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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes – Aussiedler, die seit dem 3. Oktober 1990 ständigen Aufenthalt im Freistaat Sachsen begründet haben

Vollzitat: Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes – Aussiedler, die seit dem 3. Oktober 1990 ständigen Aufenthalt im Freistaat Sachsen begründet haben vom 5. Oktober 1992 (SächsABl. S. 1540), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 2005 (SächsABl. SDr. S. S 899)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes – Aussiedler, die seit dem 3. Oktober 1990 ständigen Aufenthalt im Freistaat Sachsen begründet haben –
(VwV-BVFG)

Vom 5. Oktober 1992

1    Vertriebene (§ 1)

1.1 Vertriebene und „Geltungsvertriebene“

Die vom Gesetzgeber getroffene Unterscheidung zwischen Personen, die Vertriebene sind, weil sie diesen Status originär erworben haben (§ 1 Abs. 1, 2 und 4), und Personen, die als Vertriebene gelten, weil sie diesen Status von vertriebenen Ehegatten ableiten (§ 1 Abs. 3), führt im Bereich des BVFG nur bei der Familienzusammenführung (§ 94 Nr. 20) zu unterschiedlichen Rechtsfolgen.

1.2 Deutsche Staatsangehörigkeit und deutsche Volkszugehörigkeit

1.2.1  § 1 unterscheidet zwischen den deutschen Staatsangehörigen und den deutschen Volkszugehörigen. War die deutsche Staatsangehörigkeit (zum Beispiel durch Geburt oder Einbürgerung, auch Sammeleinbürgerung) im Zeitpunkt der Vertreibung oder Aussiedlung bereits erworben, kommt es auf die Volkszugehörigkeit nicht mehr an (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1974 – VIII C 75.73). Umgekehrt kommt es auf die Staatsangehörigkeit nicht an, wenn deutsche Volkszugehörigkeit vorliegt.

1.2.2  Die deutsche Staatsangehörigkeit bestimmt sich nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz – RuStAG – vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583) mit späteren Änderungen und den Gesetzen zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (insbesondere 1. StARegG vom 22. Februar 1955, BGBl. I S. 65, mit späteren Änderungen).

Dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der DDR ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugleich die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit beizumessen. Die Klärung einer eventuellen deutschen Staatsangehörigkeit bei Antragstellern aus Polen setzt voraus, daß die Lage des Wohnorts des Antragstellers bzw. seiner (Groß-) Eltern bei Kriegsende ermittelt wurde (zum Beispiel ehemaliges Reichsgebiet, sogenanntes Volkslistengebiet). Erforderlichenfalls ist die Staatsangehörigkeitsbehörde zu beteiligen.

Personen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit in den Jahren 1938 bis 1945 durch Sammeleinbürgerung aufgrund der in § 1 des 1. StARegG genannten Bestimmungen (zum Beispiel Verordnung über die Deutsche Volksliste) verliehen worden ist, können nur dann deutsche Staatsangehörige geworden sein, wenn deutsche Volkszugehörigkeit im Zeitpunkt des Beginns der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vorliegt (BVerfG, Beschluß vom 23. Februar 1979 – 1 BvR 125/79). Da die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit in diesen Fällen entscheidende Bedeutung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit hat, soll in Zweifelsfällen die Staatsangehörigkeitsbehörde beteiligt werden.

In die Abteilungen 1 und 2 der Deutschen Volksliste wurden im allgemeinen nur deutsche Volkszugehörige eingetragen. Bestehen – etwa angesichts des Nachkriegsschicksals der Familie des Antragstellers – Zweifel an einer behaupteten Eintragung und dem Staatsangehörigkeitserwerb, soll der Antragsteller zunächst darauf verwiesen werden, ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren einzuleiten.

Zur Eintragung in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste wird auf Nummer 4.2.2.1 hingewiesen.

1.2.3  Deutscher Volkszugehöriger ist, wer die Tatbestandsmerkmale des § 6 erfüllt (vergleiche Nummer 4).

Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Erklärung gemäß Artikel 3 RuStAÄndG 1974 wird erst wirksam mit der Entgegennahme der schriftlichen Erklärung durch die Staatsangehörigkeitsbehörde. In diesen Fällen ist im BVFG-Verfahren die Volkszugehörigkeit zu prüfen.

1.3 Vertreibungsgebiete

1.3.1  Die Aufzählung der Vertreibungsgebiete in § 1 Abs. 1 Satz 1 ist abschließend.

1.3.2  Personen, die in einer von der „Oder-Neiße-Linie“ durchschnittenen Ortschaft wohnten und ihren Wohnsitz im westlichen Teil hatten, können nicht als Vertriebene anerkannt werden (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1957 – VC 327.56).

1.4 Wohnsitzbegründung und -verlust

1.4.1  Für die Auslegung des Wohnsitzbegriffs sind die Vorschriften des BGB (§§ 7 bis 11 in der bei Vertreibung bzw. Ausreise geltenden Fassung) und die Rechtsprechung hierzu auch dann maßgebend, wenn das BGB im Herkunftsland (Vertreibungs- bzw. Aussiedlungsgebiet) des Antragstellers nicht gegolten hat.

1.4.2  Der Wohnsitz muß – mit Ausnahme der Sondertatbestände des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 und Abs. 3 – spätestens bis zum 8. Mai 1945 im Vertreibungsgebiet begründet worden sein.

1.4.2.1  Für die Wohnsitzbegründung ist die tatsächliche Niederlassung des Betreffenden im Herkunftsland mit Wohnsitzbegründungswillen erforderlich, also der tatsächliche Aufenthalt in der Absicht, diesen Ort zum bleibenden Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Das subjektive Merkmal des Wohnsitzbegründungswillens kann sich aus ausdrücklichen Erklärungen oder aus dem gesamten Verhalten und den sonstigen Umständen ergeben.

1.4.2.2  Der Wohnsitz einer Ehefrau bestimmte sich bis zum 31. März 1953 nach § 10 BGB. Danach teilte eine Ehefrau den Wohnsitz des Ehemannes. Ob sie ihren tatsächlichen Aufenthalt an diesem Wohnsitz hatte, war unerheblich. Einen selbständigen Wohnsitz konnte sie nur haben, solange der Ehemann keinen Wohnsitz hatte oder sie seinen Wohnsitz nicht teilte, weil er seinen Wohnsitz im Ausland an einem Ort begründet hatte, an den ihm die Frau nicht folgte und zu folgen nicht verpflichtet war. Auch die getrennt lebende Ehefrau konnte einen eigenen Wohnsitz begründen, wenn die Eheleute in einem gerichtlichen Vergleich ausdrücklich dauerndes Getrenntleben vereinbart hatten (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1958 – VC 319.56).

Ehefrauen, die nach ihrer Eheschließung mit einem Mann, dessen Wohnsitz aus beruflichen Gründen außerhalb des Vertreibungsgebiets lag, ihren Wohnsitz im Vertreibungsgebiet verloren, aber ihren ständigen Aufenthalt dort beibehalten haben, werden nach der Vertreibung von § 1 Abs. 2 Nr. 5 erfaßt.

Seit 1. April 1953 bestimmt die Ehefrau ihren Wohnsitz generell selbst.

1.4.2.3  Bei Berufssoldaten, die während des Krieges an der Front eingesetzt waren, ist stets zu prüfen, ob sie neben dem gesetzlichen Wohnsitz nach § 9 a.F.BGB (Garnisonsort des Truppenteils) einen weiteren Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB hatten. Der gesetzliche Wohnsitz kann in diesen Fällen seinen bestimmenden Charakter verlieren mit der Folge, daß ein daneben beibehaltener Wohnsitz nach § 7 BGB bestimmend im Sinne des BVFG wird.

1.4.3  Der Wohnsitz ist aufgegeben, wenn die Niederlassung aufgehoben ist (objektives Merkmal) und der Wille zur Aufhebung besteht (subjektives Merkmal). Bei der Vertreibung im Sinne des § 1 Abs. 1 kommt es nur auf den objektiv eingetretenen Wohnsitzverlust an. Der Wohnsitzverlust kann erst als vollendeter Vertreibungstatbestand angesehen werden, wenn der Antragsteller das Herkunftsland (also nicht nur seinen bisherigen Wohnort) verlassen hat.

1.4.3.1  Vertriebener kann auch sein, wer sich bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen außerhalb des Vertreibungsgebiets aufgehalten hat, wenn er seinen dort fortbestehenden Wohnsitz durch Nichtrückkehr aufgibt (vergleiche BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1962 – VIII C 107.60 und Beschluß vom 29. Juni 1989 – 9 B 7/89). Auch wer zum Beispiel als Kriegsgefangener aus einem Vertreibungsgebiet in den Westen entlassen worden ist, kann vertrieben worden sein.

1.4.3.2  Bei ehemaligen deutschen Wehrmachtsangehörigen, die nach ihrer Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in das Gebiet des früheren Deutschen Reiches oder Österreichs erst nach dem 31. März 1952 zu ihrer in Rumänien gebliebenen Familie zurückkehren konnten und dann auch tatsächlich frühestmöglich dorthin zurückgekehrt sind, kann davon ausgegangen werden, daß sie ihren bestimmenden Wohnsitz in Rumänien zunächst beibehalten haben. Sie erfüllen deshalb, wenn sie später in die Bundesrepublik Deutschland kommen, die Wohnsitzvoraussetzung als Aussiedler nach § 1 Abs. 2 Nr. 3. Bei Eheschließung oder bei langjährigem Aufenthalt und bereits vollzogener Eingliederung außerhalb Rumäniens gelten diese Ausnahmen allerdings nicht.

1.5 Ursächlichkeit der Kriegsereignisse für den Wohnsitzverlust

Unter „Ereignissen des zweiten Weltkrieges“ sind grundsätzlich nur die militärischen und politischen Vorgänge des Krieges im engeren Sinne zu verstehen. Zwischen Wohnsitzverlust und den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die freiwillige und von den Kriegsereignissen unabhängige, zum Beispiel aus beruflichen Gründen erfolgte, Wohnsitzaufgabe erfüllt diese Voraussetzung nicht.

1.6 Emigranten (§ 1 Abs. 2 Nr. 1)

1.6.1  Bei den von § 1 Abs. 2 Nr. 1 erfaßten Personen tritt an die Stelle des Vertreibungstatbestandes (§ 1 Abs. 1) der Tatbestand der Emigration. Durch die Vorschrift soll die wegen politisch bedingter Emigration unterbliebene Vertreibung der wirklichen Vertreibung gleichgestellt werden.

1.6.2  Das „Verlassen eines der in Absatz 1 genannten Vertreibungsgebiete“ bedeutet die Aufgabe eines dort bestehenden Wohnsitzes (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 16.86); die Beendigung eines tatsächlichen Aufenthalts reicht nicht aus.

1.6.3  Der Wohnsitz muß aufgegeben worden sein, weil gegen den Emigranten aus den in § 1 Abs. 2 Nr. 1 genannten Gründen nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen im Zeitpunkt der Emigration verübt worden sind oder solche ihm drohten, und zwar auf dem Gebiet, auf dem der Emigrant seinen Wohnsitz hatte. Das ist der Fall, wenn sich dort für den Emigranten aus damaliger Sicht das Entstehen einer objektiven Gefährdungslage als nahe bevorstehend abzeichnen konnte (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 16.86).

1.6.4  Die Anerkennung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 erfordert nicht den Nachweis im Einzelfall, daß der Emigrant aus seiner Heimat vertrieben worden wäre, wenn er diese nicht vor dem Beginn der allgemeinen Vertreibung der Deutschen aus verfolgungsbedingten Gründen verlassen hätte (BVerwG, Urteil vom 26. April 1967 – VIII C 66.66). Es kommt lediglich darauf an, ob die Gruppe der deutschen Verfolgten aus diesem Gebiet vertrieben worden ist oder vertrieben worden wäre (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1977 – VIII C 23.76).

1.6.5  Die Gesamtheit der in § 1 Abs. 1 Satz 1 aufgeführten Vertreibungsgebiete ist bei Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 insoweit differenziert zu betrachten. Österreich war für deutsche Staatsangehörige, die wegen politischer Verfolgung aus Österreich ausgewandert waren, Vertreibungsgebiet im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 (BVerwG, 26. August 1981 – 8 C 9.80). Aus Österreich wurden grundsätzlich nur deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige aus der Tschechoslowakei und aus Ungarn ausgewiesen.

1.7  Vertragsumsiedler (§ 1 Abs. 2 Nr. 2)

1.7.1  Das Gesetz geht davon aus, daß diese Personengruppe vertrieben worden wäre, wenn sie im Vertreibungsgebiet geblieben wäre. Für die Anerkennung nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 kommt es entscheidend auf die Teilnahme an der Umsiedlung an. Nachträgliche Einbeziehung genügt nicht.

1.7.2  Zwischenstaatliche Umsiedlungsverträge im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 sind:

  1.
Protokoll zwischen der deutschen und der estnischen Regierung über die Umsiedlung der deutschen Volksgruppe Estlands in das Deutsche Reich vom 15. Oktober 1939,
  2.
Vertrag zwischen der deutschen und der lettischen Regierung über die Umsiedlung lettischer Bürger deutscher Volkszugehörigkeit in das Deutsche Reich vom 30. Oktober 1939,
  3.
deutsche und sowjetische Vereinbarung über Umsiedlung von Reichsdeutschen und Volksdeutschen aus den Gebieten der lettischen und estnischen Sowjetrepubliken in das Deutsche Reich vom 10. Januar 1941 (sogenannte Nachumsiedlung),
  4.
Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion vom 16. November 1939 über die Umsiedlung deutscher Volkszugehöriger aus Ostgalizien, Wolhynien und Nordostpolen,
  5.
Vereinbarung zwischen der deutschen Reichsregierung und der sowjetischen Regierung vom 5. September 1940 über die Umsiedlung der deutschstämmigen Bewohner Bessarabiens und der nördlichen Bukowina,
  6.
Vereinbarung zwischen der deutschen Reichsregierung und der rumänischen Regierung vom 22. Oktober 1940 über die Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung der Südbukowina und der Dobrudscha,
  7.
deutsche und sowjetische Vereinbarung über die Umsiedlung der deutschen Reichsangehörigen und der Personen deutscher Volkszugehörigkeit aus der litauischen sozialistischen Sowjetrepublik in das Deutsche Reich vom 10. Januar 1941,
  8.
die aufgrund der sogenannten Berliner Vereinbarung vom 23. Juli 1939 zwischen der deutschen und der italienischen Regierung vom 21. Oktober 1939 getroffenen Abkommen über die Durchführung der Umsiedlung von Volksdeutschen und deutschen Reichsangehörigen aus Italien (Südtirol) in das Deutsche Reich,
  9.
deutsch-italienisches Abkommen über die Umsiedlung der deutschen Staatsangehörigen und Volkszugehörigen aus der Provinz Laibach (Gottschee) vom 31. August 1941,
10.
deutsch-kroatische Vereinbarung über die Umsiedlung von Angehörigen des deutschen Volkstums aus bestimmten Gebieten des unabhängigen Staates Kroatien in das Deutsche Reich vom 30. September 1942.

1.8 Aussiedler (§ 1 Abs. 2 Nr. 3)

1.8.1 Begriff

Aussiedler im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 sind zwar von den Vertreibungsmaßnahmen verschont geblieben, ihre Lebensumstände vor der Aussiedlung waren aber gekennzeichnet durch Verhältnisse, die Folgen des Krieges bzw. Nachwirkungen der Vertreibungsmaßnahmen sind und ein Leben als Deutscher erschwerten (Kriegsfolgeschicksal/Vertreibungsdruck; diese Begriffe werden nachfolgend synonym benutzt. Der Begriff des Vertreibungsdrucks wird insbesondere in Hinweisen auf die Rechtsprechung verwendet.).

1.8.2 Wohnsitzaufhebung

1.8.2.1  Auch Aussiedlung setzt die endgültige Aufgabe des Wohnsitzes im Herkunftsland voraus (vergleiche Nummer 1.4.3).

1.8.2.2  Reisen Eheleute nicht gemeinsam aus dem Aussiedlungsgebiet aus, ist im allgemeinen davon auszugehen, daß der bestimmende Wohnsitz im Herkunftsland (Familienwohnsitz, vergleiche § 1 Abs. 1 Satz 3) erst mit der Ausreise des zweiten Ehegatten endgültig aufgegeben worden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1970 – VIII C 50.68).

1.8.2.3  Antragsteller aus Polen, die einen Vertrag mit dem polnischen Dienstleistungsunternehmen „Pol-Service“ abgeschlossen haben, halten sich nach § 1 dieses Vertrages nur vorübergehend außerhalb Polens auf. Sie haben in der Regel nicht die Absicht, ihren Wohnsitz in Polen auf Dauer aufzugeben.

1.8.2.4  Aus dem Besitz eines polnischen Konsularpasses kann nicht generell geschlossen werden, der Wohnsitz im Herkunftsland sei nicht endgültig aufgegeben worden. Jedoch besteht besonderer Anlaß zur Prüfung der Wohnsitzaufgabe.

Der Antragsteller soll nach einem Hinweis auf § 98 um Abgabe einer Erklärung hinsichtlich der Wohnsitzaufgabe gebeten werden.

Verbleiben Zweifel, kann über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau versucht werden, eine amtliche Auskunft polnischer Stellen über die vom Antragsteller behauptete Abmeldung einzuholen.

1.8.2.5  Wer von einer Besuchsreise im Bundesgebiet in sein Herkunftsland zurückgekehrt ist, hat im allgemeinen weder im Bundesgebiet ständigen Aufenthalt genommen noch den Wohnsitz im Herkunftsland aufgegeben. Das gilt auch dann, wenn ein Antrag auf Registrierung als Aussiedler abgelehnt wurde.

1.8.3  Wohnsitzstichtag

Die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 genannten Aussiedlungsgebiete sind als Einheit anzusehen (vergleiche BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1990 – 3 C 55.87). Eine Wohnsitzverlegung nach Kriegsende von einem Aussiedlungsgebiet in ein anderes steht der Erfüllung der Stichtags-(Wohnsitz-)Voraussetzung somit nicht entgegen.

Wer nach dem 8. Mai 1945 in die Aussiedlungsgebiete des § 1 Abs. 2 Nr. 3 gezogen ist und dort einen Wohnsitz begründet hat, kann nach Verlassen dieser Gebiete nur dann Aussiedler sein, wenn er zuvor aus den genannten Gebieten vertrieben worden und bis zum 31. März 1952 dorthin zurückgekehrt ist.

Wer der ersten nach dem 8. Mai 1945 geborenen Generation angehört und in einem Aussiedlungsgebiet geboren wurde, kann in entsprechender Anwendung des BVFG Aussiedler sein, wenn sein deutscher Elternteil die Stichtags-(Wohnsitz-)Voraussetzung unmittelbar erfüllt. Gleiches gilt für Kinder von Vertriebenen und bis zum 31. Mai 1952 in die Aussiedlungsgebiete zurückgekehrten Eltern, wenn die Kinder in diesem Zeitraum außerhalb der Vertreibungsgebiete geboren wurden. Diese Personen wurden durch die Rechtsprechung im Wege der Analogie in gewissem Umfang in den Regelungsbereich des BVFG einbezogen (BVerwG, Urteil vom 10. November 1976 – VIII C 92.75).

Bei Angehörigen späterer Generationen ist entsprechend zu verfahren, wenn die maßgebende Bezugsperson (zum Beispiel deutscher Großelternteil) die Stichtags-(Wohnsitz-)Voraussetzung unmittelbar erfüllt und die Familie seither ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gelebt hat.

Ist die Stichtags-(Wohnsitz-)Voraussetzung nicht erfüllt, brauchen die sonstigen Voraussetzungen für die Feststellung der Aussiedlereigenschaft im BVFG-Verfahren nicht geprüft zu werden.

1.8.4 Ausreise „im Wege der Aufnahme“

Wer sein Herkunftsland bis 30. Juni 1990 verlassen hat, kann die Aussiedlereigenschaft und – als nichtdeutscher Staatsangehöriger – die Eigenschaft eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 Grundgesetz ( GG) auch dann erworben haben, wenn er lediglich mit befristetem Besucher- oder Touristenvisum in das Bundesgebiet eingereist ist.

Wer sein Herkunftsland danach verlassen hat, kann die Aussiedlereigenschaft und gegebenenfalls Eigenschaft eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit nur erworben haben, wenn sich das Verlassen „im Wege der Aufnahme“ vollzogen hat. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Bundesverwaltungsamt einen Aufnahmebescheid erteilt hat (vergleiche Nummer 19). Liegt diese Voraussetzung nicht vor, können eventuelle Anträge auf Erteilung eines Vertriebenenausweises allein aus diesem Grund abgelehnt werden (vergleiche Nummer 14.3.3 Härtefall); die weiteren Voraussetzungen für die Feststellung der Aussiedlereigenschaft sind nicht zu prüfen.

Anstelle eines Aufnahmebescheids genügt für ein Verlassen des Herkunftslandes „im Wege der Aufnahme“ eine vor dem 1. Juli 1990 erteilte Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes (zum Beispiel sogenannte SU-Nummer, RU-Nummer, PO-Nummer), sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 vorliegen (§ 105c).

Die Aufnahme- bzw. Übernahmeentscheidung ist eine ausländerrechtliche Entscheidung nach § 33 Ausländergesetz (AuslG). Sie kann die Einreise und den Verbleib des Begünstigten in der Bundesrepublik Deutschland erleichtern. Vertrauensschutz auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises begründet sie nicht (vergleiche Nummer 14).

Personen, die nach dem 30. Juni 1990 und vor dem 1. Juli 1991 den ständigen Aufenthalt in dem zu Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet genommen haben, sind bei Vorliegen der Aufenthaltsgenehmigung einer Behörde dieses Gebietes und der sonstigen Voraussetzungen der § 1 Abs. 2 Nr. 3 auch dann Aussiedler, wenn ihnen kein Aufnahmebescheid nach § 26 erteilt wurde.

1.8.5 Kriegsfolgeschicksal

1.8.5.1  Das Herkunftsgebiet muß aus kriegsfolgebedingten Gründen (Kriegsfolgeschicksal/Nachwirkung der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen) verlassen worden sein (vergleiche Nummer 4.2.3.1 Abs. 1). Hierzu gehören Vereinsamung, Entwurzelung, staatliche Assimilierungsbestrebungen, Diskriminierung, geringschätzige Behandlung infolge von Erfahrungen aus der Zeit des zweiten Weltkrieges und sonstige Umstände, die das Leben des Betreffenden wegen deutscher Volkszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit erschwert haben.

Für kriegsfolgebedingte Ausreisegründe spricht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei deutschen Volkszugehörigen und deutschen Staatsangehörigen eine widerlegbare gesetzliche Vermutung (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 9 C 266.86). Die Antragsteller brauchen die Gründe für ihre Ausreise deshalb grundsätzlich nicht vorzutragen. Bei nach dem Stichtag des § 1 Abs. 2 Nr. 3 geborenen Antragstellern ist entsprechend zu verfahren, insbesondere, wenn sie als Minderjährige zusammen mit ihren vor dem Stichtag geborenen Eltern ausgesiedelt sind.

Das typische Schicksal der Deutschen im Gebiet der ehemaligen UdSSR (zum Beispiel Zwangsumsiedlung in östliche Gebiete, Zwangsarbeit, Enteignung, Verlust autonomer Gebiete) wirkt in der Regel weiter und rechtfertigt auch heute noch die widerlegbare Vermutung kriegsfolgebedingter Ausreisegründe. Fehlt es an solchen Umständen in der Familie, liegt eine Ausreise aus anderen Gründen nahe.

Bei Antragstellern aus Rumänien bleibt es bei der widerlegbaren Vermutung kriegsfolgebedingter Ausreisegründe. Jedoch kann die Zugehörigkeit zur rumänisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft für eine Anpassung an die Verhältnisse im Herkunftsland sprechen.

Bei Antragstellern aus anderen Ländern, die sich zu rechtsstaatlichen Demokratien mit Minderheitenschutz entwickelt haben, kann heute in der Regel nicht mehr von kriegsfolgebedingten Ausreisegründen ausgegangen werden (vergleiche für Ungarn Bayerisches Verwaltungsgericht München, Urteil vom 6. Dezember 1989 – M 9 K.88.4855).

Dies gilt jedoch nicht für Antragsteller aus Polen, die bei Kriegsende – unabhängig von der Verordnung über die Deutsche Volksliste – aufgrund des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, Staatsangehörige des damaligen Deutschen Reiches waren (Reichsdeutsche) oder die deutsche Staatsangehörigkeit durch Eintragung in die Abteilungen 1 oder 2 der Deutschen Volksliste erworben hatten. Diese Personen haben als deutsche Staatsangehörige infolge der Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg ein Entwurzelungsschicksal erlebt, das in der Regel bis heute fortwirkt. Sie wurden in den Nachkriegsjahren als Deutsche verfolgt und hatten auch später unter Benachteiligungen zu leiden. Für sie bleibt es deshalb bei der widerlegbaren Vermutung kriegsfolgebedingter Ausreisegründe. Für die Abkömmlinge dieser Personen gilt dies entsprechend, sofern sie deutsche Volkszugehörige oder deutsche Staatsangehörige sind und das Entwurzelungsschicksal auch in ihrer Person fortbesteht.

1.8.5.2  Tatsachen, die auf ein fehlendes Kriegsfolgeschicksal schließen lassen bzw. die Vermutung kriegsfolgebedingter Ausreisegründe in Frage stellen, machen aber eine einzelfallbezogene Prüfung erforderlich (vergleiche BVerwG, Urteile vom 21. Juni 1988 – 9 C 282.86 und vom 31. Januar 1989 – 9 C 78.87).

Zu berücksichtigen sind auch die Umstände, die der Antragsteller zur Glaubhaftmachung eines Kriegsfolgeschicksals vorträgt. Die Gesamtbewertung führt nur dann zur Verneinung des Kriegsfolgeschicksals, wenn die gesetzliche Vermutung – insoweit bedarf es des vollen Beweises – im Einzelfall widerlegt ist.

Ein Kriegsfolgeschicksal ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn Deutsch nicht die Muttersprache und Umgangssprache in der Familie war, obwohl die Weitervermittlung der deutschen Sprache zumutbar gewesen wäre, und eine völlige Anpassung an die Verhältnisse im Herkunftsland offensichtlich ist und Benachteiligungen wegen deutscher Volkszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit nicht erkennbar sind.

Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 sind:
1.8.5.2.1 Abwendung vom deutschen Volkstum
Bei Abwendung vom deutschen Volkstum (vergleiche Nummer 4.5) kann ein Kriegsfolgeschicksal im allgemeinen nicht unterstellt werden. Das gilt auch dann, wenn die Abwendung bei der Beurteilung der deutschen Volkszugehörigkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung außer Betracht zu bleiben hat. Ein Kriegsfolgeschicksal kann grundsätzlich auch nicht vermutet werden, wenn der Betreffende erst nach der Einreise in das Bundesgebiet von seiner deutschen Staatsangehörigkeit oder seiner (teilweise) deutschen Abstammung erfahren hat.

1.8.5.2.2 Unzureichende deutsche Sprachkenntnisse

Eine starke sprachliche Assimilierung stellt einen Anlaß dar, Nachforschungen darüber anzustellen, ob sich der Antragsteller möglicherweise unter Abwendung vom deutschen Volkstum völlig den neuen Verhältnissen angepaßt hat, was die Vermutung für das Fortbestehen des Kriegsfolgeschicksals widerlegen würde (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 9 C 78.87).

Dabei wird allerdings zu berücksichtigen sein, ob es ohne unverhältnismäßige Nachteile möglich war, Deutsch der nachwachsenden Generation als Muttersprache zu vermitteln und Deutsch als Umgangssprache wenigstens innerhalb der Familie zu pflegen.

Nach den Erkenntissen der Heimatauskunftstelle Polen II war im polnischen Bereich der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit bis etwa 1950 untersagt. Daher ist davon auszugehen, daß nur innerhalb der Familie deutsch gesprochen werden konnte. Ende 1950 konnten in Niederschlesien und Pommern zum Teil Schulen mit deutscher Unterrichtssprache errichtet werden. Sie bestanden bis etwa 1958. Neben ihnen gab es in Niederschlesien und Pommern in den 50er Jahren weitere kulturelle Einrichtungen für Deutsche (zum Beispiel deutsche Bibliotheken, Abendschulen mit deutscher Unterrichtssprache für Erwachsene).

In Rumänien konnte Deutsch auch nach dem Zweiten Weltkrieg ungehindert gesprochen werden. Hat ein Antragsteller in einer Umgebung mit verschwindend geringem deutschem Bevölkerungsanteil gelebt, wäre eine Vermittlung der deutschen Sprache immer noch im Elternhaus möglich gewesen (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 – 9 C 51.89). Für Antragsteller aus der ehemaligen UdSSR kommt dem Merkmal der Sprache in bezug auf eine mögliche Abwendung vom deutschen Volkstum geringere Bedeutung zu, weil sich ein Bekenntnis zur Nationalität schon aus den Angaben ergibt, die der Ausstellung des Inlandpasses zugrunde liegen.

1.8.5.2.3 Fehlende Überlieferung deutschen Volkstums

Kriegsfolgebedingte Ausreisegründe können nicht mehr vermutet werden, wenn Kinder auch im engsten Familienkreis bewußt nicht mehr im Sinne einer Überlieferung deutschen Volkstums erzogen worden sind mit der Folge, daß ihnen nicht einmal ein Minimum deutschen Volkstumsbewußtseins vermittelt worden ist (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1988 – 9 C 282.86).

Dies müssen die Eltern, die der Familie einen nichtdeutschen Zuschnitt gegeben haben, ebenso gegen sich gelten lassen wie die Kinder.

1.8.5.2.4 Herausgehobene Stelle

Eine Anpassung an die Verhältnisse im Herkunftsland wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn der Betreffende wegen

  • seiner herausgehobenen politischen Stellung,
  • seiner herausgehobenen beruflichen Stellung, die im allgemeinen nicht ohne eine besondere Bindung an das (damalige) politische Regime des Herkunftsstaates erreicht werden konnte,
  • seines Verhaltens gegenüber Deutschen in den Aussiedlungsgebieten
nicht mehr das Nachkriegsschicksal der Deutschen seines Herkunftsgebiets geteilt hat. Dabei ist insbesondere zu prüfen, inwieweit eine Identifikation mit dem System des Herkunftslands vorliegt, welche konkreten Tätigkeiten der Betreffende ausgeübt hat und welche speziellen Vorzüge er aufgrund seiner Stellung genossen hat.

Hat der Antragsteller im Herkunftsland mit einem nichtdeutschen Ehegatten zusammengelebt, der als Staatsdiener oder auf andere Weise dem (damaligen) kommunistischen System des Herkunftslandes eng verbunden war, kann er sich so weit von der deutschen Volksgruppe gelöst haben, daß für ihn bei der Ausreise kein Vertreibungsdruck bestand. Bei einer Teilhabe an den mit einer solchen Stellung verbundenen Vorzügen liegt ein Kriegsfolgeschicksal im allgemeinen nicht vor.

1.8.5.2.5 Nichtdeutscher Elternteil

Verwandtschaftliche Bindungen zu Nichtdeutschen im Herkunftsland können eine Vereinsamung in Frage stellen. Schulisch und beruflich können für Personen mit teilweise deutscher und teilweise nichtdeutscher Abstammung im Einzelfall die gleichen Möglichkeiten wie für Nichtdeutsche bestanden haben.

Häufige Besuchsreisen in das Herkunftsland nach der Registrierung, aber bereits vor der Entscheidung über den BVFG-Antrag, können solche Bindungen sowie die Verwurzelung in den Nachkriegsverhältnissen des Herkunftslandes möglicherweise bestätigen.

1.8.5.2.6 Eheschließung mit einer außerhalb des Aussiedlungsgebiets wohnenden Person

Rein persönliche Ausreisegründe liegen vor, wenn der Antragsteller sein Herkunftsgebiet allein deshalb verlassen hat, um mit seinem außerhalb dieses Gebiets lebenden Ehegatten zusammenzuleben (BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1981 – 8 C 4.80). Es ist jedoch stets zu prüfen, ob auch kriegsfolgebedingte Ausreisegründe gegeben sind. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Antragsteller die Ehe geschlossen hat, um eine Ausreiseerlaubnis erhalten zu können.

1.8.5.2.7 Kriminelle Delikte

Personen, die ihr Herkunftsgebiet wegen krimineller Delikte verlassen, sind keine Vertriebenen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 (BVerwG, Urteil vom 16. März 1977 – VII C 58.76).

Bei der Prüfung, ob ein Antragsteller dieses Gebiet wegen einer drohenden strafrechtlichen Verfolgung aufgrund eines kriminellen Delikts verlassen hat, ist abzuwägen, ob die wegen der Schwere des kriminellen Delikts drohende Strafverfolgung als Ausreiseursache überwiegt und damit ein Kriegsfolgeschicksal als wesentliche Ausreiseursache zurücktreten muß oder ob die Strafverfolgung wegen krimineller Delikte dazu diente, den Betreffenden in erster Linie wegen seiner Volkszugehörigkeit, seines Ausreisewillens oder vergleichbarer Gründe zu belangen.

1.8.5.2.8 Asylanträge

Personen, die ihr Herkunftsgebiet allein aus politischen oder rein persönlichen Gründen verlassen, sind keine Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 (VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 27. November 1989 – 6 S 2794/87, BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 – 9 C 12.89).

Asylanträge rechtfertigen für sich allein noch nicht die Annahme, daß ein Kriegsfolgeschicksal vorliegt. Sie können der Annahme eines Kriegsfolgeschicksals jedoch entgegenstehen, wenn sich aus der Begründung der Anträge eindeutig ergibt, daß der Betreffende nicht auch als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger aus kriegsfolgebedingten Gründen ausgereist ist. Hierbei ist zu beachten, daß im Asylverfahren nur die dort relevanten Tatsachen erfragt werden. Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob darüber hinaus kriegsfolgebedingte Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes vorliegen (vergleiche BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 6.86, OVG Hamburg, Urteil vom 18. September 1985– Bf V 19/85). Wer seine Heimat jedoch allein wegen Unzufriedenheit mit den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen verlassen hat, denen im Aussiedlungsgebiet die gesamte Bevölkerung ohne Ansehen der Gruppenzugehörigkeit unterliegt, ist kein Aussiedler.

1.8.5.2.9 Eintragung in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste

Bei den Angehörigen der Abteilung 3 der Deutschen Volksliste und von ihnen abstammenden Personen kann wegen der Voraussetzungen für die Eintragung und des üblichen Nachkriegsschicksals dieser Personen ein Kriegsfolgeschicksal nicht vermutet werden; diese Personen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen in der Regel als Polen akzeptiert.

Ein Kriegsfolgeschicksal kann jedoch bei Fremdheitsbewußtsein und Vereinsamung im Herkunftsland mit Auswirkungen bis zur Aussiedlung vorliegen. Diese Folgen können zum Beispiel aufgrund deutscher Mutter- und Umgangssprache, Benachteiligung als Deutsche in Schule und Beruf, Geringschätzung als Deutsche infolge von Erfahrungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, sonstiger Verfolgungen oder Benachteiligungen wegen deutscher Volkszugehörigkeit oder Staatenangehörigkeit entstanden und aufrechterhalten worden sein.

1.8.5.2.10 Zugehörigkeit zur „Anders-Armee“

Antragsteller, die der polnischen Exilarmee des Generals Anders beigetreten sind, wurden wegen des Beitritts und gegebenenfalls eines aktiven Einsatzes nach der Rückkehr nach Polen dort in der Regel als Polen akzeptiert. Entsprechendes gilt für ihre Ehegatten und Abkömmlinge. In diesen Fällen liegen deshalb andere als kriegsfolgebedingte Ausreisegründe vor.

Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Betreffende nach den Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle (WASt) in der Kriegsgefangenschaft seine Staatsangehörigkeit mit polnisch angegeben hat. Ein Kriegsfolgeschicksal kann jedoch bei Fremdheitsbewußtsein und Vereinsamung im Herkunftsland mit Auswirkungen bis zur Aussiedlung vorliegen.

1.8.5.3 Verhältnis von kriegsfolgebedingten zu anderen Ausreisegründen

Bei Vorliegen sowohl kriegsfolgebedingter als auch nichtkriegsfolgebedingter Ausreisegründe kommt es darauf an, ob kriegsfolgebedingte Gründe nach Bedeutung und Tragweite das Verlassen des Herkunftsgebiets wesentlich mitverursacht haben. Haben mehrere Bedingungen in annähernd gleichem Maße auf die Ausreise hingewirkt, ist jede von ihnen (Mit-)Ursache im Rechtssinn. Haben kriegsfolgebedingte Ausreisegründe dagegen nur eine untergeordnete Rolle gespielt, haben sie die Ausreise nicht im Rechtssinn verursacht (BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983– 8 C 178.81).

1.8.5.4 Kriegsfolgeschicksale und Volkszugehörigkeit

Ist der Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises abzulehnen, weil ein Kriegsfolgeschicksal nicht vorliegt, besteht im Feststellungsverfahren nach dem BVFG kein Rechtsanspruch auf Klärung der deutschen Volkszugehörigkeit (vergleiche BVerwG, Beschluß vom 30. Juni 1986 – 9 B 9.86; VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 27. November 1989 – 6 S 2794/87).

Allerdings wird die Prüfung des Kriegsfolgeschicksals voraussetzen, daß weitgehend geklärt wurde, ob der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger ist; jedoch braucht verbleibenden Zweifeln im BVFG-Verfahren nicht nachgegangen zu werden. Der Antragsteller sollte gegebenenfalls darauf verwiesen werden, ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren zu betreiben. Unberührt bleiben Amtshilfepflichten gegenüber Ausländer- und Staatsangehörigkeitsbehörden.

1.9 Personen ohne festen Wohnsitz (§ 1 Abs. 2 Nr. 4)

Zum Personenkreis des § 1 Abs. 2 Nr. 4 gehören zum Beispiel Binnenschiffer, Wandergewerbetreibende, Saisonarbeiter, die in der Regel keinen festen Wohnsitz hatten.

1.10 Nichtdeutsche Ehegatten (§ 1 Abs. 3)

1.10.1  § 1 Abs. 3 ist keine Schutzvorschrift für den nichtdeutschen Ehegatten. Die Vorschrift bezweckt den Schutz der im Zeitpunkt der Vertreibung (Aussiedlung) bestehenden Ehe. Nichtdeutsche Ehegatten von Vertriebenen (Aussiedlern), die ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet verloren haben, gelten danach als Vertriebene, selbst wenn sie die Stichtags-(Wohnsitz-) Voraussetzung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 nicht erfüllen.

1.10.2  Hat der deutsche Ehegatte einen Vertriebenenausweis erhalten, entfaltet dieser kraft Gesetzes Feststellungswirkung auch im Rahmen des § 1 Abs. 3; von einer erneuten Prüfung der Vertriebeneneigenschaft des deutschen Ehegatten ist abzusehen. Die Feststellungswirkung bleibt auch nach dem Tod des deutschen Ehegatten bestehen. Ihre Erstreckung auf den Ehegatten im Rahmen des § 1 Abs. 3 kann nur durch eine gegenüber dem überlebenden Ehegatten auszusprechende Einziehung des dem verstorbenen Ehegatten erteilten Ausweises beseitigt werden (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 9 C 255.86).

1.10.3  Die Ehe muß im Zeitpunkt der Vertreibung (Aussiedlung) des deutschen Ehegatten bestanden haben. Maßgebend ist der formelle Bestand der Ehe (BVerwG, Urteil vom 18. März 1986 – 9 C 3.86). Auf die Dauer der Ehe kommt es nicht an (BVerwG, Urteil vom 16. März 1977 – VIII C 58.76).

1.10.4  Der Aufschub der Eheschließung, um die Ausreise des deutschen Volkszugehörigen nicht zu gefährden, rechtfertigt keine Ausnahme von dem Erfordernis, daß nach § 1 Abs. 3 die Ehe bereits im Zeitpunkt der Vertreibung (Aussiedlung) des deutschen Volkszugehörigen bestanden haben muß (BVerwG, Urteil vom 18. März 1986 – 9 C 3.86). Das ergibt sich auch aus § 8.

1.10.5  Eine bei Ausreise des nichtdeutschen Volkszugehörigen bereits aufgelöste Ehe ist nach dem Zweck des BVFG nicht geschützt. Dies gilt unabhängig davon, auf welchen Gründen die Auflösung beruht (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1974 – VIII C 29.73 und vom 3. November 1976 – VIII 97-75). Stirbt der deutsche Ehegatte im Vertreibungsgebiet (Aussiedlungsgebiet) vor der Ausreise des nichtdeutschen Ehepartners, kommt ein Statuserwerb als Vertriebener nach § 1 Abs. 3 durch den nichtdeutschen Ehegatten auch dann nicht in Betracht, wenn der deutsche Ehegatte zu einem Zeitpunkt verstorben ist, in welchem dem nichtdeutschen Ehegatten wegen fortgeschrittener gemeinschaftlicher Ausreisebemühungen ein Verbleiben im Herkunftsland nicht mehr zumutbar war (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 – 9 C 26.89). Wurde die Ehe im Vertreibungsgebiet vor der Einreise des nichtdeutschen Volkszugehörigen in die Bundesrepublik Deutschland geschieden und die Scheidung von der zuständigen deutschen Landesjustizverwaltung gemäß Artikel 7 § 1 des Familienrechtsänderungsgesetzes (vergleiche BGBl. I 1961 S. 1221) anerkannt, kann der nichtdeutsche Volkszugehörige einen Vertriebenenausweis nach § 1 Abs. 3 auch dann nicht erhalten, wenn die Anerkennung der Scheidung erst nach der Einreise erfolgt ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 16. Februar 1989 – 6 S 3299/88).

1.10.6  Der nichtdeutsche Ehegatte kann auch dann einen Wohnsitz im Vertreibungsgebiet haben, wenn er nicht aus diesem Gebiet stammt. Der Begründung eines Wohnsitzes im Vertreibungsgebiet steht nicht schon der Umstand entgegen, daß die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Auf den Zeitraum, während dessen der Wohnsitz bestanden hat, kommt es nicht an (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1989 – 9 C 6.89).

1.10.7  Der Verlust des Wohnsitzes des nichtdeutschen Ehegatten muß auf der Vertreibung (Aussiedlung) des deutschen Ehegatten beruhen. Das gilt auch für einen Wohnsitz, der nach der ersten Wohnsitzaufgabe und einem Aufenthalt im Bundesgebiet im Herkunftsland neu begründet wurde. Der nichtdeutsche Ehegatte muß den Wohnsitz wegen der mittelbaren Folgen der Aussiedlung des deutschen Ehegatten verloren haben, also deshalb, weil er sich in dem Konflikt zwischen Heimat und Ehe für seine Ehe entschieden hat und aus diesem Grunde dem Ehegatten gefolgt ist (vergleiche BVerwG, Urteil vom 18. März 1986 – 9 C 1.86).

Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Ehegatten gleichzeitig ihren Wohnsitz im Vertreibungsgebiet aufgegeben haben. Gleiches gilt, wenn ein Ehegatte bereits vor dem anderen seinen Aufenthalt oder Zweitwohnsitz im Bundesgebiet genommen hat, seinen bestimmenden Wohnsitz (Familienwohnsitz) aber im Einverständnis mit seinem Ehepartner und mit Wirkung für ihn erst zu einem späteren Zeitpunkt (dem der Aussiedlung) im Bundesgebiet begründet (vergleiche Nummer 1.8.2.2).

Die Ausreise des nichtdeutschen Ehegatten kann trotz formell bestehender Ehe anders motiviert gewesen sein, wenn die Eheleute schon lange vor der Ausreise des nichtdeutschen Ehegatten nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft gelebt haben und die Haushaltsgemeinschaft auch im Bundesgebiet nicht wieder aufgenommen wird. Dies gilt insbesondere, wenn der nichtdeutsche Ehegatte erst viele Jahre nach der Aussiedlung des deutschen Ehegatten ausreist, obwohl ihm eine frühere Ausreise möglich gewesen wäre.

1.10.8  In erweiterter Auslegung können in die Regelung des § 1 Abs. 3 auch deutsche Ehegatten einbezogen werden, die die Stichtags-(Wohnsitz-)Voraussetzung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 nicht erfüllen (BVerwG, Urteil vom 16. März 1977 – VIII C 58.76). Gleiches gilt, wenn deutsche Ehegatten von Aussiedlern sonstige Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 (Ausreise „im Wege der Aufnahme“, Kriegsfolgeschicksal) nicht erfüllen.

1.10.9  Durch eine erneute Eheschließung nach der Aussiedlung geht der Status nach § 1 Abs. 3 nicht verloren.

1.11 Aufenthalt im Vertreibungsgebiet infolge Kriegseinwirkungen (§ 1 Abs. 4)

1.11.1  Kriegseinwirkungen im Sinne von § 1 Abs. 4 sind Evakuierung, Kriegsdienstverpflichtung, kriegsbedingte Verlagerung von Betriebs- oder Arbeitsstätten und ähnliches.

1.11.2  Unter den Umständen, aus denen sich der Niederlassungswille für die Nachkriegszeit ergibt, können nicht Erwägungen allgemeiner Art, Annahmen, Vermutungen, Erwartungen und Hoffnungen des Betroffenen verstanden werden, sondern es muß sich dabei um bestimmte und zweifelsfrei feststehende Tatsachen handeln (Beispiele: Ankauf von Grundeigentum zu Wohnzwecken, Errichtung oder Erwerb eines ortsgebundenen kaufmännischen oder gewerblichen Unternehmens, Einheirat in einen ortsgebundenen Betrieb, völlige Aufgabe der früheren Wohnung und Auflösung des Haushalts am früheren Wohnort (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1957 – V C 388.56).

1.11.3  Wurden die in § 1 Abs. 1 genannten Gebiete erst nach dem 31. Dezember 1989 verlassen, kommt es auf einen Niederlassungswillen für die Nachkriegszeit nicht an.

1.12 Rückkehr in das Vertreibungsgebiet

Durch die Rückkehr eines Vertriebenen (Aussiedlers) in das Herkunftsland geht der Vertriebenenstatus grundsätzlich nicht unter (BVerwG, Urteil vom 12. Juni 1959 – IV C 47/58).

Antragsteller, die unter § 1 Abs. 2 Nr. 3 fallen, weil sie nach ihrer Vertreibung bis 31. März 1952 einen Wohnsitz im Vertreibungsgebiet begründet haben, haben mit ihrer Rückkehr in das Vertreibungsgebiet den zuvor nach § 1 Abs. 1 Satz 1 erworbenen Vertriebenenstatus verloren. Sie können nur den Status nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 – keinen Doppelstatus – erhalten (BVerwG, Urteile vom 10. November 1976 – VIII C 92.75 und vom 23. November 1977 – VIII C 92.75). Gleiches gilt für einen zuvor erworbenen Vertriebenenstatus zum Beispiel nach § 1 Abs. 2 Nr. 2.

Der Vertriebenenstatus nach § 1 Abs. 1 oder anderen Vorschriften bleibt jedoch bestehen, wenn und solange die Betreffenden einen Vertriebenenstatus als Aussiedler nicht erwerben.

Bei nichtdeutschen Ehegatten von Vertriebenen ist Nummer 1.10.7 zu beachten.

2    Heimatvertriebene (§ 2)

2.1  In § 2 berücksichtigt der Gesetzgeber diejenigen Vertriebenen besonders, die außer ihrem Wohnsitz auch ihre Heimat verloren haben. Hierzu unterstellt der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 eine besondere Bindung an die Heimat bei Vertriebenen nach § 1, die am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher ihren Wohnsitz in dem Vertreibungsgebiet im Sinne des § 2 Abs. 1 hatten.

Vertreibungsgebiet im Sinne des § 2 Abs. 1 ist der gesamte in dieser Vorschrift umschriebene mittel- und osteuropäische Raum. Ein Wohnsitzwechsel innerhalb dieses einheitlichen Vertreibungsgebiets nach dem 31. Dezember 1937 ist somit für den Status als Heimatvertriebener unschädlich.

2.2  Wer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 (Status nach § 1, Stichtag) erfüllt, vermittelt den Status des Heimatvertriebenen nach § 2 Abs. 2 seinem Ehegatten und seinen Kindern.

2.2.1  Ein vertriebener Ehegatte ist nach § 2 Abs. 2 Heimatvertriebener, wenn der andere Ehegatte Heimatvertriebener nach § 2 Abs. 1 ist. Diese abgeleitete Heimatvertriebeneneigenschaft als Ehegatte hat er auch dann, wenn eine entsprechende Ableitung von den Eltern nicht möglich ist.

2.2.2  Ein vertriebener Abkömmling ist nach § 2 Abs. 2 Heimatvertriebener, wenn ein Elternteil Heimatvertriebener nach § 2 Abs. 1 ist. Eine Ableitung des Heimatvertriebenenstatus von Eltern kommt deshalb bei einem nach dem 31. Dezember 1937 im Vertreibungsgebiet geborenen Antragsteller in Betracht, wenn seine Eltern – schon am 31. Dezember 1937 mit Wohnsitz im Vertreibungsgebiet – das Herkunftsgebiet als Vertriebene bzw. Aussiedler endgültig verlassen haben bzw. nach Erwerb eines Heimatvertriebenenstatus (zum Beispiel als Umsiedler nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2; der Status wird kraft Gesetzes erworben) wieder im Herkunftsgebiet leben oder dort verstorben sind. Sind die Eltern dagegen im Herkunftsland verblieben, ohne einen Heimatvertriebenenstatus nach § 2 Abs. 1 erworben zu haben, können sie auch ihren Kindern den Heimatvertriebenenstatus nicht vermitteln (BVerwG, Urteile vom 18. Januar 1978 – 8 C 53.77 und vom 2. Dezember 1986 – 9 C 6.86).

Von Großeltern, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 erfüllen, kann der Heimatvertriebenenstatus nicht abgeleitet werden.

2.3  Ein aus einem vom Nationalsozialismus beherrschten späteren Vertreibungsgebiet nach Beginn der NS-Verfolgungsmaßnahmen ausgewanderter Verfolgter ist Heimatvertriebener, wenn er bereits vor dem 1. Januar 1938 dort seinen Wohnsitz hatte (zum Beispiel 1934 aus Schlesien in die USA ausgewandert ist). Ein Verfolgter, der nach dem 31. Dezember 1937 erstmals in einem späteren Vertreibungsgebiet seinen Wohnsitz genommen hat, kann demnach nicht den Status eines Heimatvertriebenen erhalten.

3    Verwendung des Wortes „Vertreibung“ (§ 5)

Bei dem Wort „Vertreibung“ handelt es sich um einen Oberbegriff, der auch Tatbestände wie Flucht, Ausweisung, Nichtrückkehr oder ähnliches umfaßt.

4    Volkszugehörigkeit (§ 6)

4.1 Deutsche Volkszugehörigkeit als Rechtsbegriff

4.1.1  Deutscher Volkszugehöriger im Sinne des § 6 ist, wer

a)
sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat und
b)
objektive Merkmale aufweist, die dieses Bekenntnis bestätigen.


4.1.2  Das deutsche Volkstum im Sinne des § 6 ist als national geprägte Kulturgemeinschaft zu verstehen, das heißt als eine Gemeinschaft, mit sprachlicher und kultureller Übereinstimmung. Bei der Feststellung des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum darf die Zugehörigkeit zu einer politischen, insbesondere nationalsozialistischen Organisation nicht als Entscheidungskriterium mit einbezogen werden.

4.1.3  Die deutsche Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 ist demnach nicht identisch mit dem ethnologischen Begriff der Deutschstämmigkeit. Sie ist keine Tatsache, sondern eine Rechtsfolge, die sich ausschließlich aus den in § 6 aufgeführten beiden Begriffen, nämlich des Bekenntnisses (subjektives Erfordernis) und der sogenannten Bestätigungsmerkmale (objektive Merkmale), ergibt. Beide Teile des gesetzlichen Tatbestands stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Den Bestätigungsmerkmalen kommt neben ihrer Bestätigungsfunktion noch eine wichtige Indizwirkung in bezug auf das Bekenntnis zu.

4.1.4  Deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 ist auch nicht gleichbedeutend mit Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis.
Der Gesetzgeber hat im Entschädigungs- und Vertriebenenrecht unterschieden zwischen

a)
Personen, die dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zuzuordnen sind und im Rahmen wiedergutmachungsrechtlicher Vorschriften (zum Beispiel § 150 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz) Entschädigungen für Schäden erhalten, die durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen eingetreten sind, auch wenn sie ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht abgelegt haben, und
b)
Personen, die im Rahmen vertriebenenrechtlicher Vorschriften Rechte und Vergünstigungen wegen der durch fremde Staaten durchgeführten Vertreibungs- und Verfolgungsmaßnahmen nur erhalten, wenn sie sich über den Gebrauch der deutschen Sprache und die Verbindung zum deutschen Kulturkreis hinaus auch zum deutschen Volkstum bekannt haben.

Personen der unter Buchstabe a) genannten Gruppe sind gegebenenfalls an die zuständigen Entschädigungsbehörden zu verweisen. Vergünstigungen für diese Personen können auch nach § 17a Fremdenrentengesetz in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (BGBl. I S. 2261) in Betracht kommen. Das BVFG hat nicht die Aufgabe, für erlittenes Unrecht zu entschädigen. Sein Zweck ist, zur Eingliederung der von ihm erfaßten heimatlosen Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland beizutragen.

4.2 Bekenntnis

4.2.1 Allgemeines

Das Bekenntnis als Deutscher ist nach § 6 als Rechtsbegriff Voraussetzung für die Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit. Es liegt vor, wenn die festgestellten Tatsachen ergeben, daß der Antragsteller das Bewußtsein und den Willen gehabt hat, selbst Deutscher zu sein und keinem anderen Volk anzugehören, und diesen Willen für unbeteiligte Dritte wahrnehmbar kundgetan hat, um in seiner Heimat als Deutscher behandelt zu werden. Das Bekenntnis muß nach außen hin sichtbar geworden sein; daß es gegenüber nicht dem Bekanntenkreis angehörenden Personen abgegeben wurde, ist nicht erforderlich (BVerwG, Urteil vom 27. September 1982 – 8 C 62-81); der Betreffende muß jedoch „von seiner Umgebung“ als deutscher Volkszugehöriger angesehen worden sein.

Das Bekenntnis muß sich aus Tatsachen ergeben, die durch die entscheidende Stelle festzustellen sind. Die Aussage, jemand habe sich zum deutschen Volkstum bekannt, ist noch keine Bekundung einer solchen Tatsache, jedoch Anlaß für die entscheidende Behörde, nach tatsächlichen Anhaltspunkten zu forschen.

Der Begriff des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum ist in wertungsfreiem Sinne zu verstehen. Er soll nicht dazu dienen, Verdienste um das Deutschtum oder Treue zu diesem zu belohnen, sondern hat allein den Zweck, eine tatbestandsmäßige Abgrenzung des Personenkreises zu ermöglichen. § 6 verlangt ein Bekenntnis „in der Heimat“. Das Bekenntnis muß deshalb im Vertreibungsgebiet abgelegt worden sein (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1988 – 9 C 41-87). Ein früher abgelegtes Bekenntnis zum deutschen Volkstum ist beachtlich, wenn es bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen fortgewirkt hat (vergleiche die Fälle der Nummer 1.4.3.1).

4.2.2 Abgabe des Bekenntnisses

4.2.2.1 Bekenntnis durch ausdrückliche Erklärung

Als ausdrückliche Erklärung bei

  • amtlichen Volkszählungen (zum Teil wurde nach Nationalität – Volkszugehörigkeit – und Muttersprache gefragt),
  • der Ausstellung von Pässen und Personalausweisen (zum Beispiel enthalten sowjetische Inlandspässe die Eintragung der Volkszugehörigkeit),
  • der Einschulung von Kindern (zum Beispiel enthielten rumänische Abiturzeugnisse bis Anfang 1945 die Eintragung der Volkszugehörigkeit),
  • der Anmeldung von Personenstandsveränderungen (zum Beispiel enthalten sowjetische Geburtsurkunden die Eintragung der Volkszugehörigkeit),
  • der Erfassung zum Wehrdienst (zum Beispiel enthalten rumänische und sowjetische Militärpässe die Eintragung der Volkszugehörigkeit),

der Bewerbung zur Anstellung im öffentlichen Dienst.

Sowjetische Inlandspässe enthalten nach den Erkenntnissen der Heimatauskunftsstelle die Volkszugehörigkeit, für die sich der Paßinhaber bei der Beantragung des Passes entschieden hat. Bei Antragstellern mit nur einem deutschen Elternteil wird eine nichtdeutsche Volkszugehörigkeit von den sowjetischen Behörden demnach in aller Regel nicht gegen den Willen des Betreffenden in den Inlandspaß eingetragen.

Bei früheren vorläufigen Mitgliedern des Steirischen Heimatbundes bzw. Kärntner Volksbundes bedeutet bereits der Beitritt zu diesen Verbänden mit dem Ziel, als Volksdeutscher anerkannt zu werden, ein Bekenntnis als Deutscher, wenn dies durch objektive Merkmale im Sinne des § 6 bestätigt wird (vergleiche VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 1979 – VI 405/79).

Die Bekundung des Umsiedlungswillens gegenüber deutschen Umsiedlungskommissionen aufgrund zwischenstaatlicher Verträge und Vereinbarungen ist als Indiz für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum anzusehen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Dezember 1977 – VI 1786.77).

Die Aufnahme in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste (vergleiche Nummer 1.2.2) kann für sich allein nicht als Bekenntnis des Aufgenommenen zum deutschen Volkstum gewertet werden. Ein Bekenntnis kann nur dann angenommen werden, wenn bestimmte objektive Merkmale die Eintragung in die Deutsche Volksliste als Erklärungsverhalten schlüssig erscheinen lassen. Die bloße Abstammung von einem deutschen Elternteil genügt nicht. Darüber hinaus muß wenigstens ein weiteres Merkmal, zum Beispiel Verwendung der deutschen Sprache als Muttersprache, bei dem ursprünglich Eingetragenen, Zugehörigkeit zu Vereinen mit überwiegend deutschen Mitgliedern, Besuch einer deutschen Schule oder ein ähnlicher Umstand, vorliegen. Die Zugehörigkeit zur ehemaligen Wehrmacht ist in diesem Zusammenhang ein Indiz für die Tatsache der Eintragung in die Deutsche Volksliste; sie kann aber nicht als Bekenntnis oder als bestätigendes Merkmal im Sinne des § 6 in Betracht kommen.

4.2.2.2 Bekenntnis durch schlüssiges Verhalten

Ein Bekenntnis durch schlüssiges Verhalten sowohl durch bestimmte Einzelhandlungen als auch ein durch das Gesamtverhalten bekundetes Bekenntnis liegt vor, wenn sich der Betreffende selbst als zum deutschen Volkstum gehörend angesehen, sich so in dieser Einstellung nach außen erkennbar verhalten hat und dementsprechend von seiner Umwelt als deutscher Volkszugehöriger betrachtet worden ist. Soll demnach ein Bekenntnis als Deutscher aus dem Gesamtverhalten abgeleitet werden, muß dieses im einzelnen ermittelt und gewürdigt werden. Das Ergebnis muß unter Berücksichtigung der politischen, ethnologischen und geographischen Verhältnisse den Schluß auf ein Bekenntnis zulassen (vergleiche BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1977 – VIII C 22.76 und Beschluß vom 17. Februar 1984 – 3 B 46.81).

Aus der Meldung zum freiwilligen Dienst in der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs kann nicht in jedem Fall ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum hergeleitet werden. Besonders in den Verbändern der Waffen-SS befanden sich auch Angehörige anderer Volksgruppen.

Die Eheschließung ist grundsätzlich bekenntnisneutral. Weder kann die Ehe mit einem deutschen Volkszugehörigen als Bekenntnis zu einem anderen Volkstum, noch kann die Ehe mit einem nichtdeutschen Volkszugehörigen als Bekenntnis zu einem anderen Volkstum gewertet werden. Im Einzelfall kann aus besonderen Gegebenenheiten eine andere Beurteilung notwendig werden.

Ein Bekenntnis als Deutscher kann nicht schon deshalb unterstellt werden, weil ein Bekenntnis zu einem anderen Volkstum nicht nachgewiesen ist. Aus einer deutschfreundlichen Einstellung kann noch nicht auf ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum geschlossen werden.

Kommt es bei Ausweisbewerbern aus dem Gebiet des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren, die nicht deutsche Staatsangehörige sind, auf ein Bekenntnisverhalten an, ist zu berücksichtigen, daß diesen Personen seinerzeit – soweit sie deutsche Volkszugehörige waren – die Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit eingeräumt worden war (vergleiche VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Oktober 1972 – VI 1080/71). Wer von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat, hat sich in der Regel nicht als Deutscher bekannt.

4.2.2.3 Indizwirkung der Bestätigungsmerkmale für ein Bekenntnis

4.2.2.3.1  Ein Bekenntnissachverhalt kann sich auch aufgrund der Indizwirkung objektiver Bestätigungsmerkmale ergeben (BVerwG, Urteile vom 27. September 1982 – 8 C 62.81 und 15. Juli 1986 – 9 C 9.86).

Die Indizwirkung objektiver Bestätigungsmerkmale für ein Bekenntnis als Deutscher ist von Bedeutung, wenn sich ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht unmittelbar positiv feststellen läßt (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 6.86).

4.2.2.3.2  Je mehr Bestätigungsmerkmale vorliegen, um so näher liegt die Annahme eines subjektiven Bekenntnisses. Für Antragsteller aus den ost- und südosteuropäischen Vielvölkerstaaten ist daher die deutsche Volkszugehörigkeit widerlegbar zu vermuten, wenn die objektiven gesetzlichen Bestätigungsmerkmale hinreichend für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum sprechen. Maßgebend sind die gesamten Lebensumstände des Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 9 C 90.86).

4.2.2.3.3  Bei Personen aus dem Deutschen Reich (Stand 31. Dezember 1937) sowie aus Danzig und dem Sudetenland, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besaßen, aber die Bestätigungsmerkmale des § 6 erfüllen, spricht die Vermutung für ein Bekenntnis als Deutscher, wenn sie sich entsprechend der vom deutschen Volkstum geprägten Umgebung verhalten haben. Das erforderliche Bekenntnis liegt dann in ihrem Gesamtverhalten, das sich aus ihrem Aufgehen im deutschen Volkstum ergibt. Von diesen Personen ist ein Bekenntnis durch ausdrückliche Erklärung nicht zu verlangen.

Es genügt, daß ihr Gesamtverhalten keine demonstrative Hinwendung zu einem anderen Volkstum erkennen läßt.

4.2.2.3.4  Die Indizwirkung der festgestellten Bestätigungsmerkmale entfällt allerdings, wenn sich aus Tatsachen ergibt, daß bei dem Antragsteller ein anderes als das durch die objektiven Merkmale indizierte Verhalten ernsthaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 9 C 90.86).

4.2.2.3.5  Durch eine Äußerung der Heimatauskunftstelle, am Wohnort eines Antragstellers habe sich bei der letzten Volkszählung vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs niemand zu deutscher Nationalität bekannt, kann die sich aus objektiven Bestätigungsmerkmalen ergebende Vermutung eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum entkräftet sein (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 1989 – 6 S 3369/88).

4.2.2.3.6  Die objektiven Bestätigungsmerkmale entfalten auch dann keine Indizwirkung für das subjektive Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6, wenn der Betreffende seinen deutschen Namen gezielt in einen fremdsprachigen Namen geändert hat (BVerwG, Urteile vom 31. Januar 1989 – 9 C 68.87 und 9 C 78.87). Um gleichwohl deutsche Volkszugehörigkeit feststellen zu können, muß deshalb nach der Namensänderung und bis zum allgemein maßgeblichen Zeitpunkt ein ausdrückliches Bekenntnis als Deutscher bzw. ein eindeutiges Bekenntnisverhalten vorliegen. Die Aufrechterhaltung der bisherigen Lebensgewohnheiten genügt nicht.

4.2.2.3.7  Die objektiven Bestätigungsmerkmale entfalten auch dann keine Indizwirkung für das subjektive Bekenntnis zum deutschen Volkstum, wenn sich aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt, daß bei der Einreise in das Bundesgebiet das Bewußtsein, Deutscher zu sein, nicht vorhanden gewesen sein konnte (BVerwG, Urteil vom 25. Mai 1989 – 9 B 6.89) oder ein Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum vorliegt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. März 1988 – 14 A 2648/84).

4.2.3 Zeitpunkt für das Bekenntnis

4.2.3.1 Vertriebene/Aussiedler

Der maßgebliche Zeitpunkt für ein Bekenntnis liegt unmittelbar vor Beginn der gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen. Das ergibt sich aus dem Zweck des BVFG, der nur auf die Begünstigung von Personen gerichtet ist, deren Vertreibung im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs steht (§ 1 Abs. 1). Dieser Zusammenhang besteht bei Aussiedlern (§ 1 Abs. 2 Nr. 3) in den Spätfolgen der Vertreibungsmaßnahmen bzw. dem durch die Nachkriegsverhältnisse bedingten Kriegsfolgeschicksal.

Die Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts für ein Bekenntnis auf die Zeit unmittelbar vor Beginn der allgemeinen Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen bedeutet nicht, daß der Bekenntnissachverhalt immer für diesen Zeitpunkt nachzuweisen ist. Es genügt, daß ein früher abgegebenes Bekenntnis bis zum maßgeblichen Zeitpunkt aufrechterhalten worden ist. Davon ist im allgemeinen auszugehen, wenn sich aus dem Verhalten des Betreffenden nicht Anhaltspunkte für eine Abwendung vom deutschen Volkstum ableiten lassen (vergleiche Nummer 4.5). Eine solche Abwendung liegt nicht vor, wenn sich der Betreffende von der nationalsozialistischen Umgebung distanziert hat.

Unerheblich ist ein Bekenntnis als Deutscher nach dem maßgeblichen Zeitpunkt. Das Verhalten des Betreffenden nach dem maßgeblichen Zeitpunkt kann aber Indizwirkung für das bekenntnisrelevante Verhalten bis zum maßgeblichen Zeitpunkt haben. So rechtfertigt zum Beispiel ein nach dem maßgeblichen Zeitpunkt abgelegtes Bekenntnis den Schluß, daß ein für die Zeit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt behaupteter, schlüssig vorgetragener Bekenntnissachverhalt (gegebenenfalls in bezug auf die Eltern) tatsächlich vorgelegen hat.

Umgekehrt rechtfertigt aber ein für die Zeit nach dem maßgebenden Zeitpunkt festgestelltes bekenntnisneutrales Verhalten oder eine Verleugnung der Zugehörigkeit zum deutschen Volk nicht den Schluß, daß für die Zeit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt ein behaupteter, schlüssig vorgetragener Bekenntnissachverhalt tatsächlich nicht vorgelegen hat. Infolge des nach dem maßgeblichen Zeitpunkt fortwirkenden Vertreibungsdrucks war es den deutschen Volkszugehörigen in einigen Teilen des Vertreibungsgebiets zeitweilig nicht zuzumuten, sich nach außen als Deutsche zu bekennen. Eine Abwendung vom deutschen Volkstum kann jedoch für die Beurteilung der Volkszugehörigkeit Spätgeborener (vergleiche Nummer 4.5) und des Kriegsfolgeschicksals (vergleiche Nummer 1.8.5.2.1) bedeutsam sein.

4.2.3.2 Umsiedler und Verfolgte

Bei Umsiedlern (§ 1 Abs. 2 Nr. 2) liegt der maßgebliche Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Umsiedlung, bei Verfolgten (§ 1 Abs. 2 Nr. 1) unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem sich nationalsozialistisches Gedankengut durchgesetzt hatte (im Regelfall 30. Januar 1933).

4.2.3.3 Bekenntnisfähiges Alter

Ein Bekenntnis setzt die Fähigkeit voraus, eine volkstumsgemäße Entscheidung zu treffen (Bekenntnisfähigkeit).

Die hierzu erforderliche Reife liegt nach den Umständen des Einzelfalls vor, wenn der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt – etwa durch Lösung vom Elternhaus – bereits eine gewisse Selbständigkeit erreicht hatte (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 9 C 78.87). Sie kann im allgemeinen ab einem Alter von 16 Jahren angenommen werden.

4.2.4 Bekenntnis und Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis

Bei Personen, die aus Gebieten kommen, in denen es neben einer deutschen Volksgruppe noch andere Volksgruppen gab, die auch die deutsche Sprache gebrauchten und sich auch der deutschen Kultur verbunden fühlten (vergleiche Nummer 14.6.7.2), ist ein Bekenntnis als Deutscher anzunehmen

a)
bei ausdrücklicher Erklärung (vergleiche Nummer 4.2.2.1)
oder
b)
bei schlüssigem Verhalten (vergleiche Nummer 4.6.2.2), wenn der Gebrauch der deutschen Sprache und die Verbindung zur deutschen Kultur die insoweit bekenntnis- und volkstumneutralen Lebensgewohnheiten der anderen Volksgruppe übertrafen.

Dem Besuch deutscher kultureller Veranstaltungen, der Einschulung der Kinder in deutsche Schulen, der Teilnahme an einem Kreis, der sich der Pflege der deutschen Sprache und Literatur widmete, der Mitwirkung in einer deutschen Theatergruppe, schriftstellerischer Tätigkeit in deutscher Sprache und ähnliche Aktivitäten ist Bekenntnischarakter beizumessen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Buchstabe b) vorliegen. Deutscher (Mutter-)Sprache und Kultur allein kommt in diesen Fällen noch keine Indizwirkung für ein Bekenntnis als Deutscher zu.

4.2.5 Bekenntnis bei jüdischen Antragstellern

4.2.5.1 .  Bei jüdischen Antragstellern ist den besonderen Verhältnissen vor und während des Zweiten Weltkriegs Rechnung zu tragen. Die vielfältigen bis in die ost- und südosteuropäischen Staaten reichenden Bestrebungen nationalsozialistischer Politik, Juden aus dem deutschen Volk auszuschließen, dürfen sich heute nicht in einer Benachteiligung einzelner Antragsteller auswirken. Um dem gerecht zu werden, ist folgendes zu beachten:

4.2.5.2  Jüdischen Antragstellern war nach dem 30. Januar 1933 nicht mehr zuzumuten, sich als Deutsche zu bekennen. Bei ihnen genügt es daher, wenn sie ein Bekenntnis vor diesem Zeitpunkt abgegeben haben (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1975 – III C 42.73).

  • Ist das Bekenntnis zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben worden, so ist regelmäßig von dessen Aufrechterhaltung bis 1933 auszugehen, sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, daß sich der Betreffende vom deutschen Volkstum abgewandt hat.
  • Das Bekenntnis eines jüdischen Antragstellers zum deutschen Volkstum nach dem 30. Januar 1933 bis zum allgemein maßgeblichen Zeitpunkt (vergleiche Nummer 4.2.3.1) ist ihm zuzurechnen.

4.2.5.3  Liegen bei einer Person, die sich bei einer Volkszählung vor dem 30. Januar 1933 zum jüdischen Volkstum erklärt hat, später die Voraussetzungen der Nummer 4.2.4 vor, so kann ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum angenommen werden.

4.2.5.4  Hat ein jüdischer Antragsteller an Umsiedlungsaktionen unmittelbar vor und während des Zweiten Weltkrieges nicht teilgenommen, bleibt dies ohne Einfluß auf die Beurteilung der deutschen Volkszugehörigkeit.

4.2.5.5  Aus dem Umstand, daß ein jüdischer Antragsteller nach Kriegsende von den gegen deutsche Volkszugehörige gerichteten Verfolgungsmaßnahmen nicht betroffen war, kann nicht gefolgert werden, er könne sich bis 1933 nicht als Deutscher bekannt haben.

4.2.5.6  Aus der Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft folgt nicht, daß deutsche Volkszugehörigkeit nicht vorliegen könne.

4.2.5.7  Eine bewußte Hinwendung zu der national und auf kulturelle Erneuerung des Judentums ausgerichteten zionistischen Bewegung kann darauf hindeuten, daß sich der Betreffende nicht als Deutscher bekannt hat.

4.2.5.8  Eine Ausreise mit dem erklärten Ziel einer Aufenthaltnahme in Israel aus Aussiedlungsgebieten, in denen es eine jüdische Volksgruppe gibt (insbesondere UdSSR), spricht gegen deutsche Volkszugehörigkeit, es sei denn, der Antragsteller belegt die deutsche Volkszugehörigkeit schlüssig und überzeugend (vergleiche OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. März 1988 – 14 A 2648/84).

Bestehen in diesen Fällen Zweifel an der Richtigkeit vorgelegter Abschriften sowjetischer Geburtsurkunden (für die Verwendung im Ausland bestimmter sogenannter DIS-Urkunden), insbesondere an Angaben zu Volkszugehörigkeit in diesen Urkunden, oder fehlen solche Urkunden für den Antragsteller oder seine Kinder, ist eine Überprüfung durch die Heimatauskunftstelle zuveranlassen. Zuvor sollte der Antragsteller nach einem Hinweis auf § 98 um Auskunft dazu gebeten werden, welche Volkszugehörigkeit (Nationalität) vor der Auswanderung in seinem sowjetischen Inlandpaß vermerkt war. Außerdem sollte geklärt werden, ob er einen Reisepaß oder ein Exit-Visum erhalten hat und ob er vor der Ausreise aus der UdSSR auf Antrag aus der Staatsangehörigkeit entlassen worden ist.

Hat der Antragsteller in Israel Zwischenaufenthalt genommen, kann mit seinem Einverständnis auf dem Dienstweg und nur über das Innenministerium auf diplomatischem Weg um Auskunft aus dem Bevölkerungsregister des Staates Israel ersucht werden.

4.3 Frühgeborene und Spätgeborene

4.3.1 Analoge Anwendung des § 6

Personen, die im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht bekenntnisfähig waren (Frühgeborene) oder später geboren sind (Spätgeborene), können die Grundvoraussetzung des § 6 (Bekenntnis zum deutschen Volkstum bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen) nicht selbst erfüllen. Auf sie ist § 6 mit den von der Rechtsprechung entwickelten Modifikationen analog anzuwenden.

4.3.2 Frühgeborene

Frühgeborene gehören dem Grunde nach zum unmittelbar berechtigten Personenkreis des BVFG. Ihnen wird das Bekenntnis der Eltern zum deutschen Volkstum bzw. ein entsprechender Bekenntnissachverhalt zugerechnet, wenn die Bekenntnislage der Familie bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen den volkstumsmäßigen Zuschnitt der Familie geprägt hat. Eine über diesen Zeitpunkt hinausreichende Prägung des Frühgeborenen ist nicht Voraussetzung für die Zurechnung des Bekenntnisses der Bezugsperson; ihr kommt allenfalls Indizwirkung zu. War das Kind zum maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund der Familienprägung deutscher Volkszugehöriger, so verliert es diese Eigenschaft durch nachträglich eingetretene Umstände nicht mehr (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1988 – 9 C 41.87 und 21. Juni 1988 – 9 C 282.86). Im Falle einer späteren Abwendung vom deutschen Volkstum dürfte jedoch das Erfordernis eines kriegsfolgebedingten Verlassens des Vertreibungsgebiets nicht gegeben sein (vergleiche Nummer 1.8.5.2.1).

4.3.3 Spätgeborene

4.3.3.1  Spätgeborene werden nach dem Gesetzeswortlaut vom BVFG nicht erfaßt (vergleiche Nummer 1.8.3). Bei Einbeziehung in den Regelungsbereich des BVFG wird ihnen das von einer Bezugsperson (zum Beispiel Großelternteil) bis kurz vor Beginn der Vertreibungsmaßnahmen abgelegte Bekenntnis zum deutschen Volkstum bzw. ein entsprechender Bekenntnissachverhalt zugerechnet, wenn die Bekenntnislage der Familie in diesem Sinne geprägt war und durch die Weitergabe der Bekenntnislage an den Spätgeborenen ein Bekenntniszusammenhang (Überlieferungszusammenhang) besteht. Zu würdigen sind demnach auch die Verhältnisse nach Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen.

4.3.3.2  Bei der Bekenntnislage handelt es sich um das innerhalb der Familie hervorgetretene Bewußtsein und den Willen der (Groß-)Eltern oder des maßgeblichen (Groß-)Elternteils, Deutsche zu sein und keinem anderen Volk zuzugehören (subjektive Seite des Bekenntnisses). Die Bekenntnislage ist somit eine Bewußtseinslage, die innerhalb der Familie dem Kind überliefert wird. Das Kind wächst in sie hinein, was bewirkt, daß auch bei ihm das Bewußtsein vorhanden ist, dem deutschen und keinem anderen Volk anzugehören. Die Bekenntnislage braucht nicht nach außen hervorgetreten zu sein, soweit es im Herkunftsgebiet unzumutbar war, nach Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen ein offenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum abzulegen.

4.3.3.3  Ein deutscher Elternteil war prägend für die Bekenntnislage der Familie, wenn die Erziehung insgesamt die Tendenz erkennen ließ, der nachwachsenden Generation in der Familie wiederum die deutsche Volkszugehörigkeit zu vermitteln, in ihr also die Fähigkeit und den Willen anzuregen, sich als der deutschen Minderheit zugehörig zu fühlen und bei erreichter Bekenntnisfähigkeit ein entsprechendes verbindliches Bekenntnis nach außen abzulegen. Nicht prägend war der deutsche Elternteil, wenn die Erziehung auf die Vermittlung des Volkstums des anderen Elternteils ausgerichtet war oder eine eindeutige Ausrichtung nicht aufgewiesen hat.

4.3.3.4  Maßgebend ist der Einfluß der Eltern bis zur eigenen Bekenntnisfähigkeit bzw. bis zur Aussiedlung des Kindes. Das bedeutet, daß eine zunächst begonnene Prägung zum deutschen Volkstum nicht ausreicht, wenn sich – zum Beispiel durch Trennung von der deutschen Großmutter – die Bekenntnislage im Elternhaus und die sich daraus ergebende Prägung des Kindes bis zu dessen Selbständigkeit so entscheidend verändert haben, daß inzwischen ein anderes Volkstum dominiert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 1989 – S 670/89).

Das gilt auch, wenn allenfalls Ansätze einer deutschen „Muttersprache“ festgestellt werden, nicht jedoch ihre prägende Vermittlung durch die Mutter bzw. die Eltern bis zur Selbständigkeit des Antragstellers (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. November 1985 – 6 S 1759/83).

4.3.3.5  Die Prägung kann unter besonderen Umständen unmittelbar positiv aus einem „Schlüsselerlebnis“ hergeleitet werden. Als Bestätigung der so vermittelten Bewußtseinslage genügt es, wenn nur eines der in § 6 genannten Merkmale vorliegt; die Abstammung von einem deutschen Elternteil reicht dann aus (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 – 9 C 51.89). Ein Erziehungsgespräch ohne maßgeblichen Einfluß auf Volkstumsbewußtsein und Willen des Kindes ist noch kein „Schlüsselerlebnis“ (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 1990 – 6 S 3319/89).

4.3.3.6  Läßt sich ein solches Hineinwachsen des Spätgeborenen in die subjektive Bekenntnislage nicht unmittelbar positiv feststellen, so kommt es darauf an, ob in der Person des Spätgeborenen Merkmale im Sinne des § 6 vorliegen, die aufgrund der ihnen neben ihrer Bestätigungsfunktion innewohnenden Indizwirkung mittelbar hinreichend für eine Überlieferung der Bekenntnislage sprechen (vergleiche BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 6.86).

Ist ein Elternteil nichtdeutscher Volkszugehöriger, kann die Abstammung keine Indizwirkung für eine Bekenntnisüberlieferung haben. Entsprechendes gilt für die Merkmale Sprache, Erziehung, Kultur dann, wenn ein Abkömmling im Sinne beider Volkstumsarten erzogen wird und mehrsprachig aufwächst (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1986 – 9 C 8.86). Wesentliches Anzeichen für eine deutsche Bekenntnislage der Familie und eine deutsche Bewußtseinslage eines Kindes ist, daß Deutsch die Muttersprache und die bevorzugte Umgangssprache in der Familie ist.

Soweit der Gebrauch der deutschen Sprache auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges ohne unzumutbare Nachteile möglich war, ist die unzureichende Beherrschung der deutschen Sprache regelmäßig ein Umstand, der der Überlieferung eines volksdeutschen Bewußtseins entgegensteht. Denn eine solche Überlieferung kann praktisch nur durch das Medium der Sprache zustande kommen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 1990 – 6 S 3319/89).

Die Vermittlung der deutschen Sprache durch die Eltern ist auch das sichtbarste Zeichen dafür, daß im Elternhaus eine deutsche Erziehung stattgefunden hat. Auch aus der Schulwahl und der daraus folgenden schulischen Erziehung können sich Anzeichen dafür ergeben, zu welchem Volkstum die Eltern ihr Kind überwiegend hinführen wollten. Bedeutsam sein können auch das Vorbild der Eltern und die Information durch sie über die Erfahrungen Familienangehöriger aus der Kriegs- und Nachkriegszeit.

Weist ein Antragsteller für einen Bekenntniszusammenhang allein auf ihm vermittelte deutsche Kultur hin, kann die Annahme, ihm sei das Bewußtsein vermittelt worden, Deutscher zu sein, nur auf Tatsachen von entsprechendem Gewicht gegründet werden. Umstände, die sich auf die frühe Kindheit beschränken (vergleiche VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 1990 – 6 S 3319/89) oder allgemein von untergeordneter Bedeutung sind (vergleiche BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 – 9 C 51.89), genügen nicht.

4.3.3.7  Bei Antragstellern aus Rumänien ist für die Feststellung eines „deutschen Zuschnitts“ der Familie in der Regel erforderlich, daß die Umgangssprache in der Familie deutsch war oder sonstige Merkmale vorliegen, die eine Familie auch nach außen als Deutsche erscheinen lassen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 6 S 670/89). Dies gilt auch für Antragsteller aus Ungarn.

4.3.3.8  Eine nachgewiesene römisch-katholische oder evangelische Taufe in Rumänien ist ein Indiz für eine zu diesem Zeitpunkt deutsche Bekenntnislage, denn rumänische Volkszugehörige gehören in der Regel dem orthodoxen Glauben an (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 6 S 670/89). Deutsche haben sich in der Regel auch nicht zum reformierten oder griechisch-katholischen Glauben bekannt.

4.3.3.9  Zur Weitervermittlung eines (früheren) Bekenntnisses zum deutschen Volkstum an ein „spätgeborenes“ Kind genügt es nicht, daß dem Kind hauptsächlich „westliche“ Grundwerte nahegebracht wurden, ohne daß dabei deutsche Volkstumselemente im Vordergrund standen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Januar 1990 – 6 S 878/89).

4.3.3.10  Bei Personen, denen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, besteht die widerlegbare Vermutung, daß die Betreffenden nicht aufgrund einer Bekenntnisüberlieferung deutsche Volkszugehörige und Aussiedler sind, weil gerade das Fehlen der Eigenschaft eines Deutschen im Sinne des Artikel 116 Abs. 1 GG Voraussetzung für die Anerkennung als Asylberechtigter ist (vergleiche Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 21. Oktober 1988 – 4 UE 3066/84).

4.3.4 Ermittlung der Bekenntnislage

Bei der Ermittlung der Bekenntnislage in der Familie werden die Angaben des Antragstellers selbst und glaubwürdiger Zeugen bedeutsam sein. Aber auch der Beruf der Elternteile (Großelternteile) wie überhaupt deren gesellschaftliche Stellung (milieubedingte Prägung) können wichtige Aufschlüsse geben. Prägend für den volkstumsmäßigen „Zuschnitt“ der Familie ist grundsätzlich der Elternteil mit der höheren sozialen Stellung. Das war in den Vertreibungsgebieten in der Zeit gegen Kriegsende überwiegend der Vater.

4.3.5 Kinder mit nichtdeutscher Abstammung

Diese Ausführungen gelten auch für Kinder, die von nichtdeutschen Eltern abstammen, aber zum Beispiel als Stief- oder Pflegekinder in einer deutschen bzw. deutsch geprägten Familie aufgewachsen sind.

Die fehlende deutsche Abstammung ist unschädlich, wenn aufgrund anderer objektiver Bestätigungsmerkmale eine Bekenntnisüberlieferung festgestellt werden kann.

4.3.6 Kinder mit deutscher Abstammung in nichtdeutschen Familien

4.3.6.1  Kinder, die von deutschen Eltern bzw. einem deutschen Elternteil abstammen, aber in einer nichtdeutschen Familie aufgewachsen sind, können das Bekenntnis zum deutschen Volkstum von den leiblichen Eltern bzw. dem leiblichen Elternteil ableiten, wenn zu diesen bzw. diesem ein prägender Kontakt, bei Spätgeborenen bis zur eigenen Bekenntnisfähigkeit bzw. bis zur Aussiedlung des Kindes aufrechterhalten wurde (vergleiche BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1989 – 9 C 78.87). Es muß erkennbar sein, daß sich der Kontakt im Sinne einer überwiegenden Bindung des Kindes an das Volkstum des deutschen Elternteils niedergeschlagen hat.

4.3.6.2  Ein Bekenntnis oder Bekenntnissachverhalt kann Kindern ausnahmsweise auch dann zugerechnet werden, wenn sie gegen den Willen der deutschen Eltern bzw. des deutschen Elternteils durch besondere Umstände der Erziehung der leiblichen Eltern bzw. des leiblichen Elternteils entzogen wurden und in einer nichtdeutschen Umgebung aufgewachsen sind. Als besondere Umstände in diesem Sinne sind sowohl staatliche und mit freiheitlich-demokratischer Auffassung nicht zu vereinbarende Zwangsmaßnahmen (zum Beispiel die Unterbringung des Kindes wegen der deutschen Volkszugehörigkeit der Eltern bzw. des Elternteils in einem Kinderheim) als auch Trennungen anzusehen, die durch Kriegs- und Nachkriegswirren verursacht worden sind. Für Waisen gilt Entsprechendes. Die Kinder müssen sich jedoch mindestens ihrer (teilweise) deutschen Herkunft bewußt geblieben sein.

4.4 Bestätigungsmerkmale

Als objektive Merkmale, die das Bekenntnis als Deutscher bestätigen, nennt § 6 (deutsche) Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur. Hierbei handelt es sich um eine beispielhafte Aufzählung. Diese Merkmale brauchen nicht insgesamt vorzuliegen. Es können außerdem auch andere objektive Merkmale zur Bestätigung eines Bekenntnisses dienen; sie müssen jedoch von ähnlichem Gewicht sein wie die in § 6 aufgeführten Merkmale.

4.4.1  Das Merkmal der Sprache bestimmt sich durch die Beherrschung der deutschen Sprache und ihren Gebrauch in der Heimat.

Es liegt vor, wenn der deutschen Sprache gegenüber der Landessprache der eindeutige Vorzug gegeben wurde; die deutsche Sprache muß im häuslichen Kreise und im täglichen Umgang ganz überwiegend verwendet worden sein (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 – 9 C 18.89).

Deutsch ist für einen Antragsteller insbesondere dann mehr Fremd- als Muttersprache, wenn er mit starkem fremdem Akzent deutsch spricht und ein in früher Kindheit vermittelter deutscher Dialekt jetzt völlig fehlt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 6 S 670/89).

4.4.2  Das Merkmal der Erziehung liegt vor, wenn durch das Elternhaus, durch deutsche Kindergärten und Schulen oder andere Erzieher zum Beispiel deutsches Brauchtum, deutsche Literatur vermittelt worden sind. Sichtbarste Zeichen dafür, daß eine deutsche Erziehung stattgefunden hat, ist die von den Erziehern dem Antragsteller vermittelte Beherrschung der deutschen Sprache (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 1990 – 6 S 3319/89).

4.4.3  Das Merkmal der Kultur bedeutet eine von den vorgenannten geistigen Gütern geprägte Lebensgestaltung. Der wichtigste Schlüssel für den Zugang zur deutschen Kultur ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Auf Verbundenheit mit der deutschen Kultur kann zum Beispiel die Mitgliedschaft in deutschen Vereinen hinweisen (vergleiche Nummer 4.2.4).

4.4.4  Das Merkmal der Abstammung ist bei Personen, die im maßgeblichen Zeitpunkt bekenntnisfähig waren, nicht gleichzusetzen mit Abstammung von deutschen Volkszugehörigen im Sinne des § 6. Sie hängt nicht von dem subjektiven Merkmal des Bekenntnisses durch die vorhergehende Generation ab, sondern von deren ethnischen Merkmalen wie Sprache, Name, Vorfahren, Herkunft, Geschichte, Kultur. Bei Früh- und Spätgeborenen ist dagegen nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vergleiche Nummer 4.3) praktisch auf die Abstammung von deutschen Volkszugehörigen im Sinne des § 6 abzustellen. Die Abstammung von nur einem deutschen Elternteil genügt zur Bejahung des Bestätigungsmerkmals, entfaltet jedoch noch keine Indizwirkung für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum oder eine Bekenntnisüberlieferung.

4.5 Abwendung vom deutschen Volkstum

4.5.1  Vom deutschen Volkstum hat sich abgewandt, wer sich freiwillig zu einem anderen Volkstum bekannt hat, obwohl eine Aufrechterhaltung des Bekenntnisses als Deutscher nicht mit unzumutbaren Nachteilen verbunden gewesen wäre. Rechtlich zu werten ist jedoch nur das Verhalten in der Zeit, die für Bekenntnis und Bekenntnisüberlieferung nach § 6 bedeutsam ist. Hat ein bei Beginn der Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen bekenntnisfähiger deutscher Volkszugehöriger in der Zeit, in der diese Maßnahmen durchgeführt wurden, seine Zugehörigkeit zum deutschen Volk verleugnet bzw. sich vom deutschen Volkstum abgewandt, ist dies für die Beurteilung seiner deutschen Volkszugehörigkeit rechtlich unerheblich (BVerwG, Urteil vom 5. Februar 1973 – VIII B 77.72). Bei der Klärung einer Bekenntnisüberlieferung ist es jedoch zu berücksichtigen.
Hinweise auf eine Abwendung können zum Beispiel folgende Umstände geben: Bekundung der Verbundenheit mit dem Volk des Herkunftslandes durch Erwerb der Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes auf Antrag schon kurz nach Kriegsende, Annahme eines fremdsprachigen Namens, Aufgabe des Kontakts zu Deutschen, völlige Anpassung an einen nichtdeutschen Ehegatten auch in sprachlicher und kultureller Hinsicht, starke sprachliche Assimilierung, die nicht auf staatlichen Zwangsmaßnahmen beruht, völliges Aufgehen im Volk des Herkunftslandes mit der Folge, daß der Betreffende von der nichtdeutschen Bevölkerung des Herkunftslandes nicht zu unterscheiden ist.

4.5.2  Aus der Mitgliedschaft im Polenverband „Zgoda“ (eine Organisation von Exilpolen) kann die Vermutung hergeleitet werden, daß sich das betreffende Mitglied in seiner Heimat zum polnischen und nicht zum deutschen Volkstum bekannt hat.
Ein solcher Sachverhalt spricht dagegen, daß bei dem Mitglied eine Bekenntnisüberlieferung im Familienverband stattgefunden hat.

4.5.3  Der in Gefangenschaft vollzogene Eintritt in die polnische Exilarmee des Generals Anders reicht grundsätzlich nicht aus, um darin eine zweifelsfreie Erklärung über die Ausschlagung der deutschen Staatsangehörigkeit oder die Abwendung vom deutschen Volkstum zu sehen. Das gilt auch dann, wenn der Betreffende nach Auskunft des britischen Verteidigungsministeriums der Exilarmee freiwillig beigetreten ist. Bei Erklärungen in der Gefangenschaft müssen die Umstände berücksichtigt werden, unter denen sie abgegeben wurden. Daß durch solche Erklärungen mehr beabsichtigt sei, als das Los der Gefangenschaft zu erleichtern, kann nach Lage der Umstände vielfach nicht ohne weiteres angenommen werden. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1960 – I C 217.58).

Entsprechendes gilt, wenn der Betreffende nach den Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle (WASt) in der Kriegsgefangenschaft seine Staatsangehörigkeit mit polnisch angegeben hat. Auch bei dieser Erklärung ist in aller Regel nicht festzustellen, aus welchen Gründen sie abgegeben wurde. Ein Negativ-Bekenntnis kann ihr deshalb grundsätzlich nicht entnommen werden.

Diese Umstände sind jedoch bedeutsam für die Beurteilung des Kriegsfolgeschicksals (vergleiche Nummer 1.8.5.2.10).

4.5.4  Die Wahl eines Ehepartners nichtdeutscher Volkszugehörigkeit und die Erziehung der gemeinsamen Kinder im Volkstum des nichtdeutschen Ehegatten hindern den anderen Ehegatten rechtlich nicht daran, sich weiterhin zum deutschen Volkstum zu bekennen (BVerwG, Urteil vom 14. März 1968 – VIII C 51.66). Jedoch können solche Umstände bei der Beurteilung des Kriegsfolgeschicksals bedeutsam sein (vergleiche Nummer 1.8.5.2.3).

5.    Nach der Vertreibung geborene oder legitimierte Kinder (§ 7)

5.1 Statuserwerb

Die nach Vertreibung, Aussiedlung oder Flucht geborenen Kinder von Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen erwerben – ohne eigenes Vertreibungs- bzw. Flüchtlingsschicksal – den Status eines Vertriebenen oder Sowjetzonenflüchtlings im Wege der Ableitung durch Geburt. § 7 schafft für diese Kinder keinen neben den §§ 1 bis 3 und dem früheren § 4 stehenden zusätzlichen Vertriebenenstatus, sondern leitet auf sie lediglich einen nach diesen Vorschriften bereits entstandenen Vertriebenen- oder Flüchtlingsstatus über, der auch in der Person der Kinder durch Ausstellung eines Vertriebenenausweises nach § 15 Abs. 1 festgestellt wird (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 16.86).

Voraussetzung für den Statuserwerb ist somit die Abstammung von einem Vertriebenen/Flüchtling im Sinne der §§ 1 bis 3 und des früheren § 4. Kinder, die nach Vertreibung, Aussiedlung oder Flucht von Vertriebenen (Aussiedlern) oder Flüchtlingen adoptiert oder in Pflege genommen worden sind, werden von § 7 nicht erfaßt (vergleiche § 8). Besitzt der maßgebende Elternteil keinen Vertriebenen- bzw. Flüchtlingsausweis, hat der Antragsteller den Nachweis zu führen, daß der Elternteil, von dem er den Status ableiten will, Vertriebener bzw. Sowjetzonenflüchtling ist.

Der Begriff „Kinder“ ist nicht im Sinne einer Generationsfolge aufzufassen, weil der Status nach § 7 seiner Natur nach nur von Personen abgeleitet werden kann, die ihren Vertriebenen- bzw. Flüchtlingsstatus originär erworben haben.

5.2 Maßgebender Elternteil

5.2.1 – bei Anwendung des Familienrechts der Bundesrepublik Deutschland

Der Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Artikel 3 Abs. 2 GG) gilt seit 1. April 1953 (vergleiche Artikel 117 Abs. 1 GG) uneingeschränkt auch im Bereich von Ehe und Familie (vergleiche BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1953 – BGBl. I S. 633; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1973 – VIII C 155.72).

Ist im Zeitpunkt der Geburt das Familienrecht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden, haben demnach vor dem 1. April 1953 geborene eheliche Kinder dann Anspruch auf Ausstellung eines Vertriebenen- oder Flüchtlingsausweises, wenn der Vater Vertriebener oder Flüchtling ist. Eheliche Kinder, die nach dem 31. März 1953 geboren sind, erwerben dagegen den Status eines Vertriebenen oder Flüchtlings auch dann, wenn allein ihre Mutter den entsprechenden Status besitzt.

Der Status nichtehelich geborener Antragsteller richtet sich grundsätzlich nach demjenigen der Mutter. Sie war schon früher nach § 1707 BGB a. F. berechtigt und verpflichtet, für das Kind zu sorgen; jetzt obliegt ihr die elterliche Sorge nach § 1705 BGB.

Im Falle einer Ehescheidung bestimmt das Familiengericht, welchem Elternteil die elterliche Sorge für ein gemeinschaftliches Kind zustehen soll. In der Regel wird einem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern entsprochen (§ 1671 BGB).

Die Ehelichkeitserklärung eines Kindes auf Antrag seines Vaters (§ 1723 BGB) steht der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung der Eltern (§ 1719 BGB) gleich.

5.2.2 – bei Anwendung des Familienrechts der DDR

Die Rechtsprechung der früheren DDR hat schon aufgrund des Artikels 30 der dortigen, am 7. Oktober 1949 in Kraft getretenen ersten Verfassung entschieden, daß – mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 – das Recht der Personensorge und das Recht der gesetzlichen Vertretung beiden Elternteilen gemeinschaftlich zusteht.

Ist dieses Recht anzuwenden, haben demnach vor dem 1. Oktober 1950 in der früheren DDR geborene eheliche Kinder dann Anspruch auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises, wenn der Vater Vertriebener ist. Eheliche Kinder, die nach dem 30. September 1950 in der früheren DDR geboren sind, erwerben dagegen den Status eines Vertriebenen auch dann, wenn allein ihre Mutter den entsprechenden Status besitzt.

Der Status nichtehelich geborener Antragsteller richtet sich grundsätzlich nach demjenigen der Mutter.

5.2.3 – bei Anwendung des Familienrechts eines Aussiedlungsstaates

Besitzen das Kind und der maßgebliche Elternteil nicht die deutsche, sondern ausschließlich die Staatsangehörigkeit eines Aussiedlungsstaates, ist zu beachten, daß in allen diesen Staaten seit langem das Recht der Personensorge und der gesetzlichen Vertetung jedem Elternteil zusteht und von beiden Elternteilen gemeinsam ausgeübt wird.

5.2.4 – bei Anwendung des Familienrechts eines Staates des westlichen Auslands

Falls ausnahmsweise weder das Kind noch der maßgebliche Elternteil deutsche Staatsangehörige bzw. Staatsangehörige eines Aussiedlungsstaates sind, wird empfohlen, die Aufsichtsbehörde im Personenstandswesen um Stellung zu bitten.

Zu der Frage, welches Familienrecht zum Zeitpunkt der Geburt des Antragstellers zur Anwendung kommt, können auch die deutschen Botschaften um Stellungnahme gebeten werden.

5.3 Unterschiedlicher Vertriebenenstatus der Eltern

Ist ein Elternteil Heimatvertriebener nach § 2 Abs. 1, der andere Vertriebener nach § 1, wird der Heimatvertriebenenstatus (vergleiche § 2 Abs. 2) vermittelt.

5.4 Verfahren

Die Rechtsgrundlage der Ausweiserteilung (§ 7) ist in den Antragsakten und im Vertriebenenausweis zu vermerken. Unter 16 Jahre alte Kinder sind in den Vertriebenenausweis des Elternteils, von dem sie den Status ableiten, einzutragen. Der Status der Kinder soll kenntlich gemacht werden. Da es sich bei den nach § 7 auszustellenden Ausweisen um Status- und nicht um Betreuungsberechtigungsnachweise handelt, kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Bedürfnis zur Ausweisausstellung als Nachweis für konkrete Betreuungsmaßnahmen besteht (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 16.86).

5.5 Betreuungsberechtigung

Die Frage der Betreuungsberechtigung für die im Wege der Ableitung nach § 7 anerkannten Vertriebenen/Aussiedler und Flüchtlinge richtet sich – wie bei den Eltern – nach §§ 9 bis 13 sowie nach den gesetzlichen und sonstigen Vorschriften, die Rechte, Vergünstigungen und Leistungen für Vertriebene/Flüchtlinge im Sinne der §§ 1 bis 7 vorsehen. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der Betreffende bereits eingegliedert ist, ist von Amts wegen eine Prüfung nach § 13 einzuleiten.

Eine Förderung nach § 35 kommt nicht in Betracht, weil die Begünstigung ein eigenes Vertreibungsschicksal verlangt (BVerwG, Urteil vom 23. April 1975 – VIII C 38.74).

6.    Heirat und Annahme als Kind (§ 8)

Die Eigenschaft als Vertriebener kann durch eine Heirat nach der Vertreibung/Aussiedlung weder verloren gehen noch erworben werden. Das gilt auch für die Fälle der Annahme als Kind.

7.    Ständiger Aufenthalt (§ 9)

7.1.  Zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehören das Saarland seit dem 1. Januar 1957, die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der Ostteil des Bundeslandes Berlin seit dem 3. Oktober 1990.

7.2  Der ständige Aufenthalt im Saarland ist auch dann als Aufenthalt im Geltungsbereich des BVFG anzusehen, wenn er dort vor dem 1. Januar 1957 begründet wurde (Artikel II Abs. 2 des 2.ÄndG BVFG vom 27. Juli 1957, BGBl. I S. 1207).

7.3  Der „ständige Aufenthalt“ verlangt eine gewisse Dauer des Aufenthalts und die Absicht, für diese Dauer in dem genannten Gebiet zu bleiben. Außerdem müssen weitere Beziehungen zu dem Aufenthaltsort bestehen, speziell in familiärer oder beruflicher Hinsicht, in denen der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Personen zu sehen ist (vergleiche BGH, Urteil vom 5. Februar 1975 – IV 2 ZR 103/73). Wer von vornherein mit der Absicht gekommen ist, sich (zum Beispiel aus familiären, beruflichen, touristischen oder auswanderungsbedingten Gründen) nur kurzfristig im Geltungsbereich des BVFG aufzuhalten, hat keinen ständigen Aufenthalt genommen.

7.4.  Im Ausland tätige Angehörige des öffentlichen Dienstes sind von der Einschränkung des § 9 Abs. 1 befreit. Sie können als Vertriebene Rechte und Vergünstigungen nach dem BVFG in Anspruch nehmen, obwohl sie sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht ständig aufhalten.

8.    Stichtag für Vertriebene (§ 10)

8.1 Stichtagserfordernis

Der „31. Dezember 1952“ ist kein Anwesenheitsstichtag. Es genügt deshalb für die Betreuungsberechtigung, daß der ständige Aufenthalt im Geltungsbereich des BVFG genommen wurde. Nicht erforderlich ist, daß der Betreffende sich am 31. Dezember 1952 dort aufgehalten hat. Unschädlich ist auch, wenn der ständige Aufenthalt im Bundesgebiet vor dem 31. Dezember 1952 wieder beendet wurde, denn er ist auch in diesem Fall bis zum „31. Dezember 1952“ begründet worden. Rechte und Vergünstigungen können allerdings erst wieder ab dem Zeitpunkt der erneuten ständigen Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet in Anspruch genommen werden.

8.2 Befreiung vom Stichtag

8.2.1  Nach dem Stichtag geborene Kinder (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1)

Die Vorschrift verhindert, daß nach dem Stichtag als Kinder betreuungsberechtigter Vertriebener geborene Antragsteller aus der Betreuung ausscheiden. Vertriebeneneigenschaft und Betreuungsberechtigung der Eltern bzw. des maßgebenden Elternteils müssen im Zeitpunkt der Geburt des Kindes gegeben sein.

8.2.2 Sechs-Monats-Frist (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2)

8.2.2.1  Erfaßt sind die Vertriebenen/Aussiedler aus dem engeren (individuellen) Vertreibungsgebiet. Bei einem vorangegangenen Wohnsitzwechsel von einem engeren Vertreibungsgebiet in ein anderes hat der Vertriebene/Aussiedler zwei individuelle Vertreibungsgebiete (vergleiche BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1990 – 3 C 4.82).

8.2.2.2  Die Frist beginnt mit dem Verlassen des Vertreibungsgebiets (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1990 – 3 C 55.87).

8.2.2.3  In die Frist werden nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Zeiten einer von dem Betreffenden nicht zu vertretenden Verzögerung der Weiterreise nicht eingerechnet. Nicht zu vertreten sind nur solche Gründe, die der Vertriebene/Aussiedler trotz zumutbarer Anstrengungen nicht überwinden konnte. Dieser Tatbestand liegt zum Beispiel vor bei Aussiedlern, die nach dem Verlassen des Aussiedlungsgebietes im westlichen Ausland die zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland benötigten Papiere unverzüglich beantragt, aber erst nach Ablauf der Sechs-Monats- Frist erhalten haben (vergleiche BVerwG, Urteil vom 21. September 1984 – 8 C 4.82). Für Verzögerungen wegen Reiseunfähigkeit infolge einer Erkrankung oder wegen staatlicher Verhinderung der Weiterreise gilt dies ebenfalls. Persönliche Lebensentscheidungen sind dagegen selbst zu vertreten.

8.2.2.4  Hinsichtlich einer etwaigen Aussage, die Weiterreise nach einem Zwischenaufenthalt in Israel habe sich verzögert, weil Schulden (insbesondere Reisekosten, Starthilfen) zu tilgen gewesen seien, wird auf Teil I Abschn. D Nr. 3 und auf Teil II Nr. 2b2 des vom Bundesausgleichsamt herausgegebenen Merkblatts Nummer 1 für die Sowjetunion vom 15. Dezember 1976 (MtBl.BAA Nr. 1/1977) verwiesen.

8.2.2.5  Auch wenn der Vertriebene nach seiner Vertreibung zunächst in einem Drittland außerhalb des Vertreibungsgebiets Aufenthalt genommen hat und in dem Aufnahmeland in zumutbarer Weise in das allgemeine Leben eingegliedert worden ist, geht ein einmal erworbener Vertriebenenstatus nicht unter. Jedoch kann die Eigenschaft eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG nicht erwerben, wer sich bei seiner Aufnahme im Bundesgebiet nicht mehr im Zustand der Vertreibung befindet (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1959 – V C 163.57).

8.3 Familienzusammenführung (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4)

Vertriebene sind vom Stichtag befreit, wenn sie im Wege der Familienzusammenführung (§ 94 Abs. 2) ihren ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVFG nehmen, das Familienverhältnis schon vor dem 1. Januar 1953 bestanden hat und

a)
der Aufnehmende schon am 31. Dezember 1952 seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVFG hatte (in diesem Falle braucht der Aufnehmende selbst nicht Vertriebener zu sein) oder
b)
der aufnehmende Angehörige als Vertriebener oder einem solchen Gleichgestellter zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nach dem BVFG berechtigt ist oder bis zu einer Entscheidung nach § 13 berechtigt war.

Eine das Stichtagserfordernis überwindende Familienzusammenführung setzt voraus, daß der aufnehmende Angehörige im Zeitpunkt der Aufnahme des Vertriebenen (Zuziehenden) seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVFG hat (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1976 – VIII C 62.75).

9.    Ausschluß von der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen (§ 11)

9.1 Wirkung des Ausschlusses

9.1.1  Die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 11 Satz 1 Nr. 1 bis 5 schließt nur den Anspruch auf Rechte und Vergünstigungen nach dem BVFG aus, nicht aber die Anerkennung als Vertriebener.

9.1.2  Der Ausschluß ist höchstpersönlicher Natur. Die Ausschlußwirkung bezieht sich demnach nur auf denjenigen, der den Ausschlußtatbestand in eigener Person erfüllt.

9.2 Verhalten vor Kriegsende (§ 11 Satz 1 Nr. 1 und 2)

Der Antragsteller ist von einer Betreuung ausgeschlossen, wenn er (zum Beispiel durch gewaltsame Eingriffe in Freiheit und Eigentum der einheimischen Bevölkerung oder die Erzielung übermäßiger Vorteile) Nutznießer der NS-Gewaltherrschaft gewesen ist oder gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. In den Fällen des § 11 Satz 1 Nr. 1 muß hinzukommen, daß der Betreffende seinen Wohnsitz erstmals nach dem 31. Dezember 1937 in den in der Vorschrift genannten Gebieten begründet hat; diese Gebiete sind soweit nicht als Einheit anzusehen.

9.2.1 Verstoß gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit

Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit setzt die Kenntnis und Billigung aller Tatumstände sowie das Bewußtsein des Betreffenden voraus, durch sein Verhalten gegen anerkannte Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit in erheblicher Weise zu verstoßen (BVerwG, Beschluß vom 16. Januar 1964 – VIII C 60.62). Danach verstößt gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit, wer sich als Denunziant oder Spitzel betätigt, einen Menschen seiner Gesinnung wegen in strafrechtlich zu ahnender Weise verfolgt oder an seiner Verfolgung mitwirkt oder einen anderen an der Ausübung seiner politischen Rechte gewaltsam oder aus moralisch verwerflicher Gesinnung hindert (BVerwG, Urteil vom 23. September 1957 – V C 488.56).

9.3 Verhalten nach Kriegsende (§ 11 Satz 1 Nr. 3 und 4)

Bedeutsam kann ein Verhalten sowohl außerhalb (erhebliches Vorschubleisten) als auch innerhalb des Bundesgebiets (Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung) sein. Spitzeltätigkeiten für Behörden und andere Stellen stellen ein erhebliches Vorschubleisten dar. Etwas anderes kann für kurzzeitige Spitzeltätigkeiten gelten, wenn der Betreffende nur allgemeine Stimmungsberichte oder unschädliche Verhaltensberichte geliefert hat, um die von ihm eingegangene Spitzelverpflichtung zum Schein zu erfüllen, und andere Personen nicht konkret gefährdet wurden.

9.3.1 Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Die Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung setzt eine Tätigkeit voraus, die dazu geeignet und auch dazu bestimmt war, die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes im damaligen räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes zu gefährden (zum Beispiel Verletzung der Vorschriften der §§ 81 bis 92 StGB).

9.4 Rückkehr in das Herkunftsland (§ 11 Satz 1 Nr. 5)

9.4.1  Sinn und Zweck des § 11 Satz 1 Nr. 5 ist es, diejenigen von den Rechten und Vergünstigungen auszuschließen, die nach Vertreibung/Aussiedlung ohne wichtige Gründe in die Vertreibungsgebiete gezogen bzw. nach dem Wegfall der wichtigen Gründe nicht unverzüglich zurückgekehrt sind. Wichtige Gründe in diesem Sinne sind in der Regel zwingende familiäre oder sonstige höchstpersönliche Gründe wie Todesfall, schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen.

9.4.2  Verzogen im Sinne der Nummer 9.4.1 ist derjenige, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVFG bzw. außerhalb des Vertreibungsgebiets aufgegeben hat. Es kommt also entscheidend darauf an, wo der Betreffende sich tatsächlich ständig aufgehalten hat und aufhält.

9.4.3  § 11 Satz 1 Nr. 5 läßt § 1 Abs. 2 Nr. 3 unberührt. Damit hat der Gesetzgeber sichergestellt, daß diejenigen Vertriebenen, die von den allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen bei Kriegsende betroffen waren und bis zum 31. März 1952 in das Vertreibungsgebiet zurückgekehrt sind, nicht nach § 11 Satz 1 Nr. 5 von der Betreuungsberechtigung ausgeschlossen werden, wenn sie später (erneut) in das Bundesgebiet eingereist sind und hier ständigen Aufenthalt genommen haben. Die Gründe für die damalige Rückkehr in das Vertreibungsgebiet sind bei diesem Personenkreis also nicht nach § 11 Satz 1 Nr. 5 zu prüfen.

9.4.4  Der Vertriebenen- oder Flüchtlingsstatus bleibt auch bei Rückkehr ohne wichtige Gründe grundsätzlich bestehen (vergleiche Nummer 1.12).

10.    Ausschluß bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§ 12)

10.1  Wer nach der Vertreibung/Aussiedlung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt und damit zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Rechtsstellung als Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 GG verliert, ist – auch wenn er seine Eigenschaft als Vertriebener/Aussiedler behält – von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen befugt.

10.2  Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit oder der Rechtsstellung als Deutscher ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 unschädlich für die Betreuungsberechtigung von Vertriebenen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 (NS-Verfolgte, Emigranten), die bis zum Inkrafttreten des BVFG (5. Juni 1953) eine fremde Staatsangehörigkeit erworben und ihre deutsche Staatsangehörigkeit oder Rechtsstellung als Deutscher verloren haben, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 9 und 10 erfüllt und Ausschließungsgründe nach den §§ 11 und 13 nicht gegeben sind.

10.3  Der automatische Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit führt nicht zum Rechtsausschluß nach § 12, wenn sich der Betreffende trotz des Zwischenaufenthalts in Israel noch im Zustand der Aussiedlung befindet.

10.4  Ab dem Wiedererwerb oder Neuerwerb der deutschen Staatsangehörigkeit können Rechte und Vergünstigungen nach dem BVFG wieder in Anspruch genommen werden, soweit die §§ 9 bis 13 nicht entgegenstehen.

11.    Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen (§ 13)

11.1 Zweck der Bestimmung

Die Betreuung endet kraft Gesetzes, wenn der Vertriebene/Aussiedler im Einzelfall in das wirtschaftliche und soziale Leben in einem nach seinen früheren wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbaren Maße eingegliedert ist oder ihm die Rückkehr in das Herkunftsgebiet möglich und zumutbar ist. Die Beendigung (Aussteuerung) ist durch Verwaltungsakt festzustellen.

Die Aussteuerung betrifft Rechte und Vergünstigungen nach dem BVFG sowie sonstige Rechte und Vergünstigungen, bei denen nicht nur der Vertriebenenstatus, sondern auch die Betreuungsberechtigung nach §§ 9 bis 13 Anspruchsvoraussetzung ist. Die in § 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 genannten Rechte und Vergünstigungen bleiben unberührt.

Erfüllen die Eltern die Voraussetzungen für eine Aussteuerung, wird das in aller Regel auch bei den im Ausweis der Eltern eingetragenen Kindern der Fall sein.

11.2 Eingliederung (§ 13 Abs. 1)

Das Ziel der Eingliederung ist erreicht, wenn der Betreffende eine seinen „früheren Verhältnissen“ im wesentlichen entsprechende wirtschaftliche und soziale Stellung erreicht hat. Eine Anhebung über dieses Niveau hinaus ist nicht beabsichtigt (BVerwG, Beschluß vom 12. Juni 1986 – 9 B 1.86).

Mit der den Vertriebenen zustehenden Betreuungsberechtigung wird die Eingliederung der Vertriebenen, nicht aber eine Wiedergutmachung für Chancen bezweckt, die durch die Vertreibung verloren gegangen sind. Für eine rückschauende hypothetische Nachzeichnung von Entwicklungen der früheren Verhältnisse, die diese ohne die Vertreibung nach subjektiver Zukunftserwartung möglicherweise genommen hätten, ist deshalb kein Raum (BVerwG, Beschluß vom 12. Juni 1986 – 9 B 1.86).

11.3 Zumutbarkeit der Rückkehr (§ 13 Abs. 2)

Eingliederungsleistungen sollen nicht mehr in Anspruch genommen werden können, wenn die Gründe, die zur Vertreibung (Aussiedlung) oder Flucht geführt haben, weggefallen sind und die Rückkehr in die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 genannten Gebiete möglich und zumutbar ist.

Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die allgemeine Situation im Herkunftsgebiet einschließlich der Möglichkeiten zur Schaffung einer wirtschaftlichen Existenz (zum Beispiel durch Rückgabe enteigneten Vermögens oder Gewährung von Entschädigungen oder Hilfen) sowie die persönlichen Umstände im Einzelfall (zum Beispiel Alter, Gesundheitszustand) zu berücksichtigen.

11.4 Zuständigkeit

Zuständig für Entscheidungen nach § 13 sind die Regierungspräsidien als höhere Eingliederungsbehörden. Örtlich zuständig ist das Regierungspräsidium, in dessen Aufsichtsbereich der Vertriebenenausweis ausgestellt wurde (§ 18) oder ausgestellt wird.

11.5 Verfahren

11.5.1  Das Verfahren wird von Amts wegen oder auf Antrag der in § 13 Abs. 3 Satz 4 genannten Stellen durchgeführt. Die Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen und der Zeitpunkt der Beendigung werden durch Verwaltungsakt festgestellt. Die Beendigung soll in der Regel zum Ende des Quartals festgestellt werden, in dem der Verwaltungsakt erlassen wird. Sie darf aber auch für einen Zeitpunkt festgestellt werden, der vor dem Erlaß des darüber ergehenden Bescheids liegt (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1971 – VIII C 80.70). Es ist auch zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung) nach Sachlage im öffentlichen Interesse geboten ist; das kann insbesondere der Fall sein, wenn Vergünstigungen nach § 74 in Betracht kommen.

11.5.2  Unanfechtbar oder rechtskräftig gewordene oder für sofort vollziehbar erklärte Aussteuerungsentscheidungen werden durch Eintragung eines Betreuungsbeendigungsvermerks in den Vertriebenenausweis des Betreffenden vollzogen (§ 19). Der Vermerk kann auch von der unteren Eingliederungsbehörde, in deren Bereich der Ausweisinhaber wohnt, eingetragen werden.

11.5.3  Stellt das Regierungspräsidium vor Aushändigung des Vertriebenenausweises Betreuungsbeendigung fest, kann der Vermerk schon vor Bestands- oder Rechtskraft der Entscheidung des Regierungspräsidiums in den Ausweis eingetragen werden. In diesen Fällen richtet sich ein Widerspruch gegen die teilweise Ablehnung des Ausweisantrags gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums.

11.6 Datenübermittlung

Behörden und Stellen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 4, die die Aussteuerung beantragt haben, sind nach der Entscheidung über den Antrag zu unterrichten.

Der Betreffende ist darauf hinzuweisen, daß er verpflichtet ist, etwaige andere Behörden und Stellen, von denen er Leistungen (nach dem BVFG) oder aufgrund der Betreuungsberechtigung nach dem BVFG erhält, selbst zu unterrichten.

12.    Ermächtigung zur Erweiterung des Personenkreises (§ 14)

12.1  Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung, durch Rechtsverordnung weitere Personengruppen Vertriebenen (oder Sowjetzonenflüchtlingen) gleichzustellen, bisher nur einmal Gebrauch gemacht, und zwar mit der „Verordnung über die Gleichstellung von aus dem Saargebiet verdrängten Deutschen“ vom 25. August 1953 (BGBl. I S. 1074).

13.    Ausweise, Ersatzausweise, Bindungswirkung (§ 15)

13.1 Rechtswirkungen, Zweck

Die Eigenschaft als Vertriebener oder Sowjetzonenflüchtling erwirbt kraft Gesetzes, wer die Voraussetzungen nach den §§ 1 bis 3 erfüllt. Ein Ausweis nach § 15 Abs. 2 hat deshalb nicht konstitutive (begründende) sondern nur deklaratorische (feststellende) Wirkung. Er erleichtert es dem Vertriebenen/Aussiedler, seinen Status gegenüber Betreuungsbehörden nachzuweisen.

13.2 Arten

Heimatvertriebene erhalten den Ausweis A, sonstige Vertriebene den Ausweis B. Die Unterscheidung ist von gewisser Bedeutung für die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen.

Heimatvertriebene und Vertriebene sind in bezug auf den Status als Deutsche gleichgestellt und haben auch sonst im wesentlichen die gleichen Rechte. Heimatvertriebene können lediglich bei der Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichgesetz (§ 248 Nr. 1 LAG) noch einen Zuschlag von 10 vom Hundert des Grundbetrags (sogenannter Entwurzelungszuschlag) erhalten, wenn ein Vertreibungsschaden festgestellt und Hauptentschädigung zuerkannt werden.

Das Muster der Ausweise bestimmt nach § 15 Abs. 1 der Bundesminister des Innern (vergleiche GMBl. 1953 S. 202).

13.3 Schreibweise von Namen

Der Ausstellung des Vertriebenenausweises sind die Eintragungen im Aufnahmebescheid und/oder Registrierschein zur Namensführung zugrunde zu legen, sofern kein berechtigter Anlaß zu Zweifeln besteht, ob der Aussiedler den dort eingetragenen Namen führen darf. Bestehen Zweifel, so unterrichtet die Eingliederungsbehörde den Standesbeamten. Unabhängig davon soll sie auch in anderen Fällen anläßlich der Ausstellung eines Vertriebenenausweises dem Aussiedler nahelegen, beim Standesbeamten die Anlegung eines Familienbuchs zu beantragen. Teilt der Standesbeamte mit, daß er in das Familienbuch einen anderen Namen als den im Aufnahmebescheid und/oder Registrierschein eingetragenen Namen eingetragen hat, ist gegebenenfalls ein neuer Vertriebenenausweis auszustellen.

Zur Bezeichnung von Orten wird auf § 60 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden – DA) in der Fassung vom 23. November 1987 (BAnz. Nr. 227a vom 4. Dezember 1987) hingewiesen.

13.4 Eintragung im Ausweis

13.4.1 Berechtigungsvermerk

Der Ausnahmetatbestand, aufgrund dessen ein Vertriebener/Aussiedler trotz Versäumung des in § 10 Abs. 1 genannten Stichtags betreuungsberechtigt ist, soll im Ausweis in folgender Fassung vermerkt werden: „Zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen berechtigt aufgrund des in § 10 Abs. 2 Nr. … BVFG“.

13.4.2 Rechtsausschlußvermerk (Sperrvermerk)

13.4.2.1  Ist ein Vertriebener/Aussiedler nach den Vorschriften der §§ 9 bis 12 nicht berechtigt, Rechte und Vergünstigungen zu beanspruchen, ist dies unter Hinweis auf die jeweilige(n) Vorschrift(en) im Ausweis zu vermerken. Der Vermerk lautet: „Zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gemäß § … BVFG nicht berechtigt“.

Die Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gemäß § 13 ist mit dem Vermerk „Zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gemäß § 13 Abs. … BVFG mit Wirkung vom … nicht mehr berechtigt“ in den Ausweis einzutragen.

Die im Ausweis verkörperte Statusfeststellung wird durch die Beifügung eines Rechtsausschlußvermerks nicht qualitativ verändert.

13.4.2.2  Eine Entscheidung über den Ausschluß von Rechten und Vergünstigungen ist ein selbständiger Verwaltungsakt und deshalb mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

13.4.2.3  In einem Gerichtsverfahren, in dem vom Ausweisinhaber der Rechtsausschlußvermerk angefochten wird, kann die Ausweisbehörde nicht einwenden, der Kläger sei kein Vertriebener (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 1979 – VI 1098/79).

13.4.2.4  Ein Rechtsausschlußvermerk kann auch dann eingetragen werden, wenn ein Urteil, das eine Behörde zur Ausstellung eines Ausweises verpflichtet, rechtskräftig geworden ist, sofern die Frage der Betreuungsberechtigung nicht Gegenstand des Verfahrens war (BVerwG, Urteil vom 21. September 1984 – 8 C 4.82).

13.4.3 Beginn des ständigen Aufenthalts

Beginn des ständigen Aufenthalts (vergleiche Nummer 7.3) des Aussiedlers in der Bundesrepublik Deutschland ist in erster Linie der Zeitpunkt des Antrags auf Registrierung und Verteilung in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Liegt der Tag des Antrags auf Erteilung eines Vertriebenenausweises oder die letzte meldebehördliche Anmeldung im Bundesgebiet früher, ist das früheste Datum in den Vertriebenenausweis einzutragen.

Maßgebend ist die erstmalige Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet nach Erwerb des Vertriebenen-/Aussiedlerstatus.

13.4.4  Kennzeichnung in den Fällen der § 1 Abs. 3 und § 7

In einem nach § 1 Abs. 3 erteilten Vertriebenenausweis ist zu vermerken, daß der Ausweisinhaber gemäß § 1 Abs. 3 BVFG als Vertriebener gilt. Der Zulässigkeit des Vermerks steht nicht entgegen, daß er in § 15 Abs. 4 nicht ausdrücklich genannt ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Februar 1984 – 6 S 2577/82). In einem nach § 7 erteilten Vertriebenenausweis ist zu vermerken, daß der Ausweisinhaber Vertriebener nach § 7 ist.

13.4.5 Nummer des Passes oder Personalausweises

Ein Vertriebenenausweis gilt nur in Verbindung mit einem gültigen Bundespersonalausweis oder sonstigen Ausweispapieren (zum Beispiel Reisepaß, Fremdenpaß). Zur Erleichterung des Identitätsnachweises ist in den Vertriebenenausweisen die Eintragung der Kenn-Nummer dieses Ausweispapieres vorgesehen.

13.4.6 Registriernummer

Die von den unteren Eingliederungsbehörden ausgestellten Ausweise sind mit Kennzahlen zu versehen, die sich aus den beiden Kennziffern des Landes und je einer Kennziffer des Regierungsbezirks und des Stadt- oder Landkreises zusammensetzen.

Die Kennzahlen wurden vom Statistischen Bundesamt erarbeitet. Die Ausweise werden im ganzen Bundesgebiet unter Verwendung dieser Kennzahlen numeriert. Das ermöglicht es, die Ausstellungsbehörde zu ermitteln.

13.4.7 Form behördlicher Eintragungen

Behördliche Eintragungen in Vertriebenenausweisen müssen Ausstellungsort, Ausstellungsdatum, Bezeichnung der Behörde, Unterschrift und Dienststempel enthalten.

13.5 Erteilung von Ausweisen an Kinder, Eintragung in den Ausweis des Vaters/der Mutter

13.5.1  Kinder unter 16 Jahren, die die sonstigen Voraussetzungen erfüllen, können wahlweise im Ausweis des Vaters oder der Mutter eingetragen werden. Nichteheliche Kinder sind in den Ausweis der Mutter einzutragen. Kinder aus geschiedenen Ehen sind im Ausweis des Elternteils, dem das Recht der Personensorge zusteht, einzutragen; ist dieser nicht selbst Ausweisinhaber, erhalten die Kinder eigene Ausweise, auch wenn sie noch nicht 16 Jahre alt sind. Besitzt kein Elternteil denselben Status wie die Kinder, können diese gleichwohl in den Ausweis eines Elternteils eingetragen werden, wenn der Status der Kinder kenntlich gemacht wird. Den Kindern kann in diesen Fällen aber auch schon ein eigener Vertriebenenausweis ausgestellt werden.

13.5.2  Im übrigen kann Kindern nach Vollendung des 16. Lebensjahrs auf eigenen Antrag oder Antrag des gesetzlichen Vertreters ein Vertriebenenausweis ausgestellt werden. Soweit die Kinder bisher im Ausweis eines Elternteils mit aufgeführt waren, entfällt eine Prüfung der sachlichen Voraussetzungen; für die Erteilung solcher Ausweise genügt ein formloser Antrag. Zuständig ist die untere Eingliederungsbehörde, in deren Bereich der Antragsteller wohnt. Im Ausweis des Elternteils ist das Kind zu streichen.

13.6  Änderungen im Ausweis

13.6.1  Beantragte Änderungen im Ausweis, die eine förmliche Entscheidung nach dem BVFG nicht erfordern (zum Beispiel aufgrund von Eheschließungen, Namensänderungen), sind von der unteren Eingliederungsbehörde vorzunehnmen, in deren Zuständigkeitsbereich der Antragsteller wohnt.

13.6.2  Die Behörde, die den Ausweis ausgestellt hat, ist über die vorgenommenen Änderungen zu unterrichten.

13.7 Ersatzausweis

Wird der Verlust eines Ausweises vom Inhaber nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht, kann ein Ersatzausweis von der unteren Eingliederungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich der Antragsteller wohnt, ausgestellt werden. Der Ersatzausweis ist als „Zweitschrift“ zu kennzeichnen und erhält die Registriernummer des verlorengegangenen Ausweises. Die zuständige Behörde hat über die Umstände des Verlustes den Vertriebenen zu hören und hierüber eine Niederschrift anzufertigen. Auf eine Ungültigkeitserklärung des ersten Ausweises in Form der öffentlichen Bekanntmachung kann verzichtet werden.

13.8 Bindungswirkung

13.8.1  Die Statusfeststellung, die mit der Entscheidung über die Ausstellung eines Ausweises nach § 15 getroffen wird, ist für die Betreuungsbehörden, auch für die Staatsangehörigkeitsbehörden, verbindlich (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1969 – I C 20.66).

Diese Behörden haben jedoch nach § 15 Abs. 5 Satz 2 die Möglichkeit, die Änderung oder Einziehung eines Ausweises zu beantragen. Soweit die untere Eingliederungsbehörde einem solchen Antrag nach dem Ergebnis ihrer Überprüfung nicht entsprechen kann, ist der Antrag mit einem Bericht über das Regierungspräsidium, das dazu Stellung zu nehmen hat, dem Innenministerium zur Entscheidung vorzulegen.

13.8.2  Bindungswirkung haben nur Entscheidungen über den Status als Vertriebener bzw. Heimatvertriebener, nicht aber Entscheidungen über die Betreuungsberechtigung (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1970 – I C 10.69). Entscheidungen über die Betreuungsberechtigung sind jedoch maßgebend für Leistungen nach dem BVFG und für Leistungen, die nach ausdrücklicher Regelung die Betreuungsberechtigung voraussetzen.

13.8.3  Bindungswirkung besteht – abgesehen von den Fällen des § 1 Abs. 3 – nicht gegenüber anderen Ausweisbewerbern. Bei ihnen ist ohne Rücksicht auf einen erteilten Vertriebenenausweis zu prüfen, ob sie Vertriebene sind (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 9 C 255.86).

14.    Zuständigkeit und Verfahren (§ 16)

14.1 Zuständigkeit

14.1.1  Sachliche und örtliche Zuständigkeit

14.1.1.1  Über die Anträge auf Ausstellung eines Ausweises nach § 15 Abs. 2 entscheiden die unteren Eingliederungsbehörden. Örtlich zuständig ist die untere Eingliederungsbehörde, in deren Bereich der Antragsteller mit erstem Wohnsitz gemeldet ist oder zumindest seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; hilfsweise richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Verwaltungsverfahrengesetz (VwVfG).

14.1.1.2  Zuständige Behörde im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 2 für die Entscheidung über Ausweisanträge von Antragstellern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland ist der Regierungspräsident Köln, Postfach 10 15 48, 5000 Köln 1.

14.1.2  Zuständigkeit nach Umzug

14.1.2.1  Verzieht ein Antragsteller aus dem Bereich der bisher zuständigen unteren Eingliederungsbehörde, ist wie folgt zu verfahren:

a)
Bei einem Umzug vor der Entscheidung sind die Unterlagen an die nunmehr zuständige Dienststelle, bei einem Wegzug aus dem Geltungsbereich des BVFG an den Regierungspräsidenten in Köln, abzugeben; jedoch kann die bisher zuständige untere Eingliederungsbehörde unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VwVfG das Verfahren fortführen.
b)
Bei einem Umzug nach Zustellung der Entscheidung bleibt die untere Eingliederungsbehörde, die den Bescheid erlassen hat, zuständig, bis über den Antrag unanfechtbar oder rechtskräftig entschieden ist.


14.1.2.2  Für die Einziehung (auch teilweise Einziehung) und Ungültigkeitserklärung von Vertriebenenausweisen bleibt die Ausstellungsbehörde zuständig (§ 18 Satz 2). Für Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 Abs. 4 VwVfG; Nummer 14.12) ist die Behörde zuständig, in deren Bereich der Antragsteller wohnt.

14.2 Antragsteller

14.2.1  Die Fassung des Antragsvordrucks wird nach § 16 Abs. 2 vom Bundesminister des Innern bestimmt (vergleiche GMBl. 1988 S. 606). Die von Fachverlagen herausgebrachten fremdsprachigen Ausfüllhilfen können bei Bedarf verwendet werden. Der Antragsteller ist darauf hinzuweisen, daß erforderlichenfalls Nachweise und Auskünfte zu den von ihm angegebenen Tatsachen und Umständen eingeholt werden können und die Verweigerung von Angaben zur Ablehnung des Ausweisantrags führen kann. Ein diesen Hinweis enthaltendes Einlegeblatt zum Antrag ist vom Antragsteller unterschreiben zu lassen.

14.2.2  Das Bundesverwaltungsamt ist zur Berichtigung der Länderquoten zu informieren, wenn ein einem anderen Bundesland zugewiesener Antragsteller vor Ablauf von zwei Jahren seit der Aufenthaltnahme im Bundesgebiet nach Sachsen gezogen ist. Dabei sind dem Bundesverwaltungsamt Name, Vorname, Geburtsdatum, Datum und Nummer des Registrierscheins oder Aufnahmebescheids mitzuteilen.

14.3. Antragsteller ohne Registrierschein/Aufnahmebescheid

14.3.1  Wird von nichtdeutschen Ehegatten oder vor dem 1. Juli 1990 ausgereisten Personen, die ein Verfahren nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 beantragen, ein Registrierschein nicht vorgelegt, ist nach einem eventuellen Aussetzungs- oder Ablehnungsbescheid und den Gründen für diese Entscheidung zu fragen.

Gegenüber der Ausländerbehörde ist auf deren Ersuchen dazu Stellung zu nehmen, ob Anhaltspunkte für die Begründetheit des Antrags vorliegen. Gleiches gilt auf Antrag auch für Zwecke der Arbeitsverwaltung und für die Gewährung von Leistungen nach § 90b.

Erforderlichenfalls ist auf Ersuchen der Ausländerbehörde ergänzend dazu Stellung zu nehmen, ob der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nachkommt und die Erfolgsaussicht des Antrags fortbesteht.

14.3.2  Wird von Personen, die nach dem 30. Juni 1990 ausgereist sind und die Feststellung der Aussiedlereigenschaft begehren, zwar ein Aufnahmebescheid oder eine Übernahmegenehmigung, aber kein Registrierschein vorgelegt, ist der Antragsteller nach dem Ergebnis eines eventuellen Registrierverfahrens und den Gründen für diese Entscheidung zu befragen. Gegebenenfalls ist ihm nahezulegen, sich registrieren zu lassen. Er ist darauf hinzuweisen, daß Registrierung und Zuweisung an ein Land Voraussetzungen für vorläufige staatliche Unterbringung sind.

14.3.3  Wird von Personen, die nach dem 30. Juni 1990 ausgereist sind und die Feststellung der Aussiedlereigenschaft begehren, weder ein Aufnahmebescheid noch eine Übernahmegenehmigung noch eine Ablehnungsentscheidung des Bundesverwaltungsamts/Bundesbeauftragten für die Verteilung der Aussiedler vorgelegt, ist der Betreffende an eine Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes zu verweisen, bei der er den für besondere Härtefälle nach § 27 Abs. 2 vorgesehenen Aufnahmebescheid beantragen kann. Zuständig sind die Einrichtungen

  • Bramsche für Antragsteller aus der UdSSR,
  • Hamm und Friedland für Antragsteller aus Polen,
  • Nürnberg für Antragsteller aus Rumänien.
Wurde ein solcher Aufnahmebescheid nicht erteilt und Widerspruch nicht erhoben, ist der Feststellungsantrag nach dem BVFG wegen fehlender „Ausreise im Wege der Aufnahme“ abzulehnen. Ist beim Bundesverwaltungsamt ein Widerspruchsverfahren anhängig, ist der Betreffende auf den Ausgang dieses Verfahrens zu verweisen. Besteht er darauf, einen Antrag nach dem BVFG zu stellen, kann dieser entgegengenommen werden; das Verfahren soll jedoch bis zur Entscheidung im Aufnahmeverfahren zum Ruhen gebracht werden. Besteht der Betreffende auf einer sofortigen Entscheidung, ist der Antrag abzulehnen.

14.4 Aufenthaltswechsel vor Antragstellung

Das BVFG geht davon aus, daß innerhalb seines Geltungsbereichs über die Ausweiserteilung nur einmal entschieden werden darf (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1974 – VIII C 60.73). Ein Antragsteller, der nach Inkrafttreten des Bundesvertriebenengesetzes (5. Juni 1953) innerhalb des Bundesgebiets den Wohnsitz gewechselt hat und aus dem Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde zugezogen ist, ist deshalb unter Hinweis auf § 98 zu befragen, ob und gegebenenfalls wo er bereits ein Feststellungsverfahren nach dem BVFG beantragt oder bis zum Abschluß betrieben hat. Wurde ein solches Verfahren betrieben, sind die dazu angefallenen Akten beizuziehen. Verneint der Antragsteller die Fragen und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit seiner Angaben, kann bei der für den früheren Wohnsitz zuständigen Behörde angefragt werden, ob bereits ein Antrag gestellt worden ist. Wurde ein solcher Antrag bestands- bzw. rechtskräftig abgelehnt, so genügt es, dem Antragsteller in einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid mitzuteilen, daß in Hinblick auf die unanfechtbar gewordene Entscheidung kein Anlaß besteht, das Verwaltungsverfahren wieder aufzunehmen. Bei rechtskräftig gewordenen Entscheidungen reicht es aus, auf das betreffende Urteil zu verweisen. Hiervon unberührt bleibt der Anspruch auf eine neue Sachentscheidung in den Fällen des § 51 VwVfG (vergleiche Nummer 14.11).

14.5 Feststellungen im Aussiedleraufnahme- und Verteilungsverfahren

Die vom Bundesverwaltungsamt/Beauftragten der Bundesregierung im Verteilungsverfahren bzw. Aufnahmeverfahren für Aussiedler getroffenen Feststellungen und Beurteilungen über Staatsangehörigkeit, Volkszugehörigkeit und Aussiedlereigenschaft eines Antragstellers sollen in der Regel im Feststellungsverfahren nach dem BVFG übernommen werden. Voraussetzungen hierfür sind, daß sie nachvollziehbar sind und daß sich nicht im Einzelfall aus den vorliegenden Unterlagen und den Angaben des Antragstellers Zweifel an der Richtigkeit ergeben. Eine rechtliche Bindung an die Feststellung in Aufnahmebescheid, Übernahmegenehmigung und Registrierschein besteht nicht (BVerwG, Beschlüsse vom 26. Mai 1987 – 9 B 157.87 und 25. April 1988 – 9 B 30.88; Urteil vom 25. August 1976 – VIII C 64-75). Diese Entscheidungen begründen keinen Vertrauensschutz auf Feststellung der Aussiedlereigenschaft.

14.6 Aufklärung des Sachverhalts

14.6.1 Ermittlung von Amts wegen

14.6.1.1  Kann die Beurteilung des Bundesverwaltungsamts/Beauftragten der Bundesregierung nicht übernommen werden oder ist im Verteilungsverfahren ein Aussetzungs- oder Ablehnungsbescheid ergangen, ist von der unteren Eingliederungsbehörde – sofern Aussiedlereigenschaft nicht schon wegen fehlenden Aufnahmebescheids bzw. fehlender Übernahmegenehmigung nicht erworben werden konnte – eine sorgfältige Sachaufklärung durchzuführen, die ein Aufklärungsdefizit vermeidet, das entweder zu Lasten des Antragstellers geht oder durch Subsumtionsirrtum zu einer dem Antragsteller günstigen Fehlentscheidung führt, die später Verfahren nach § 15 Abs. 5 und § 18 auslösen kann.

14.6.1.2  Zur Feststellung des Sachverhalts sind nach § 26 VwVfG von Amts wegen die erforderlichen Beweise zu erheben. Der Antragsteller ist jedoch verpflichtet, im Rahmen des ihm Möglichen dazu beizutragen, seine Angaben zu beweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.

14.6.1.3  Die Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn bei der Entscheidung nur die ungenauen und lückenhaften schriftlichen Darlegungen des Antragstellers berücksichtigt werden, ohne daß versucht worden ist, ein umfassendes zutreffendes Bild von den entscheidungserheblichen Tatsachen zu gewinnen, gegebenenfalls durch Anhörung.

14.6.2 Datenerhebung

Es dürfen nicht mehr personenbezogene Daten erhoben werden, als sachlich notwendig ist.

Daten sind vorrangig beim Antragsteller zu erheben. Bei Dritten dürfen sie erhoben werden, wenn dies datenschutzrechtlich zulässig ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

  • der Antragsteller eingewilligt hat,
  • offensichtlich ist, daß dies im Interesse des Antragstellers liegt, und kein Grund zu der Annahme besteht, daß er seine Einwilligung hierzu verweigern würde; das ist zum Beispiel der Fall, wenn Nachweise zu Tatsachen, die nach Hinweis auf § 98 (zum Beispiel im Antragsvordruck) angegeben wurden, benötigt werden,

    oder

  • Angaben des Antragstellers überprüft werden müssen, weil tatsächliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen; das ist zum Beispiel der Fall, wenn Widersprüche aufgeklärt werden müssen.
Dem Dritten dürfen nur so viele personenbezogene Daten übermittelt werden, wie zur Beantwortung der Anfrage unbedingt notwendig sind. Statt der vollständigen Akte ist deshalb gegebenenfalls nur ein zusammenfassender Bericht zu übersenden, der die notwendigen Daten und die – auch vom Antragsteller vorgetragenen – bedeutsamen Argumente enthält. Anfragen an Dritte sind zu konkretisieren.

Die im Feststellungsverfahren nach dem BVFG erforderlichen Daten und sonstigen Auskünfte können zum Beispiel bei Zeugen (vergleiche Nummer 14.6.4), Heimatortskarteien und Heimatauskunftstellen (vergleiche Nummer 14.6.5) und den in Anlage 5 aufgeführten Behörden und Stellen zu erhalten sein.

14.6.3 Urkunden

14.6.3.1  Personenstandsurkunden dienen in erster Linie – lediglich – dem Nachweis der Abstammung. Hinweise auf die Volkszugehörigkeit können sie nur in den in Nummer 4.2.2.1 genannten Fällen geben. Hinweise auf deutsche Staatsangehörigkeit können Geburtsurkunden geben, die bis Kriegsende innerhalb des damaligen Deutschen Reiches ausgestellt wurden.

14.6.3.2  Im BVFG-Ausweisverfahren ist von den Antragstellern die Vorlage von Originalurkunden zu fordern. Eine beglaubigte Kopie wird zu den Akten genommen.

14.6.3.3  Liegen ausreichende Urkunden nicht vor oder verbleiben Zweifel, können amtliche Urkundenanforderungsverfahren über die deutsche Auslandsvertretung oder unmittelbar von den ausländischen Behörden durchgeführt werden. Nummer 14.6.2 ist zu beachten.

14.6.3.4  Bei der Bewertung fremdsprachlicher Urkunden aus den Herkunftsländern ist das Merkblatt des Bundeskriminalamtes „über die Vorlage ge- oder verfälschter Urkunden durch Aussiedler/Auswanderer und Asylbewerber aus dem Ostblock“ heranzuziehen.

14.6.3.5  Bei Zweifeln insbesondere an der inhaltlichen Richtigkeit von Urkunden und sonstigen Dokumenten soll unter Nennung der Umstände, auf die sich die Zweifel beziehen, eine Stellungnahme der jeweiligen Heimatauskunftstelle eingeholt werden (vergleichen Nummer 14.6.6.1). Werden Anzeichen auf eine Fälschung von der Heimatauskunftstelle, gegebenenfalls auch der zuständigen deutschen Auslandsvertretung (vergleiche Nummer 14.6.3.3) bestätigt oder besteht der Verdacht auf kriminaltechnisch erkennbare Fälschungen, ist beim Landeskriminalamt bzw. der zuständigen Kriminalpolizeibehörde eine kriminaltechnische Untersuchung der Dokumente zu veranlassen. Dabei ist darauf hinzuweisen, worauf sich die Zweifel an der Echtheit der Urkunde beziehen.

14.6.4 Zeugenerklärungen

14.6.4.1  Die vom Antragsteller benannten oder sonst ermittelten Zeugen sind durch die Eingliederungsbehörde zu befragen oder – soweit erforderlich – im Wege der Amtshilfe befragen zu lassen; dabei ist die regelmäßig wichtigste Frage nach dem Bekenntnis als Deutscher bzw. dem Bekenntniszusammenhang dahin zu erläutern, daß bestimmte Tatsachen anzugeben sind. Diese sind durch die Behörde gegebenenfalls konkret zu erfragen. Amtshilfe anderer Ausweisbehörden ist nur in Anspruch zu nehmen, wenn unmittelbare schriftliche Befragung der Zeugen nicht genügt.

14.6.4.2  In den Akten ist festzuhalten, welche Personen bei der Antragstellung bzw. im Verlauf des Verfahrens für den Antragsteller mitgewirkt haben.

14.6.5 Asylverfahrensakten

Haben Antragsteller die Anerkennung als Asylberechtigte nach dem Asylverfahrensgesetz beantragt, sind sie nach den in diesem Verfahren angegebenen Ausreisegründen zu befragen. Erforderlichenfalls sind die darüber beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf geführten Akten beizuziehen (vergleiche Nummer 1.8.5.2.8 und BVerwG, Beschluß vom 25. Mai 1989 – 9 B 6.89).

14.6.6  Auskünfte von Heimatortskarteien und Heimatauskunftstellen (Anlage 3)

14.6.6.1  Lassen sich die für die Entscheidung nach § 6 maßgeblichen Tatsachen auf andere Weise nicht feststellen, können Auskünfte der regional zuständigen Heimatortskartei und/oder Heimatauskunftstelle eingeholt werden. Die Auskunftersuchen sind zu beschränken auf:

1.
Angaben über die Volkszählungsergebnisse in dem betreffenden Wohnort des Aussiedlungsgebietes,
2.
Anschriften von ehemaligen Bewohnern des betreffenden Wohnorts des Aussiedlungsgebietes, die möglicherweise als Zeugen in Frage kommen,
3.
Erkenntnisse über im Einzelfall interessierende Fakten, über Schulen, Vereine oder sonstige Institutionen, soweit sich die Fragen nicht schon aufgrund der in Nummer 14.6.7.2 genannten Unterlagen beantworten lassen,
4.
Stellungnahme zu Urkunden und anderen Beweismitteln, wenn konkrete Zweifel insbesondere an deren inhaltlicher Richtigkeit bestehen,
5.
Stellungnahme zu Widersprüchen zwischen dem Vorbringen des Antragstellers und sonstigen Erkenntnissen.


14.6.6.2  In dem Ersuchen soll die Frage, zu der eine gutachtliche Äußerung erbeten werden soll, konkret gestellt werden. Im Interesse einer konkreten gutachtlichen Äußerung und einer Straffung des Verfahrens ist davon abzusehen, gutachtliche Äußerungen zu beantragen, bevor Ermittlungen – etwa die Anhörung von Zeugen – durchgeführt worden sind. Des weiteren ist bei Ersuchen an Heimatauskunftstellen ergänzend zu Nummer 14.6.2 auf folgendes zu achten:

  • Die Zuständigkeit der Heimatauskunftstellen richtet sich hinsichtlich eines Bekenntnisses im Sinne des § 6 nicht nach dem letzten Wohnort des Antragstellers im Vertreibungsgebiet, sondern nach dem Wohnort des Antragstellers, gegebenenfalls seiner Bezugsperson, im Zeitpunkt des Beginns der allgemeinen Vertreibung.
  • Alle für die gutachtliche Äußerung erforderlichen Unterlagen müssen beigefügt sein. Nach Beantragung des Gutachtens eingehende Unterlagen sind erforderlichenfalls nachzureichen.
  • Sind Urkunden vorhanden und für die gutachtliche Äußerung erforderlich, sollen grundsätzlich die Originale mitgesandt werden. Ist dies im Einzelfall nicht möglich, sollen Kopien angeschlossen werden. Auf ihnen soll gegebenenfalls vermerkt werden, daß das Original vorgelegen hat.
  • Da es in manchen Aussiedlungsgebieten, insbesondere in der ehemaligen UdSSR, viele gleichnamige Orte gibt, sollten zusätzliche Hinweise wie Kreis, Bezirk, Gebiet, nächstgelegene größere Stadt, angegeben werden.
  • War der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt nicht geboren oder nicht bekenntnisfähig, sind Angaben zu den Bezugspersonen (zum Beispiel Eltern oder Großeltern) erforderlich (Geburtsdatum und -ort, Aufenthaltsort im maßgeblichen Zeitpunkt, bei weiblichen Bezugspersonen auch Geburtsname).
  • Soweit erforderlich, ist auch das bisherige Ermittlungsergebnis (zum Beispiel auf Grundlage von Auskünften der in Anlage 5 genannten Stellen) darzustellen.

14.6.7 Sonstiges

14.6.7.1 Volkszählungsergebnisse

Es bleibt dem Antragsteller überlassen, im Feststellungsverfahren zum Beweis seiner behaupteten deutschen Volkszugehörigkeit amtliche Bescheinigungen aus den Herkunftsländern über maßgebliche Angaben bei Volkszählungen zu beschaffen.

Allgemeine statistische Angaben über die Volkszählungsergebnisse in bestimmten Gebieten sind gegebenenfalls bei der Beweiserhebung und -würdigung heranzuziehen. Dadurch vermittelte Erkenntnisse über das mehrheitliche Bekenntnisverhalten bestimmter Gruppen stellen jedoch für den Einzelfall keinen Beweis für oder gegen ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum dar.

14.6.7.2 Allgemeine Informationen

Hinweise zu Fragen der Volkszugehörigkeit und zu den Verhältnissen in den Aussiedlungsgebieten vor dem zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit enthalten die Merkblätter des Bundesausgleichsamtes über die einzelnen Aussiedlungsgebiete.

14.7  Bewertung des Ermittlungsergebnisses

14.7.1  Auch im Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht gilt, daß dort, wo nicht Ausnahmen zugelassen sind, eine Feststellung tatsächlicher Art erst dann getroffen werden darf, wenn die entscheidende Stelle die Überzeugung gewonnen hat, daß die Tatsache vorliegt (BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juni 1981 – 8 B 176.81 und vom 24. März 1987 – 9 B 307.86).

14.7.2  Da sich die Antragsteller häufig in unverschuldeter Beweisnot befinden, sind die mit der Bearbeitung der Anträge befaßten Stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch gehalten, bei der Beweiswürdigung nicht nur die durch Beweismittel erhärteten Angaben zu berücksichtigen, sondern unter Umständen auch solche Tatsachen festzustellen, die nur von den Antragstellern vorgetragen werden. Dabei ist allerdings zu fordern, daß die Antragsteller glaubwürdig sowie die vorgetragenen Einzeltatsachen glaubhaft erscheinen und nicht im Widerspruch zu den allgemeinen Erkenntnissen über die Verhältnisse in den Vertreibungsgebieten stehen (BVerwG, Urteile vom 27. September 1957 – V C 496.56 und 20. Januar 1987 – 9 C 90.86).

Mehrfache Änderung der Sachverhaltsdarstellung mit zunehmender Anpassung an die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale können die letzte Sachverhaltsdarstellung unglaubhaft erscheinen lassen. Zweifel können auch angebracht sein, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt.

14.7.3  Sachverhalt und Rechtslage zu werten und über die Anträge zu entscheiden, sind nicht Aufgaben der um gutachtliche Äußerung ersuchten Stellen, sondern der Eingliederungsbehörden. An die Beurteilung der Vertriebenen- bzw. Aussiedlereigenschaft durch diese Stellen sind die Eingliederungsbehörden deshalb nicht gebunden. Die Eingliederungsbehörden haben in Entscheidungen ihre eigene Auffassung darzulegen. Bezugnahme auf gutachtliche Äußerungen anderer Stellen genügt nicht.

14.7.4  Kann hinsichtlich der anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller vorhandenen bzw. zugänglichen Beweismöglichkeiten nicht hinreichend aufgeklärt werden, geht der Mangel der Nichtaufklärbarkeit zu Lasten des Antragstellers (vergleiche BVerwG, Urteil vom 26. April 1967 – VIII C 30.64). Ist die gesetzliche Vermutung kriegsfolgebedingter Ausreisegründe nicht vollständig widerlegt, spricht die Vermutung weiter zugunsten des Antragstellers.

14.7.5.  Die vom Bundesausgleichsamt in der Schadensfeststellung entwickelten Grundsätze für die Beweiserhebung und die Beweiswürdigung (BAA-Rundschreiben vom 30. November 1978, MtBl. BAA 1979 S. 28 ff.) sind analog anzuwenden.

14.8 Rechtshilfeersuchen

14.8.1  Ein Rechtshilfeersuchen nach § 16 Abs. 3 an das Amtsgericht ist nur dann zu stellen, wenn die Ausstellungsbehörde zu der Auffassung kommt, daß eine Vernehmung des Antragstellers, eines Zeugen oder Sachverständigen durch das Amtsgericht unumgänglich ist. Grundsätzlich aber hat die Ausstellungsbehörde die Betreffenden zunächst selbst zu vernehmen, schon um die einzelnen Tatsachen und Vorgänge bzw. Einzelangaben herauszuarbeiten, die wesentlich dafür erscheinen, daß eine eidliche Vernehmung geboten ist.

14.8.2  Ein Rechtshilfeersuchen kann insbesondere dann angebracht sein, wenn einer Zeugenaussage entscheidende Bedeutung zukommt. Gleiches gilt, wenn Widersprüche zwischen mehreren Zeugenaussagen oder zwischen Zeugenaussagen und allgemeinen Erkenntnissen über die Verhältnisse im Herkunftsgebiet bestehen, eine Ausweiserteilung jedoch gleichwohl in Betracht kommt.

14.8.3  Der Antrag auf eidliche Vernehmung ist so abzufassen, daß das Amtsgericht zweifelsfrei erkennt, über welche Tatsachen Beweis erhoben werden soll. Es darf nicht etwa dem Gericht überlassen bleiben, festzustellen, über welche Angaben und Tatsachen sich die Behörde durch eidliche Vernehmung Gewißheit verschaffen will.

14.9 Erledigung des Verfahrens durch positive Entscheidung

Die Entscheidung über die Ausstellung des Ausweises ist durch einen Vermerk aktenkundig zu machen. In diesem sind die Gründe festzuhalten, die zur Ausweiserteilung führen. Bei einer dem Antrag nicht entsprechenden Ausweiserteilung ist ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid zu erteilen (vergleiche Nummer 15.1).

14.10 Erledigung des Verfahrens bei Tod des Antragstellers; Fortsetzung durch Erben, potentielle Vertriebeneneigenschaft Verstorbener

14.10.1  Der Anspruch auf die Erteilung eines Vertriebenen- oder Flüchtlingsausweises ist höchstpersönlicher Natur und erlischt mit dem Tod des Vertriebenen.

14.10.2  Stirbt ein Vertriebener bevor über seinen Antrag entschieden worden ist, oder stirbt er nach der Entscheidung über seinen Antrag, aber vor Aushändigung des Ausweises, ist sein Antrag als erledigt anzusehen. Das gilt auch, wenn das Rechtsbehelfsverfahren gegen einen ablehnenden Bescheid noch anhängig ist.

In diesen Fällen können aber Hinterbliebene oder Erben des verstorbenen Antragstellers das Verfahren fortsetzen, wenn sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, daß der Verstorbene zu Lebzeiten auf seinen Antrag hin als Vertriebener anerkannt worden wäre (BVerwG, Urteil vom 27. September 1957 – V C 443.56. Die Feststellung, welchen Ausweis nach § 15 Abs. 2 der Verstorbene erhalten hätte, ist durch formlose Bescheinigung zu treffen.

14.11 Aufhebung und Änderung unanfechtbar gewordener Bescheide im Wiederaufnahmeverfahren

14.11.1  Die untere Eingliederungsbehörde hat nach § 51 VwVfG auf Antrag des Betreffenden über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbar gewordenen Bescheides zu entscheiden, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne dieser Bestimmung vorliegen. Liegen solche Gründe nicht vor, genügt es, den Antragsteller auf die bestandskräftige Entscheidung hinzuweisen (vergleiche Nummer 14.4).

14.11.2  Eine neue Sachentscheidung ist auch dann zu treffen, wenn die untere Eingliederungsbehörde bei pflichtgemäßer Prüfung des Zweitantrages erkennt, daß der Erstbescheid offensichtlich rechtswidrig ist und es gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn sie sich auf die Unanfechtbarkeit des Erstbescheids beruft. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Ausweisbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt hat und deswegen zu einer unrichtigen Entscheidung gekommen ist (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1976 – VIII C 90.75).

14.11.3  Die Entscheidung über den Wiederholungsantrag setzt die Beiziehung der zum Erstantrag angefallenen Akten voraus. Wurde über den Erstantrag von einer anderen Behörde entschieden und ist beabsichtigt, dem Zweitantrag ganz oder teilweise zu entsprechen, ist der Erstbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; sie ist über die Entscheidung zu unterrichten.

14.12 Akteneinsicht

Akteneinsicht ist den Verfahrensbeteiligten im Rahmen des § 29 VwVfG zu gewähren. Die Einsichtnahme soll unter der Aufsicht einer Eingliederungsbehörde, in der Regel der aktenführenden Behörde, erfolgen.

Einsicht nehmen bedeutet zwar nur Durchsehen und Lesen der Akten, der Beteiligte muß aber auch als berechtigt angesehen werden, sich Notizen über das Gelesene zu machen oder einzelne Passagen abzuschreiben. Auf die Herstellung von Abschriften und Ablichtungen von Akten und Aktenteilen besteht kein Anspruch.

15.    Ablehnender Bescheid (§ 17)

15.1  Dem Antragsteller, dessen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wird, ist ein schriftlicher Bescheid zu erteilen. Der Bescheid ist zu begründen und mit Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

15.2  Sind bei einem Familienverband (zum Beispiel Ehepaar mit einem Kind) die gemeinsam gestellten Anträge aus den gleichen Gründen abzulehnen, können alle Anträge mit einem Bescheid abgelehnt werden. Es muß aber jeder Antragsteller eine Ausfertigung dieses Bescheides erhalten.

15.3  Für die Datenübermittlung an andere Behörden und Stellen gilt folgendes:

15.3.1  Hat der Betreffende vom Bundesverwaltungsamt einen Aufnahmebescheid oder eine Übernahmegenehmigung erhalten, sind nach Eintritt der Bestands- und Rechtskraft der Ablehnung

  • das Bundesverwaltungsamt/der Bundesbeauftragte für die Verteilung der Aussiedler,
  • die Ausländerbehörde, die über den weiteren Aufenthalt des Betreffenden im Bundesgebiet zu entscheiden hat (sie hat nur zu entscheiden, wenn der Betreffende nicht deutscher Staatsangehöriger ist),
zu unterrichten. Die Ausländerbehörde kann auf ihr Ersuchen auch schon zu einem früheren Zeitpunkt über eine Ablehnungsentscheidung unterrichtet werden.

15.3.2  Ist der Betreffende lediglich mit einem Besuchervisum in das Bundesgebiet eingereist und hat er hier einen Registrierschein erhalten, sind die in Nummer 15.3.1 genannten Behörden nach Ablehnung des Antrags schon vor Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft zu unterrichten.

In diesen Fällen ist gegenüber der Ausländerbehörde auf deren Ersuchen im Wege der Amtshilfe dazu Stellung zu nehmen, ob der Betreffende deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger ist, wenn der Antrag wegen nicht kriegsfolgebedingter Ausreisegründe oder Wohnsitzbegründung im Aussiedlungsgebiet erst nach dem Stichtag des § 1 Abs. 2 Nr. 3 abgelehnt wurde.

15.3.3  Sonstige Behörden und Stellen, die Inhabern von Aufnahmebescheiden/Registrierscheinen Rechte und Vergünstigungen gewähren, sind

  • das zuständige Arbeitsamt,
  • die Otto Benecke Stiftung,
  • die den Garantiefonds ausführende Behörde,
  • die nach § 90b zuständige Krankenkasse, in der Regel die Allgemeine Ortskrankenkasse.
Diese Stellen können auf ihr Ersuchen über Ablehnungsentscheidungen unterrichtet werden.

Liegt ein Ersuchen nicht vor, darf, wenn ein Aufnahmebescheid erteilt worden ist, eine Datenübermittlung an diese Stellen erst nach Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft erfolgen. Die Übermittlung setzt nicht voraus, daß die Eingliederungsbehörde im Einzelfall von einer Leistungsgewährung dieser Stellen an den Betreffenden weiß. Die Datenübermittlung ist jedoch ausgeschlossen, soweit der Eingliederungsbehörde nicht zumindest Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betreffende Leistungen in Anspruch genommen hat. Nur die notwendigen Daten dürfen übermittelt werden.

15.4  Der Betreffende ist darauf hinzuweisen, daß er verpflichtet ist, etwaige andere Stellen, von denen er aufgrund des Ausweises Vergünstigungen in Anspruch genommen hat, vom Wegfall der Leistungsvoraussetzung selbst zu unterrichten. Er ist auch auf seine Anzeigeverpflichtung gegenüber der Paß- und Personalausweisbehörde hinzuweisen.

15.5  In den in § 98 genannten Fällen ist Strafanzeige zu erstatten. Das gilt insbesondere, wenn ge- oder verfälschte Urkunden vorgelegt wurden.

16.    Einziehung oder Ungültigkeitserklärung von Ausweisen (§ 18)

16.1 Allgemeines

16.1.1  Die Einziehung des Vertriebenenausweises ist die Aufhebung der Entscheidung über die Erteilung des Ausweises. Sie ist unter den Voraussetzungen des § 18 zwingend vorgeschrieben. Ein Ausweis muß danach eingezogen werden, wenn die Voraussetzungen für seine Ausstellung nicht vorgelegen haben und der Betreffende keinen Vertrauensschutz genießt. Ermessungsspielraum besteht nicht.

16.1.2  Die Vorschrift erfaßt auch eine teilweise „Einziehung“ zum Beispiel durch Eintragung eines Rechtsausschlußvermerks nach §§ 9 bis 13 oder Löschung eines Vermerks nach § 15 Abs. 3.

16.2 Rechtswidrigkeit

16.2.1  Die Einziehung nach § 18 setzt voraus, daß die Erteilung des Ausweises rechtswidrig war. Das ist dann der Fall, wenn entweder die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren (unrichtige Subsumtion des – unverändert geblieben – Sachverhalts unter das Gesetz; vergleiche BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1983 – 8 C 91.82) oder die Behörde von einem unvollständigen oder sonstwie unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, wenn sich also die der Ausstellung des Ausweises zugrunde gelegte Tatsachenlage zum Nachteil des Ausweisinhabers durch Wegfall angenommener oder durch Hinzutreten bisher unbekannt gebliebener Tatsachen geändert hat. Hinzu kommen muß, daß sich auch nachträglich ein die Ausstellung rechtfertigender Sachverhalt nicht herausstellt (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 9 C 255.86).

16.2.2  Die rechtswidrige Ausstellung eines Ausweises liegt demnach in der Regel vor, wenn

  • der Antragsteller falsche Angaben gemacht, gefälschte Urkunden vorgelegt hat und deswegen über seinen Antrag fehlerhaft entschieden wurde,
  • der Antragsteller wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, die nur er selbst anzugeben in der Lage war und die der Ausweiserteilung entgegenstehen,
  • der vorliegende Sachverhalt verkannt, nicht erkannt, falsch gewertet oder zugeordnet und deswegen fehlerhaft entschieden wurde,
  • von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen wurde und nachträglich bedeutsame Tatsachen bekannt werden, die die Behörde zu einer anderen Entscheidung veranlaßt hätten,
  • die Erteilung des Ausweises gegen (zwingende) Rechtsnormen verstößt.

16.2.3  Eine lediglich andere tatsächliche Würdigung des gleich gebliebenen Tatsachenmaterials (die die Ausstellungsbehörde nach bereits ergangener Entscheidung von sich aus vornimmt) rechtfertigt die Einbeziehung nach § 18 nicht (BVerwG, Urteile vom 14. November 1973 – VIII C 173.72 und vom 24. September 1975 – VIII C 78.74). Gleiches gilt für die fehlende örtliche Zuständigkeit der Ausstellungsbehörde (BVerwG, Urteil vom 13. September 1978 – 8 C 18.78).

16.3 Vertrauensschutz

16.3.1  Die Einziehung ist nur zulässig, wenn Vertrauensschutz nicht entgegensteht (vergleiche BVerfG, Beschluß vom 16. Dezember 1981 – 1 BvR 898/79 u. a. und BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1983 – 8 C 91.82).

16.3.2  § 18 wird durch die Vertrauensschutzregelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ergänzt. § 48 VwVfG ist insoweit unmittelbar anzuwenden (vergleiche BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 – 9 C 12.89).

Wegen der Bindung der Behörden, die für die Gewährung von Geld- oder teilbaren Sachleistungen an Vertriebene zuständig sind, an die in der Erteilung des Vertriebenenausweises liegende Statusfeststellung, ist bereits im Einziehungsverfahren nach § 48 Abs. 2 VwVfG zu prüfen, inwieweit schützenswertes Vertrauen in die festgestellte Vertriebeneneigenschaft hinsichtlich einzelner empfangener oder beanspruchter Leistungen besteht.

Soweit nicht fiskalische, sondern allein hoheitsrechtliche staatliche Belange (zum Beispiel nach Staatsangehörigkeits-, Paß- und Ausweisrecht) berührt sind, hindern nach § 48 Abs. 3 VwVfG Vertrauenstatbestände die Rücknahme nicht, so daß es insoweit einer Vertrauensschutzprüfung im Einziehungsverfahren nicht bedarf.

16.3.3  Für die Vertrauensschutzprüfung ist vor der Entscheidung über die Einziehung des Ausweises festzustellen, welche Leistungen der Ausweisinhaber aufgrund des Ausweises erhalten und in Zukunft zu erwarten hat (zum Beispiel Eingliederungshilfe, Einrichtungsdarlehen, Rente nach dem Fremdrentengesetz, Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz). Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit er im Vertrauen auf die künftig zu erwartenden Leistungen „Vermögensdispositionen getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann“ (§ 48 Abs. 2 VwVfG). Unter Vermögensdispositionen im Hinblick auf zu erwartende Leistungen können sowohl diesbezügliche Handlungen als auch das Unterlassen von Vorkehrungen und Maßnahmen verstanden werden, die zu ähnlichen Leistungen wie die aufgrund des Ausweises zu erwartenden führen (etwa Nachentrichtung von Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung, Abschluß einer Lebensversicherung). Diese Fragen können zuverlässig nur dann beurteilt werden, wenn der Betreffende selbst sie insoweit schlüssig vorträgt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob er etwa zu bestimmten Vorkehrungen auch wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre.

16.3.4  Schutzwürdig kann das Vertrauen des Betreffenden auf den Bestand der Feststellungsentscheidung nach § 48 Abs. 2 VwVfG zum Beispiel insoweit sein, als er Leistungen in dem guten Glauben, Aussiedler zu sein, verbraucht hat. Das Vertrauen kann das öffentliche Interesse auch dann überwinden, wenn das fiskalische Interesse gering ist (zum Beispiel bei Darlehen).

16.3.5  Schutzwürdig ist das Vertrauen nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG insbesondere dann nicht, wenn der Begünstigte den Vertriebenenausweis bzw. die Betreuungsberechtigung erschlichen, nämlich durch unrichtige oder unvollständige Angaben oder durch das Verschweigen rechtserheblicher Tatsachen, die anzugeben im wesentlichen nur er in der Lage war, erwirkt hat. Dieses Verhalten des Begünstigten muß für die Ausweiserteilung ursächlich gewesen sein.

§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG setzt nicht voraus, daß der Betreffende die Unrichtigkeit der von ihm vorgelegten Urkunden kannte oder hätte kennen müssen; Verschulden ist nicht Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift (vergleiche BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 9 C 255.86). Dementsprechend bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob eine im Ausweisverfahren vorgelegte Geburtsurkundenabschrift gefälscht ist. Es genügt, wenn feststeht, daß eine dem Inhalt der Abschrift entsprechende Geburtseintragung tatsächlich nicht existiert (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. März 1988 – 14 A 2648/84) oder existiert hat.

16.4 Verfahrensfragen

16.4.1  Das Einziehungsverfahren ist an die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG gebunden. Die Frist beginnt zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannt hat und ihr die für die Entscheidung über den Widerruf rechtserheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Die Frist ist nicht eine „Bearbeitungsfrist“ für die Behörde, sondern eine ab „Entscheidungsreife“ laufende Frist (BVerwG, Beschluß vom 19. Dezember 1984 – Großer Senat und 2/84).

16.4.2  Der Abschluß eines eingeleiteten Strafverfahrens ist nicht Voraussetzung für die Durchführung von Einziehungsverfahren. In besonderen Einzelfällen kann auf Wunsch der Staatsanwaltschaft die Einziehung zurückgestellt werden, damit die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht gefährdet werden.

16.4.3  Eine gegenständlich beschränkte Einziehung des Vertriebenenausweises ist zulässig (vergleiche BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1983 – 8 C 91.82). Deshalb kann, sofern die Umstände des Einzelfalls einer vollständigen Einziehung entgegenstehen, die Einziehung auch in der Weise erfolgen, daß durch sie zum Beispiel nur

  • der Status an sich,
  • die Erstreckung der Statusfeststellung eines Verstorbenen auf den überlebenden Ehegatten in einem Verfahren nach § 1 Abs. 3 (vergleiche Nummer 1.10.2),
  • einzelne Leistungen, hinsichtlich derer Vertrauensschutz nicht besteht,
erfaßt werden.

Die gegenständlich beschränkte Einziehung muß aus dem Vertriebenenausweis erkennbar sein. Hierzu kann der Ausweis zum Beispiel als ungültig gekennzeichnet und auf die Leistungen hingewiesen werden, auf die sich die Ungültigkeit nicht bezieht.

16.5 Datenübermittlung

16.5.1  Wird ein Vertriebenenausweis eingezogen, sind nach Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft

  • die Ausländerbehörde, die über den weiteren Aufenthalt des Betreffenden im Bundesgebiet zu entscheiden hat (sie hat nur zu entscheiden, wenn der Betreffende nicht deutscher Staatsangehöriger ist),
  • das Bundesverwaltungsamt/Bundesbeauftragter für die Verteilung der Aussiedler, sofern der Betreffende einen Aufnahmebescheid/Registrierschein bzw. eine Übernahmegenehmigung erhalten hat,
zu unterrichten.

16.5.2  Sonstige Behörden und Stellen sind

  • das zuständige Arbeitsamt,
  • das zuständige Ausgleichsamt,
  • die im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Berner Str. 1, W-8700 Würzburg 21, zusammengeschlossenen Rentenversicherungsträger,
  • die Otto Benecke Stiftung,
  • die den Garantiefonds ausführende Behörde,
  • die nach § 90b zuständige Krankenkasse, in der Regel die Allgemeine Ortskrankenkasse.
Liegt ein Ersuchen nicht vor, darf eine Datenübermittlung an diese Stellen erst nach Bestands- oder Rechtskraft der Einziehungsentscheidung erfolgen. Im übrigen gilt Nummer 15.3.3.

16.5.3  Der vom Einziehungsbescheid Betroffene ist darauf hinzuweisen, daß er verpflichtet ist, etwaige andere Stellen, von denen er aufgrund des Ausweises Vergünstigungen in Anspruch genommen hat, von der Einziehung des Ausweises selbst in Kenntnis zu setzen. Er ist auch auf seine Anzeigepflicht gegenüber der Paß- und Personalausweisbehörde hinzuweisen.

16.6 Ungültigkeitserklärung

Der Ausweis ist nur dann für ungültig zu erklären, wenn er nach rechtsbeständiger Rücknahmeentscheidung aus tatsächlichen Gründen nicht erlangt werden kann. Die Ungültigkeitserklärung ist dem Ausweisinhaber formlos mitzuteilen.

17.    Vermerk über die Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen (§ 19)

17.1  Nach § 19 muß der Tatbestand, nach dem die Betreuungsberechtigung beendet ist (§ 13 und Nummer 11), in den Ausweis eingetragen werden (vergleiche Nummer 13.4.2.1).

17.2  Die Entscheidung, nach der Rechte und Vergünstigungen nicht beansprucht werden können, läßt die Eigenschaft als Vertriebener unberührt.

17.3  Weigert sich der Ausweisinhaber, seinen Ausweis zwecks Eintragung des Beendigungsvermerks vorzulegen, soll die Vorlage des Ausweises im Verwaltungszwangsverfahren durchgesetzt werden.

18.    Rechtsmittel (§ 20)

18.1 Verfahren

Das Rechtsbehelfs-/Rechtsmittelverfahren wird bestimmt durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 79 VwVfG) und die Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 68 ff. VwGO).

Es bestehen danach der Widerspruch als Rechtsbehelf und folgende Rechtsmittel

  • Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht,
  • Berufung beim Verwaltungsgerichtshof,
  • Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und
  • Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin.

18.2 Rechtsbehelfsbelehrung

Es wird folgende Rechtsbehelfs-/Rechtsmittelbelehrung empfohlen:

a)
bei Ablehnung des Antrags durch die untere Eingliederungsbehörde:

„Gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Zustellung bei der oben genannten Behörde schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. Die Frist wird auch durch Einlegung des Rechtsbehelfs beim Regierungspräsidium .........................., das den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.“;

b)
bei Zurückweisung des Widerspruchs durch das Regierungspräsidium:

„Gegen diesen Widerspruchsbescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides beim Verwaltungsgericht .......................... schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage erhoben werden.“

19.    Aufnahmeverfahren (§§ 26 ff)

19.1 Aufnahmeverfahren vom Herkunftsland aus (§§ 26, 27 Abs. 1)

Wollen im Bundesgebiet lebende Bevollmächtigte eines Aufnahmeinteressierten, der seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet hat, einen Aufnahmeantrag stellen, sind sie an das Bundesverwaltungsamt zu verweisen. Sie können auch darauf hingewiesen werden, daß der Aufnahmeinteressierte über die zuständige deutsche Auslandsvertretung oder beim Bundesverwaltungsamt selbst seine Aufnahme im Bundesgebiet beantragen kann.

Das Bundesverwaltungsamt übersendet Aufnahmeakten zu Verfahren, in denen das Land nach § 28 Abs. 2 beteiligt wird, dem Regierungspräsidium Chemnitz.

Das Regierungspräsidium entscheidet, ob der Erteilung eines Aufnahmebescheids nach § 28 Abs.. 2 zugestimmt wird. Kann das Regierungspräsidium Chemnitz die Entscheidung nach § 28 Abs. 2 nicht schon aufgrund der Aufnahmeakten treffen, ist für ergänzende Ermittlungen zu sorgen. Es kann das Bundesverwaltungsamt bitten, diese durchzuführen. Die Zustimmung nach § 28 Abs. 2 ist unmittelbar gegenüber dem Bundesverwaltungsamt zu erklären, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 erfüllt sind, der Antragsteller also nach der Einreise in das Bundesgebiet voraussichtlich einen Vertriebenenausweis erhalten kann. Eine Zustimmung der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Form des Visums ist nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes – DVAuslG – vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2983) in diesen Fällen nicht erforderlich. Die Ausländerbehörde ist deshalb nicht zu beteiligen. Die Aufnahmeakten bleiben bei dem Regierungspräsidium Chemnitz.

Liegen die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 nicht vor, ist die Zustimmung zu verweigern. Die Entscheidung ist zu begründen und mit den Aufnahmeakten auf dem Dienstweg dem Bundesverwaltungsamt zuzuleiten.

Die im Aufnahmeverfahren gesammelten Daten dürfen im Rahmen des § 29 auch für andere Verfahren zum Beispiel Verfahren nach dem Lastenausgleichsrecht, genutzt und übermittelt werden.

19.2 Aufnahmeverfahren in Härtefällen (§ 27 Abs. 2)

Reist ein Aufnahmeinteressierter ohne Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet ein, darf das Bundesverwaltungsamt einen Aufnahmebescheid nur in Ausnahmefällen ausstellen (insbesondere bei lebensbedrohlicher Krankheit des Antragstellers, die es unzumutbar macht, die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Herkunftsland abzuwarten). Wer wegen besonderer Härte einen Aufnahmebescheid im Bundesgebiet erhalten will, ist an eine Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes zu verweisen (vergleiche Nummer 14.3.3).

Für die Zustimmung des Landes nach § 28 Abs. 2 zur Erteilung von Aufnahmebescheiden in Härtefällen ist das Regierungspräsidium Chemnitz zuständig. Das Regierungspräsidium kann die Zustimmung vorab erteilen.

19.3 Abwicklung von D 1-Verfahren

Die sogenannten D 1-Verfahren sind in Aufnahmeverfahren übergegangen.

Nach Klärung des Sachverhalts entscheidet das Regierungspräsidium Chemnitz wie bei Aufnahmeanträgen, ob der Erteilung eines Aufnahmebescheids zugestimmt wird (vergleiche Nummer 19.1 Abs. 3, 5 und 6).

19.4 Fehlende Aufnahmeentscheidung

Wer sein Herkunftsland nach dem 30. Juni 1990 nicht „im Wege der Aufnahme“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 verlassen hat, bleibt, sofern er nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, auch dann Ausländer, wenn er deutscher Volkszugehöriger sein sollte (siehe hierzu aber 1.8.4). Als Ausländer kann er weder einen deutschen Personalausweis noch einen Reisepaß erhalten. Er kann auch nicht damit rechnen, daß ihm nach Ablauf des Besuchervisums der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet wird. Ist der Betreffende deutscher Staatsangehöriger, kann er, obwohl er nicht Aussiedler ist, im Bundesgebiet bleiben. Die für Aussiedler vorgesehenen Leistungen erhält er jedoch nicht. Den betreffenden Personen kann gegebenenfalls nahegelegt werden, ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren zu beantragen.

20.    Familienzusammenführung (§ 94)

20.1 Rechtsanspruch auf Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung

Durch § 94 Abs. 1 und 2 wird unter den dort aufgeführten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Form des Visums begründet.

Im Bundesgebiet lebende Vertriebene nach § 1 Abs. 1 und 2 können für Angehörige im Sinne des § 94, die nicht selbst die Voraussetzungen des § 1 erfüllen, beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen. Auf dem Antragsformular vermerkt die Ausländerbehörde auf Antrag dessen, der die Familienzusammenführung betreibt, ob die Voraussetzungen des § 94 vorliegen und der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 11 Abs. 1 DVAusglG 1990 zugestimmt wird; erforderlichenfalls beteiligt sie die untere Eingliederungsbehörde. Das Bundesverwaltungsamt erteilt gegebenenfalls eine Übernahmegenehmigung. Bei Vorlage der Übernahmegenehmigung erstellt die deutsche Auslandsvertretung ein Visum auf der Grundlage des § 94.

Wer unter Umgehung der Einreisevorschriften mit einem diesen Anforderungen nicht entsprechenden Visum (zum Beispiel Touristenvisum) oder ohne Visum einreist, kann trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen des § 94 nicht darauf vertrauen, daß ihm eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird.

Der Status eines Vertriebenen/Aussiedlers wird durch die Familienzusammenführung nicht erworben. Ist der Betreffende nicht schon bei der Einreise deutscher Staatsangehöriger, bleibt er Ausländer.

Nicht zum Familiennachzug nach § 94 berechtigt sind Angehörige von Vertriebenen nach § 1 Abs. 3 und 4. Für den Nachzug dieser Angehörigen gelten die allgemeinen ausländerrechtlichen Regelungen.

20.2 Ehegatten (§ 94 Abs. 2 Nr. 1)

Die Regelung erfaßt nichtdeutsche Ehegatten von Vertriebenen/Aussiedlern, die nicht schon die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 erfüllen. Sie ist demnach anzuwenden, wenn die Ehe erst nach der Aussiedlung des deutschen Ehegatten geschlossen wurde.

Ist eine Ehe vor der Vertreibung (Aussiedlung) oder der Flucht eines der Ehepartner rechtskräftig geschieden worden, so entfällt die Grundlage für eine spätere Familienzusammenführung. Die Aufrechterhaltung einer faktischen Lebensgemeinschaft bis zum Zeitpunkt der Vertreibung (Aussiedlung) oder Flucht kann die fehlende rechtliche Lebensgemeinschaft nicht ersetzen (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 – III C 21.74).

20.3 Kinder (§ 94, Abs. 2 Nrn. 2 bis 4)

Nach Sinn und Zweck des § 94 ist es zulässig, in den Kreis der Familienangehörigen nach Absatz 2 auch Stief- und Pflegekinder einzubeziehen, soweit tatsächlich familiäre Bindungen bestehen.

20.4 Hilfsbedürftigkeit

Als hilfsbedürftig ist der Zuziehende anzusehen, wenn er infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen so hilflos ist, daß er ohne Betreuung und Pflege nicht leben kann, und eine andere Pflegeperson nicht vorhanden ist.

20.5 Härteregelung (§ 94 Abs. 3)

Sie kann zum Beispiel auf nichtdeutsche Schwiegereltern angewandt werden. Voraussetzung ist, daß eine unzumutbare Härte im Sinne dieser Regelung vorliegt und der Betreffende mit einem auf der Grundlage des § 94 Abs. 3 erteilten Visum einreist.

21.    Erschleichung von Vergünstigungen (§ 98)

21.1   Diese Strafbestimmung richtet sich gegen Personen, die die Vertriebeneneigenschaft einschließlich der Betreuungsberechtigung nicht besitzen, aber vorsätzlich durch unrichtige oder unvollständige Angaben in den Genuß von Vergünstigungen gelangen wollen, die Vertriebenen vorbehalten sind (vergleiche Nummer 16.3.5).

21.2  Sie erfaßt auch Personen, die zum Beispiel durch wider besseres Wissen abgegebene „eidesstattliche Erklärungen“ über die Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft begründende Umstände Vergünstigungen nicht für sich selbst, sondern für Dritte erschleichen wollen. Das gilt auch dann, wenn der Zeuge dem Antragsteller nur gefällig sein wollte. Diese Handlung ist nicht Beihilfe zur Straftat eines anderen, sondern Straftat des Zeugen.

21.3  Der Anwendungsbereich des § 98 ist nicht auf das BVFG beschränkt; er erfaßt auch die Erschleichung von Vergünstigungen nach anderen Gesetzen (zum Beispiel LAG).

22.    Aktenaussonderung

Die BVFG-Akten sind wie andere zu Kriegsfolgegesetzen (zum Beispiel zum HHG) angelegte Aktenvorgänge über eine Frist von 30 Jahren hinaus (also zunächst zeitlich unbegrenzt) bis zu einer anderweitigen Regelung aufzubewahren, da es sich weitgehend um nicht mehr rekonstruierbare, unter Umständen für die Beurteilung von Folgeansprüchen bedeutsame Dokumentationen handelt.

23.    Ausweisstatistik

23.1  Die Regierungspräsidien haben dem Innenministerium weiterhin bis spätestens 1. März jeden Jahres über die Ausstellung von Ausweisen nach dem BVFG in ihrem Regierungsbezirk zu berichten. Dabei sind die den Eingliederungsbehörden bereits bekannten Vordrucke zu verwenden.

23.2  Anträge, die von Dienststellen außerhalb des Landes Sachsen übernommen oder an solche Dienststellen abgegeben wurden, sind getrennt auszuweisen. Gleiches gilt für Anträge, die von unteren Eingliederungsbehörden in Sachsen übernommen oder an solche Behörden abgegeben wurden.

24.    Schlußbestimmungen

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft.

Dresden, den 5. Oktober 1992

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 1992 Nr. 30, S. 1540
    Fsn-Nr.: 272-V92.2

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 5. Oktober 1992

    Fassung gültig bis: 31. Dezember 2007