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REVOSax - Recht und Vorschriftenverwaltung Sachsen

Historische Fassung war gültig vom 31.12.1998 bis 30.06.1999

Polizeigesetz des Freistaates Sachsen

Vollzitat: Polizeigesetz des Freistaates Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. August 1994 (SächsGVBl. S. 1541), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist

Bekanntmachung
der Neufassung des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen

Vom 15. August 1994

Aufgrund von Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes vom 24. Mai 1994 (SächsGVBI. S. 929) wird nachstehend der Wortlaut des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen in der sich aus

1.
dem Polizeigesetz des Freistaates Sachsen vom 30. Juli 1991 (SächsGVBI. S. 291),
2.
dem Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 24. Mai 1994 (SächsGVBI. S. 929)

ergebenden, ab 10. Juni 1994 geltenden Fassung, bekanntgemacht

Dresden, den 15. August 1994

Der Staatsminister des Innern
Heinz Eggert

Polizeigesetz des Freistaates Sachsen
(SächsPolG)

Vom 30. Juli 1991

Rechtsbereinigt mit Stand vom 31. Dezember 1998

Der Sächsische Landtag hat am 11. Juli 1991 das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird.

Erster Teil:
Das Recht der Polizei

Erster Abschnitt:
Aufgaben der Polizei

§ 1
Allgemeines

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Sie hat insbesondere

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen und die ungehinderte Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen Rechte zu gewährleisten,
2.
Straftaten zu verhindern und vorbeugend zu bekämpfen und
3.
Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können.

(2) Außerdem hat die Polizei die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben wahrzunehmen.

§ 2
Tätigwerden für andere Stellen

(1) Ist zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 nach gesetzlicher Vorschrift eine andere Stelle zuständig und erscheint deren rechtzeitiges Tätigwerden bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, so hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. Die zuständige Stelle ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.

Zweiter Abschnitt:
Befugnisse der Polizei

Erster Unterabschnitt:
Allgemeines

§ 3
Polizeiliche Maßnahmen

(1) Die Polizei kann innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren soweit die Befugnisse der Polizei nicht besonders geregelt sind

(2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheint und den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(3) Durch eine polizeiliche Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

(4) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann.

§ 4
Maßnahmen gegenüber dem Verursacher

(1) Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch das Verhalten von Personen bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber demjenigen zu trefffen, der die Bedrohung oder die Störung verursacht hat.

(2) Ist die Bedrohung oder die Störung durch eine Person verursacht worden, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber demjenigen treffen, dem die Sorge für diese Person obliegt. Ist für eine Person ein Betreuer bestellt, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber dem Betreuer im Rahmen seines Aufgabenbereichs treffen.

(3) Ist die Bedrohung oder die Störung durch eine Person verursacht worden, die von einem anderen zu einer Verrichtung bestellt worden ist, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber dem anderen treffen.

§ 5
Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt

Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt.

§ 6
Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme

(1) Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 4 und 5 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Der von der Maßnahme Betroffene ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Entstehen der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die in den §§ 4 und 5 bezeichneten Personen zu deren Ersatz verpflichtet.

§ 7
Maßnahmen gegenüber Unbeteiligten

(1) Gegenüber anderen als den in den §§ 4 und 5 bezeichneten Personen kann die Polizei ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn

1.
auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen, oder
2.
durch Maßnahmen nach den §§ 4 bis 6 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

(2) Die Maßnahmen dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

§ 8
Ausweispflicht

Auf Verlangen des Betroffenen haben sich Bedienstete der Polizeibehörden und des Polizeivollzugsdienstes auszuweisen. Das gilt nicht, wenn die Umstände es nicht zulassen oder dadurch der Zweck der Maßnahme gefährdet wird.

Zweiter Unterabschnitt:
Polizeiverordnungen

§ 9
Ermächtigung zum Erlaß von Polizeiverordnungen

(1) Die allgemeinen Polizeibehörden können zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz polizeiliche Gebote oder Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Polizeiverordnungen).

(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes über Polizeiverordnungen sind auch dann anzuwenden, wenn ein anderes Gesetz ausdrücklich zum Erlaß von Polizeiverordnungen ermächtigt.

§ 10
Inhalt

Polizeiverordnungen dürfen nicht mit Rechtsvorschriften höheren Ranges in Widerspruch stehen.

§ 11
Formerfordernisse

(1) Polizeiverordnungen müssen

1.
die Rechtsgrundlage angeben, die zu ihrem Erlaß ermächtigt,
2.
die erlassende Behörde bezeichnen,
3.
ihren örtlichen Geltungsbereich festlegen,
4.
den Tag bestimmen, an dem sie in Kraft treten.

(2) Polizeiverordnungen sollen

1.
eine ihren Inhalt kennzeichnende Überschrift tragen,
2.
in der Überschrift als Polizeiverordnung bezeichnet sein.

§ 12
Zuständigkeit

Polizeiverordnungen werden von den zuständigen Staatsministerien oder den übrigen allgemeinen Polizeibehörden für ihren Dienstbezirk oder Teile ihres Dienstbezirks erlassen.

§ 13
Eintritt der zur Fachaufsicht zuständigen Behörde

Weigert sich eine Polizeibehörde, eine nach Ansicht einer zur Fachaufsicht zuständigen Behörde erforderliche Polizeiverordnung zu erlassen, oder wird die nach § 14 erforderliche Zustimmung nicht erteilt, so kann die Polizeiverordnung von der nächsthöheren zur Fachaufsicht zuständigen Behörde (§ 49) erlassen werden.

§ 14
Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörden

(1) Polizeiverordnungen der Ortspolizeibehörden werden, wenn sie nicht länger als einen Monat gelten sollen, vom Bürgermeister, im übrigen vom Gemeinderat erlassen. Sie werden in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinde bestimmten Form verkündet.

(2) Für Polizeiverordnungen der Kreispolizeibehörden gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Sie werden in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen des Landkreises, bei Kreisfreien Städten in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinde bestimmten Form verkündet.

§ 15
Prüfung durch die Fachaufsichtsbehörde

(1) Polizeiverordnungen der Kreispolizeibehörden und der Ortspolizeibehörden sind der nächsthöheren zur Fachaufsicht zuständigen Behörde unverzüglich nach ihrem Erlaß vorzulegen.

(2) Beeinträchtigt eine Polizeiverordnung das Wohl des Gemeinwesens, verletzt sie die Rechte einzelner oder verstößt sie gegen Anordnungen übergeordneter Behörden, so ist sie aufzuheben; verstößt sie gegen § 10, so ist ihre Nichtigkeit festzustellen.

§ 16
Außerkrafttreten

Polizeiverordnungen treten spätestens 10 Jahre nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

§ 17
Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Polizeiverordnung zuwiderhandelt, soweit die Polizeiverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.

(3) Verwaltungsbehörden im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind die Ortspolizeibehörden.

(4) Das fachlich zuständige Staatsministerium kann die Zuständigkeiten nach Absatz 3 durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.

Dritter Unterabschnitt:
Einzelmaßnahmen

§ 18
Befragung, Vorladung, Vernehmung

(1) Die Polizei kann eine Person befragen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben machen kann, die zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Für die Dauer der Befragung kann die Person angehalten werden.

(2) Die Polizei kann eine Person vorladen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben machen kann, die zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind oder
2.
dies zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.

(3) Eine Person, deren Befragung oder Vorladung nach den Absätzen 1 oder 2 zulässig ist, hat auf Verlangen der Polizei anzugeben:

1.
Familiennamen,
2.
Vornamen, unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens (Rufname),
3.
frühere Namen,
4.
Tag und Ort der Geburt,
5.
Anschrift, gegebenenfalls Haupt- und Nebenwohnung,
6.
Staatsangehörigkeiten.

(4) Bei der Vorladung ist deren Grund anzugeben. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes soll auf die beruflichen Verpflichtungen und die sonstigen Lebensverhältnisse des Betroffenen Rücksicht genommen werden.

(5) Leistet ein Betroffener der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden, wenn dies

1.
zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte, oder
2.
zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.

(6) Eine über Absatz 3 hinausgehende Auskunftspflicht besteht, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur in den Fällen des Absatzes 5 Nr. 1. Zur Verweigerung der Auskunft ist ein Betroffener in entsprechender Anwendung der §§ 52, 53, 53a und 55 Abs. 1 der Strafprozeßordnung berechtigt, soweit er durch die Auskunft sich selbst oder einen Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde oder ihm auf Grund seines Berufes ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Vor der Vernehmung ist der Betroffene über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(7) Für die Entschädigung eines auf Vorladung erscheinenden Zeugen oder Sachverständigen gilt das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen entsprechend.

(8) Die Polizei darf keinen unmittelbaren Zwang zur Herbeiführung einer Aussage anwenden.

(9) Für Vernehmungen durch die Polizei; die nicht der Verfolgung einer mit Strafe oder Geldbuße bedrohten Handlung dienen, gelten die §§ 68a, 136a und 69 Abs. 3 der Strafprozeßordnung entsprechend.

§ 19
Identitätsfeststellung

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,

1.
um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen,
2.
wenn sie sich an einem Ort aufhält, an dem erfahrungsgemäß Straftäter sich verbergen, Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen oder der Prostitution nachgehen,
3.
wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen,
4.
wenn sie an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 36 Abs. 1) zu verhindern,
5.
wenn sie sich innerhalb eines Kontrollbereichs aufhält, der von der Polizei eingerichtet worden ist,
a)
um Straftaten im Sinne des § 100 a der Strafprozeßordnung oder § 27 des Versammlungsgesetzes zu verhindern,
b)
um nach Personen zu fahnden, bei denen bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß sie eine Straftat im Sinne des § 100 a der Strafprozeßordnung oder § 27 des Versammlungsgesetzes begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet haben.

Die Einrichtung eines Kontrollbereiches darf nur vom Staatsministerium des Innern oder mit seiner Zustimmung angeordnet werden.

(2) Die Polizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten und verlangen, daß er mitgeführte Ausweispapiere vorzeigt und zur Prüfung aushändigt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

(3) Die Polizei kann verlangen, daß ein Berechtigungsschein vorgezeigt und zur Prüfung ausgehändigt wird, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diesen Berechtigungsschein mitzuführen.

§ 20
Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Die Polizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen nur vornehmen, wenn

1.
eine nach § 19 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht zuverlässig durchgeführt werden kann, oder
2.
dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, daß er auch künftig Straftaten begehen wird.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind insbesondere

1.
die Abnahme von Finger und Handflächenabdrücken,
2.
die Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen,
3.
die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale,
4.
Messungen und ähnliche Maßnahmen.

(3) Die erkennungsdienstliehen Unterlagen sind zu vernichten, wenn die Identität festgestellt oder der Verdacht entfallen ist, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.

§ 21
Platzverweis

Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Dies gilt insbesondere für Personen, die den Einsatz der Feuerwehr oder der Hilfs- und Rettungsdienste behindern.

§ 22
Gewahrsam

(1) Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann, oder
2.
das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet, oder Selbstmord begehen will, oder
3.
die Identität einer Person auf andere Weise nicht festgestellt werden kann, oder
4.
dies unerläßlich ist, um einen Platzverweis nach § 21 durchzusetzen.

(2) Die Polizei kann Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen.

(3) Die Polizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.

(4) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich der Grund dieser Maßnahme sowie der gegen sie zulässige Rechtsbehelf bekanntzugeben und Gelegenheit zur Beiziehung eines Bevollmächtigten zu geben.

(5) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, soweit dadurch der Zweck des Gewahrsams nicht gefährdet wird. Die Polizei hat die Benachrichtigung zu übernehmen, wenn die in Gewahrsam genommene Person hierzu nicht in der Lage ist und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Ist die in Gewahrsam genommene Person minderjährig, oder ist für sie ein Betreuer bestellt, so ist in jedem Falle unverzüglich derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge für die Person obliegt.

(6) Der in Gewahrsam genommenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck des Gewahrsams oder die Sicherheit oder Ordnung im Gewahrsam erfordern. Sie ist getrennt von anderen festgehaltenen Personen, insbesondere von Untersuchungs- und Strafgefangenen unterzubringen, sofern die Umstände dies zulassen. Gibt ihr Gesundheitszustand Anlaß zur Besorgnis, so ist eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

(7) Nimmt die Polizei eine Person in Gewahrsam, so hat sie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Der Herbeiführung der Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, daß die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes des Gewahrsams ergehen würde. In der Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; sie darf nicht mehr als zwei Wochen betragen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Gewahrsam darf ohne richterliche Entscheidung nicht länger als bis zum Ende des folgenden Tages aufrechterhalten werden. Der Gewahrsam ist in jedem Falle aufzuheben, sobald sein Zweck erreicht ist.

(8) Für die Entscheidung nach Absatz 7 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk eine Person in Gewahrsam genommen worden ist. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

§ 23
Durchsuchung von Personen

(1) Die Polizei kann eine Person durchsuchen, wenn

1.
sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen werden darf,
2.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen,
3.
dies zur Feststellung ihrer Identität erforderlich ist und die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in einer hilflosen Lage befindet,
4.
sie sich an einem der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte aufhält oder
5.
sie sich in einem Objekt im Sinne des§ 19 Abs. 1 Nr. 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen.

(2) Die Polizei kann eine Person, deren Identität gemäß § 19 oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Sprengmitteln durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz eines Polizeibediensteten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.

(3) Die Durchsuchung darf nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchgeführt werden; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.

§ 24
Durchsuchung von Sachen

Die Polizei kann eine Sache durchsuchen, wenn

1.
sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 23 Abs. oder 2 durchsucht werden darf,
2.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine Person befindet, die
a)
in Gewahrsam genommen werden darf,
b)
widerrechtlich festgehalten wird oder
c)
infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist,
3.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine andere Sache befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf,
4.
sie sich an einem der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte befindet oder
5.
sie sich in einem Objekt im Sinne des§ 19 Abs. 1 Nr. 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß Straftaten in oder an Objekten dieser Art begangen werden sollen, oder
6.
es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 19 Abs. l Nr. 4 oder 5 festgestellt werden darf; die Durchsuchung kann sich auch auf die in dem Fahrzeug enthaltenen oder mit dem Fahrzeug verbundenen Sachen erstrecken, oder
7.
die von einer Person mitgeführt wird, deren Identität nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 festgestellt werden darf.

§ 25
Betreten und Durchsuchung von Wohnungen

(1) Die Polizei kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers nur betreten, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Während der Nachtzeit ist das Betreten nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr oder schweren Gesundheitsgefahr für einzelne Personen zulässig. Betriebs- und Geschäftsräume dürfen zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe während der Betriebs- und Geschäftszeit, im übrigen nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 betreten werden.

(2) Die Polizei kann eine Wohnung nur durchsuchen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich eine Person in der Wohnung befindet, die
a)
in Gewahrsam genommen werden darf,
b)
widerrechtlich festgehalten wird, oder
c)
infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist, oder
2.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich eine Sache in der Wohnung befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf.

(3) Ist eine Person entführt worden und rechtfertigen Tatsachen die Annahme, daß sie in einem Gebäude oder einer Gebäudegruppe festgehalten wird, so kann die Polizei Wohnungen in diesem Gebäude oder dieser Gebäudegruppe durchsuchen, wenn die Durchsuchungen das einzige Mittel sind, um eine Lebensgefahr oder Gesundheitsgefahr von der entführten Person oder von einem Dritten abzuwehren. Durchsuchungen während der Nachtzeit sind nur zulässig, wenn sie zur Abwehr der in Satz 1 genannten Gefahren unumgänglich notwendig sind.

(4) Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September die Stunden von 21.00 Uhr bis 4.00 Uhr und in dem Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

(5) Außer bei Gefahr im Verzug darf die Durchsuchung einer Wohnung nur durch das Amtsgericht angeordnet werden, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet die sofortige Beschwerde statt; die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Eine die Durchsuchung anordnende Entscheidung des Gerichts bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an den Betroffenen.

(6) Der Wohnungsinhaber hat das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Ist er abwesend, so ist ein Vertreter oder Zeuge beizuziehen. Ihm oder seinem Vertreter sind der Grund der Durchsuchung und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekanntzugeben.

(7) Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muß die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit, Ort und Ergebnis der Durchsuchung enthalten. Die Niederschrift ist von dem die Durchsuchung leitenden Bediensteten und dem Wohnungsinhaber oder der zugezogenen Person zu unterzeichnen. Wird die Unterschrift verweigert, so ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Betroffenen lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

§ 26
Sicherstellung

(1) Die Polizei kann eine Sache sicherstellen, wenn dies erforderlich ist, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen.

(2) Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Bei der Verwahrung sichergestellter Sachen ist den berechtigten Belangen des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt Rechnung zu tragen.

(4) Die Sicherstellung ist aufzuheben, wenn der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt dies verlangt oder wenn ein Schutz nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch nach zwei Wochen.

(5) Diese Bestimmungen finden auch auf verlorene Sachen Anwendung, soweit in den gesetzlichen Vorschriften über den Fund nichts anderes bestimmt ist.

§ 27
Beschlagnahme

(1) Die Polizei kann eine Sache beschlagnahmen, wenn dies erforderlich ist,

1.
zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung,
2.
zur Verhinderung einer mißbräuchlichen Verwendung durch eine Person, die nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen worden ist.

(2) Dem Betroffenen sind der Grund der Beschlagnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekanntzugeben und eine Bescheinigung auszustellen, die den Grund der Beschlagnahme erkennen läßt und die beschlagnahmten Sachen bezeichnet. § 26 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist. Die Beschlagnahme darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nicht länger als sechs Monate, die Beschlagnahme von leerstehendem Wohnraum zur Beseitigung oder Verhinderung von Obdachlosigkeit nicht länger als zwölf Monate aufrechterhalten werden.

§ 28
Einziehung

(1) Die zuständige allgemeine Polizeibehörde kann eine beschlagnahmte Sache einziehen, wenn diese nicht mehr herausgegeben werden kann, ohne daß die Voraussetzungen der Beschlagnahme erneut eintreten. Die Einziehung ist schriftlich anzuordnen.

(2) Die eingezogenen Sachen werden im Wege der öffentlichen Versteigerung (§ 383 Abs. 3 BGB) verwertet. Die Polizeibehörde kann die Versteigerung durch einen ihrer Bediensteten vornehmen lassen. Ein Zuschlag, durch den die Voraussetzungen der Einziehung erneut eintreten würden, ist zu versagen. Der Erlös ist dem Betroffenen herauszugeben.

(3) Kann eine eingezogene Sache nicht verwertet werden, so ist sie unbrauchbar zu machen oder zu vernichten.

(4) Die Kosten der Verwertung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung fallen dem Betroffenen zur Last.

§ 29
Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen

(1) Sichergestellte Sachen sind so zu verwahren, daß sie der Einwirkung Unbefugter entzogen sind; Wertminderungen ist nach Möglichkeit vorzubeugen. Ist eine amtliche Verwahrung nicht möglich oder nicht zweckmäßig, so ist die sichergestellte Sache einem Dritten zur Verwahrung zu übergeben. Entstehen der Polizei durch die Sicherstellung, Verwahrung oder Notveräußerung Kosten, so ist der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt zum Ersatz verpflichtet.

(2) Sichergestellte Sachen können verwertet werden, wenn

1.
ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht,
2.
ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist oder
3.
der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt der Aufforderung, die Sachen abzuholen, nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachkommt.“

Für die Verwertung gilt § 28 Abs. 2 bis 4 entsprechend. Ist der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt bekannt und erreichbar, so soll er vor der Veräußerung gehört werden.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für beschlagnahmte Sachen.

Vierter Unterabschnitt:
Polizeizwang

§ 30
Allgemeines, Zuständigkeit

(1) Die Polizei wendet unmittelbaren Zwang nach den Vorschriften dieses Gesetzes, andere Zwangsmittel nach den Vorschriften des Sächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes an.

(2) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs obliegt dem Polizeivollzugsdienst.

§ 31
Begriff und Mittel des unmittelbaren Zwangs

(1) Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.

(2) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe sowie zum Sprengen von Sachen bestimmte explosive Stoffe (Sprengmittel). Das Staatsministerium des Innern kann weitere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zulassen.

(3) Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und automatische Handfeuerwaffen zugelassen.

§ 32
Voraussetzungen und Durchführung des unmittelbaren Zwangs

(1) Unmittelbarer Zwang darf nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. Unmittelbarer Zwang darf nicht mehr angewandt werden, wenn der Zweck erreicht ist. Gegen Personen ·darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint. Das angewandte Mittel muß nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein. Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht.

(2) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Als Androhung des Schußwaffengebrauchs gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.

(3) Schußwaffen dürfen nur dann ohne Androhung gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(4) Gegenüber einer Menschenmenge ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs möglichst so rechtzeitig anzudrohen, daß sich Unbeteiligte noch entfernen können. Der Gebrauch der Schußwaffe gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets anzudrohen; die Androhung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Bei Gebrauch von technischen Sperren und Dienstpferden kann von der Androhung abgesehen werden.

(5) Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei gelten im übrigen die Vorschriften des Sächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes.

§ 33
Voraussetzungen des Schußwaffengebrauchs

(1) Der Schußwaffengebrauch ist nur zulässig, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs vorliegen und wenn einfache körperliche Gewalt sowie verfügbare Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder mitgeführte Schlagstöcke erfolglos angewandt worden sind oder ihre Anwendung offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Auf Personen darf erst geschossen wer8en, wenn der polizeiliche Zweck durch Waffenwirkung gegen Sachen nicht erreicht werden kann.

(2) Der Schußwaffengebrauch ist unzulässig, wenn erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Das gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

§ 34
Schußwaffengebrauch gegenüber Personen

(1) Schußwaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden,

1.
um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die sich den Umständen nach
a)
als ein Verbrechen oder
b)
als ein Vergehen, das unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Sprengmitteln begangen werden soll oder ausgeführt wird, darstellt,
2.
um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie
a)
eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder
b)
eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Sprengmittel mitführt,
3.
zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, wenn diese in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist
a)
wegen eines Verbrechens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder
b)
wegen eines Vergehens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Vergehens, wobei zu befürchten ist, daß sie von einer Schußwaffe oder einem Sprengmittel Gebrauch machen werde,
4.
um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern oder in sonstigen Fällen des § 100 des Strafvollzugsgesetzes. ·

(2) Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

(3) Schußwaffen dürfen nach Absatz 1 Nr. 3 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.

(4) Der Schußwaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge ist unzulässig, wenn für den Polizeibediensteten erkennbar ist, daß Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

(5) Unbeteiligte sind nicht Personen in einer Menschenmenge, die Gewalttaten begeht oder durch Handlungen erkennbar billigt oder unterstützt, wenn diese Personen sich aus der Menschenmenge trotz wiederholter Androhung nach § 32 Abs. 4 nicht entfernen.

(6) Das Recht zum Gebrauch von Schußwaffen auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.

Dritter Abschnitt
Datenverarbeitung des Polizeivollzugsdienstes

Erster Unterabschnitt
Allgemeines

§ 35
Anwendungsbereich

Auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Polizeivollzugsdienst zur Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist das Gesetz zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG) vom 11. Dezember 1991 (SächsGVBI. S. 401) anzuwenden, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Regelungen trifft.

§ 36
Begriffsbestimmungen

(1) Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne dieses Abschnittes sind

1.
Verbrechen,
2.
Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie
a)
sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten,
b)
auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes) begangen werden,
c)
gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.

(2) Besondere Mittel zur Erhebung von Daten im Sinne dieses Abschnitts sind

1.
die voraussichtlich innerhalb eines Monats länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum eines Monats hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation),
2.
der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und -aufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes,
3.
der Einsatz eines Polizeibediensteten, der unter einer ihm verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermittelt (Verdeckter Ermittler),
4.
die Ausschreibung einer Person und des von ihr benutzten Kraftfahrzeugs zur polizeilichen Beobachtung.

(3) Kontakt- und Begleitpersonen im Sinne dieses Abschnitts sind Personen, die mit einer Person, bei der tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß diese Person Straftaten begehen wird, in einer Weise in Verbindung stehen, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten zwingend erfordert.

Zweiter Unterabschnitt
Erhebung von Daten

§ 37
Grundregeln der Erhebung von Daten

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten erheben, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der ihm durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erforderlich ist.

(2) Personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, sind beim Betroffenen mit seiner Kenntnis zu erheben. Dabei ist ihm auf Verlangen der Erhebungszweck mitzuteilen, soweit dadurch nicht die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährdet wird. Werden die Daten aufgrund einer Rechtsvorschrift erhoben, die zur Auskunft verpflichtet, so ist der Betroffene hierauf, sonst auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. Über die Folgen der Verweigerung von Angaben ist der Betroffene aufzuklären.

(3) Bei Dritten können personenbezogene Daten nur erhoben werden, wenn

1.
eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt,
2.
der Betroffene eingewilligt hat,
3.
offensichtlich ist, daß dies im Interesse des Betroffenen liegt, dieser nicht erreichbar ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß er seine Einwilligung hierzu verweigern würde,
4.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Auskunftspflicht nicht nachgekommen und über die beabsichtigte Erhebung bei Dritten unterrichtet worden ist,
5.
Angaben des Betroffenen überprüft werden müssen, weil tatsächliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen,
6.
es zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person erforderlich ist,
7.
die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte vorliegen, daß überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen oder
8.
die Erhebung beim Betroffenen die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährden würde.

(4) Werden personenbezogene Daten bei einem Dritten außerhalb des öffentlichen Bereiches erhoben, ist dieser über eine Auskunftspflicht oder die Freiwilligkeit der Auskunft und die Folgen der Verweigerung von Angaben zu unterrichten. Die Unterrichtung kann im Einzelfall unterbleiben, wenn sie wegen besonderer Umstände offensichtlich unangemessen ist oder wenn hierdurch die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährdet oder die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden.

(5) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich offen zu erheben. Eine Datenerhebung, die nicht als polizeiliche Maßnahme erkennbar sein soll (verdeckte Datenerhebung), ist nur zulässig, wenn sonst die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich oder wenn anzunehmen ist, daß dies den überwiegenden Interessen des Betroffenen entspricht.

§ 38
Erhebung von Daten bei öffentlichen Veranstaltungen, Ansammlungen und besonders gefährdeten Objekten

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen, die nicht dem Versammlungsgesetz unterliegen, personenbezogene Daten, auch durch den Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen, von den Personen erheben, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Straftaten begehen werden oder daß von ihnen sonstige erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Die Erhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(2) Der Polizeivollzugsdienst kann in den in § 19 Abs. 1 Nr. 3 genannten Objekten oder in deren unmittelbarer Nähe personenbezogene Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder darin befindliche Sachen gefährdet werden. Die Erhebung kann auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 angefertigten Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen und daraus gefertigte Unterlagen sind spätestens nach zwei Monaten zu löschen oder zu vernichten, soweit diese nicht zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zur Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 zum Schutz privater Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, erforderlich sind; § 43 Abs. 6 bleibt unberührt.

§ 39
Einsatz besonderer Mittel zur Erhebung von Daten

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten durch den Einsatz besonderer Mittel erheben

1.
über die für eine Gefahr Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 über die dort genannten Personen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte erforderlich ist,
2.
über Personen, bei denen
a)
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 36 Abs. 1) begehen werden oder
b)
die Gesamtwürdigung der Person und der von ihr bisher begangenen Straftaten erwarten läßt, daß sie auch künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 36 Abs. 1) begehen wird,
3.
über Kontakt- und Begleitpersonen der in Nummer 2 Buchst. a genannten Personen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten zwingend erforderlich ist.

(2) Daten dürfen auch dann nach Absatz 1 erhoben werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(3) Der Einsatz besonderer Mittel kann nur durch den Leiter des Landeskriminalamtes, der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste, eines Polizeipräsidiums oder durch einen von diesen beauftragten Beamten angeordnet werden, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Zuständigkeit bestimmt wird. Die Anordnung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu befristen. Die Verlängerung der Maßnahme bedarf einer neuen Anordnung.

(4) Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen, die ausschließlich Personen betreffen, gegen die sich die Datenerhebungen nicht richten, sind unverzüglich zu löschen oder zu vernichten, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden.

§ 40
Erhebung von Daten in oder aus Wohnungen

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann durch den Einsatz besonderer Mittel im Sinne des §' 36 Abs. 2 Nr. 2 in oder aus Wohnungen personenbezogene Daten erheben

1.
über die für eine Gefahr Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 über die dort genannten Personen, wenn dies erforderlich ist zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte oder
2.
über Personen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Personen eine Straftat von erheblicher Bedeutung (§ 36 Abs. 1) begehen wollen.

(2) Die Maßnahme ist zu befristen. Sie kann nur durch das Amtsgericht angeordnet werden. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Wohnung liegt. § 25 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch den amtierenden Dienststellenleiter des Landeskriminalamtes, der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste oder eines Polizeipräsidiums angeordnet werden. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen durch das Amtsgericht bestätigt wird; die Bestätigung ist unverzüglich zu beantragen.

(3) Einer Anordnung nach Absatz 2 bedarf es nicht, wenn das besondere Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem polizeilichen Einsatz tätigen Personen eingesetzt wird. Aufzeichnungen sind unverzüglich, spätestens jedoch zwei Monate nach Beendigung des Einsatzes zu löschen, es sei denn, sie werden zur Verfolgung von Straftaten benötigt.

(4) Die Betroffenen sind nach Abschluß der Maßnahme hierüber durch den Polizeivollzugsdienst unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Datenerhebung erfolgen kann und dieses Gesetz keine anderweitige Regelung trifft. Eine Unterrichtung durch den Polizeivollzugsdienst unterbleibt, wenn wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden ist.

§ 41
Verdeckte Ermittler

(1) Soweit es für den Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Legende eines Verdeckten Ermittlers unerläßlich ist, können entsprechende Urkunden hergestellt, verändert und gebraucht werden. Ein Verdeckter Ermittler kann unter der Legende zur Erfüllung seines Auftrages am Rechtsverkehr teilnehmen.

(2) Ein Verdeckter Ermittler kann unter Verwendung seiner Legende eine Wohnung mit dem Einverständnis des Berechtigten betreten. Das Einverständnis darf nicht durch ein über die Benutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. Im übrigen richten sich die Befugnisse eines Verdeckten Ermittlers nach diesem Gesetz.

(3) Der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers kann nur durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder einen von ihm beauftragten Beamten angeordnet werden. (4) Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat, sind vom Einsatz zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme, der öffentlichen Sicherheit, von Leib oder Leben einer Person sowie der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers geschehen kann. Eine Unterrichtung durch den Polizeivollzugsdienst unterbleibt, wenn wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden ist.

§ 42
Polizeiliche Beobachtung

(1) Beim Antreffen einer zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Person oder des von ihr benutzten Kraftfahrzeuges können Erkenntnisse über das Antreffen sowie über Kontakt- und Begleitpersonen und mitgeführte Sachen an die ausschreibende Polizeidienststelle übermittelt werden.

(2) Die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung kann nur durch die in § 39 Abs. 3 genannten Dienststellenleiter oder durch einen von diesen beauftragten Beamten angeordnet werden. Die Anordnung ist schriftlich zu begründen und auf höchstens ein Jahr zu befristen. Eine Verlängerung um nicht mehr als jeweils ein Jahr ist zulässig, soweit die Voraussetzungen des Absatzes 1 weiterhin vorliegen. Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach Ablauf von jeweils sechs Monaten hat die ausschreibende Polizeidienststelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausschreibung noch bestehen. Das Ergebnis der Prüfung ist aktenkundig zu machen.

(3) Liegen die Voraussetzungen für die Ausschreibung nicht mehr vor, ist der Zweck der Ausschreibung erreicht oder kann er nicht erreicht werden, ist die Ausschreibung unverzüglich zu löschen.

Dritter Unterabschnitt
Sonstige Verarbeitung von Daten

§ 43
Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten nur für Zwecke speichern, verändern und nutzen, für die die Daten erhoben worden sind. Für andere Zwecke kann er personenbezogene Daten nur speichern, verändern und nutzen, wenn die Daten für diese Zwecke mit den Mitteln hätten erhoben werden dürfen, mit denen sie zulässigerweise erhoben worden sind.

(2) Der Polizeivollzugsdienst kann insbesondere auch personenbezogene Daten, die er im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht, sind die Daten zu löschen.

(3) Die Dauer der Speicherung ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. Für automatisierte Dateien sind Termine festzulegen, an denen spätestens überprüft werden muß, ob die suchfähige Speicherung von Daten weiterhin erforderlich ist (Prüfungstermine). Für nichtautomatisierte Dateien und Akten sind Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen festzulegen. Dabei sind der Speicherungszweck sowie Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen.

(4) Die nach Absatz 3 festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen dürfen bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre nicht überschreiten. In Fällen von geringerer Bedeutung sind kürzere Fristen festzusetzen. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfaßt worden ist, das zur Speicherung von Daten geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung des Betroffenen aus einer Justizvollzugsanstalt oder der Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung.

(5) In den Fällen des § 39 Abs. 1 Nr. 2 kann abweichend von Absatz 4 eine längere Frist festgelegt werden. Wird nach Fristablauf die Aufbewahrung fortgesetzt, ist nach spätestens drei Jahren eine erneute Prüfung durchzuführen.

(6) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten auch zur Aus- und Fortbildung nutzen. Die Anonymisierung kann unterbleiben, wenn diese nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist oder dem Aus- und Fortbildungszweck entgegensteht und jeweils die berechtigten Interessen des Betroffenen an der Geheimhaltung der Daten nicht offensichtlich überwiegen.

§ 44
Datenübermittlung an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann außer in den Fällen des § 16 SächsDSG personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sowie an über- oder zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit er hierzu durch über- oder zwischenstaatliche Vereinbarungen über polizeiliche Zusammenarbeit berechtigt oder verpflichtet ist.

(2) Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die Verwendung der übermittelten Daten nur zu dem Zweck erfolgen darf, zu dem sie übermittelt wurden.

(3) Die Übermittlung unterbleibt, soweit Grund zu der Annahme besteht, daß sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigen würde.

§ 45
Datenübermittlung an nichtöffentliche Stellen

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann von Amts wegen personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der ihm durch dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erforderlich ist.

(2) Der Polizeivollzugsdienst kann auf Antrag an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs personenbezogene Daten übermitteln, soweit der Antragsteller

1.
ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Interessen des Betroffenen der Übermittlung entgegenstehen, oder
2.
ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, offensichtlich ist, daß die Datenübermittlung im Interesse des Betroffenen liegt, und kein Grund zu der Annahme besteht, daß er in Kenntnis der Sachlage seine Einwilligung verweigern würde.

(3) § 44 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 46
Datenabgleich

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten der in §§ 4 und 5 genannten Personen mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann der Polizeivollzugsdienst nur abgleichen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Der Polizeivollzugsdienst kann ferner die im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgaben erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Für die Dauer des Datenabgleichs kann der Betroffene angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

§ 47
Rasterfahndung

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann von öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies

1.
zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder
2.
zur Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 36 Abs. 1)

erforderlich ist. Rechtsvorschriften über Berufs- oder besondere Amtsgeheimnisse bleiben unberührt.

(2) Das Übermittlungsersuchen ist auf die in§ 18 Abs. 3 genannten und die sonstigen im Einzelfall erforderlichen Daten zu beschränken. Ist ein Aussondern der zu übermittelnden Daten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, so können die weiteren Daten ebenfalls übermittelt werden. Eine Verwendung dieser weiteren Daten ist unzulässig.

(3) Die Rasterfahndung kann nur durch die in § 39 Abs. 3 genannten Dienststellenleiter oder durch einen von diesen beauftragten Beamten mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern angeordnet werden. Von der Maßnahme ist der Sächsische Datenschutzbeauftragte unverzüglich zu unterrichten. Ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden kann, sind die übermittelten und die im Zusammenhang mit der Maßnahme zusätzlich angefallenen Daten zu löschen und die Unterlagen zu vernichten, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten erforderlich sind.

§ 48
Automatisiertes Abrufverfahren

(1) Das Staatsministerium des Innern kann zur Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Polizeidienststellen des Freistaates Sachsen automatisierte Abrufverfahren im Sinne des § 8 Abs. 1 SächsDSG einrichten.

(2) Das Staatsministerium des Innern kann zur Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben mit anderen Ländern und dem Bund einen Datenverbund vereinbaren, der eine automatisierte Datenübermittlung zwischen Polizeidienststellen ermöglicht.

§ 49
Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten

Hinsichtlich der Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten durch den Polizeivollzugsdienst sind die §§ 18 bis 20 SächsDSG mit der Maßgabe anzuwenden, daß eine Löschung nach § 19 Abs. 4 SächsDSG auch dann unterbleibt, wenn

1.
die Daten zur Behebung einer bestehenden Beweisnot unerläßlich sind oder
2.
die Nutzung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken erforderlich ist.

§ 50
Errichtungsanordnung

(1) Vor dem erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren, mit denen Polizeidienststellen personenbezogene Daten verarbeiten, sind in einer Errichtungsanordnung die in § 10 Abs. 1 SächsDSG genannten Angaben festzulegen.

(2) Die Errichtungsanordnung bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern. Vor dem erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren nach Absatz 1 ist der Sächsische Datenschutzbeauftragte zu unterrichten.

§ 51
Auskunft

Der Polizeivollzugsdienst erteilt Auskunft über die von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten nach § 17 SächsDSG; er ist jedoch nicht verpflichtet, über die Herkunft der Daten Auskunft zu erteilen, soweit dadurch die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährdet würde.

Vierter Abschnitt:
Entschädigung

§ 52
Voraussetzungen

(1) In den Fällen des § 7 Abs. 1 kann der Unbeteiligte, gegenüber dem die Polizei eine Maßnahme getroffen hat, eine angemessene Entschädigung für den ihm durch die Maßnahme entstandenen Schaden verlangen. Dies gilt nicht, soweit die Maßnahme zum Schutz seiner Person oder seines Vermögens getroffen worden ist.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, soweit die Ersatzpflicht wegen Maßnahmen nach § 7 Abs. 1 in besonderen gesetzlichen Vorschriften geregelt ist.

§ 53
Inhalt, Art und Umfang der Entschädigung

(1) Entschädigung nach § 52 wird grundsätzlich nur für Vermögensschaden gewährt. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgeltes hinausgeht, und für Nachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der polizeilichen Maßnahme stehen, ist Entschädigung nur zu gewähren, wenn und soweit dies zur Abwendung unbilliger Härten geboten erscheint.

(2) Bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder bei einer Freiheitsentziehung ist auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, angemessen auszugleichen; dieser Anspruch ist nicht übertragbar und nicht vererblich, es sei denn, daß er rechtshängig geworden oder durch Vertrag anerkannt worden ist.

(3) Die Entschädigung wird in Geld gewährt. Hat die zur Entschädigung verpflichtende Maßnahme die Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder eine Vermehrung der Bedürfnisse oder den Verlust oder die Beeinträchtigung eines Rechtes auf Unterhalt zur Folge, so ist die Entschädigung durch Entrichtung einer Rente zu gewähren. § 760 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist anzuwenden. Statt der Rente kann eine Kapitalabfindung verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein anderer dem Geschädigten Unterhalt zu gewähren hat.

(4) Stehen dem Geschädigten Ansprüche gegen Dritte zu, so ist, soweit diese Ansprüche nach Inhalt und Umfang dem Entschädigungsanspruch entsprechen, die Entschädigung nur gegen Abtretung dieser Ansprüche zu gewähren.

(5) Bei der Bemessung der Entschädigung sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Art und Vorhersehbarkeit des Schadens und ob der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme der Polizei geschützt worden ist. Haben Umstände, die der Geschädigte zu vertreten hat, zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens beigetragen, so hängt die Verpflichtung zur Entschädigung sowie der Umfang der Entschädigung insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend durch die Polizei oder den Geschädigten verursacht worden ist.

§ 54
Ansprüche mittelbar Geschädigter

(1) Im Falle der Tötung sind im Rahmen des § 53 Abs. 5 die Kosten der Bestattung demjenigen zu ersetzen, dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zu einem Dritten in einem Verhältnis, auf Grund dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so kann der Dritte im Rahmen des § 53 Abs. 5 insoweit eine angemessene Entschädigung verlangen, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhaltes verpflichtet gewesen wäre. § 53 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 sind entsprechend anzuwenden. Die Entschädigung kann auch dann verlangt werden, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

§ 55
Verjährung des Entschädigungsanspruchs

Der Anspruch auf die Entschädigung verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Anspruchsberechtigte von dem Schaden und dem Entschädigungspflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des schädigenden Ereignisses an.

§ 56
Entschädigungspflichtiger

Zur Entschädigung ist der Staat oder die Körperschaft verpflichtet, deren Bediensteter die Maßnahme getroffen hat. Ist die Maßnahme von einem Polizeibediensteten auf Weisung einer Polizeibehörde getroffen worden, so ist der Träger der Polizeibehörde zur Entschädigung verpflichtet.

§ 57
Rückgriff gegen den Verantwortlichen

(1) Die nach § 56 entschädigungspflichtige Körperschaft kann von den nach den §§ 4 oder 5 Verantwortlichen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, wenn sie auf Grund des § 52 Abs. 1 Satz 1 eine Entschädigung gewährt hat.

(2) Sind mehrere Personen nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

§ 58
Rechtsweg

Für Ansprüche nach den §§ 52 bis 57 ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Zweiter Teil:
Die Organisation der Polizei

Erster Abschnitt:
Gliederung und Aufgabenverteilung

§ 59
Allgemeines

Die Organisation der Polizei umfaßt

1.
die Polizeibehörden,
2.
den Polizeivollzugsdienst mit seinen Bediensteten (Polizeibedienstete).

§ 60
Zuständigkeitsabgrenzung

(1) Für die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben sind die Polizeibehörden zuständig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Polizeivollzugsdienst nimmt die polizeilichen Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint.

(3) Für die Wahrnehmung der Befugnisse nach den §§ 18 bis 27 ist auch der Polizeivollzugsdienst zuständig.

§ 61
Vollzugshilfe

(1) Der Polizeivollzugsdienst leistet auf Ersuchen von Gerichten und Behörden Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die ersuchende Stelle nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügt oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise durchsetzen kann.

(2) Der Polizeivollzugsdienst ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Im übrigen gelten die Grundsätze der Amtshilfe entsprechend.

(3) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

§ 62
Verfahren

(1) Vollzugshilfeersuchen sind schriftlich zu stellen; Grund und Rechtsgrundlage der Maßnahme sind anzugeben.

(2) In Eilfällen kann das Ersuchen formlos gestellt werden, es ist jedoch auf Verlangen unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

(3) Die ersuchende Stelle ist von der Ausführung des Ersuchens zu verständigen.

§ 63
Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung

(1) Hat das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Inhalt, ist auch die richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung vorzulegen oder in dem Ersuchen zu bezeichnen.

(2) Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat der Polizeivollzugsdienst die festgehaltene Person zu entlassen, wenn die ersuchende Stelle diese nicht übernimmt oder die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

(3) § 22 Abs. 4 bis 6 und Abs. 7 Satz 4 gilt entsprechend.

Zweiter Abschnitt:
Die Polizeibehörden

§ 64
Arten der Polizeibehörden

(1) Allgemeine Polizeibehörden sind

1.
die zuständigen Staatsministerien als oberste Landespolizeibehörden,
2.
die höheren Verwaltungsbehörden als Landespolizeibehörden,
3.
die Landratsämter und die Kreisfreien Städte als Kreispolizeibehörden,
4.
die Gemeinden als Ortspolizeibehörden.

(2) Die Aufgaben der Kreis- und der Ortspolizeibehörden sind Weisungsaufgaben; das Weisungsrecht ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften unbeschränkt.

(3) Besondere Polizeibehörden sind alle anderen Polizeibehörden. Ihr Aufbau wird durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 65
Dienstaufsicht

(1) Es führen die Dienstaufsicht über

1.
die Landespolizeibehörden: das Staatsministerium des Innern,
2.
die Kreispolizeibehörden: die höheren Verwaltungsbehörden und das Staatsministerium des Innern,
3.
die Ortspolizeibehörden:
a)
in den kreisfreien Städten: die höheren Verwaltungsbehörden und das Staatsministerium des Innern,
b)
im übrigen: die Landratsämter, die höheren Verwaltungsbehörden und das Staatsministerium des Innern.

(2) Das Staatsministerium des Innern führt die Aufsicht jeweils im Benehmen mit dem fachlich zuständigen Staatsministerium.

§ 66
Fachaufsicht

Es führen die Fachaufsicht über

1.
die Landespolizeibehörden: die zuständigen Staatsministerien,
2.
die Kreispolizeibehörden: die höheren Verwaltungsbehörden und die zuständigen Staatsministerien,
3.
die Ortspolizeibehörden
a)
in den kreisfreien Städten: die höheren Verwaltungsbehörden und die zuständigen Staatsministerien,
b)
im übrigen: die Landratsämter, die höheren Verwaltungsbehörden und die zuständigen Staatsministerien.

§ 67
Weisungsrecht und Unterrichtungspflicht

(1) Die zur Dienstaufsicht oder zur Fachaufsicht zuständigen Behörden können den allgemeinen Polizeibehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit uneingeschränkt Weisungen erteilen. Die allgemeinen Polizeibehörden haben diesen Weisungen Folge zu leisten.

(2) Leistet eine allgemeine Polizeibehörde einer ihr erteilten Weisung keine Folge, so kann an Stelle dieser Behörde jede zur Fachaufsicht zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen treffen.

(3) Die allgemeinen Polizeibehörden sind verpflichtet, die weisungsbefugten Behörden von allen sachdienlichen Wahrnehmungen zu unterrichten.

§ 68
Allgemeine sachliche Zuständigkeit

(1) Die sachliche Zuständigkeit der Polizeibehörden wird vom fachlich zuständigen Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung bestimmt, soweit keine gesetzliche Regelung getroffen ist.

(2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die Ortspolizeibehörden sachlich zuständig.

§ 69
Besondere sachliche Zuständigkeit

(1) Erscheint bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der sachlich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar, so können deren Aufgaben von den in § 66 bezeichneten zur Fachaufsicht zuständigen Behörden wahrgenommen werden.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann jede Polizeibehörde innerhalb ihres Dienstbezirkes die Aufgaben einer übergeordneten Polizeibehörde wahrnehmen.

(3) Die zuständige Polizeibehörde ist von den getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten.

(4) Diese Bestimmungen gelten nicht für Polizeiverordnungen.

§ 70
Örtliche Zuständigkeit

(1) Die örtliche Zuständigkeit der Polizeibehörden beschränkt sich auf ihren Dienstbezirk.

(2) Örtlich zuständig ist die Polizeibehörde, in deren Dienstbezirk eine polizeiliche Aufgabe wahrzunehmen ist. Das fachlich zuständige Staatsministerium kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung etwas anderes bestimmen:

(3) Erscheint bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der örtlich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar, so kann auch die für einen benachbarten Dienstbezirk zuständige Polizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen. Die örtlich zuständige Polizeibehörde ist von den getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten.

(4) Kann eine polizeiliche Aufgabe in mehreren Dienstbezirken zweckmäßig nur einheitlich wahrgenommen werden, so wird die örtliche Zuständigkeit von der Behörde geregelt, welche die Fachaufsicht über die beteiligten Polizeibehörden führt. Die Regelung kann auch von der Landespolizeibehörde oder der obersten Landespolizeibehörde getroffen werden.

Dritter Abschnitt:
Der Polizeivollzugsdienst

§ 71
Polizeidienststellen und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst

(1) Der Freistaat Sachsen unterhält für den Polizeivollzugsdienst folgende Polizeidienststellen:

1.
das Landespolizeipräsidium im Staatsministerium des Innern,
2.
das Landeskriminalamt,
3.
die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste,
4.
das Präsidium der Bereitschaftspolizei und die ihm nachgeordneten Dienststellen der Bereitschaftspolizei,
5.
die Polizeipräsidien und die ihnen nachgeordneten Polizeidienststellen.

(2) Der Freistaat Sachsen unterhält für den Polizeivollzugsdienst die erforderlichen Ausbildungs- und Beschaffungseinrichtungen.

§ 72
Aufgaben des Staatsministeriums des Innern

(1) Das Staatsministerium des Innern ist oberste Dienstbehörde und Führungsstelle des Polizeivollzugsdienstes.

(2) Das Staatsministerium des Innern kann sich oder einer anderen Polizeidienststelle nachgeordnete Polizeidienststellen vorübergehend unmittelbar unterstellen, wenn die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben dies erfordert.

(3) Erscheint bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden des Staatsministeriums des Innern nicht erreichbar, so kann auch die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste oder ein Polizeipräsidium Maßnahmen nach Absatz 2 treffen. Das Staatsministerium des Innern ist unverzüglich zu unterrichten.

§ 73
Aufgaben und Gliederung der Polizeidienststellen

Die Gliederung des Polizeivollzugsdienstes in Polizeidienststellen und deren Aufgaben werden im Rahmen dieses Gesetzes vom Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung bestimmt.

§ 74
Dienstaufsicht und Fachaufsicht

(1) Die Dienstaufsicht üben aus

1.
das Staatsministerium des Innern über das Landeskriminalamt, das Präsidium der Bereitschaftspolizei und die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste,
2.
das Staatsministerium des Innern und die höheren Verwaltungsbehörden über die Polizeipräsidien,
3.
das Präsidium der Bereitschaftspolizei und das Staatsministerium des Innern über die nachgeordneten Dienststellen der Bereitschaftspolizei,
4.
das Staatsministerium des Innern, die höheren Verwaltungsbehörden und die Polizeipräsidien über die den Polizeipräsidien nachgeordneten Polizeidienststellen.

(2) Die Fachaufsicht üben aus

1.
das Staatsministerium des Innern über das Landeskriminalamt, das Präsidium der Bereitschaftspolizei und die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste,
2.
die zuständigen Staatsministerien und die höheren Verwaltungsbehörden über die Polizeipräsidien,
3.
das Präsidium der Bereitschaftspolizei und das Staatsministerium des Innern über die nachgeordneten Dienststellen der Bereitschaftspolizei,
4.
die zuständigen Staatsministerien, die höheren Verwaltungsbehörden und die Polizeipräsidien über die den Polizeipräsidien nachgeordneten Polizeidienststellen.

(3) Die Fachaufsicht über die kriminalpolizeiliche Tätigkeit der Polizeidienststellen wird, unbeschadet der Befugnisse der übrigen zur Fachaufsicht zuständigen Stellen, vom Landeskriminalamt ausgeübt.

(4) Im übrigen kann das Staatsministerium des Innern durch Rechtsverordnung weitere Regelungen über die Dienst- und Fachaufsicht über die nachgeordneten Polizeidienststellen und die Ausbildungs- und Beschaffungseinrichtungen für den Polizeivollzugsdienst treffen.

(5) Die zur Dienstaufsicht oder zur Fachaufsicht zuständigen Stellen können den Polizeidienststellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Weisungen erteilen. Die Polizeidienststellen haben diesen Weisungen Folge zu leisten. Sie sind verpflichtet, die weisungsbefugten Stellen von allen sachdienlichen Wahrnehmungen zu unterrichten.

§ 75
Weisungsrecht der Kreis- und Ortspolizeibehörden

Die Kreis- und Ortspolizeibehörden können den Polizeidienststellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit fachliche Weisungen erteilen.

§ 76
Örtliche Zuständigkeit

Die Polizeidienststellen sind im ganzen Landesgebiet zuständig; sie sollen in der Regel jedoch nur in ihrem Dienstbezirk tätig werden.

§ 77
Amtshandlungen von Polizeibediensteten anderer Länder und des Bundes im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen

(1) Polizeibedienstete eines anderen Bundeslandes können im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen Amtshandlungen vornehmen

1.
auf Anforderung oder mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern,
2.
in den Fällen der Artikel 35 Abs. 2 und 3 und 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung Entwichener, wenn die zuständige Stelle die erforderlichen Maßnahmen nicht treffen kann,
4.
zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben im Zusammenhang mit Transporten von Personen oder Sachen,
5.
zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten und zur Gefahrenabwehr in den durch Verwaltungsabkommen mit anderen Bundesländern geregelten Fällen.

In den Fällen der Nummern 3 und 4 ist die zuständige Polizeidienststelle unverzüglich zu unterrichten.

(2) Werden Polizeibedienstete eines anderen Bundeslandes nach Absatz 1 tätig, haben sie die gleichen Befugnisse wie die des Freistaates Sachsen. Ihre Maßnahmen gelten als Maßnahmen derjenigen Polizeidienststellen, in deren örtlichem und sachlichem Zuständigkeitsbereich sie tätig geworden sind. Sie unterliegen insoweit deren Weisungen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Polizei- und Grenzzollbedienstete des Bundes entsprechend.

(4) Vollzugsbedienstete anderer Staaten mit polizeilichen Aufgaben können im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen polizeiliche Amtshandlungen vornehmen, soweit dies durch völkerrechtliche Vereinbarungen geregelt ist.

§ 78
Amtshandlungen von Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches

(1) Die Polizeibediensteten des Freistaates Sachsen dürfen im Zuständigkeitsbereich des Bundes oder eines anderen Bundeslandes nur dann tätig werden, wenn das Bundesrecht oder das jeweilige Landesrecht es vorsieht. Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Polizeibediensteten nur tätig werden, soweit dies durch völkerrechtliche Vereinbarungen geregelt ist.

(2) Einer Anforderung von Polizeikräften durch den Bund oder ein anderes Bundesland soll entsprochen werden, soweit nicht die Verwendung der Polizeikräfte im Freistaat Sachsen dringender ist als die Unterstützung des Bundes oder des anderen Bundeslandes.

Dritter Teil:
Sonstige Bestimmungen

§ 79
Einschränkung von Grundrechten

Durch polizeiliche Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes können im Rahmen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates Sachsen eingeschränkt werden

1.
das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
2.
die Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
3.
die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 30 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen),
4.
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 33 der Verfassung des Freistaates Sachsen).

§ 80
Gemeindliche Vollzugsbedienstete

(1) Die Ortspolizeibehörden können sich zur Wahrnehmung bestimmter auf den Gemeindebereich beschränkter polizeilicher Vollzugsaufgaben gemeindlicher Vollzugsbediensteter bedienen. Das Staatsministerium des Innern bestimmt durch Rechtsverordnung, welche polizeilichen Vollzugsaufgaben auf gemeindliche Vollzugsbedienstete übertragen werden können. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes bleibt unberührt.

(2) Die gemeindlichen Vollzugsbediensteten haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Stellung von Polizeibediensteten im Sinne Elieses Gesetzes.

(3) Die Ortspolizeibehörden machen öffentlich bekannt, welche polizeilichen Vollzugsaufgaben auf gemeindliche Vollzugsbedienstete übertragen sind.

§ 81
Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft

Das Staatsministerium des Innern kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz durch Rechtsverordnung bestimmen, daß Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, die mit der Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben betraut sind, ohne einer Polizeidienststelle anzugehören, die Stellung von Polizeibediensteten im Sinne dieses Gesetzes haben.

§ 82
(außer Kraft)

§ 83
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Dresden, den 30. Juli 1991

Der Ministerpräsident
In Vertretung
Dr. Rudolf Krause
stellvertretender Ministerpräsident

Der Staatsminister des Innern
Dr. Rudolf Krause

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Verweis auf Bundesgesetze

    Fundstelle und systematische Gliederungsnummer

    SächsGVBl. 1994 Nr. 53, S. 1541
    Fsn-Nr.: 22-1

    Gültigkeitszeitraum

    Fassung gültig ab: 31. Dezember 1998

    Fassung gültig bis: 30. Juni 1999