Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus
über die Durchführung des besonderen Bildungsweges Produktives Lernen im Freistaat Sachsen
(VwV Produktives Lernen)
Vom 11. Juli 2018
I. Gegenstand
Diese Verwaltungsvorschrift legt die Rahmenbedingungen für die Durchführung des besonderen Bildungsweges Produktives Lernen im Freistaat Sachsen an ausgewählten Oberschulen fest. Es handelt sich um ein Bildungsangebot zum Erwerb eines dem Hauptschulabschluss gleichgestellten Abschlusses gemäß Teil 2 Abschnitt 10 der Schulordnung Ober- und Abendoberschulen vom 11. Juli 2011 (SächsGVBl. S. 277, 365), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 7. Mai 2018 (SächsGVBl. S. 223) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.
Der besondere Bildungsweg Produktives Lernen wird an folgenden Oberschulen eingerichtet:
- –
- Dr.-Christian-Hufeland-Oberschule, Plauen,
- –
- Georg-Schumann-Schule, Oberschule des Deutsch-Französischen Bildungszentrums der Stadt Leipzig,
- –
- Georg-Weerth-Oberschule, Chemnitz,
- –
- Oberschule Freital-Potschappel,
- –
- Oberschule „Am Holländer“ Döbeln,
- –
- Oberschule „Am Stadtrand“ Hoyerswerda,
- –
- 121. Oberschule Dresden „Johann Georg Palitzsch“,
- –
- Helmholtzschule Leipzig – Oberschule der Stadt Leipzig.
II. Zielsetzung und Zielgruppe
Produktives Lernen im Freistaat Sachsen ist ein besonderer zweijähriger Bildungsweg in den Klassenstufen 8 und 9 des Hauptschulbildungsgangs an den in Ziffer I genannten Oberschulen. Zielgruppe sind Schüler, die einer besonderen Förderung bedürfen, um einen dem Hauptschulabschluss gleichgestellten Abschluss erreichen zu können. Ziel ist es, diese Schüler mit einem stärker praxisbezogenen Bildungsangebot zu einem Abschluss zu führen und sie bei der Entwicklung konkreter beruflicher oder schulischer Anschlussperspektiven zu unterstützen.
Das Produktive Lernen verbindet Tätigkeiten an selbst gewählten Praxisplätzen mit dem fachbezogenen, fachübergreifenden und fächerverbindenden Lernen in der Schule.
III. Auswahl und Aufnahme von Schülern
Die Eignung des besonderen Bildungsweges für Schüler, die die Klassenstufe 7 des Hauptschulbildungsganges absolviert haben, wird durch ein Aufnahmeverfahren geprüft. Die Teilnahme an dem Aufnahmeverfahren ist freiwillig und bedarf der Zustimmung der Eltern. Es beinhaltet die Teilnahme an einer Informationsveranstaltung über das Produktive Lernen, eine schriftliche Bewerbung, ein individuelles Aufnahmegespräch und eine sechswöchige Orientierungsphase in der Klassenstufe 8. Das Aufnahmegespräch wird dokumentiert. Bis zum Ende der Orientierungsphase kann der Schüler auf eigenen Wunsch und mit Zustimmung der Eltern in den regulären Bildungsgang der zuletzt besuchten Schule zurückkehren.
Der Schulleiter der aufnehmenden Oberschule entscheidet im Einvernehmen mit den für das Produktive Lernen zuständigen Lehrern bis zum Ende der Orientierungsphase über die endgültige Aufnahme des Schülers. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt der Jugendliche als Schüler der abgebenden Schule.
Bei der Aufnahmeentscheidung werden insbesondere folgende Kriterien berücksichtigt:
- 1.
- eine begründete Entscheidung des Schülers und der Eltern für das Produktive Lernen,
- 2.
- ein besonderes Interesse des Schülers am Lernen in der Praxis,
- 3.
- ein ausreichendes Maß an Selbstständigkeit, Zuverlässigkeit und Mobilität des Schülers,
- 4.
- die Bereitschaft des Schülers zur Kooperation und
- 5.
- eine angemessene Kommunikationsfähigkeit des Schülers.
Die Entscheidung des Schulleiters über die Aufnahme in die Orientierungsphase und die endgültige Aufnahme in das Produktive Lernen ist dem Schüler, seinen Eltern und, sofern ein Schulwechsel notwendig ist, der abgebenden Schule schriftlich mitzuteilen.
IV. Orientierungsphase
Das Bildungsangebot beginnt in der 8. Klassenstufe mit einer Orientierungsphase von sechs Wochen, in der sich die Schüler auf das Produktive Lernen und seine Bildungsteile vorbereiten. Die Orientierungsphase soll die Schüler, Eltern und Lehrer dabei unterstützen zu entscheiden, ob der Bildungsweg Produktives Lernen für den Schüler ein geeignetes Bildungsangebot ist. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Orientierungsphase sind die Gruppenbildung, die Selbsterkundung, die Einführung in das Produktive Lernen und die Vorbereitung auf das Lernen in der Praxis.
Der Gesamtstundenrahmen wird in der Orientierungsphase flexibel genutzt.
V. Stundentafel und Wochenplanung
Nach Abschluss der Orientierungsphase gilt folgende Stundentafel:
_____________
- 1
- Jeder Lernbereich wird in einem Trimester pro Schuljahr angeboten.
Im Rahmen des Lernens in der Praxis werden die Schüler an bis zu drei Tagen in der Woche an selbst gewählten Praxisplätzen tätig. Dabei handelt es sich um Betriebe, gesellschaftliche oder kulturelle Einrichtungen, mit denen eine schriftliche Vereinbarung geschlossen wird, die die Rechte und Pflichten der Beteiligten regelt (Anlage 1). Die Schüler werden regelmäßig von ihren Lehrern besucht und beraten.
Grundlegende Lehrplaninhalte der natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer sind im Fachbezogenen Lernen „Mensch und Kultur“, „Gesellschaft und Wirtschaft“, „Natur und Technik“ und im Lernen in der Praxis integriert. Im Lernen in der Kommunikationsgruppe findet die Werteerziehung besondere Beachtung. Das Lernen in der Kommunikationsgruppe orientiert sich an grundlegenden Lehrplaninhalten der Fächer Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung sowie Ethik oder Evangelische Religion oder Katholische Religion unter fachübergreifenden und fächerverbindenden Aspekten und unter Einbeziehung der Religionslehrer der Schule. Das Wahlpflichtfach bietet Möglichkeiten der sportlichen, der künstlerisch-musischen oder der sozialen Betätigung.
VI. Individuelle Curricula, Bildungsstandards, Leistungsbewertung und Zeugnisse
Zentrale Bezugspunkte des Produktiven Lernens sind die Bildungsinteressen sowie die individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen der Schüler (vergleiche § 35a Absatz 1 des Sächsischen Schulgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 [SächsGVBl. S. 298], das zuletzt durch Artikel 32 des Gesetzes vom 26. April 2018 [SächsGVBl. S. 198] geändert worden ist).
Der Nachweis von Leistungen erfolgt insbesondere durch die Vorlage und Präsentation von Lernergebnissen (Portfolio).
Die Leistungsbewertung erfolgt anhand eines Punktesystems. Am Ende jedes Trimesters erhalten die Schüler eine Übersicht der erreichten Punkte (Trimesterbericht) mit einer ausführlichen verbalen Beurteilung ihrer Bildungsentwicklung (Bildungsbericht), die Aussagen zum erreichten Leistungsstand und zum Arbeits- und Sozialverhalten enthält (Anlage 2). Am Ende des Schuljahres erhalten die Schüler ein Jahreszeugnis der Oberschule mit Noten nach Anlage 3.
Es werden Klassen- und Notenbücher geführt. Die Dokumentation der Leistungsbewertungen erfolgt in Punkten.
Die erreichbaren Punkte in den Bildungsteilen und Bewertungsbereichen richten sich nach dem Stundenumfang; pro Wochenstunde wird pro Trimester höchstens ein Punkt vergeben. Hierbei wird in jedem Bewertungsbereich unterschieden nach: Der Schüler hat die Anforderungen
Anforderung | Punktzahl |
---|---|
voll erfüllt: | volle Punktzahl |
erfüllt: | halbe Punktzahl |
nicht erfüllt: | null Punkte. |
Pro Trimester sind in den drei Bildungsteilen folgende Punkte erreichbar:
Bildungsteil | Punktzahl |
---|---|
Lernen in der Praxis | 20 Punkte |
Lernen in der Kommunikationsgruppe | 5 Punkte |
Fachbezogenes Lernen | 8 Punkte. |
Die Bildungsteile gliedern sich in Bewertungsbereiche. In den einzelnen Bewertungsbereichen sind pro Trimester folgende Punktzahlen erreichbar:
Bewertungsbereiche | Punktzahl |
---|---|
Produktive Tätigkeit in der Praxis | 4 Punkte |
Erschließung der Praxis für Produktives Lernen | 3 Punkte |
Selbstständige Produktive Aufgabe | 3 Punkte |
Dokumentation des Lernens in der Praxis | 4 Punkte |
Deutsch in der Praxis | 2 Punkte |
Englisch in Praxis | 2 Punkte |
Mathematik in der Praxis | 2 Punkte |
Kommunikation und Präsentation | 3 Punkte |
Deutsch im Produktiven Lernen | 2 Punkte |
Englisch im Produktiven Lernen | 2 Punkte |
Mathematik im Produktiven Lernen | 2 Punkte |
Mensch und Kultur² | 2 Punkte |
Gesellschaft und Wirtschaft² | 2 Punkte |
Natur und Technik² | 2 Punkte |
Wahlpflichtfach | 2 Punkte. |
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- 2
- Jeder Lernbereich wird in einem Trimester pro Schuljahr angeboten und bewertet.
Zur Erteilung der Zeugnisse werden den im Schuljahr erreichten Punktzahlen Ziffernnoten zugeordnet.
Die Zeugnisnoten in Deutsch, Englisch und Mathematik werden dabei wie folgt gebildet: Die Note in Deutsch setzt sich zu gleichen Teilen aus den erreichten Leistungen in den Bewertungsbereichen Deutsch in der Praxis und Deutsch im Produktiven Lernen zusammen. Die Note in Mathematik setzt sich zu gleichen Teilen aus den erreichten Leistungen in den Bewertungsbereichen Mathematik in der Praxis und Mathematik im Produktiven Lernen zusammen, die Note in Englisch setzt sich zu gleichen Teilen aus den erreichten Leistungen in den Bewertungsbereichen Englisch in der Praxis und Englisch im Produktiven Lernen zusammen.
Die Zuordnung zu den Ziffernnoten basiert auf der nachfolgenden Tabelle.
Erreichbare Jahrespunktzahl: 6 | Erreichbare Jahrespunktzahl: 9 | Erreichbare Jahrespunktzahl: 12 | |
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Erreichbare Jahrespunktzahl: 6 | Erreichbare Jahrespunktzahl: 9 | Erreichbare Jahrespunktzahl: 12 | |
Erreichte Jahrespunktzahl | Jahresnote | ||
6 | 9 | 11 und 12 | 1 |
5 | 7,5 | 9 und 10 | 2 |
4 | 6 | 8 | 3 |
3 | 4,5 | 5, 6 und 7 | 4 |
1 und 2 | 1,5 und 3 | 2, 3 und 4 | 5 |
0 | 0 | 0 und 1 | 6 |
VII. Versetzung und Erwerb eines Abschlusses
Für die Versetzung und den Erwerb von Abschlüssen gilt § 62 der Schulordnung Ober- und Abendoberschulen. Der Schüler erhält ein Abschlusszeugnis der Oberschule nach Anlage 4, das den Erwerb eines dem Hauptschulabschluss gleichgestellten Abschlusses ausweist. Ein Schüler, der die genannten Anforderungen nicht erfüllt und die Schule verlässt, erhält ein Abgangszeugnis der Oberschule nach Anlage 5.
VIII. Schülerbeförderung
Bei den Wegen der Schüler zur Schule und zu den Praxisplätzen sowie zurück von der Schule und von den Praktikumsplätzen handelt es sich um Schulwege. Die Schülerbeförderung richtet sich nach den geltenden Satzungen im jeweiligen Landkreis oder in der Kreisfreien Stadt.
IX. Fortbildung
Die im Produktiven Lernen tätigen Lehrer qualifizieren sich für ihren Einsatz durch Teilnahme an einem zusätzlichen berufsbegleitenden Weiterbildungsstudium.
X. Evaluation
Die am Bildungsweg Produktives Lernen beteiligten Lehrer evaluieren bis zum Ende des jeweiligen Schuljahres die Entwicklung des Bildungsangebots an der Schule und werten die Ergebnisse mit den Fachberatern Produktives Lernen der Schulaufsichtsbehörde aus.
XI. Inkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. August 2018 in Kraft.
Dresden, den 11. Juli 2018
Der Staatsminister für Kultus
In Vertretung
Herbert Wolff
Staatssekretär