogenen Dateien gespeichert. Sie dürfen an den Polizeivollzugsdienst oder die Staatsanwaltschaften übermittelt werden, soweit dies für die in Absatz 1, § 48 Abs. 2 dieses Gesetzes und § 88 Abs. 2 Nr. 4 des Sächsischen Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe (Sächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes – SächsJStVollzG) vom 12. Dezember 2007 (SächsGVBl. S. 558), das durch Artikel 3 des Gesetzes vom 14. Dezember 2010 (SächsGVBl. S. 414, 431) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, genannten Zwecke erforderlich ist. Die nach Absatz 1 erhobenen Daten dürfen nur für die in Absatz 1, in § 48 Abs. 2 dieses Gesetzes und in § 88 Abs. 2 Nr. 4 SächsJStVollzG genannten Zwecke verarbeitet werden.

(3) Werden die Untersuchungsgefangenen entlassen, sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten nach spätestens drei Monaten zu löschen. Werden die Untersuchungsgefangenen in eine andere Anstalt verlegt oder wird unmittelbar im Anschluss an den Vollzug oder in Unterbrechung der Untersuchungshaft eine andere freiheitsentziehende Maßnahme vollzogen, können die nach Absatz 1 erhobenen Daten der betreffenden Anstalt übermittelt und von dieser für die in Absatz 2 Satz 3 genannten Zwecke verarbeitet werden.

(4) Die Unterlagen und Daten sind bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch nach der Entlassung zu vernichten.

(5) Die Anstalt kann die Untersuchungsgefangenen verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Dieser ist bei der Entlassung oder bei der Verlegung in eine andere Anstalt einzuziehen und zu vernichten.

§ 46
Videoüberwachung

(1) Die optische Überwachung des Anstaltsgebäudes einschließlich des Gebäudeinneren, des Anstaltsgeländes und der unmittelbaren Umgebung der Anstalt mit technischen Mitteln (Videoüberwachung) sowie die Anfertigung von Aufzeichnungen hiervon sind zulässig, wenn dies für die Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Die Videoüberwachung von Hafträumen ist ausgeschlossen.

(2) Auf die Videoüberwachung und die Anfertigung von Videoaufzeichnungen ist durch geeignete Maßnahmen hinzuweisen. Sie dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(3) Von einer Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 88 in Verbindung mit § 88 Abs. 2 SächsJStVollzG sind die Betroffenen zu benachrichtigen, sofern sie nicht auf andere Weise davon Kenntnis erlangt haben oder die Benachrichtigung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Sie kann unterbleiben, solange sie den Zweck der Maßnahme vereiteln würde.

(4) Die personenbezogenen Daten sind einen Monat nach ihrer Erhebung zu löschen, sofern nicht ihre Speicherung zu den in § 88 in Verbindung mit § 88 Abs. 2 SächsJStVollzG genannten Zwecken weiterhin erforderlich ist. Sie sind unverzüglich zu löschen, soweit schutzwürdige Belange der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.

§ 47
Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen, insbesondere den Einsatz geeigneter technischer Verfahren und technischer Mittel zum Nachweis des Konsums von Suchtmitteln, anordnen, um deren Missbrauch festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

§ 48
Festnahmerecht

(1) Untersuchungsgefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden.

(2) Nach § 45 Abs. 1 und § 88 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 88 Abs. 1, § 89 SächsJStVollzG erhobene und zur Identifizierung oder Festnahme erforderliche Daten dürfen den Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies für Zwecke der Fahndung und Festnahme der entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Untersuchungsgefangenen erforderlich ist.

§ 49
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Untersuchungsgefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung der Untersuchungsgefangenen,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen,
4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung in der Anstalt anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn eine Gefahr der Entweichung besteht, die das nach Absatz 1 erforderliche Maß nicht erreicht.

§ 50
Einzelhaft

Die ständige Absonderung von anderen Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person des Untersuchungsgefangenen liegen, unerlässlich ist. Einzelhaft von mehr als einem Monat Gesamtdauer im Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde und wird dem Gericht und der Staatsanwaltschaft von der Anstalt mitgeteilt. Während des Vollzugs der Einzelhaft ist der Untersuchungsgefangene in besonderem Maße zu betreuen.

§ 51
Fesselung

In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse des Untersuchungsgefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

§ 52
Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.

(2) Wird ein Untersuchungsgefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlass der Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) Die Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden.

§ 53
Ärztliche Überwachung

(1) Sind Untersuchungsgefangene nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder nach § 49 Abs. 2 Nr. 6 gefesselt, sucht sie der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports.

(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange eine besondere Sicherungsmaßnahme nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 oder Einzelhaft nach § 50 andauert.

Teil 8
Unmittelbarer Zwang

§ 54
Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen.

§ 55
Allgemeine Voraussetzungen

(1) Soweit es zur Durchführung rechtmäßiger Vollzugs- oder Sicherungsmaßnahmen erforderlich ist, dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden. Seine Anwendung unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(2) Gegen andere Personen als Untersuchungsgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 56
Androhung

Unmittelbarer Zwang ist anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 57
Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur bei Gefangenentransporten von den dazu bestimmten Bediensteten gebraucht werden. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(2) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(4) Gegen Untersuchungsgefangene dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden,

1.
wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
2.
wenn sie eine Meuterei (§ 121 StGB) unternehmen oder
3.
um ihre Entweichung zu vereiteln,

und nur, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen, und nur, um sie angriffsunfähig zu machen.

§ 58
Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind die Bediensteten verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.

(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen die Bediensteten sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben Bedienstete dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an einen Vorgesetzten aus dem Beamtengesetz für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Beamtengesetz – SächsBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Mai 2009 (SächsGVBl. S. 194), geändert durch Artikel 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142, 143), in der jeweils geltenden Fassung, sind nicht anzuwenden.

Teil 9
Disziplinarmaßnahmen

§ 59
Voraussetzungen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn ein Untersuchungsgefangener rechtswidrig und schuldhaft

1.
gegen ein Strafgesetz verstößt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht,
2.
andere Personen verbal oder tätlich angreift,
3.
Lebensmittel oder fremdes Eigentum zerstört oder beschädigt,
4.
verbotene Gegenstände in die Anstalt bringt,
5.
sich am Einschmuggeln verbotener Gegenstände beteiligt oder sie besitzt,
6.
entweicht oder zu entweichen versucht oder
7.
in sonstiger Weise wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder das Zusammenleben in der Anstalt stört.

(2) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, den Untersuchungsgefangenen zu verwarnen.

(3) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 60
Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind:

1.
Verweis,
2.
die Beschränkung oder der Entzug des Einkaufs bis zu drei Monaten,
3.
die Beschränkung oder der Entzug von Annehmlichkeiten nach § 19 bis zu drei Monaten,
4.
die Beschränkung oder der Entzug des Rundfunkempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs jedoch nur bis zu zwei Wochen,
5.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung bis zu drei Monaten,
6.
der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
7.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge und
8.
Arrest bis zu vier Wochen.

(2) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(3) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(4) Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen sind der Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf den Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit des Untersuchungsgefangenen für die Verhandlung nicht beeinträchtigt werden.

§ 61
Vollstreckung der Disziplinarmaßnahmen,
Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, soll die Vollstreckung ausgesetzt werden.

(2) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden.

(3) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Der Untersuchungsgefangene kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse des Untersuchungsgefangenen aus den §§ 16, 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 und 3, §§ 19, 24 Abs. 2 und 3, §§ 26, 27 Abs. 1 und § 28.

§ 62
Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist die aufnehmende Anstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen einen Untersuchungsgefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer anderen Haft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 61 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 63
Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Der betroffene Untersuchungsgefangene wird gehört. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgehalten; die Einlassung des Untersuchungsgefangenen wird vermerkt.

(2) Bei schweren Verfehlungen soll sich der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mitwirken.

(3) Vor der Anordnung von schwerwiegenden Disziplinarmaßnahmen gegen einen Untersuchungsgefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist ein Arzt zu hören.

(4) Die Entscheidung wird dem Untersuchungsgefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(5) Bevor Arrest vollzogen wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrestes steht der Untersuchungsgefangene unter ärztlicher Aufsicht. Die Vollstreckung unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit des Untersuchungsgefangenen oder der Fortgang des Strafverfahrens gefährdet würde.

(6) Die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme ist dem Verteidiger unverzüglich mitzuteilen.

Teil 10
Beschwerde und Aufhebung von Maßnahmen

§ 64
Aufhebung von Maßnahmen

Für den Widerruf und die Rücknahme von Maßnahmen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der §§ 48 bis 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2827, 2839) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend, soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung oder entgegenstehende Bestimmungen nicht enthält.

§ 65
Beschwerderecht

(1) Der Untersuchungsgefangene erhält Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass jeder Untersuchungsgefangene sich in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an diese wenden kann.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Teil 11
Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene

§ 66
Anwendungsbereich

(1) Auf Untersuchungsgefangene, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene), findet dieses Gesetz nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Teils Anwendung.

(2) Von einer Anwendung der Bestimmungen dieses Teils sowie des § 11 Abs. 2 auf volljährige junge Untersuchungsgefangene kann abgesehen werden, wenn die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs für diese nicht oder nicht mehr angezeigt ist. Die Bestimmungen dieses Teils können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint.

§ 67
Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten. Die jungen Untersuchungsgefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte Anderer befähigt werden (Erziehungsauftrag).

(2) Den jungen Untersuchungsgefangenen sollen neben altersgemäßen Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist zu wecken und zu fördern.

(3) In diesem Gesetz vorgesehene Beschränkungen können minderjährigen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um sie vor einer Gefährdung ihrer Entwicklung zu bewahren.

(4) Das für die Betreuung der jungen Untersuchungsgefangenen eingesetzte Personal muss für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein.

§ 68
Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Die Zusammenarbeit der Anstalt mit außervollzuglichen Einrichtungen, Personen und Vereinen erstreckt sich insbesondere auch auf Jugendgerichtshilfe, Jugendamt, Schulen und berufliche Bildungsträger.

(2) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist, in die Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.

(3) Den Personensorgeberechtigten und dem Jugendamt werden die Aufnahme, eine Verlegung und die Entlassung unverzüglich mitgeteilt.

§ 69
Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs, Maßnahmen

(1) Nach der Aufnahme wird der Förder- und Erziehungsbedarf der jungen Untersuchungsgefangenen unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensverhältnisse ermittelt.

(2) In einer Konferenz mit an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten werden der Förder- und Erziehungsbedarf erörtert und die sich daraus ergebenden Maßnahmen festgelegt. Diese werden mit den jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Personensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt. Vertreter der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe, die Personensorgeberechtigten und mit Zustimmung des jungen Untersuchungsgefangenen weitere Personen können zu der Konferenz hinzugezogen werden; zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Sind die Angaben der jungen Untersuchungsgefangenen zur Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 nicht ausreichend, dürfen zu diesem Zweck personenbezogene Daten abweichend von § 88 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 89 Abs. 1 Satz 2 SächsJStVollzG erhoben werden bei Stellen, die Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen, insbesondere der Jugendgerichtshilfe, und bei Personen und Stellen, bei denen aufgrund tatsächlicher Umstände davon auszugehen ist, dass sie bereits Kenntnis von der Inhaftierung haben.

§ 70
Unterbringung

(1) Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Bildung, Arbeit und Freizeit kann über § 12 Abs. 3 hinaus auch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist oder wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen zu befürchten sind.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 ist nur zulässig, wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind.

§ 71
Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit

(1) Schulpflichtige Untersuchungsgefangene nehmen in der Anstalt am allgemein- oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen teil.

(2) Minderjährige Untersuchungsgefangene können zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet werden.

(3) Den übrigen jungen Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit die Teilnahme an den in Absatz 2 genannten Maßnahmen angeboten werden.

(4) Im Übrigen bleibt § 24 Abs. 2 unberührt.

§ 72
Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche

(1) Abweichend von § 33 Abs. 1 Satz 1 dürfen junge Untersuchungsgefangene im Monat vier Stunden Besuch empfangen, darüber hinaus zwei weitere Stunden von Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Über § 33 Abs. 3 hinaus sollen Besuche von Kindern des jungen Untersuchungsgefangenen auch dann zugelassen werden, wenn sie die Erziehung des jungen Untersuchungsgefangenen fördern.

(2) Bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen können Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche auch untersagt werden, wenn Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind.

(3) Besuche dürfen über § 35 Abs. 3 hinaus auch abgebrochen werden, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss ausgeht.

(4) Der Schriftwechsel kann über § 36 Abs. 2 hinaus mit Personen, die nicht Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) des jungen Untersuchungsgefangenen sind, auch untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf den jungen Untersuchungsgefangenen hat.

(5) Für Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche mit Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2280, 2285) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gelten die §§ 34, 35 Abs. 4 und § 37 Abs. 2 entsprechend.

§ 73
Freizeit und Sport

(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit sind geeignete Angebote vorzuhalten. Die jungen Untersuchungsgefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Freizeitangeboten zu motivieren und anzuleiten.

(2) Über § 16 Satz 2 hinaus ist der Besitz eigener Fernsehgeräte und elektronischer Medien ausgeschlossen, wenn erzieherische Gründe entgegenstehen.

(3) Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um den jungen Untersuchungsgefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens vier Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

§ 74
Besondere Sicherungsmaßnahmen, unmittelbarer Zwang

(1) § 49 Abs. 3 gilt mit der Maßgabe, dass der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien nicht zulässig ist.

(2) Sind junge Untersuchungsgefangene in Jugendstrafvollzugsanstalten untergebracht, ist § 57 nicht anzuwenden.

§ 75
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstöße der jungen Untersuchungsgefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den jungen Untersuchungsgefangenen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Als erzieherische Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:

1.
die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
2.
die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und
3.
der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche.

(2) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit den Verfehlungen in Zusammenhang stehen.

(4) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nach Absatz 1 nicht ausreichen, um den jungen Untersuchungsgefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen. Zu berücksichtigen sind ferner aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahmen.

(5) Gegen junge Untersuchungsgefangene dürfen Disziplinarmaßnahmen nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 7 nicht verhängt werden. Die Maßnahmen nach § 60 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und 6 sind nur bis zu zwei Monaten, Arrest ist nur bis zu zwei Wochen zulässig und erzieherisch auszugestalten.

Teil 12
Aufbau der Anstalt

§ 76
Gliederung, Räume

(1) Soweit es zur Umsetzung der Trennungsgrundsätze erforderlich ist, werden in der Anstalt gesonderte Abteilungen für den Vollzug der Untersuchungshaft eingerichtet.

(2) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind zweckentsprechend auszugestalten.

§ 77
Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit und Bildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport und Besuche zur Verfügung steht.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Untersuchungsgefangenen als zugelassen belegt werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 78
Arbeitsbetriebe, Einrichtungen
zur schulischen und beruflichen Bildung

(1) Arbeitsbetriebe und Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung sollen vorgehalten werden.

(2) Beschäftigung und Bildung können auch in geeigneten privaten Einrichtungen und Betrieben erfolgen. Die technische und fachliche Leitung kann Angehörigen dieser Einrichtungen und Betriebe übertragen werden.

§ 79
Anstaltsleitung

(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. Er kann einzelne Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Für jede Anstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.

§ 80
Bedienstete

(1) Die Aufgaben der Anstalt werden von Beamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten sowie nebenamtlich tätigen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(2) Die Anstalt wird mit dem für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Personal ausgestattet. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

§ 81
Seelsorger

(1) Die Seelsorger werden im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestellt.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

§ 82
Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege ( Krankenpflegegesetz – KrPflG) vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Artikel 12a des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990, 2012), in der jeweils geltenden Fassung, besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 83
Mitverantwortung der Untersuchungsgefangenen

Den Untersuchungsgefangenen soll ermöglicht werden, Mitverantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse wahrzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.

§ 84
Hausordnung

(1) Der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung vorbehalten.

(2) In die Hausordnung sind namentlich Anordnungen aufzunehmen über die

1.
Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
2.
Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
3.
Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

Teil 13
Aufsicht, Beirat

§ 85
Aufsichtsbehörde

Aufsichtsbehörde für die Anstalt ist das Staatsministerium der Justiz und für Europa.

§ 86
Vollstreckungsplan

Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan. Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 87
Beirat

(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Dem Beirat gehören zwei Abgeordnete des Sächsischen Landtages und mindestens ein Vertreter der Kommune oder des Landkreises sowie weitere Personen des öffentlichen Lebens an. Die Mitglieder werden von der Aufsichtsbehörde ernannt. Dies gilt nicht für die Mitglieder des Sächsischen Landtages, die von diesem benannt werden. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Die Amtszeit der Mitglieder des Beirats endet mit der Konstituierung des nach Ablauf der Legislaturperiode des Sächsischen Landtags neu zu besetzenden Beirats.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Untersuchungsgefangenen beratend mit. Sie unterstützen den Anstaltsleiter durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge.

(3) Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Versorgung, Beschäftigung, Bildung und Betreuung unterrichten sowie die Anstalt besichtigen. Sie können die Untersuchungsgefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.

(4) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Untersuchungsgefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Teil 14
Datenschutz

§ 88
Datenschutz

Die §§ 88 bis 96 SächsJStVollzG finden beim Vollzug der Untersuchungshaft mit folgenden Maßgaben entsprechende Anwendung:

1.
Die nach § 88 Abs. 4 und § 95 SächsJStVollzG zulässigen Übermittlungen unterbleiben, wenn für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Information und der Rechtsstellung der Untersuchungsgefangenen die Betroffenen ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung haben.
2.
Die unter den Voraussetzungen des § 88 Abs. 5 Satz 1 SächsJStVollzG zulässige Mitteilung besteht in der Angabe, ob sich eine Person in der Anstalt im Untersuchungshaftvollzug befindet. § 88 Abs. 5 Satz 2 SächsJStVollzG findet keine Anwendung.
3.
Erhält die Anstalt von einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch Kenntnis, so tritt an die Stelle der in § 93 Abs. 1 SächsJStVollzG genannten Frist eine Frist von einem Monat ab Kenntniserlangung. Darüber hinaus sind auf Antrag des betroffenen Untersuchungsgefangenen die Stellen, die eine Mitteilung nach § 88 Abs. 5 SächsJStVollzG erhalten haben, über den Verfahrensausgang in Kenntnis zu setzen. Die betroffenen Untersuchungsgefangenen sind auf ihr Antragsrecht nach Satz 2 bei der Anhörung nach § 88 Abs. 5 Satz 3 SächsJStVollzG oder der nachträglichen Unterrichtung nach § 88 Abs. 5 Satz 4 SächsJStVollzG hinzuweisen.

Teil 15
Schlussbestimmungen

§ 89
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und aus der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt:

1.
das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
2.
die Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
3.
das Recht auf Datenschutz nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen,
4.
das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie
5.
das Recht der Freizügigkeit nach Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland .

§ 90
Verhältnis zum Bundesrecht

Dieses Gesetz ersetzt im Freistaat Sachsen § 93 JGG und die §§ 177 und 178 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (StrafvollzugsgesetzStVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274, 2278) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, sowie § 119 StPO in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung, soweit in diesen Vorschriften Regelungen zum Untersuchungshaftvollzug enthalten sind.

§ 91
Übergangsbestimmungen

Bis zum Inkrafttreten einer Rechtsverordnung nach § 25 Abs. 3 Satz 3 gilt die Verordnung über die Vergütungsstufen des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe nach dem Strafvollzugsgesetz (StrafvollzugsvergütungsordnungStVollzVergO) vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894, 2896), in der jeweils geltenden Fassung, für die Anwendung des § 25 Abs. 3 entsprechend.

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsGVBl. 2010 Nr. 17, S. 414
    Fsn-Nr.: 311-8

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 1. Januar 2011

    Fassung gültig bis: 31. Mai 2013