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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

VwV AbschleppPol

Vollzitat: VwV AbschleppPol vom 27. Mai 2022 (SächsABl. S. 730), enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 24. November 2023 (SächsABl. SDr. S. S 243)

Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über die Durchführung von Abschleppmaßnahmen sowie zur Auswahl und Vermittlung/Heranziehung von Berge- und Abschleppunternehmen durch den Polizeivollzugsdienst
(VwV AbschleppPol)

Vom 27. Mai 2022

I.
Zuständigkeit

1.
Gefahrenabwehr
a)
Gemäß § 2 Absatz 1 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358, 389) sowie gemäß § 2 Absatz 1 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358) haben sowohl die Polizeibehörden als auch der Polizeivollzugsdienst die Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das Entfernen verkehrswidrig im öffentlichen Verkehrsraum abgestellter oder aus anderen Gründen abzuschleppender Fahrzeuge stellt die Abwehr einer Gefahr in diesem Sinne dar.
b)
Die originäre Zuständigkeit der nichtstraftatenbezogenen Gefahrenabwehr obliegt den Polizeibehörden. Der Polizeivollzugsdienst nimmt diese Aufgaben nur im Rahmen der Eilzuständigkeit gemäß § 2 Absatz 3 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes für die Fälle wahr, in denen die Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Bezüglich der straftatenbezogenen Gefahrenabwehr handelt der Polizeivollzugsdienst in originärer Zuständigkeit.
c)
In der vorliegenden Verwaltungsvorschrift werden die Zuständigkeit und Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes geregelt.
2.
Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes im Rahmen der Strafverfolgung ergibt sich in der Eigenschaft der Polizeibediensteten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft gemäß der VO Ermittlungspersonen Staatsanwaltschaft vom 5. April 2005 (SächsGVBl. S. 72), die durch die Verordnung vom 7. Oktober 2015 (SächsGVBl. S. 611) geändert worden ist. Danach sind sie verpflichtet, auf Weisung der Staatsanwaltschaft oder bei eigenem Tätigwerden gemäß § 163 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. März 2022 (BGBl. I S. 571) geändert worden ist, Fahrzeuge nach § 94 Absatz 1 der Strafprozessordnung in Verwahrung zu nehmen, in anderer Weise sicherzustellen oder nach § 94 Absatz 2 der Strafprozessordnung zu beschlagnahmen.
b)
Die Befugnis zur Sicherstellung und Inverwahrnahme, nicht aber zur Beschlagnahme, steht auch den Polizeibediensteten zu, die nicht Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Sinne der oben genannten Verordnung sind.
c)
Die Zuständigkeit im Rahmen des § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 31 des Gesetzes vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) geändert worden ist, gilt entsprechend.

II.
Abschleppen und Umsetzen eines Fahrzeuges
im Rahmen der Gefahrenabwehr

1.
Grundsätze
a)
Beim Abschleppen, Umsetzen oder Sicherstellen von Fahrzeugen sind die Regelungen zum Verfahren unter Ziffer V anzuwenden.
b)
Betroffene sind unverzüglich über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Die Handlungen zu deren Ermittlung und Verständigung sind zu dokumentieren. Der betroffenen Person ist eine Bescheinigung über die Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen unter Nutzung des Vordruckes SN VB 367 auszuhändigen. Andernfalls ist zu dokumentieren, weshalb die Aushändigung der Bescheinigung nicht erfolgte.
2.
Verkehrswidrig abgestellte Fahrzeuge
a)
Der Polizeivollzugsdienst hat nach § 2 Absatz 3 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes in Form der unmittelbaren Ausführung gemäß § 8 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes nur dann eine Maßnahme anzuordnen, wenn
aa)
das Fahrzeug die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet,
bb)
die zuständige Polizeibehörde nicht oder nicht rechtzeitig erreichbar ist und
cc)
ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint.
b)
Ein Fahrzeug, das verkehrswidrig im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt wurde, kann auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes gemäß §§ 2 und 12 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes abgeschleppt oder umgesetzt werden. Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme gemäß § 8 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes durch den Polizeivollzugsdienst ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die polizeipflichtige Person im Sinne der §§ 6 und 7 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.
c)
Die Anordnungskompetenz zum Abschleppen eines Fahrzeugs aus dem öffentlichen Verkehrsraum obliegt nur den Polizeibehörden und dem Polizeivollzugsdienst. Ein Verweis an Privatpersonen, den Abschleppvorgang im öffentlichen Verkehrsraum selbst auszulösen, ist nicht zulässig.
d)
Hat der Polizeivollzugsdienst gehandelt, fertigt dieser die entsprechende Ordnungswidrigkeitenanzeige und übergibt diese zur Verfolgung und Ahndung an die zuständige Bußgeldstelle. Das Opportunitätsprinzip bleibt davon unberührt.
e)
Die zuständige Polizeibehörde ist nachträglich über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Im Hinblick auf erforderliche Folgemaßnahmen, wie beispielsweise Verwahrung, Aufbewahrung, Freigabe, Übergabe oder Verwertung, ist wie folgt zu differenzieren:
aa)
Wurde durch die Maßnahme des Polizeivollzugsdienstes die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung endgültig beseitigt, bleibt er für eventuelle Folgemaßnahmen zuständig.
bb)
Wird durch das Fahrzeug nach Abschluss der Maßnahme des Polizeivollzugsdienstes und dem Wegfall der Eilzuständigkeit eine neue Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verursacht oder besteht die bisherige Gefahr fort, ist der Vorgang an die örtlich zuständige Polizeibehörde, auch zur Übernahme eventueller Folgemaßnahmen, abzugeben.
f)
Auf privaten Flächen werden durch den Polizeivollzugsdienst grundsätzlich keine Abschleppmaßnahmen aufgrund verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge eingeleitet. Dies obliegt dem jeweiligen Grundstückseigentümer. Sollte der Polizeivollzugsdienst Kenntnis über einen Abschleppvorgang auf privaten Flächen erhalten, so ist dieser zur fahndungsmäßigen Prüfung und Auskunftsbereitschaft elektronisch und recherchierbar zu erfassen.
3.
Sicherstellung nach § 31 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes
a)
Die Sicherstellung kommt unter anderem in Betracht, um eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 4 Nummer 3 Buchstabe b des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes abzuwehren. Weiterhin kommt eine Sicherstellung in Betracht, wenn sich der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt nicht selbst um das Fahrzeug kümmern kann oder nicht erreichbar ist und ohne polizeiliches Tätigwerden die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung des Fahrzeuges besteht.
b)
Für die Verwahrung sichergestellter Fahrzeuge gilt § 32 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes. Die Verwahrung eines sichergestellten Fahrzeuges erfolgt in der Regel durch das beauftragte Abschleppunternehmen. Wertminderungen sind vorzubeugen.
c)
Die Herausgabe sichergestellter Fahrzeuge ist in § 34 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes geregelt.
d)
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verwertung sind in § 33 Absatz 1 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes geregelt. Gemäß Nummer 5 ist eine Verwertung unter anderem zulässig, wenn Betroffene, Eigentümer oder Berechtigte nach Mitteilung der möglichen Verwertung und Festsetzung einer angemessenen Frist das Fahrzeug nicht abgeholt haben. Im Regelfall ist eine Frist von zwei Wochen angemessen. Diese ist jedoch so zu bemessen, dass Berechtigte in der Lage sind, der Aufforderung nachzukommen. Bekannte oder bekannt gewordene zeitaufschiebende Umstände sind zu berücksichtigen und die Frist gegebenenfalls zu verlängern.
e)
Hat der Polizeivollzugsdienst in Eilzuständigkeit nach § 2 Absatz 3 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes gehandelt, wird bezüglich der damit verbundenen Abwicklung von Kosten auf Ziffer VI Nummer 3 verwiesen.
f)
Zur Vermeidung unnötiger Kosten durch weitere Verwahrung sichergestellter Fahrzeuge, welche bereits zur Abholung freigegeben wurden, sind die Auftrag gebenden Dienststellen verpflichtet, sich regelmäßig, mindestens 14-tägig, bei den Abschleppunternehmen zum Stand der noch nicht abgeholten Fahrzeuge zu erkundigen. Gegebenenfalls sind entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
4.
Die Verantwortung zur Entfernung verunfallter oder aus anderen Gründen fahrunfähig gewordener Fahrzeuge aus dem öffentlichen Verkehrsraum trägt grundsätzlich der Fahrzeugführer beziehungsweise der Fahrzeughalter. Eine Unterstützung der Abschleppleistung kann durch den Polizeivollzugsdienst gemäß Ziffer V Nummer 5 erfolgen.
5.
Ist der Fahrzeugführer beziehungsweise der Fahrzeughalter nicht in der Lage, den Abschleppvorgang selbst zu veranlassen, handelt der Polizeivollzugsdienst nach den Vorschriften des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes. Dies gilt auch, wenn der Fahrzeugführer beziehungsweise der Fahrzeughalter nachweislich nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt und aus diesem Grund seitens der Abschleppunternehmen die Auftragsübernahme abgelehnt wird. Sofern vom Fahrzeug selbst keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, ist zur Vermeidung unnötiger Kosten im Einzelfall zu prüfen, ob das Umsetzen des Fahrzeugs auf eine andere Fläche ausreichend ist.

III.
Sicherstellung und Beschlagnahme von Fahrzeugen im Rahmen der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

1.
Bei Fahrzeugen, welche auf Anordnung des Gerichtes, bei Gefahr im Verzug auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen als Beweismittel gemäß § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, in anderer Weise sichergestellt oder beschlagnahmt werden, fordert der Polizeivollzugsdienst ein Abschleppunternehmen gemäß den Regelungen unter Ziffer V an. Gleiches gilt für Einziehungen von Fahrzeugen gemäß § 111b Absatz 1 der Strafprozessordnung in Verbindung mit den §§ 73 ff. des Strafgesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. November 2021 geändert worden ist, § 21 Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3108) geändert worden ist, § 6 Absatz 3 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3108) geändert worden ist, oder § 22 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 31 des Gesetzes vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) geändert worden ist. Wird durch die anordnenden Stellen ein Abschleppunternehmen festgelegt, ist dieses anzufordern. Für die Behandlung des Fahrzeuges gelten die §§ 109 und 111c Absatz 1 der Strafprozessordnung. Als Auftraggeber ist die anordnende Behörde oder Stelle zu benennen. Bei Einziehungen ist der Verbringungsort der Verwahrplatz der Staatsanwaltschaft oder ein von ihr bestimmter Abstellplatz. In anderen Fällen wird das Fahrzeug auf das Betriebsgelände des beauftragten Abschleppunternehmens verbracht. Der betroffenen Person ist eine Bescheinigung über die Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen unter Nutzung des Vordruckes SN VB 367 auszuhändigen. Andernfalls ist zu dokumentieren, weshalb die Aushändigung der Bescheinigung nicht erfolgte.
2.
Wurde die Beschlagnahme durch den Polizeivollzugsdienst bei Gefahr in Verzug gemäß §§ 163, 94, 98 Absatz 1 Satz 1 oder § 111j Absatz 1 Satz 3 der Strafprozessordnung, gegebenenfalls in Verbindung mit § 46 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, angeordnet, ist der Vorgang unverzüglich, spätestens am nächsten Tag, der zuständigen Staatsanwaltschaft beziehungsweise Verfolgungsbehörde zur Entscheidung über die Einholung einer richterlichen Bestätigung vorzulegen.
3.
Erfolgt die Sicherstellung, Inverwahrnahme oder Beschlagnahme eines einzuziehenden Fahrzeuges außerhalb der Öffnungszeiten des Verwahrplatzes der Staatsanwaltschaft, ist dieses bis zur nächstfolgenden Öffnungszeit durch das vom Polizeivollzugsdienst beauftragte Abschleppunternehmen zu verwahren.
4.
Für die Übergabe des Fahrzeuges an den Verwahrplatz der Staatsanwaltschaft ist ein Protokoll zu erstellen, das der Staatsanwaltschaft zur Gegenzeichnung vorzulegen ist.
5.
Die Herausgabe des auf den Verwahrplatz der Staatsanwaltschaft verbrachten Fahrzeuges regelt die Staatsanwaltschaft selbst.
6.
Die Herausgabe eines beim Abschleppunternehmen abgestellten Fahrzeuges erfolgt nach Anweisung der Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Gerichtes in Anwendung von § 111n der Strafprozessordnung. Die Verwertung von Fahrzeugen, die auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichtes sichergestellt oder beschlagnahmt wurden, regeln diese selbst. Die Regelungen unter Ziffer II Nummer 3 Buchstabe d und Ziffer VI Nummer 7 sind nicht anzuwenden.
7.
Über die Herausgabe des Fahrzeuges ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. Dieser kann auf dem Vordruck SN VB 367 erfolgen.

IV.
Abschleppen eines Fahrzeuges als Maßnahme
der Verwaltungsvollstreckung

1.
Das Abschleppen eines Fahrzeuges als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung findet auch zur Durchsetzung der Allgemeinverfügungen durch Verkehrszeichen bei Abwesenheit des Fahrzeugführers nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2003 (SächsGVBl. S. 614, 913), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 5. April 2019 (SächsGVBl. S. 245) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
2.
Wird die Anordnung zum Entfernen des Fahrzeuges nicht befolgt, kann im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 24 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen auf Kosten des Vollstreckungsschuldners eine andere Person mit der Vornahme dieser Handlung beauftragt werden. Diese Regelung stellt einen Ausnahmefall für den Polizeivollzugsdienst dar.

V.
Verfahrensweise bei der Anforderung von Berge- und Abschleppleistungen

1.
Berge- und Abschleppleistungen sind durch die Polizeibediensteten vor Ort über die Führungs- und Lagezentren der Polizeidirektionen bei der durch das Sächsische Staatsministerium des Innern festgelegten Vermittlungszentrale anzufordern. Direkte Anforderungen von Abschleppunternehmen durch die Polizeibediensteten vor Ort oder durch die Führungs- und Lagezentren unter Umgehung der Vermittlungszentrale sind nicht zulässig.
2.
Bei der Anforderung durch die Polizeibediensteten vor Ort sind dem Führungs- und Lagezentrum alle bergungsrelevanten Informationen mitzuteilen. Dazu zählen insbesondere
a)
die Fahrzeugart und das amtliche Kennzeichen,
b)
die Antriebsform des Fahrzeugs,
c)
der Zustand des Fahrzeugs,
d)
die mögliche Bergungsart, beispielsweise Hochziehen oder Kranbergung,
e)
den genauen Ort und
f)
sonstige relevante Hinweise.
3.
Bei Verkehrsunfällen ist durch die Polizeibediensteten vor Ort zu gewährleisten, dass alle notwendigen Maßnahmen zur Beräumung der Unfallstelle ohne Zeitverzug eingeleitet werden. Bei Unfällen mit hohen wirtschaftlichen Transport- und Güterschäden ist vor der Auslösung eines Abschleppauftrags die Hinzuziehung einer Havariekommissarin oder eines Havariekommissars zu prüfen. Die Anforderung erfolgt über das Führungs- und Lagezentrum. Abschleppmaßnahmen sind in diesen Fällen erst nach Freigabe der Havariekommissarin oder des Havariekommissars oder in Absprache mit dieser oder diesem einzuleiten.
4.
Grundsätzlich sind der Fahrzeugführer beziehungsweise der Fahrzeughalter für die Organisation eines Abschleppunternehmens selbst verantwortlich. Durch den Polizeivollzugsdienst ist auf diese Variante hinzuwirken.
5.
Ist der Fahrzeugführer beziehungsweise der Fahrzeughalter nicht in der Lage, ein Abschleppunternehmen selbst zu organisieren, wird ihnen die Vermittlungshilfe angeboten. Dabei sind sie auf die Auswahlmöglichkeiten hinzuweisen. Die Vermittlungshilfe erfolgt durch die Polizeibediensteten vor Ort über das zuständige Führungs- und Lagezentrum.
6.
Konkret gewünschte Unternehmen oder Privatpersonen, die nicht bei der Vermittlungszentrale gelistet sind, können durch das Führungs- und Lagezentrum nur angefordert werden, wenn
a)
keine gegenwärtige Gefahr gemäß § 4 Nummer 3 Buchstabe b des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes durch das abzuschleppende Fahrzeug besteht und
b)
die Telefonnummer des Wunschpartners durch den Fahrzeugführer beziehungsweise den Fahrzeughalter zur Verfügung gestellt wird.
7.
Sollte der Fahrzeugführer beziehungsweise der Fahrzeughalter nach bereits erfolgter selbstständiger Anforderung oder Vermittlungshilfe eines Abschleppunternehmens plötzlich vor Ort verhindert sein und kann daher nicht mehr als schriftlicher Vertragspartner auftreten, ist der bestehende Auftrag vom Polizeivollzugsdienst als Polizeiauftrag zu übernehmen. Dies ist dem Führungs- und Lagezentrum durch die Polizeibediensteten vor Ort umgehend mitzuteilen.
8.
Sofern eine Leistung über die Vermittlungszentrale angefordert wird, informiert diese nach Anforderung das jeweilige Führungs- und Lagezentrum über das ausgewählte und beauftragte Abschleppunternehmen sowie die laufende Auftragsnummer. Das Führungs- und Lagezentrum hat diese Informationen den Polizeibediensteten vor Ort sofort mitzuteilen. Andere am Unfallort erscheinende Abschleppunternehmen sind grundsätzlich abzuweisen.
9.
Verunfallte oder defekte Fahrzeuge auf Bundesautobahnen oder Kraftfahrtstraßen stellen grundsätzlich eine erhebliche Gefahr und Störung für den folgenden Verkehr dar, so dass deren Entfernung aus dem Verkehrsraum unverzüglich geboten ist. Gestützt auf die §§ 2, 5, 7 und  8 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes ist deshalb dem Wunsch eines konkreten Abschleppunternehmens nur dann nachzukommen, wenn dadurch kein Zeitverzug entsteht. Bereits über das Notrufsäulen-Netz oder dem eingebauten Notrufsystem eCall angeforderte Abschleppunternehmen sollten nach Möglichkeit vom Führungs- und Lagezentrum verifiziert werden, um den Abschleppvorgang gegebenenfalls zu beschleunigen. Sollte im Einzelfall die Wartezeit in Abwägung zur Gefahrensituation unvertretbar erscheinen, ist durch das Führungs- und Lagezentrum die Auftragserteilung über die Vermittlungszentrale auszulösen und der Erstauftrag beim Betreiber des Notrufsäulennetzes oder dem angeforderten Abschleppunternehmen zu stornieren.
10.
Durch die Führungs- und Lagezentren ist ein Nachweis über sämtliche angeforderte Berge- und Abschleppleistungen zu führen.
11.
Sofern die Polizei selbst Auftraggeber ist, ist zur Auftragserteilung der als Anlage 1 beigefügte Vordruck SN Pol 24 VKÜ auszufüllen und entsprechend den aufgedruckten Hinweisen zu verteilen. Zur Sicherstellung eines zügigen Verwaltungskostenverfahrens ist das Blatt 2 des Vordrucks der Verwaltung der haushaltführenden Polizeidienststelle zeitnah zuzuleiten.
12.
Zum Nachweis über geleistete Vermittlungshilfe gemäß Ziffer V Nummer 5 ist zur Vermeidung von Rechtsfolgen für die Polizei der als Anlage 2 beigefügte Vordruck SN Pol 23 VKÜ auszufüllen und entsprechend den aufgedruckten Hinweisen zu verteilen. Der Vordruck SN Pol 24 VKÜ ist in diesen Fällen nicht zu nutzen.

VI.
Geltendmachung von Kosten

1.
Kostenschuldner gegenüber dem Abschleppunternehmen ist diejenige Behörde oder Stelle, welche die Maßnahme angeordnet hat.
2.
Diese entscheidet in eigener Zuständigkeit über den Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Kostenpflichtigen.
3.
Kosten, welche durch in Eilzuständigkeit getroffene Maßnahmen gemäß § 2 Absatz 3 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes entstehen, sind durch den Polizeivollzugsdienst geltend zu machen.
4.
Gemäß der § 8 Absatz 2, § 34 Absatz 3 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes und § 24 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen ist die polizeipflichtige Person zur Kostentragung heranzuziehen, sofern die Polizei im Rahmen der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme oder der Ersatzvornahme für diese tätig wird. Die Heranziehung erfolgt durch Erlass eines Leistungsbescheides.
5.
Mit dem Leistungsbescheid sind die dem Polizeivollzugsdienst entstandenen Kosten in Form von Gebühren und Auslagen nach dem Sächsischen Kostenverzeichnis festzusetzen.
6.
Der durch den Leistungsbescheid festgesetzte Kostenerstattungsanspruch wird im Wege des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen durchgesetzt.
7.
Im Falle einer Verwertung sichergestellter Gegenstände werden die Kosten nach § 34 Absatz 3 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes mit Leistungsbescheid geltend gemacht.
8.
Im Interesse der Vermeidung von Forderungsausfällen ist zu prüfen, inwieweit die Herausgabe des Fahrzeuges unter Anwendung der Zurückbehaltungsbefugnis gemäß § 35 Absatz 1 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig gemacht werden kann.
9.
Die Abschleppunternehmen können gemäß § 35 Absatz 2 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes zum Empfang des Kostenerstattungsanspruches schriftlich ermächtigt werden.
10.
Ist die polizeipflichtige Person im Sinne der §§ 6 und 7 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes nicht zu ermitteln, fallen die Kosten dem Polizeikostenträger endgültig zur Last.
11.
Wurde das Fahrzeug im Rahmen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens sichergestellt oder beschlagnahmt, so werden die hierdurch entstehenden Kosten von der Polizei getragen. Diese Kosten sind als Verfahrenskosten dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren zuzurechnen und als Auslagen dem für das Verfahren zuständigen Gericht oder der zuständigen Verfolgungsbehörde mitzuteilen. Auf die Regelungen der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Auslagen der Polizei in Straf- und Bußgeldverfahren vom 1. August 1997 (SächsABl. S. 922), die durch Ziffer II der Verwaltungsvorschrift vom 26. Oktober 1999 (SächsABl. 2001 S. 1155) geändert worden ist, zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 29. November 2021 (SächsABl. SDr. S. S 167), wird hingewiesen.

VII.
Inkrafttreten und Außerkrafttreten

1.
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.
2.
Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift über die Durchführung von Abschleppmaßnahmen sowie zur Auswahl und Vermittlung/Heranziehung von Berge- und Abschleppunternehmen durch die Polizei vom 5. Juli 2002 (SächsABl. S. 882), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 29. November 2021 (SächsABl. SDr. S. S 167), außer Kraft.

Dresden, den 27. Mai 2022

Der Staatsminister des Innern
Armin Schuster

Anlagen

Anlage 1

Anlage 2

Marginalspalte

Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsABl. 2022 Nr. 25, S. 730
    Fsn-Nr.: 22-V22.1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 24. Juni 2022