Verordnung
des Regierungspräsidiums Leipzig
zur Bestimmung des Europäischen Vogelschutzgebietes
„Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“
Vom 27. Oktober 2006
Auf Grund von § 22a Abs. 6 des Sächsischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz – SächsNatSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1994 (SächsGVBl. S. 1601, 1995 S. 106), das zuletzt durch Gesetz vom 9. September 2005 (SächsGVBl. S. 259) geändert worden ist und zur Umsetzung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten 1 (ABl. EG Nr. L 103 S. 1, 1996 Nr. L 59 S. 61), die zuletzt durch Verordnung (EG) Nr. 807/2003 vom 14. April 2003 (ABl. EU Nr. L 122 S. 36) geändert worden ist, wird verordnet:
§ 1
Bestimmung als Vogelschutzgebiet
Die in § 2 näher bezeichneten Flächen auf dem Gebiet der Städte Delitzsch und Schkeuditz sowie der Gemeinden Döbernitz, Neukyhna, Rackwitz, Schönwölkau, Wiedemar, Zschortau und Zwochau im Landkreis Delitzsch werden zum Europäischen Vogelschutzgebiet (nachfolgend Vogelschutzgebiet genannt) bestimmt. Das Vogelschutzgebiet führt die Bezeichnung „Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“.
§ 2
Schutzgegenstand
(1) Das Vogelschutzgebiet hat eine Größe von zirka 6 407 ha.
(2) Das Gebiet gliedert sich in die räumlich getrennten Gebietsteile Delitzsch-Südwest (südlich, südwestlich, westlich der Stadt Delitzsch) und Delitzsch-Ost (östlich der Stadt Delitzsch). Es umfasst im Teil Delitzsch-Südwest große Bereiche des ehemaligen Tagebaus "Delitzsch-Südwest" mit den Tagebauseen Werbeliner See (bis auf Böschungsbereiche im Nordosten vollständig im Vogelschutzgebiet gelegen), Zwochauer und Grabschützer See. Daneben bestimmen durch Feldgehölze, Hecken, kleine Fließgewässer im geringen Maße gegliederte, überwiegend ackerbaulich genutzte Flächen diesen Teil des Vogelschutzgebietes. Den Gebietsteil Delitzsch-Ost prägen neben landwirtschaftlich genutzten Flächen die Reste strukturreicher Eichen-Hainbuchenwälder und bodensaurer Buchenwälder (Triftholz, Sprödaer Wald einschließlich des Naturschutzgebietes "Spröde"). Der Verlauf der Gebietsgrenze wird im Folgenden getrennt nach den zwei Gebietsteilen grob beschrieben:
Gebietsteil Delitzsch-Südwest: Im äußersten Westen reicht das Vogelschutzgebiet südlich der Ortslage Doberstau bis an die Bundesautobahn 14 (A 14) und die Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt heran. Zwischen dem Ort und dem Bahnhof Klitschmar verengt sich das Vogelschutzgebiet. Die Grenze umfährt die Ortslage Peterwitz und läuft Richtung Süden auf Kölsa und weiter Richtung Südost auf Zwochau zu (jeweils unter Ausschluss der Ortslagen). Beginnend am südöstlichen Ortsrand von Zwochau quert die Grenze nahezu geradlinig Ackerflächen und umfährt westlich Wolteritz die Südspitze des Werbeliner Sees. Nordöstlich Wolteritz trifft die Grenze auf den Lober und nach Richtungsänderungen in Höhe des nördlichen Ortsrandes von Rackwitz auf die Bundesstraße 184 (B 184), der sie nach Norden folgt. Nach Umfahrung von Zschortau richtet sich die Grenze auf Kreuma, dann auf Mocherwitz und folgt dem Strengebach (unter Einschluss des Baches in das Vogelschutzgebiet) bis Selben (wobei die Ortslagen nicht Bestandteil des Vogelschutzgebietes sind). Weiter werden die Ortslagen Zschepen (im Westen), Döbernitz (im Süden), Brodau (im Osten und Süden) umfahren, um im Bereich des „Brodauer Zinkens“ den Werbeliner See zu erreichen. Nördlich des Werbeliner und Grabschützer Sees sind große Teile der Hochkippe des Tagebaus Delitzsch-Südwest in das Vogelschutzgebiet integriert. Nach Ausgrenzung der Deponie und der Ortslage Lissa folgt die Schutzgebietsgrenze weitgehend dem Gienickenbach, trifft südlich Kyhna auf die Bahnstrecke und verläuft parallel zu dieser Richtung West bis zum Bahnhof Klitschmar. Die Ortslagen Brodenaundorf und Lemsel sowie Ackerflächen östlich und nordöstlich der Ortslage Lemsel sind nicht Bestandteil des Vogelschutzgebietes.
Gebietsteil Delitzsch-Ost: Dieser Gebietsteil erstreckt sich zwischen den Ortslagen Beerendorf, Spröda, Wannewitz und Brinnis. Ausgehend von Beerendorf folgt die Grenze Straßen und Wegen, um nach mehreren Richtungsänderungen am Sprödaer Bach die Bundesstraße 183a (B 183a) zu erreichen. Danach verläuft die Grenze entlang der Straße nach Spröda, umfährt den Ort am Südrand und folgt dem Feldweg nach Wannewitz. Vom südlichen Ortsausgang von Wannewitz bis zum nordöstlichen Ortsrand von Brinnis verläuft die Grenze entlang der Ortsverbindungsstraße. Nach Umfahrung des nördlichen Ortsrandes von Brinnis trifft die Grenze auf die Straße Richtung Delitzsch, von der sie westlich des Waldes Querlbusch nach Norden Richtung Beerendorf abzweigt. Im Bereich Beerendorf-Ost sind zwei teilweise bebaute Flächen nicht Bestandteil des Vogelschutzgebietes.
(3) Öffentliche Straßen, Eisenbahnanlagen, öffentliche Hochwasserschutzanlagen (Deiche einschließlich Deichschutzstreifen, Hochwasserschutzmauern und sonstige Anlagen gemäß § 99 Abs. 4 Satz 1 Sächsisches Wassergesetz [ SächsWG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2004 [SächsGVBl. S. 482], das durch Artikel 3 des Gesetzes vom 1. Juni 2006 [SächsGVBl. S. 146, 149] geändert worden ist) und Absperrbauwerke von Stauanlagen innerhalb der Grenzen des Vogelschutzgebietes sind nicht Bestandteil des Vogelschutzgebietes.
(4) Das Vogelschutzgebiet ist in einer Übersichtskarte des Regierungspräsidiums Leipzig vom 27. Oktober 2006 im Maßstab 1 : 75 000 und in vier Teilkarten des Regierungspräsidiums Leipzig vom 27. Oktober 2006 im Maßstab 1 : 25 000 als hellrote Fläche, begrenzt mit einer roten Linie, eingetragen (bei schwarz/weiß-Abdruck erscheinen die Fläche grau und die Linie schwarz). Maßgebend für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereiches sind die in den Teilkarten eingetragenen Grenzlinien in der Karte. Die Karten sind Bestandteil dieser Verordnung.
(5) Die Verordnung mit Karten wird bei folgenden Stellen auf die Dauer von zwei Wochen am Tag nach der Verkündung dieser Verordnung im Sächsischen Amtsblatt zur kostenlosen Einsicht durch jedermann während der Sprechzeiten öffentlich ausgelegt:
- -
- Regierungspräsidium Leipzig, 04107 Leipzig, Braustraße 2, Raum 472,
- -
- Landratsamt Delitzsch, Außenstelle Eilenburg, Haus 4, Dr.-Belian-Straße 4, 04838 Eilenburg, Raum 159.
(6) Die Verordnung mit Karten ist nach Ablauf der Auslegungsfrist beim Regierungspräsidium Leipzig zur kostenlosen Einsicht durch jedermann während der Sprechzeiten niedergelegt.
§ 3
Erhaltungsziele
(1) Im Vogelschutzgebiet „Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“ kommen folgende Brutvogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und der Kategorien 1 und 2 der „Roten Liste Wirbeltiere“ des Freistaates Sachsen (Stand 1999) vor: Baumfalke (Falco subbuteo) , Blaukehlchen (Luscinia svecica) , Brachpieper (Anthus campestris) , Eisvogel (Alcedo atthis) , Grauammer (Miliaria calandra) , Kiebitz (Vanellus vanellus) , Neuntöter (Lanius collurio) , Ortolan (Emberiza hortulana) , Raubwürger (Lanius excubitor) , Rohrdommel (Botaurus stellaris) , Rohrweihe (Circus aeruginosus) , Rothalstaucher (Podiceps grisegena) , Rotmilan (Milvus milvus) , Schwarzhalstaucher (Podiceps nigricollis) , Schwarzkopfmöwe (Larus melanocephalus) , Schwarzmilan (Milvus migrans) , Schwarzspecht (Dryocopus martius) , Seeadler (Haliaeetus albicilla) , Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) , Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) und Wespenbussard (Pernis apivorus) .
(2) Vorrangig zu beachten sind die folgenden Vogelarten, für die das Vogelschutzgebiet eines der bedeutendsten Brutgebiete im Freistaat Sachsen ist: Grauammer (Miliaria calandra) , Kiebitz (Vanellus vanellus) , Raubwürger (Lanius excubitor) , Rohrweihe (Circus aeruginosus) , Rothalstaucher (Podiceps grisegena) , Schwarzhalstaucher (Podiceps nigricollis) , Schwarzkopfmöwe (Larus melanocephalus) und Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) .
(3) Daneben sichert das Gebiet für die folgenden der Brutvogelarten einen repräsentativen Mindestbestand im Freistaat Sachsen: Baumfalke (Falco subbuteo) , Neuntöter (Lanius collurio) , Rohrdommel (Botaurus stellaris) , Rotmilan (Milvus milvus) und Wespenbussard (Pernis apivorus) . Das Vogelschutzgebiet ist für die Gewährleistung räumlicher Ausgewogenheit der Vorkommen des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) im Freistaat Sachsen wichtig.
(4) Außerdem stellt das Vogelschutzgebiet ein bedeutendes Rast- und Nahrungsgebiet für Saatgänse (Anser fabalis) dar und besitzt weitere herausragende Funktionen als Wasservogellebensraum.
(5) Ziel in dem durch Offenland und Halboffenland geprägten Teil des Agrarraumes und der Bergbaufolglandschaft ist es, einen günstigen Erhaltungszustand der genannten Vogelarten und damit eine ausreichende Vielfalt, Ausstattung und Flächengröße ihrer Lebensräume und Lebensstätten innerhalb des Gebietes zu erhalten oder diesen wieder herzustellen, wobei bestehende funktionale Zusammenhänge zu berücksichtigen sind. Lebensräume und Lebensstätten der genannten Vogelarten im Gebiet sind insbesondere die Tagebauseen mit ihren Flach- und Tiefwasserbereichen, Inseln, Verlandungs- und Uferzonen. Dazu treten terrestrische Offen- und Halboffenflächen (meist Abraumkippen) mit ihren Rohböden, Mager- und Halbtrockenrasen, zum Teil mit natürlichem Gehölzaufwuchs. Ihr permanenter bzw. aktueller Zustand ist Ergebnis morphologischer Prozesse oder wird vom Substrat bestimmt. Als Lebensräume und Lebensstätten für eine Vielzahl genannter Vogelarten erlangen in der Ackerebene große, landwirtschaftlich genutzte Flächen, alte, an Totholz und Höhlen reiche Wälder und sonstige Gehölzbestände (kleine Feldgehölze, Hecken, Obstbaumbestände), flach eingesenkte Sohlentälchen mit Bach- und Grabenläufen sowie der Lober und seine Aue besondere Bedeutung. Habitatfunktion besitzen auch staudenreiche Säume und Fluren, Feucht- und mesophiles Grünland und Sonderstrukturen (zum Beispiel alte, kleinflächige Abgrabungen).
§ 4
Nutzungen
(1) Weiter zulässig sind:
- 1.
- die ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung,
- 2.
- die Unterhaltung der Gewässer,
- 3.
- der Betrieb, die Nutzung, die Unterhaltung und die Instandsetzung von Wasserversorgungs- und Abwasserbehandlungsanlagen, Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken, Versorgungs- und Fernmeldeleitungen sowie bestehender Gebäude und sonstiger Einrichtungen,
- 4.
- die Unterhaltung und Instandsetzung von öffentlichen Straßen,
- 5.
- die sonstige bisherige Nutzung der Grundstücke,
soweit hierdurch nicht das Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann oder soweit nicht anderweitige Rechtsvorschriften entgegenstehen. Ist eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen zu befürchten, prüft die Naturschutzbehörde, ob die Erhaltungsziele durch vertragliche Vereinbarungen erreicht werden können. Wenn eine einvernehmliche Lösung innerhalb angemessener Frist nicht zu erreichen ist, kann die Naturschutzbehörde die erforderlichen Anordnungen treffen (§ 15 Absatz 6 in Verbindung mit § 22a Absatz 4 SächsNatSchG).
(2) Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, insbesondere des Hochwasserschutzes sind zu beachten (Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen 2 [ABl. EG Nr. L 206 S. 7, 1996 Nr. L 59 S. 63], die zuletzt durch Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 [ABl. EU Nr. L 284 S. 1] geändert worden ist).
§ 5
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach Ablauf der Auslegungsfrist gemäß § 2 Abs. 5 in Kraft.
Leipzig, den 27. Oktober 2006
Regierungspräsidium Leipzig
Steinbach
Regierungspräsident
Anlage
Übersichtskarte